47. Chance
Der restliche Unterricht verlief nahezu problemlos, nur die bösen Blicke der Alpha blieben. Aber so lange es nur Blicke waren und keine Taten, konnten sowohl Tobi als auch ich damit leben. Nach der Schule waren wir alle sechs in die Stadt gegangen und Veni und Tim hatten uns restliche vier auf ein Eis eingeladen. Dennis und Mik, die beide eigentlich noch länger Unterricht gehabt hätten, hatten extra geschwänzt und wie es sich herausstellte, war das auch eine sehr gute Idee gewesen. Wir haben alle viel gelacht, die Stimmung war super gut und als dann alle Geschenke aus ihren Taschen gezogen und für mich gesungen hatten, hatte ich erst gar nicht gewusst, wie ich reagieren sollte.
»Na los, mach schon auf!«, forderte Dennis mich ungeduldig auf und ich schaute fragend in die Runde, unschlüssig, bei wem ich anfangen sollte. Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als Dennis mir kurzerhand sein Geschenk vor die Nase stellte. Nach und nach öffnete ich jedes der Geschenke und freute mich bei jedem einzelnen, besonders bei dem Fotoalbum, das Tobi und Veni für mich gemacht hatten. Allerdings steckte Tobi es selbst wieder ein mit der Erklärung, dass es bei ihm besser aufgehoben sei als mit mir auf der Straße, ich es aber jederzeit abholen könne, sobald ich selbst wieder ein Dach über dem Kopf hatte. Ich stimmte sofort zu, die Gefahr, dass es ansonsten beim nächsten Regen kaputt gehen könnte, war zu groß. Durch dieses Angebot von Tobi, das Buch aufzuheben, wurden wir allerdings sofort wieder an meine Situation erinnert und es drohte, eine düstere Stimmung sich auszubreiten, als Tim mir sein Geschenk als Letzter reichte. Als ich dabei sein süßes Lächeln bemerkte, konnte ich nicht anders, als zurück zu grinsen und sofort war meine Heimatlosigkeit wieder vergessen. Als ich das, mit viel Klebeband verschlossene, Päckchen tatsächlich aufbekommen hatte, legte sich wie automatisch ein breites Grinsen auf mein Gesicht. Ich zog einen großen, dunkelgrauen Pullover aus dem Geschenkpapier, der unglaublich kuschelig aussah.
»Der ist nicht neu«, erklärte Tim mir dazu, »sondern einer von meinen Pullis. Vielleicht ist es ab und an einmal ganz nützlich, ein wenig nach Alpha zu riechen.«
Tim grinste mich an und ich nickte dankbar.
»Diesen Pulli schenk ich dir. Außerdem kannst du dir jederzeit sonst auch meine Klamotten leihen, wenn es ist. Das ist sozusagen Teil des Geschenks.« Tim klang unsicher, als wäre er sich nicht ganz sicher, wie ich dieses Geschenk finden würde, doch ich war mehr als nur begeistert von seiner Idee. Erneut bedankte ich mich überschwänglich und als es schließlich irgendwann Zeit wurde für uns alle, zu gehen, bestand Tim darauf, mich noch ein wenig zu begleiten. So kam es, dass wir irgendwann nebeneinander auf einer Mauer am Fluss saßen, ich hatte den neuen Pulli, der tatsächlich herrlich nach Tim duftete, inzwischen an, und uns leise unterhielten. Wieder genoss ich es, wie unbeschwert und schön ich mich mit Tim unterhalten konnte und einfach das Gefühl, zu nichts gezwungen zu werden. Irgendwann lehnte ich mich gegen den Größeren und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und selbst, als Tim vorsichtig einen Arm um mich legte, genoss ich seine Nähe immer noch. Der Alpha neben mir jedoch wurde auf einmal ganz ruhig und irgendwann richtete ich mich wieder auf, um ihn fragend anzusehen.
»Was ist los?«, wollte ich wissen, als ich bemerkte, wie Tim nervös seine Hände knetete.
»Hör zu, Stegi.«, begann er zögerlich, »Ich weiß, dass du wirklich keine guten Erfahrungen gemacht hast mit anderen Alpha und dass ich dir damit wahrscheinlich keinen Gefallen tue, aber ich mag dich. Ich mag dich wirklich und es würde mich freuen, wenn du mir vielleicht eine Chance geben könntest, mehr zu werden als nur ein Freund. Nicht jetzt, natürlich nicht sofort, aber irgendwann. Ich kann warten. Aber ich wollte es dir gesagt haben. Ich fände es unfair dir gegenüber, dir zu verschweigen, was ich denke und fühle. Tut mir leid, wenn ich dir jetzt damit irgendwie weh getan habe, aber bitte glaub mir: Ich bin nicht wie die anderen Alpha. Ich bin nicht wie Max. Ich mag dich wirklich. Und ich wäre garantiert nicht wie einer der Alpha, die ihre Omega nur ausnutzen und zu Sachen zwingen, die sie gar nicht wollen. Also denk darüber nach, bitte, lass dir Zeit. Und ich hoffe, du gibst mir irgendwann eine Chance.«
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