54.Kapitel
Was hat er da grad gesagt?
Siri versucht seine letzten Worte ins Gedächtnis zu rufen, doch sie verschwimmen immer wieder.
Tausende Fragen jucken ihr unter den Fingernägeln, doch sie wartet, bis sich Sven langsam aufrichtet und von selbst weiterredet.
Ich muss mich verhört haben
Anders kann das gar nicht sein
Unter schmerzhaften Stöhnen steht er auf, hinkt zur Couch und nimmt sich seinen Laptop.
Vollkommen irritiert bleibt Siri mitten im Raum stehen, neben der Leiche von Svens Tochter. Im Augenwinkel behält sie sie im Blick, falls sich das Mädchen plötzlich doch noch bewegt.
Es wirkt so unglaublich absurd und respektlos. Svens Tochter ist gestorben, er selbst hat offensichtlich auch was abbekommen, doch statt mit dem Reden anzufangen, ins Krankenhaus zu fahren oder um seine verstorbene Tochter zu trauern, stürzt er sich nur auf seinem Laptop.
Warum musst du jetzt deine Mails checken?!
,,Was stimmt mit dir nicht?!", will Siri ihn wütend anfauchen, stattdessen kommt nur ein leises unsicheres Krächzen raus.
,, Ich kenne ihn", wiederholt er nur.
Oh Gott ich habe mich also nicht verhört!
Als hätte sie einen kräftigen Schlag einstecken müssen, weicht sie erstmal ein Schritt zurück. Mit dem heutigen Tag ist es auch nicht mehr zu leugnen, dass der Besitzer des Geldes sie gefunden hat und nun Jagd auf sie macht. Der Mord am Fitnessstudio hätte noch ein tragischer Zufall sein können, aber zwei weitere Morde in kurzer Zeit, die uns direkt betreffen, sind ein klares Muster.
Und als nächstes sind wir womöglich dran
,,Was soll das heißen du kennst ihn?"
Und warum hast du das nicht schon gesagt, als er uns vom Fitnessstudio aus verfolgt hat?!
Dann fällt Siri wieder ein, dass nur sie sein Gesicht wirklich erkennen konnte bei der Flucht.
Und Sven sie, wegen der Hetzjagd, für verrückt hielt.
,,Ich weiß halt, wer er ist, also glaube ich. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich habe ihn irgendwo mal gesehen."
Jetzt ist Siri noch verwirrter, als zuvor.
Sven antwortet nicht, stattdessen tippt er weiter auf seinen Laptop ein.
,,Tore Malmquist", stößt Sven schließlich aus Heiterem Himmel aus.
Dieser Schuss.
Ihr Gesicht, in einem Moment noch verängstigt und wild kreischend, im nächsten plötzlich still und nur noch eine rote Masse.
Das Blut, ihr Blut, dass ihm direkt ins Gesicht spritzte.
Von jetzt auf gleich einfach Tod.
Sie hat den Übergang vermutlich nicht mal gemerkt
Leben,Tod
Sie ist Tod und das wollte er auch, aber nicht so.
Er wollte selbst den Abzug drücken und jetzt, als sie sich quasi selbst erschossen hat, fühlt es sich für Tore komisch an.
Der Schuss hat ihn innerlich betäubt.
Tore hat dem Mann noch Drei Tritte verpasst, damit er nicht die Waffe auf ihn richten kann.
Er hätte die Waffe auch selbst nehmen können, den Mann erschießen können, doch so weit konnte er in dem Moment nicht denken.
Er stieg einfach in sein Wagen und fuhr davon.
Tore ignorierte den Mann, das Geld und die Frau, die draußen wenige Schritte von ihm entfernt stand.
Unfähig selbst zu handeln, zieht ihn eine unsichtbare Kraft, weg von all den Menschen.
Erst nach mehreren Kilometern kommt er an einer roten Ampel zum Stehen.
Eine dieser Ampeln, die immer rot sind, egal wann man sie anfährt.
Rechts neben ihm hält ebenfalls ein Auto.
Eine Frau sitzt am Steuer, den Blick nach vorne gerichtet.
Auf der Rückbank schläft ein Junge in eine Decke gehüllt im Kindersitz und daneben sitzt ein deutlich älteres Mädchen und schaut gebannt auf ihr Handy.
Vor Tore überquert ebenfalls eine Frau mit ihren zwei Kindern die Straße.
Die Kinder rennen über die Straße, während die Mutter hinter ihnen hergeht und sie ermahnt aufzupassen und nicht zu stolpern.
Tore weiß aus eigener Erfahrung als Vater, dass gefühlt jedes Mal eines der Kinder stolpert und sich die Knie aufschlägt.
Und irgendwann ab eines bestimmten Alters hört es dann plötzlich auf, als wird man immun gegen Stürze. Oder zumindest gegen Schürfwunden.
Ich vermisse diese Zeit so sehr
Ich vermisse die leichten und schwereren Zeiten
Ich vermisse euch
Tore fühlt sich, als macht die ganze Welt sich grad über ihn lustig und jeder ihm heute zeigen,wie schön es ist Kinder zu haben.
Hört auf es mir reinzudrücken
Ich weiß, dass meine weg sind!
Ungeachtet dessen, ob die Ampel noch rot ist, drückt Tore das Gaspedal durch, als die Frau die Straße verlässt und lässt das Auto mit der Mutter
und den Zwei Kindern hinter sich.
Als Antwort bekommt er dafür ein Hupkonzert aus allen möglichen Richtungen.
Es ist doch nicht meine Schuld!
Warum muss es mir jetzt jeder reindrücken?
Seit Tore vom Haus des Mannes losgefahren ist, kommt es ihm so vor, als fährt er einfach nur ziellos umher. Auch wenn sein Kopf ein klares Ziel hat, ein Ziel, was ihn zu sich zieht, kann er es selbst noch nicht verstehen.
Er fühlt sich, als hätte sein Körper ihn jede Möglichkeit der Handlung einfach genommen.
Er fühlt sich, wie ferngesteuert.
Tore fährt einfach weiter, dorthin wo ihn seine Hände hinlenken.
Er kann nichts dagegen machen.
Es geschieht einfach.
Nach 10 Minuten Fahrt kommt er an.
In Gedanken versunken, nimmt er gar nicht wahr, wie er das Auto in die Einfahrt abstellt, die Haustür aufschließt und sein Haus betritt.
Nein das passiert jetzt nicht
Bitte nicht
Willenlos geht er durch den Flur, die Treppen runter in den Keller.
Er hat sich geschworen, diesen Raum nie mehr zu betreten.
Es wurde ihn von so vielen unterschiedlichen Therapeuten geraten.
Mit aller Macht versuchte er, den Raum aus seiner Erinnerung zu verdrängen, doch es zog ihn die ganze Zeit magisch an, bis er sich nun nicht mehr dagegen wehren kann.
Er dreht den Schlüssel im Schloss, öffnet den Raum und geht hinein.
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