Wieder da
Kapitel 1
Dawn
Meine Knie brauchten eine gefühlte Ewigkeit, um mein Gewicht aufrecht halten zu können. Es war, als bräuchten meine Zellen einige Minuten, um sich wieder zusammenzusetzen und den Körper zu formen, der mir vertraut war. Ich fühlte mich zerrissen und wieder zusammengesetzt. Anders und doch gleich. Doch alles, was ich dabei denken konnte war, dass ich mich in meinem ganzen Leben noch nie so 'neben mich' gefühlt hatte wie in diesem Augenblick. Scheiße.
Dieses beschissene, Drecks-Labyrinth hatte mich definitiv durch den Fleischwolf Gedreht.
Der Sichelmond auf meiner Stirn brannte, fühlte sich wund an. Wie eine Schürfwunde, bei der kein Blut floss, aber die man mit jeder Bewegung spürte. Doch aufhalten lassen tat man sich davon nicht.
Die Kälte des Asphalts drang langsam aber sicher durch den dünnen Seidenpyjama direkt in meinen Körper. Ich würde sicher gleich zu schlottern anzufangen, wenn ich nicht langsam meinen Hintern hochbekam.
Ich tat es oder versuchte es zumindest, trotz meiner schmerzenden Muskeln auf den Beinen zu bleiben. Ich schwankte bedrohlich, schaffte es aber auf meine nackten Füße zu bleiben, indem ich mich an der rauen Wand abstütze.
Trotz all dieser Strapazen ,der Hektik und allem anderen, sammelte sich in ein fast hysterisches Lachen in meinen Hals, das an die Oberfläche wollte, um dieses Gefühl der absoluten Verwirrung und Desorientierung Herr zu werden.
Was zum Teufel war da eigentlich gerade passiert?
Ich war in einem Labyrinth gewesen, das mich getestet hatte. Einen Test, den ich nicht bestanden hatte und von dem aus ich mir mein Weg zurück auf die Erde hatte erkaufen müssen.
Fuck.
Das hysterische Lachen in meiner Kehle wurde zu einem Schluchzen, als es endlich hervortrat.
Fuck. Fuck. Fuck.
Als meine Zellen sich wieder alle an ihren Platz zu befinden schienen, versuchte ich mich auf etwas anderes zu konzentrieren und griff fast instinktiv nach, den mir mittlerweile sehr bekannten Verbindung in meinem Inneren..
Das Gefühl des Gefährtenbandes, das in meinem Geist stark und stabil vor sich hin schwang, sorgte dafür, dass sich das Schluchzen in meiner Kehle löste und ich vor Erleichterung fast wieder schwankte. Tränen brannten mir in den Augen. Tränen der Freunde, denn Cillias und Vihaan waren am Leben und sie waren in der Nähe. Ich wusste es, ich spürte es!
Fast wäre ich wieder an der Wand nach unten gerutscht, doch dann spürte ich noch etwas. Dicht an meiner Haut, unter meinem Pyjama... Fieps.
"Fieps!", entfuhr es mir und ich wartete darauf, dass meine Leichenratte reagierte und seinen kleinen Kopf durch die Knopfreihen steckte, um mich aus großen, verwirrten Augen anzusehen.
Gott sei Dank. Fieps schien es gutzugehen und wenn Vihaans Gefährtengeschenk seinen Weg mit mir zurück auf die Erde gefunden hatte, dann...
"Nuth!", rief ich durch die Gasse und betrachtete zum ersten Mal wirklich meine Umgebung. Eine Sackgasse.
Kalt, feucht, stinkend. Der typische Geruch einer Großstadt Seitenstraße, wo sich die Mülltonnen stapelten. Das Miauen aus einer der besagten Tonnen ließ mich aufhorchen. Es raschelte und ich torkelte mit schwachen Beinen auf den Abfallbehälter zu.
Es war nicht schwer, den Deckel beiseite zu schieben, auch wenn es mir eine Gänsehaut verpasste, das Metall anzufassen. Ekelhaft.
Nuth. Sie sah zwischen dem Abfall und nutzt sofort die Chance aus der stinkenden Tonne herausspringen und sich mit lautstarken Miauen über den Dreck in ihrem mitternachtsschwarzen Fell zu beklagen, das nun wieder Sterne und Galaxien zeigte. Nicht so wie in diesem weißen Nichts.
Ich bückte mich, um die Reste einer Plastikverpackung von ihrem Hinterbein zu lösen, das sie trotz enthusiastischem Scheuern nicht abbekam, doch sie weicht zurück.
Ich erschrak, als sie begann zu fauchen und sich ihre Form zu diesem nackten, mit Stacheln besetzten Etwas verwandelte, welches so bedrohlich knurren konnte, dass es jeden in Angst und Schrecken versetzte.
Doch das Knurren galt nicht mir, das wusste ich spätestens als auch Fieps, sich auf meine Schulter setzte und das Fell sträubte. Gefahr.
"Na, was haben wir den da? Seh' ich da spitze Ohren?" fragte eine sehr hohe, fast quäkende Stimme und als ich meinen Kopf drehte, bemerkte ich einen schlackigen Typen mit eingefallenen Wangen und deutlich hervorstehenden Kiefer, der es ihm fast unmöglich machte, seine Fänge zu verbergen.
Ein Vampyr. Ein Alb. Und hinter ihm war ein zweiter. Etwas kleiner, aber bulliger und beide hatten kahl rasierte Schädel und nur unzureichend sitzende Kleidung.
"Ja, das sind spitze Ohren. Sieht aus, als hätte sich eine Fee im Blutviertel verlaufen. Wie ungünstig. Wie heißt du den, Süße?" fragte der Bulligere und alleine an der Tatsache, dass sie mich als Fee und nicht als Elbin bezeichneten wusste ich, dass diese Typen keine besonders hohe Stellung in der Hierarchie der Alben konnte, denn es hatte sich niemand die Mühe gemacht ihnen die richtige Bezeichnung einzubläuen. Sofern sie es überhaupt wussten. Wahrscheinlich waren es einfache Straßenbanditen, die durch das Blutviertel und dessen nähere Umgebung zogen.
Immer auf der Suche nach neuen Opfern und ich war ein gefundenes Fressen für sie.
Scheiße.
"Verpisst euch, ich bin nicht eure Mahlzeit!", spuckte ich ihnen entgegen, denn einem Vampyr seine Angst zu offenbaren war dümmer als wegzulaufen. Nuth näherte sich ihnen ein paar Schritte und der schlaksige grinste breiter, seine Fänge waren nicht so lang wie Vihaans, aber dank des Überbisses dennoch sehr präsent.
"Eines von diesen Clum-Dingern! Heute ist unser Glückstag, Ed! Das Vieh ist ein Vermögen wert und dann noch mit einer Fee", sabberte er und seine Augen nahmen einen merkwürdigen Glanz an.
"Verletz' es nicht! Der Händler nimmt nur unversehrte Ware. Sie ist hübsch genug, um in seinen Harem zu enden, er macht die besten Preise für Feen."
"Elben! Ihr unterbemittelten Idioten!", entfuhr es mir, denn ich hatte es satt, dass über mich geredet wurde, als wäre ich nicht da und nachdem ich das Labyrinth überlebt hatte und Cillias und Vihaans Nähe spürte, fühlte ich mich mutig.
Ob das aber auch clever war, wusste ich nicht. Wahrscheinlich nicht, aber ich hatte mein ganzes Leben über immer den Kopf eingezogen und ich würde mich sicherlich nicht kampflos geschlagen geben. Schon gar nicht, wenn sie Nuth verkaufen wollten.
Cillias hatte gesagt, er hätte sie vom Schwarzmarkt vor dem Schlachter bewahrt. Feenfleisch war eine Art Droge für Vampyre.
"Oh, es ist frech. Er mag frech. Frech gibt einen höheren Preis. Frech ist immer gut, ich mag es, wenn sie sich wehren", entfuhr es den Schlaksigen und der andere, Ed, ermahnte seinen Kumpanen wieder.
Sie stellten sich nebeneinander und kamen näher.
"Vergiss nicht: Nicht kaputtmachen!"
"Nur ein bisschen, Spaß. Komm schon, ich stopf' ihr das Maul. Ich liebe es, wenn sie heulen", meinte der schlacksige und ich beschloss, diesem Widerling bei der ersten Gelegenheit den Schwanz abzuschneiden, doch erst einmal wich ich zurück.
Ich hatte keine Chance ihnen zu entkommen, sie versperrten den einzigen Fluchtweg, aber als mich das letzte Mal ein Typ angegriffen hatte, habe ich ihn gegrillt. Meine Chancen standen also gut, dass ich das wiederholen könnte.
Ich versuchte mich auf meine Magie zu konzentrieren, sie hervorzuholen, auch wenn es nur das typische Elbenlicht war, dass wohl absolut jeder Elb heraufbeschworen konnte. Ich hatte nicht wirklich vor, eine Lichtershow abzuziehen und noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
Doch ich hatte nie gelernt, mit meiner Magie umzugehen und war sonst immer bemüht, sie zu verheimlichen, um eben nicht aufzufallen.
Dennoch versuchte ich es, als sie noch näher kamen und Nuth richtig böse zu werden schien, den die Stacheln auf ihren Körper wurden größer und sie sah aus, als würde sie den schlaksigen Typen direkt anspringen wollen.
Ich spürte das leichte Prickeln in meinen Fingerspitzen und war fast davon überzeugt, dass es mir gelingen könnte, als ein unfassbarer Schmerz durch meinen Kopf schoss und die Sichel auf meiner Stirn begann zu brennen wie die Hölle.
Die Magie, die sich eben noch in meiner Hand gesammelt hatte, wurde von ihr regelrecht angesaugt und als es die Sichel erreichte ... verpuffte das Licht und ... ich war leer.
Fuck.
Nein, nein. Nein!
"Ui, was war das denn? Du bist wirklich was Besonderes, oder? Du wirst dich sehr, sehr gut beim Händler machen!", meinte dieser Ed und betrachtete mich noch einmal von Kopf bis Fuß. Diesmal mit einer Gier, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, besondern weil ich wusste, dass ich diesmal niemanden würde grillen können, um mich zu verteidigen.
Denn das war der Preis gewesen, um zurückzukommen. Dieser Geist hat mir offenbar meine Magie genommen.
Fuck!
Ich sprang zur Seite, war aber nicht schnell genug, als sie auf mich zustürmten. Der bullige schaffte es meinen Arm zu greifen und obwohl ich mir fast die Schulter dabei auskugelte, ihm zu entkommen und ich mit meinen Nackten Fußen um mich trat ,wie eine Furie, hielt er mich fast mühelos in seinem Griff. Sein Lachen schepperte wie Geschirr durch die Sackgasse.
"Du bist kaum stärker als ein Mensch, Süße!", entfuhr es ihm amüsiert und spürte, wie sich meine Fänge aus meinem Kiefer schoben und ihn anfauchten bevor ich ihm meinen Ellenbogen ins Gesicht rannte.
Währenddessen hatte Nuth den Schlaksigen angegriffen und es geschafft, ihn zu Fall zu bringen. Er lag auf dem Rücken wie ein Käfer und versuchte meine Wildgewordenen Fee abzuwehren.
"Du Miststsück!", entfuhr es Ed und der Schlag, den er mir daraufhin versetzte, war so heftig, dass ich spürte, wie etwas in meinem Gesicht brach. Ein Wangenknochen vielleicht? Ich wusste es nicht, ging aber direkt zu Boden und auch als Fieps ihm ins Gesicht sprang, ähnlich wie Elias damals, wusste ich, dass es diesmal nicht so glimpflich für mich enden würde. Er schleuderte meine Ratte von sich und trat mir in den Bauch, noch bevor ich mich wieder aufrappeln konnte.
Die Luft wurde aus meinem Körper gedrückt und ich war sicher, dass ein paar Rippen einen Knacks erlitten hatten, doch als ich mit dem Hinterkopf hart auf den Asphalt aufkam, überdeckte dieser Schmerz alles, und nahm mir die Sicht.
Alles verschwamm und als ich dann Ed über mir sah und erneut seine Sohle auf mich zukam, wusste ich, dass er mir entweder den Kopf zermalmen oder mir zumindest das Bewusstsein nehmen würde. Fuck.
Der Tritt kam und alles wurde schwarz.
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Der erste Band 'Dawnfall-Halbblut' ist bereits in der Rohfassung vollständig auf Patreon zu lesen. Aber er erscheint auch in einer Überarbeiteten Version Ende 2024 als E-Book, Taschenbuch und Hardcover
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