59.Kapitel
Unzählige Gedanken überfluten ihre Handlungsmöglichkeiten, als würde ihr Wunsch sich zu bewegen in ihren Nerven im Stau stehen, blockiert von Gedanken und Emotionen der letzten Minuten und Stunden, die ihr Körper nicht schafft zu verarbeiten.
Nur im Stop and Go gehts voran.
Sie kann nicht begreifen, wie man dazu fähig ist, sich über Jahre hinweg eine Entführung einzubilden und Alles andere auszublenden, die Wahrheit nicht zu akzeptieren und in der eigenen Welt zu leben.
Für Siri, die, wenn es um Medien und Nachrichten geht, sehr leichtgläubig ist, eine vollkommen unbegreifliche Vorstellung.
Meine Vorstellungskraft ist zu gering um überhaupt Nachts richtig zu träumen, wie könnte man sich dann eine Schein-Welt über Jahre hinweg einbilden?
Ein klein wenig Mitleid hat sie auch mit ihm, dass er All das erleben musste, aber es überwiegt bei ihr die Verachtung.
Zuerst war sie froh gewesen, dass er nur ein normaler Mensch ist und das Geld nicht von der Mafia oder anderen kriminellen Organisationen war, doch jetzt ist sie sich nicht mehr ganz so sicher, ob ihr ein geistig verwirrter, unberechenbarer Psycho lieber ist, als ein Mafiaboss, der wenigstens rational handelt.
Langsam löst sich der Stau in ihrer Nervenbahn auf und sie schafft es sich aus der Starre zu lösen.
War das der Plan von Sven?
Mich mit Informationen zu überfluten, um mich handlungsunfähig zu machen?
Vermutlich ist er gleich schon bei ihm
Ich muss irgendwie die Adresse rausbekommen
Du wirst dafür büßen!
Dafür sorge ich höchstpersönlich
Anders als Siri, spürt Sven nur reinste Wut und Verachtung gegen Tore.
Er hat uns allen so viel Leid zugefügt
Vor allem mir!
Sven ist froh, dass seine unberechenbare Pistole nun doch noch seine richtige Nutzung findet. Zwar nicht zu Verteidigung, aber das ist Sven egal.
Hauptsache es ist für die richtige Person.
Sven hat die ganze Zeit nur nach seiner Adresse gesucht, ihm interessierten weder seine Vorgeschichte, noch seine Gründe. Sven konnte sich schon gut vorstellen, wenn gegen jemanden so ein Shitstorm ausbricht, würde sicher auch seine Adresse von paar übermotivierten Journalisten veröffentlicht werden.
Und er hatte Recht.
Mit 20Kmh über die erlaubte Geschwindigkeit rast er durch die Straßen. Links und rechts von ihm ziehen die Häuser an ihm vorbei. Sein Fuß fühlt sich wie festgewachsen an, auf dem Gaspedal. Selbst wenn er es wollen würde, könnte er nicht langsamer fahren.
Nichts wird mich jetzt noch aufhalten
Sven hatte so viele schöne Pläne mit Nora und dem Geld. Urlaub, neues eigenes Haus, endlich mal ein entspanntes Leben, was er und vorallem Nora sich verdient hatten.
Doch dann musste dieser Psycho alles kaputt machen
Frustriert schlägt er aufs Lenkrad.
Die volle Stärke der Trauer spürt er noch nicht. Momentan ärgert er sich nur darüber, dass er nicht mit Nora in den Urlaub fahren kann. Die komplette Bandbreite des Verlusts hat er noch nicht realisiert und versucht es mit aller Macht zu verdrängen.
Ich werde nie wieder sehen, wie sie nachmittags von der Schule kommt und von ihrem Schultag erzählt.
Nie wieder werde ich sie umarmen können
,,Nein!"
Niemals wird sie ihren ersten Freund mit nach Hause bringen
Ich werde nie erleben, wie sie die Schule beendet, vielleicht studiert und eine erwachsene Frau wird
,,Stop, nicht jetzt", schreit er und schlägt wieder aufs Lenkrad.
Sie wird für immer ein Kind bleiben
Mein totes Kind
,,Hör auf", mit der Handfläche schlägt er sich mehrfach gegen die Wange, als könnte er so die Gedanken vertreiben.
Ich habe jetzt keine Zeit dafür
Erst als sein Navi ihm verkündet, dass er das Ziel erreicht hat, tritt er auf die Bremse und kommt schlitternd und quitschend vor der Aufahrt zum Stehen.
Das ist es also
Es ist quasi das typische moderne weiße Neubauhaus, auch wenn man es genauso gut als einen Viereckigen weißen Klotz bezeichnen könnte. Seine Ankunft wird wohl kaum unbemerkt geblieben sein, da von der 1.Etage aus Vier Fenster zur Straße ausgerichtet sind.
Man sieht zweifellos, dass Tore Geld hat. Vom Vandalismus, der hier vor Zwei Jahren stattfand, ist gar nichts mehr zu sehen.
Sven vergräbt sein Gesicht in seinen Händen und versucht seine Falten zu lockern.
Konzentriere dich!
Du machst das für Nora
Er tastet in seiner Jackentasche nach der Pistole und steigt aus.
Das Blut hat nun auch endlich aufgehört aus der Wunde zu fließen.
Er kann sich nicht dran erinnern, wie er vom Keller nun ins Wohnzimmer an sein Esstisch gekommen ist und dennoch sitzt er nun hier.
Eine Spur aus roten Punkten führt vom Keller über die weiße Treppe bis hin zur Küche und dann zu seinem Platz.
Gedankenverloren inspiziert er seinen Verband, den er sich wohl ebenfalls in der Zeit angelegt hatte.
Der Bereich um seine Knöchel herum ist dunkel verfärbt und dick angeschwollen. Normalerweise müsste er deswegen schnell zum Arzt, bevor sich seine Verletzung entzündet, doch der Verband wird fürs Erste reichen müssen. Tore spürt bisher nur das Pochen in seinen Händen, den Schmerz nimmt er kaum wahr. Vorsichtig versucht er seine Finger zu bewegen. Das Pochen verstärkt sich direkt um ein Vielfaches und scheinen seine Bewegung zu blockieren.
Von der Couch aus schaut ihn Bailey traurig an, fast so als weiß sie genau, was in Tore vorgeht und sich deshalb nicht traut, sich ihm zu nähern, auch wenn sie genau weiß, dass es seinem Herrchen nicht gut geht und sie ihn eigentlich trösten muss.
Die Zeitungsartikel im Keller scheinen seine Gedanken beeinflusst zu haben. Noch einen Moment länger im Raum und er hätte vermutlich selbst angefangen diese Lügen zu glauben.
Das darf niemals passieren
Nur ich weiß die Antwort!
Auch wenn er im Moment die Wahrheit nicht im Kopf formulieren kann, er weiß, dass er sie weiß.
Er wusste es auch die ganze Zeit zuvor.
Deswegen sitzt er nun auch tatenlos im Wohnzimmer, statt zum Arzt zu gehen.
Tore wartet darauf, dass sich seine Gedanken wieder klären, gereinigt von den falschen Wahrheiten der Medien, damit er sich von niemanden beeinflussen lässt.
Denn das wird passieren
Sie werden alle kommen und mich beeinflussen wollen
Er hört sie kommen, angekündigt durch quietschenden Reifen.
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