𝟏𝟗 - 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤
Es hatte eine Weile gedauert, bis Ander sich ein wenig beruhigt hatte. Nun lag er neben mir im Bett und schlief. Seine Atmung war tief und regelmäßig.
Meine Gedanken kreisten um das, was mir der Lockenkopf erzählt hatte. Wo konnte Samuel sein? Was könnte er wissen, was er nicht wissen durfte? Hoffentlich ging es ihm gut.
Langsam streichelten meine Finger an seinem Rücken auf und ab. Es war gut, dass Ander zuhause war. Nicht auszudenken, wenn er an Samuel's Stelle gewesen wäre. Ich hätte durchgedreht. Natürlich war es so auch schon schlimm genug, doch wenn man mir meinen Ander auch noch nehmen würde, dann wüsste ich nicht mehr weiter.
Nach einer Weile stand ich auf. Ich wollte eine Dusche nehmen und mich dann neben Ander legen. Draußen war es bereits dunkel. Der Wind hatte angefangen zu blasen und brachte die Fenster zum knarren. Ansonsten war es still. Gespenstisch still.
Ich ging ins Badezimmer, zog mich aus und stellte mich unter die Dusche. Der warme Strahl prasselte auf mich herab und ich wünschte, ich könnte mich entspannen, doch das ging nicht. Ander's Sorgen waren meine Sorgen. Ich hasste es, ihn so am Boden zu sehen.
Schwer schluckte ich. Wie in Trance seifte ich meinen Körper ein, spülte den Schaum hinunter und trocknete mich ab, nachdem ich das Wasser ausgeschaltet hatte.
Auf leise Sohlen schlich ich wieder zu Ander, nachdem ich mir nur meine Boxershorts angezogen hatte und legte mich neben ihn.
Der Wind pfiff und rauschte. Es war beinahe so, als würde das Haus eine Geschichte erzählen.
Erschöpft von der ganzen Denkerei schloss ich meine Augen. Ich spürte, wie Ander zu mir drehte, sich an mich kuschelte und ich schlang die Arme um ihn. Morgen soll ein besserer Tag werden.
Mit diesem Gedanken glitt ich schließlich in den tiefen traumlosen Schlaf.
Als die Sonne meine nackte Haut kitzelte, öffnete ich blinzelnd die Augen. Draußen war strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Ein traumhaftes Wetter. Normalerweise wäre ich mit Ander zum Strand gefahren, auch wenn dieser ein Stück weit entfernt ist. In dieser Situation war dies jedoch nicht angebracht.
Als Ander ebenfalls wach wurde, musterte ich ihn sofort.
»Und? Wie geht es dir?«, fragte ich vorsichtig. Der Lockenkopf rieb sich die Augen und zuckte mit den Schultern.
»Ich würde sagen beschissen«, brummte er und ich nickte langsam.
»Ich geh uns dann mal Frühstück machen«, kam es von mir, bevor ich mich erhob.
Der Braunhaarige beobachtete mich nur. Er wirkte so teilnahmslos. Verdammt, wie soll ich ihm helfen? Ich will nicht, dass es ihm so schlecht geht. Wir müssen Samuel finden.
Ich kam gerade einmal bis zur Tür, bevor ich stehen blieb und mich wieder zu meinem Freund umdrehte.
»Wir werden Samuel finden. Vielleicht sollten wir zur Polizei gehen? Das alles ist nicht ohne. Es geht um eine Entführung.«
Ander schüttelte leicht den Kopf. »Dieser Typ hat ohnehin schon gesagt, dass ich es für mich behalten soll, was ich nicht getan habe. Ich will nicht riskieren, dass er Samuel etwas antut«, gab er zurück und ich biss mir auf die Unterlippe.
»Uns fällt schon was ein«, sagte ich noch, bevor ich mich wirklich auf den Weg in die Küche begab.
Ich gab mir alle Mühe der Welt, zauberte ein leckeres Frühstück für meinen Prinz, in der Hoffnung, ihm wenigstens ein kleines Lächeln zu entlocken.
Mit dem voll beladenen Tablett ging ich nach oben.
Ander hatte sich aufgesetzt und starrte aus dem Fenster. Vorsichtig stellte ich das Tablett auf dem Bett ab und kniete mich hinter ihn. Meine Hände legte ich auf seine Schultern und knetete diese leicht.
»Ich verspreche dir, ich finde eine Lösung. Wir finden eine Lösung«, raunte ich ihm zu und küsste sanft seinen Nacken. Dann schob ich das Tablett neben ihn und deutete drauf.
»Und jetzt iss erstmal was. Mit leerem Magen kann man nicht denken«, sprach ich mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen.
Ander aß. Zwar lust- und kraftlos, aber er aß. Als alles leer war, brachte ich das Tablett wieder nach unten in die Küche und kam dann wieder nach oben.
Ich öffnete das Fenster und lehnte mich ein wenig nach draußen. Von dem gestrigen Sturm war nun nichts mehr zu spüren. Es war herrlich warm und das Wetter verleitete einen zum Schwimmen.
»Denkst du Samuel hat sein Handy noch bei sich?«, fragte Ander schließlich in die Stille und ich wandte mich zu ihm um. Seine sonst so strahlenden braunen Augen wirkten seltsam trüb. Mein armer Schatz.
»Ich weiß nicht. Möglich wäre es. Vielleicht sollten wir ihm mal schreiben«, schlug ich vor.
Der Lockenkopf stand auf und stellte sich vor mich. Seine Arme stützte er rechts und links von meinem Körper auf der Fensterbank ab.
»Und was? Wenn wir gleich fragen, wo er ist und der Entführer liest das, dann weiß er doch, wie es läuft und schlimmsten falls schickt er uns in eine falsche Richtung und stellt uns noch eine Falle«, seufzte er und ich senkte den Blick. Ander hatte ja recht. Wir mussten das anders angehen. Aber wie?
»Vielleicht etwas anderes. Wir könnten jemand anderen von deiner Freundesgruppe einweihen. Der oder die könnte ihm dann einfach so schreiben, wie es ihm geht. Antwortet er, hat er sein Handy noch. Wird er nicht antworten, hat der Entführer das Handy«, schlug ich vor und ich könnte schwören, dass die Augen meines Gegenübers kurz funkelten.
»Klingt nach einem Plan, auch wenn ich ungern noch mehr Leute da reinziehen möchte. Es muss ja niemand erfahren und das würde uns wohl am meisten weiter bringen«, meinte Ander und ich nickte leicht, während ich ihn einfach weiter stumm ansah.
Plötzlich beugte der Lockenkopf sich langsam vor und küsste mich.
»Danke, dass du mir so hilfst und für mich da bist. Was würde ich nur ohne dich machen?«, hauchte er und schlang seine Arme um mich.
Ich erwiderte die Umarmung sofort und drückte mich an ihn.
»Aber das mache ich doch gerne. Ich möchte, dass es dir wieder besser geht. Wir schaffen das, Ander«, sprach ich zuversichtlich und Ander lächelte mich an. Er lächelte. Zum ersten mal seit einem Tag und es war wunderschön ...
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