넷
Iseul reagiert nicht, als ihre Mutter besorgt ihr Zimmer betritt. Sie reagiert auch nicht, als ihre Mutter beunruhigt näher an das Bett tritt und ihre eine Hand auf die Schulter legt.
Es ist schon spät Abends und eigentlich hätte Iseul schon lange zu Abend essen sollen, aber sie verspürt keinen Hunger, nicht einmal für ihre Lieblingsschokolade mit den kleinen Himbeerstückchen.
Etwas widerwillig hebt sie den Kopf und bedeutet ihrer Mutter, dass es ihr gut geht und sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Eine Lüge, eine große Lüge.
Iseul ist sich sicher, dass ihre Mutter die Lüge erkannt hat, aber ihre Mutter nickt nur schwach und verlässt schließlich doch den Raum.
@ ma-seokjin
Tanzen ist so verdammt
anstrengend ㅠㅠ
@ morgentau-
Du tanzt?
@ ma-seokjin
Ja. Mit meinen Freunden.
Wir sind zu 7.
@ morgentau-
Zu 7? Wow.
Wer auch immer Seokjin ist, er muss ziemlich beliebt sein.
Iseul kann sich noch nicht einmal in ihren Träumen vorstellen, so viele Freunde zu besitzen.
@ ma-seokjin
Bist du wieder zu Hause?
@ morgentau-
Ja.
Iseul zögert eine ganze Weile, ehe sie das kleine, einsame Wörtchen abschickt.
Was sollte Seokjin schon mit dieser Information anfangen?
@ ma-seokjin
Wie war es bei deiner
Freundin?
@ morgentau-
Ganz lustig.
@ ma-seokjin
Wow, das klingt
nicht gerade begeistert.
@ morgentau-
Vielleicht, weil ich
nicht begeistert bin.
Iseuls Finger schweben sekundenlang unschlüssig über der Tastatur. Sollte sie ihm etwas von heute erzählen?
Oder gleich die ganze Wahrheit?
@ ma-seokjin
Habt ihr euch gestritten?
@ morgentau-
Nein.
@ ma-seokjin
Willst du darüber
reden?
@ morgentau-
Nein. Es geht dich
nichts an.
Das klingt fieser als beabsichtigt, aber tief in ihr drin weiß Iseul, dass sie noch nicht bereit ist jemandem von ihren Problemen zu erzählen.
Sie behält es lieber noch für sich.
@ ma-seokjin
Tut mir Leid.
Ich wollte nicht so
neugierig klingen.
Iseul antwortet ihm nicht mehr, sondern wirft ihr Handy frustriert auf die Bettdecke, um ihre Boxen anzuschalten, volle Lautstärke und Bass, so wie immer.
Sie zieht ihre Schuhe aus und stellt sie endlich ordentlich neben ihr Bett.
Dann kann sie ihre Füße auf den Boden stellen, sodass sie das vibrieren des Basses besser fühlen kann.
Iseul lächelt zufrieden, als das Vibrieren des Basses ihre empfindlichen Füße kitzelt und schließt für einen Moment seelig die Augen.
Nur noch fühlen.
Dieses Mal startet ihre Mutter noch nicht einmal den Versuch, die Musik abzuschalten.
Vermutlich, weil sie weiß, wie schlecht es ihrer Tochter geht.
Iseul hat jegliches Zeitgefühl verloren. Als sie die Box etwas bedauernd ausschaltet, hat sie keine Ahnung wie spät es bereits ist.
Einzig allein die schwärze, die sie hinter ihrem Zimmerfenster begrüßt, verrät ihr, dass es schon sehr spät sein muss.
Ein Blick auf ihre Digitaluhr neben dem Bett bestätigt sie in ihrer Annahme.
22:53 Uhr.
Ihre Mutter lag bestimmt schon seit einer Stunde im Bett und döste erschöpft vor sich hin.
Leise zieht sie ihre Hausschuhe über, um zum Bad zu tapsen.
Im Flur ist kein Licht mehr, aber sie braucht kein Licht, um den Weg zu finden.
Sie kennt den Weg in und auswendig.
Nachdem sie sich die Zähne geputzt und das Gesicht gewaschen hat, starrt sie für einige Sekunden ihr Spiegelbild an.
Vor sich sieht sie ein junges Mädchen, schwächlich und klein. Ihre Wangen sind so blass, dass sie einen kränklichen Schimmer haben. Durch die Blässe stechen ihre rosanen, vollen Lippen viel mehr hervor und Iseul versucht sich an einem kleinen Lächeln, dass in ihrem Spiegelbild eher gequält und ängstlich aussieht.
Sie streicht sich eine widerspenstige, schwarze Strähne hinter das Ohr. Iseul hält sich selbst nicht für besonders hässlich, sie ist aber auch nicht außergewöhnlich schön, jedenfalls glaubt sie das.
Sie ist viel zu unauffällig, schmächtig, zu unscheinbar, farblos.
Frustriert kaut sie auf ihrer Lippe und dreht sich von ihrem Spiegelbild weg, um zurück zu ihrem Zimmer zu laufen, wo sie sich gleich niedergeschlagen auf ihrem Bett niederlässt.
Sie schließt die Augen und unterdrückt die aufkommenden Tränen, so gut es geht. So etwas wie heute war ihr schon lange nicht mehr passiert.
Wie auch? Sie sitzt ja die meiste Zeit über zu Hause. Und wenn, dann ist ihre Mutter stets dabei und kümmert sich um alle sozialen Angelegenheiten.
Iseul fühlt sich einsam und hilflos. Sie würde sich gerne jemandem mitteilen, Freunde finden, sich mit den Nachbarn über das wechselnde Wetter unterhalten, aber sie kann nichts von all dem.
Ihre Finger suchen Halt in der blauen Bettdecke und sie starrt einige Sekunden stumm nach vorne, bevor sie fast schon hektisch nach ihrem Handy greift.
@ morgentau-
Ich bin müde.
@ ma-seokjin
Dann solltest du
Schlafen gehen.
@ morgentau-
Das meinte ich nicht.
@ ma-seokjin
Was dann?
@ morgentau-
Ich bin müde von
meinem eintönigen
Leben.
@ ma-seokjin
Woah, ist alles
in Ordnung?
@ morgentau-
Nein. War es noch
nie.
@ ma-seokjin
Willst du darüber
reden?
@ morgentau-
Ich wurde heute
angerempelt.
@ ma-seokjin
Manche Leute sollten
definitv besser aufpassen
und nicht ständig in ihr
Handy klotzen.
@ morgentau-
Das finde ich auch.
@ ma-seokjin
Hat die Person sich
entschuldigt?
@ morgentau-
Nein. Sie hat mich
beschuldigt.
@ ma-seokjin
Was hat sie gesagt?
Iseul wischt sich hastig eine Träne von der Wange, die sich ihren Weg in die Freiheit erkämpft hatte.
Was hatte er gesagt? Was sollte sie auf diese Frage antworten?
Vielleicht, kommt es ihr dann, kann sie nicht einmal in diesem Chat eine normale Person sein.
Ihre Beeinträchtigung findet sie sogar hier, in diesem Chat mit Seokjin.
@ morgentau-
Er war ziemlich
wütend.
@ ma-seokjin
So ein unhöflicher
Mensch. Hast du ihm
deine Meinung gegeigt?
@ morgentau-
Ich wünschte, ich
könnte das.
@ ma-seokjin
Du hast ihn einfach so
davongehen lassen?
Nachdem er dich
angerempelt und
beschuldigt hat?
@ morgentau-
Ich konnte nicht
anders.
@ ma-seokjin
Möchtest du reden?
So richtig?
Wir könnten telefonieren?
@ morgentau-
Jetzt bin ich doch müde.
Ich lege mich schlafen.
Gute Nacht.
Iseul wartet nicht einmal mehr auf eine Antwort. Ihre Tränen strömen mittlerweile schon unkontrolliert über ihre Wangen und sie wirft frustriert ihr Handy weg.
Sie ist noch nicht bereit, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen, immerhin kennt sie ihn gar nicht.
Erschöpft lehnt sie sich etwas zurück und zieht ihre Decke höher, bis an die Nase und atmete schwer aus.
Ihr Handydisplay leuchtet auf und verkündet ihr eine neue Nachricht, aber sie verspürt keine Lust, danach zu greifen.
Stattdessen dreht sie sich auf die Seite und vergräbt ihr Gesicht in ihr Kissen, dass ihre Tränen sofort aufsaugt.
Iseul ist nicht wirklich müde, aber sie weiß auch nichts anderes mit sich anzufangen.
Sie könnten Lesen, aber dazu brennen ihre Augen zu sehr, also beschließt sie, sie zu schließen.
Jetzt ist alles dunkel. Eine der wenigen Sinne, die ihr noch geblieben sind, einfach so weg.
Schnell öffnet sie wieder die Augen, um sie gleich darauf wieder zu schließen.
Wieso kann sie nicht einfach so sein, wie andere Mädchen in ihrem Alter?
•••
[ 1128 Wörter ]
Vielleicht wird die Story doch ein wenig länger, als geplant. Whoops.
Btw..mein Wattpad speichert seit kurzem keine Tags mehr? Wieso?
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