50.Kapitel
Tore dreht sich um.
Warum genau er sich zur Tür gedreht hat, weiß er nicht.
Es gab kein Geräusch, das seine Aufmerksamkeit erregte.
Vielleicht war es ein Luftzug, vielleicht auch einfach nur ein ungutes Gefühl.
Er wendet sich von den Bildern des Mädchens ab.
Und schaut ihr direkt ins Gesicht.
Leicht zitternd steht sie vor ihm. Sie hat, wie auf den Bildern, dieses Funkeln in den Augen, doch diesmal scheint es nicht vor Freude zu sein.
Ihre Augen strotzen vor Entschlossenheit und Wut.
Erst dann gleitet sein Blick runter zum glänzenden Gegenstand in ihrer Hand.
Eine Pistole.
In den Händen eines Kindes.
Mit ihren beiden Händen richtet sie die Waffe auf ihn.
Für den Bruchteil einer Sekunde stellt er sich vor, sie wäre Leila.
Ein unvorstellbarer Gedanke, sie jemals mit einer Waffe in der Hand zu sehen und sie dann auch noch auf ihn zu richten.
Doch das Mädchen vor ihm ist nicht Leila.
Sie wirkt deutlich ernster und auch älter als seine Tochter, auch wenn sie vermutlich im selben Alter ist.
Nichts von der Kindlichen Freude und Sorglosigkeit von den Bildern ist bei ihr zu sehen.
Sie macht auf Tore auch den Anschein, dass sie weiß wie man mit einer Waffe schießt, auch wenn es genauso aussieht, als könnte der Rückstoß der Pistole ihre kleinen zierlichen Hände geradezu zerschmettern.
,,Keine Bewegung", sagt sie mit leicht zittriger Stimme und stellt sich breitbeinig vor ihm hin.
Da hat wohl jemand zu viele Polizisten Filme gesehen
Nach mehreren Sekunden Fassungloser Starre, schafft es nun Tore, zu reagieren.
Langsam hebt er die Hände.
,,Das ist ein großes Missverständis."
,,Schwachsinn. Du bist kein Freund meines Vaters. Ich kenne alle seine Freunde. Du bist hier wegen des Geldes."
Das heißt das Geld ist tatsächlich hier!
Und sie haben es noch
Tore lässt nun seine Fassade fallen.
,,Also gut, du weißt also von dem Geld?"
..Natürlich weiß ich davon. Ich bin doch nicht blöd. Auch wenn Papa sich große Mühe gegeben hat es vor mir zu verheimlichen",antwortet Nora.
Sie scheint durch den Wortwechsel immer mehr an Sicherheit zu gewinnen. Das Zittern in ihrer Stimme ist nahezu komplett verschwunden.
,,Na gut, aber das Geld gehört mir."
,,Nein mein Vater hat es gefunden. Es gehört uns und du willst es klauen."
,,Das lasse ich aber nicht zu", fügt sie noch mit Nachdruck hinzu und stärkt den Griff um ihre Waffe.
Das läuft ganz fürchterlich
,,Nein das ist mein Geld. Ich habe es im Fitnessstudio gelassen und dein Vater hat es geklaut."
,,Schwachsinn. Es ist unser Geld. Und wieso hast du es überhaupt da gelassen?"
Soll ich es ihr erzählen?
Eigentlich darf ich davon niemanden erzählen
Andererseits kriege ich mein Geld sonst nicht wieder
,,Jetzt gib mir einfach das Geld!", sagt Tore und geht ein Schritt auf sie zu.
Das Mädchen zuckt zusammen und macht einen Sprung nach hinten.
,,Ich warne dich. Ich werde schießen!"
,,Ich brauche das Geld. Meine Kinder wurden entführt!"
Für einen kurzen Augenblick scheint sie die Fassung zu verlieren. Offensichtlich hätte sie mit so einer Antwort nicht gerechnet.
Es ist das erste Mal, dass Tore es laut ausspricht. Jetzt ist es kein Geheimnis mehr, nun ist er nicht mehr der einzige der davon weiß.
Auch wenn es nur ein Kind ist, ist es für Tore eine Befreiung endlich darüber zu reden.
Nora hat in der Zeit ihre Sicherheit zurückgewonnen.
,,Quatsch. Das käme sonst in den Nachrichten."
Das dauert viel zu lange
"Sperr' deine Tochter doch nicht in ein Keller"
"Kein Kind sollte ein Zimmer im Keller haben"
"Schämst du dich für sie oder warum ist ihr Zimmer im Untergeschoss?"
Diese und ähliche Reaktionen bekam Sven zu hören, jedesmal wenn das Thema aufkam, dass Noras Zimmer im Keller ist.
Sven schämt sich ganz bestimmt nicht für sie.
Er hat es gemacht, weil sie ihm so wichtig ist. Sein eigenes Schlafzimmer befindet sich im Obergeschoss und besonders im Sommer ist das für ihn nicht auszuhalten.
Dieses Leid wollte er Nora ersparen.
Auch seine Frau war zuerst skeptisch, ob ein Kind im Keller leben sollte, aber schlussendlich hat er sich durchgesetzt und Nora hat sich nie darüber beschwert.
Und da es im Keller in ihrem Zimmer den ganzen Tag kühl ist, hält sie sich auch den Großteil des Tages dort auf.
Doch diesmal anscheinend nicht.
Deswegen verlässt Sven wieder ihr Zimmer und geht die Treppe zurück in den Flur.
,,Keine Bewegung!"
Sven hält schockiert inne, als er ihre Stimme aus dem Wohnzimmer hört.
Er hat noch nie diesen Tonfall bei Nora gehört.
Ihre Stimme strotzt vor Angst, Wut, aber auch Entschlossenheit.
Er hört oft, wie sie mit jemanden telefoniert, wobei sie auch manchmal bisschen lauter wird, aber so ernst hat er sie noch nie sprechen hören.
Sven rennt die letzten Treppenstufen hoch und bleibt vor dem Wohnzimmer stehen.
,,Meine Kinder wurden entführt!" Zum ersten Mal hört Sven nun auch eine andere, fremde, erwachsene Stimme.
Wer ist das?
Sicher kein Freund von ihr
,,Ach Qutasch. Das käme sonst in den Nachrichten", hört er Nora antworten.
Was ist da drinnen los?!
Zaghaft klopft Sven an der Tür.
,,Nora ist alles in Ordnung?"
Sven drückt die Klinke runter und tritt ins Wohnzimmer.
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