56.Kapitel
Weiterhin 2 Jahre zuvor...
Tore schlägt die Haustür zu und geht einfach los.
Vorbei an seinem Auto, über den Schotterweg in den Wald.
Unter seinen Füßen merkt er den Übergang vom Knirschen der Kieselsteine, zum matschigen Klatschen des Waldbodens und das Knacken der Äste, die er mit seinen Füßen zertritt.
Mit schnellen Schritten schafft er Abstand zwischen sich und dem Haus, bis es nach wenigen Minuten nur noch ein roter Punkt am Horizont ist.
Erst dann verlangsamt er sein Tempo und merkt, wie außer Atem er durch sein schnelles Schritttempo ist.
Er hatte sich eigentlich gar nicht als Ziel genommen in den Wald zu gehen und sich dann auch noch so weit vom Haus zu entfernen, aber bei seiner Wut konnte er weder nachdenken, noch einfach so anhalten.
Langsam kommen seine Gedanken wieder zurück, die er in den letzten Minuten komplett ausgeblendet hat.
Sie schlagen wie ein Sommergewitter über ihn ein.
Wieso behauptet sie sowas?
Warum behauptet er sowas?
Und warum glaubt sie ihm?!
Mehr als mir
Ich schlage meinen Sohn nicht!
Oder?
Tore weiß nicht mehr, was er glauben soll.
Bis vor paar Stunden glaubte er noch, dass Mats negative Stimmung vom möglichen Mobbing in der Schule kommt. Das Gespräch von Julie und Mats, das er belauscht hat, versuchte er so gut es geht auszublenden oder so zu tun, als hätte er sich verhört.
Doch jetzt, als Julie es ihm direkt vorgeworfen hat, es ihm sogar ins Gesicht gesagt hat, weiß er nicht mehr was er glauben soll.
Sein Schädel raucht und pocht vor Überlastung durch den Sturm an Gedanken, der durch seinen Kopf fegt.
,,Kapiere es doch endlich, du bist ein gewaltätiger Vater"
Er wollte es mit aller Macht vermeiden, dass sich diese Stimme zu ihm durchkämpft, doch schlussendlich ist sie zu stark.
Seit seiner Kindheit verfolgt sie ihn.
,,Nein bin ich nicht!", schreit Tore in den Wald.
Als Antwort kommt aus dem Wald nur Vogelgezwitscher zurück.
,,Was dachtest du denn wer dir antwortet? Die gute Julie? Ganz bestimmt nicht. Sie ist sicher schon weg"
,,Halt den Mund!"
,,Und du redest sogar mit dir selbst. Wie tief willst du eigentlich noch sinken?"
,,Jetzt sei ruhig und verzieh dich!"
Tore hat schon längst die Umgebung um sich herum ausgeblendet. Die Geräusche der Natur werden komplett von der Stimme übertönt.
Sie scheint aus allen Richtungen zu kommen.
,,Fast hättest du ja sogar grad deine eigene Frau verletzt."
Kurz verschlägt es Tore die Sprache. Er würde gerne etwas darauf erwidern, aber er kann sich nicht mal mehr an die letzten Minuten erinnern. Dennoch fühlt es sich für Tore an, als hätte die Stimme Recht.
,,Wie fühlt es sich eigentlich an sein eigenes Kind zu schlagen und dann auch fast die gute Julie? Fühlst du dich jetzt mächtig?"
,, Nein ich...!",
ich mache sowas nicht...
Oder...?
Je länger er mit der Stimme diskutiert, desto schwerer fällt es ihn Lüge von Wahrheit zu unterscheiden.
,,Bist sicher mega stolz auf dich, deine Familie unter Kontrolle zu haben. Kommt als Nächstes Leila dran?"
Der höhnische Unterton der Stimme lässt ihn immer weiter in sich zusammensinken.
,,Du bist das, was du niemals werden wolltest. Du bist, wie dein Vater. Und du bist stolz drauf!"
Tore rennt los.
Wie vom Teufel gejagt ,sprintet er zurück zum Haus, als könnte er so der Stimme entkommen.
Doch sie verfolgt ihn weiter und bleibt sein ständiger Begleiter.
Mit einem lauten Knall schlägt die Tür zu.
Julie zuckt dabei leicht zusammen.
Langsam rollt ihr eine Träne über die Wange.
Erst als Julie jetzt tief Luft holft, merkt sie, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hat.
Es war so eine blöde Idee
So fürchterlich
Julie wollte ihn mit dem Alkohol lockerer machen und dann normal mit ihm reden, ihn möglicherweise zu einer Therapie überreden.
Sie hatte niemals vor, ihn irgendwie zu beschuldigen, doch ein falscher Satz ließ die ganze Stimmung kippen.
Noch nie hatte sie Angst vor Tore, doch in dem Moment, als er aufgesprungen ist und sie mit diesem erzürnten Blick angestarrt an, seine Hand um ihre Schulter, seine wütende Stimme, die er vorher noch nie so von ihm gehört hatte.
Julie kann es nicht mehr leugnen, sie hat panische Angst vor ihm.
Weitere Tränen rollen ihr übers Gesicht.
Erst, als sie nun aufsteht und einen stechenden Schmerz im Fuß spürt, merkt sie, dass Tore die Weingläser umgestoßen hat.
Sie ist in eine große Scherbe getreten und ihr Blut vermischt sich mit dem Rotwein auf dem Boden.
,,Scheiße", haucht Julie mit tränenerstickter Stimme.
,,Scheiße, Scheiße, Scheiße!",
Humpelnd bewegt sie sich zum Badezimmer.
Hoffentlich haben die Kinder das Alles nicht mitbekommen
Ein penentranter Geruch, den sie schon leicht wahrgenommen hat, als sie das erste Mal das Haus betrat, lässt ihre Nase rümpfen, als sie zum Badezimmer humpelt.
Sie schenkt dem aber keine Beachtung.
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