5. Geständnis
»Hey, Dennis! Erde an Dennis! Schläfst du?«
»Äh, was? Was ist los?«
»Was schaust du denn so verträumt?«
Mit immer noch leicht irritiertem Blick schaute Dennis erst Mik, dann uns an. Ich legte fragend den Kopf schief
»Egal«, wollte der Beta ablenken, doch ehe er sich versah, schmiss sich Mik mit einem lauten Kampfschrei auf ihn. Erschrocken kippte Dennis zur Seite um und landete in der Wiese, auf der wir jetzt in der Mittagspause wieder einmal saßen. Ich beobachtete, wie die beiden sich kabbelten, während Tobi neben mir einfach nur gedankenverloren auf einen Grashalm blickte, den er zwischen den Fingern drehte. Er war wieder einmal still geworden und innerlich seufzte ich auf. Er war wirklich nicht mehr zu vergleichen mit dem fröhlichen und aufgeweckten Tobi, der mir noch vor einigen Stunden so glücklich von dem Jungen erzählt hatte, der ihn angesprochen hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass auch er von den Alpha bedrängt worden war und jedes Mal war er danach so ungewohnt schweigsam und in sich gekehrt gewesen. Und auch wenn es dieses Mal noch harmlos gewesen war, schien es ihm mehr zu schaffen zu machen, als ich dachte. Dennoch beschloss ich, ihm die Ruhe zu lassen, die er gerade brauchte und wandte mich wieder meinen beiden Beta-Freunden zu, die ihren Kampf inzwischen beendet hatten.
»Also? Und sag nicht, dass nichts ist.«, forderte Mik den Jungen mit den zerzausten Haaren neben ihm gerade auf. Dennis' Blick schien am Boden festzukleben.
»Okay. Aber versprecht mir bitte, es für euch zu behalten.«, bat er leise. Sofort nickten wir.
»Ist doch klar«, flüsterte Tobi fast schon.
»Gut. Ich glaube ... Ich glaube, ich habe mich verliebt«, beichtete er uns. Kurz herrschte Schweigen, das ich schließlich durchbrach.
»Hey, ist doch toll. Wer ist denn der Glückliche?«
Kostas schluckte, es schien ihm viel Überwindung zu kosten.
»Louis.«
Ich verschluckte mich und musste husten. Louis war einer der Alpha aus Max' Freundeskreis und dabei kein Stück besser als die anderen Alpha seiner Gruppe. Kostas konnte doch unmöglich diesen Louis meinen, oder? Andererseits kannte ich keinen anderen Louis in unserer Jahrgangsstufe und auch aus den Jahren unter und über uns wollte mir keiner einfallen. Tatsächlich konnte ich, als ich dort hin sah, wo Kostas die ganze Zeit so verträumt hingestarrt hatte, einige Jungs aus Max' Gruppe erkennen, darunter auch Louis.
»Wir reden von dem gleichen Louis?«, fragte ich vorsichtshalber trotzdem noch einmal nach. Dennis nickte leicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber da keiner meiner anderen Freunde den Anschein machte, als würde er so schnell wieder ein Wort hervorbrngen blieb mir nichts anderes übrig.
»Okay. Was ... Was findest du an ihm?«, erkundigte ich mich vorsichtig. Sofort wurde Dennis' Gesichtsausdruck wieder abwesend und schwärmerisch, als er zu reden begann:
»Er sieht einfach perfekt aus. Er ist immer makellos gestylet und ist einfach heiß. Außerdem ist er mutig, er hat vor nichts Angst. Und wenn du seine Stimme hörst ...«
Ich bemerkte, wie Tobi Dennis einfach nur fassungslos anstarrte, während Miks Blick undeutbar geworden war. Bildete ich mir das nur ein oder war er ein Stück von Dennis weggerutscht? Die beiden waren beste Freunde seitdem ich sie kannte, bisher schier unzertrennlich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas sie nun außeinanderreißen könnte. Aber momentan schien es fast den Eindruck zu machen, weder Mik noch Tobi schienen Verständnis für Dennis' Schwärmerei zu haben. Und ich? Hatte ich Verständnis?
Nein, einerseits konnte ich beim besten Willen nicht verstehen, was Dennis an so einem Großmaul wie Louis finden konnte. Dennis war immer einer der ruhigsten und friedliebensten Menschen gewesen, die ich kannte. Und ausgerechnet er sollte auf so einen Bully wie Louis stehen? Fast erschien es mir wie ein schlechter Scherz. Andererseits wollte ich mich unter keinen Umständen deswegen von ihm abwenden, im Gegenteil. Dennis schien fest überzeugt zu sein, dass Louis ein guter Typ war und wenn er sich tatsächlich Chancen bei ihm erhoffte würde er in Zukunft gute Freunde brauchen. Entweder würde Louis ihn abweisen und ihn somit in tiefen Liebeskummer stürzen, oder aber, schlimmer noch, Louis würde sich tatsächlich auf ihn einlassen. In diesem Fall war ich mir ganz sicher, dass er Dennis nur ausnützen würde. Das durften wir auf keinen Fall zulassen, ich wollte nicht, dass es einem meiner Freunde schlecht ging. Ich musste Dennis irgendwie zeigen, wie Louis wirklich war.
»Pass bitte auf, Dennis. Louis ist nicht der, für den du ihn hältst. Er wird dir nur weh tun.«, bat ich ihn vorsichtig, jedoch stieß ich auf Unverständnis. Dennis wirkte fast schon traurig, als er mich ansah und seine, wie es schien wohl gewählten Worte hervorbrachte:
»Du kennst ihn doch gar nicht, Stegi. Bitte urteile nicht über ihn, so lange du ihn nicht kennst. Ich bin mir sicher, er ist nicht so wie du denkst.«
Ich schluckte, nickte jedoch. Ich konnte einfach nichts einwenden, konnte Dennis nicht daran erinnern, dass ich Louis sehr wohl kannte. Dass ich seine Schläge und Tritte kannte und seine Hände an meinem Körper. Dass ich mir ziemlich sicher war, dass er genau so war wie ich dachte. Aber Dennis wirkte auch so schon so verzweifelt, dass ich es einfach nicht übers Herz brachte.
»Jungs?«, wandte er sich ängstlich an Tobi und Mik, die immer noch kein Wort gesagt hatten. Ich konnte sehen, wie Tobis Augen verräterisch glänzten, doch er versuchte, seine Stimme fest klingen zu lassen.
»Mach bitte nichts unüberlegtes. Und sprich mit uns, bevor du etwas unternimmst, okay?«, bat er Dennis bloß. Dieser nickte erleichtert. Dafür liebten wir alle Tobi. Er war für uns da, wenn wir ihn brauchten. Obwohl Mik ganz konzentriert den Boden musterte, war ich mir sicher, dass er sich bewusst war, dass nun alle Aufmerksamkeit auf ihm lag.
»Miki? Was ist? Bitte lass mich nicht im Stich!«, flehte Dennis erneut leise und unsicher. Endlich hob der Dunkelhaarige den Kopf und ich erschrak kurz über den Ausdruck seiner Augen, bevor er sanft lächelte. In diesem Moment wusste ich, dass dieses Lächeln nichts weiter war als eine Maske. Auch er hatte Angst um seinen besten Freund.
»Keine Sorge, Dennis. ich würde dich niemals im Stich lassen.«, beruhigte er seinen besten Freund leise, der ihm erleichtert zunickte.
»Danke. Ihr seid die besten Freunde, die man sich wünschen kann.«
Erneut ließ er seinen Blick in die Runde wandern, bevor er den Kopf erneut in die Richtung drehte, in der die Alpha standen. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter. Jedoch verspannte er sich augenblicklich nervös, als die Gruppe sich laut lachend und sich unterhaltend in Bewegung setzte - geradewegs auf uns zu. Ich konnte förmlich spüren, wie meine drei Freunde sich anspannten und auch ich musste die Angst unterdrücken, die in mir aufkommen wollte und die Maske der Teilnahmslosigkeit erneut zurecht rucken. Die Alpha waren zum Glück nur zu dritt, neben Louis und Nils nur noch ein dritter, den ich nicht näher kannte. Ich glaubte allerdings zu wissen, dass er Lennard oder so hieß. Sie waren nur noch wenige Schritte von uns entfernt und ich konnte das hämische Grinsen auf ihren Gesichtern sehen. Tobi neben mir wimmerte leise auf und machte sich klein. Ich schob ihn hinter mich, während ich entschlossen aufstand. Es war ganz eindeutig zu viel für ihn an einem Tag. Nur Sekunden später konnte ich spüren, dass auch Mik aufgestanden war und sich nun dicht neben mir aufbaute. Leider wirkten wir alle im Vergleich zu den Omega klein und schmächtig, sogar die beiden Beta. Keine zwei Schritte vor uns hielten die Alpha an, während inzwischen auch Dennis und Tobi hinter uns standen. Beide blickten zu Boden wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen.
»Na wen haben wir denn da. Hallo, ihr Süßen«, grinste Nils, woraufhin kurz Stille herrschte.
»Was willst du?«, fragte Mik möglichst neutral und übertönte damit Dennis' verlegenes »Hi«.
Ihn schien die Situation gerade ziemlich fertig zu machen, unschlüssig, was er tun sollte, wippte er nervös von einem Bein auf das andere. Jedoch war das nichts im Vergleich zu Tobi, der wirkte, als würde er am liebsten jeden Moment verschwinden. Doch war Tobis Nervosität aus ganz anderen Gründen als die Kostas', während der Kleinere Angst um seinen Körper hatte und das, was die Alpha damit anfangen wollten, war Dennis einfach nur aufgeregt, so unvermittelt seinem Schwarm gegenüber zu stehen.
»Wir wollen euch doch nur ein wenig Gesellschaft leisten. Riechst du das, Leonard? Süße Omega, so bereit, so willig.« Leonard also, nicht Lennard.
Gierig sog Nils die Luft ein, während ich versuchte, durch den Mund zu atmen um den süßlichen Duft der Alpha zu verdrängen. Ich wusste, würde ich mich zu sehr darin hineinsteigern, würde mein Widerstand gegen sie bald zusammenbrachen.
»Ich glaub, da will uns jemand mehr, als er zugeben will«, grinste nun auch Louis und erneut fragte ich mich, was Dennis an ihm fand. Ja, er sah gut aus und war gut trainiert so wie man merkte, dass er viel wert auf sein Aussehen legte, aber dafür war sein Charakter einfach das Allerletzte. Als er jetzt einen Schritt auf mich zutrat, wich ich nicht, wie er fast schon erwarten zu schien, zurück, sondern trat ihm sogar noch entgegen.
»Vergiss es«, zischte ich, während ich ihn heftig an der Brust nach hinten stieß. Leider kaum mit der gewünschten Wirkung. Louis wich lediglich einen Schritt zurück und grinste mich breit an.
»Süß. Du lernst es wohl nie, oder?«, lachte er. Ich sah bloß wütend zu ihm auf, bevor ich ihm vor die Füße spuckte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er mit einer Hand ausholte und zuckte reflexartig zusammen, jedoch wurde er zurückgehalten.
»Wag es nicht«, drohte Mik, der sein Handgelenk im festen Griff hielt.
»Verschwindet. Ihr mögt zwar stärker sein aber es steht immer noch vier gegen drei. Und wir werden nicht zulassen, dass ihr Stegi oder Tobi anfasst. Also verpisst euch«
Seine Stimme war gefährlich scharf und ruhig geworden, während er Louis' Handgelenk unsanft nach unten zog und wegstieß. Dieser gab ein unbestimmbares Grummeln von sich, wurde jedoch von Leonard an der Schulter zurückgezogen.
»Vergiss es, Mann«, warnte nun auch Nils leise, bevor er lauter an uns gewandt hinzufügte:
»Glück gehabt, ihr Süßen. Aber ihr werdet nicht immer von euren Beta hier beschützt werden können. Wir kriegen immer, was wir wollen, wartet nur ab.«
Mit diesen Worten traten die drei, wütend in unsere Richtung funkelnd, den Rückzug an.
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An die Alpha:
Hat einer von euch sich schon mal in einen Alpha verliebt?
Tim: Ich nicht. Aber ein Freund von mir. Das ist aber eine ziemlich traurige und hoffnungslose Angelegenheit. Und darüber will ich jetzt eigentlich auch nicht sprechen, schließlich ist das doch privat.
Max: Was? Nein!
Warum macht ihr sowas mit den Omega?
Max: Weil wir es können? Wir sind dazu bestimmt, über die Omega zu herrschen! Selbst die Evolution wollte es doch so!
Ist das euch angeboren?
Max: Ja
Tim: Das Verhalten, das viele Alpha den Omega gegenüber zeigen? Nein, das ist nicht angeboren. Das ist Arroganz und Egoismus. Sie nehmen sich einfach was sie wollen, ohne Rücksicht zu zeigen.
Und ab welchem Alter tritt dieses Verhalten von euch auf?
Max: Wir sind von Geburt an den Omega einfach überlegen.
Tim: Ich wurde ziemlich früh das erste Mal läufig, mit dreizehn. Ich war damals ziemlich überfordert und hatte echt Schwierigkeiten, mich zurückzuhalten. Aber auch davor sind wir den Omega körperlich schon überlegen.
An Stegi:
Gab es ein einschneidendes Erlebnis, von dem du sagen kannst, dass genau das dich zu diesem »Alpha-Hass« gebracht hat? Oder die gesamte Situation?
Ich glaube, du würdest es in meiner Situation auch nicht mit einem Alpha zusammen in einem Raum aushalten, oder? Also, ja, die Gesamtsituation. Aber ach jedes einzelne Mal, wenn so etwas passiert, würde allein schon reichen für mich, um die Alpha zu hassen.
Warst du schon mal verliebt?
Nein.
Was ist wenn du dich doch in einen Alpha verliebst?
Das wird nicht geschehen. Aber selbst wenn würde sich nichts verändern. Ich lasse mich nicht unterdrücken!
Glaubst du du wirst jemals einen richtigen Partner finden?
Gibt es so etwas wie den richtigen Partner überhaupt?
Hey Stegi! Nimm doch einfach mal ein Hilfsmittel mit in die schule *Hust* Messer oder so *Hust* es geht doch sowieso keiner dazwischen.
*lacht* Und ob da wer dazwischen gehen würde... Ich würde schneller von der Schule fliegen als ich gucken könnte. Und dann wäre meine gesamte Zukunft verbaut.
Was ist deine Lieblingsfarbe?
Keine Ahnung. Schwarz?
An Max:
Warum genau gehst du die Omega so an? Ist es der Anblick sie leiden zu sehen, oder die Stillung deiner Alpha-Triebe?
Leiden...Wenn sie sich verhalten wie es sich für Omega gehört müssen sie ja nicht leiden. Und wenn sie aufmucken sind sie selbst schuld. Als Alpha ist es uns einfach angeboren, über Omega zu herrschen. Und natürlich ist es dann auch cool, Erfolg zu haben, auch wenn welche von denen meinen, sich aufspielen zu müssen.
Max, hast du schon mal schlechte Erfahrungen gemacht mit Omega außer Stegi?
Schlechte Erfahrungen? Ich sehe das, was da mit Stegi läuft nicht als schlechte Erfahrung an. Sein Widerstand macht ihn doch erst so verlockend. Ich werde ihn schon noch brechen.
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