Kapitel 5
Leonie war auch nicht in der Lage, uns weiterzuhelfen. Auch gab es keine festen Beweise, gesehen hatte ich ja keinen, lediglich gehört. Leonie wies uns jedoch zu, dass wir uns am besten so oft wie möglich in Simons Nähe befinden sollten. Und das taten wir. Oh ja, das taten wir. Über längere Zeit entwickelte sich unsere zaghafte Freundschaft zu einer, die schon recht groß war. Und sie würde mit Sicherheit noch wachsen, das wusste ich instinktiv. Ich lächelte in mich hinein, als ich an den ersten Tag hier dachte, damals zweifelte ich daran, dass ich hier Freundschaft schließen würde. Ich hatte mich in unzählige Räume des Waisenhauses begeben, damit ich mich schneller an meine neue Umgebung gewöhnen konnte. Kaum einer hatte mich beachtet, geschweige denn mal gefragt, wer ich denn sei. Nur Vivi. Abends saßen wir in unseren Betten und unterhielten uns. Sie quetschte mich von oben bis unten aus, bis sie ein ganz schönes Stück meiner Selbst kannte.
In der nächsten Zeit gab es keinen Vorfall mehr. Es war auch schier unmöglich gewesen, Simon allein zu erwischen, wir hingen nämlich fast die komplette Zeit zusammen. So hatten wir also umso mehr Zeit für uns drei. Doch ich wusste, dass Simon, wenn wir draußen waren immer etwas unruhig und unaufmerksam wurde. Er sah sich manchmal, wenn er glaubte, dass wir ihn nicht beachteten nervös um. Zum Zaun und der großen Eiche wanderte sein Blick. Immer auf der Hut und das war auch richtig so.
1 Jahr später
Um ganz ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, dass sich alles so schnell klären würde. Von einem Tag auf den anderen einfach Funkstille. Ob mir das nicht seltsam vorkam? Nein, ich war erleichtert. Anfangs. Bis ich mir dann doch Gedanken machte.
Was war, wenn Simons alte Peiniger Wind davon bekommen hatten, dass wir unserer Heimleiterin gestanden hatten, was vor ziemlich genau einem Jahr im Wald geschehen war? Und dass sie wussten, dass sie sich keine Fehler erlauben konnten? Vielleicht warteten sie ja gar nur so darauf, dass wir unaufmerksam würden...Warteten, wollten den perfekten Moment abpassen. Ich will nichts schönreden. Es machte mir Angst. Es machte mir Angst, dass sie mich nach so einer langen Zeit noch immer in ihren Fängen hielten, es machte mir Angst, dass ich nicht wusste, ob Simon sicher war, dass ich nichts über sie wusste aber sie vielleicht mehr über mich, als mir lieb wäre. Aber richtig, nicht einmal das wusste ich.
Und nun kam die Stunde, in der etwas anders war. Ich spürte es schon, bevor ich aus Vivianas und meinem Zimmer getreten war.
Im Normalfall wurden wir Donnerstags immer um 7:00Uhr geweckt, doch heute blieb alles still. Zu still, würde ich ja sagen. Ich stieg aus dem Bett und bemerkte, dass Vivi schon aufgestanden sein musste. Wohl schon vor längerer Zeit, denn wenn ich die Hand auf ihr Bett legte, war es kühl. Alles in allem machte es den Anschein, als wäre sie in aller Hast aus dem Bett gesprungen, denn ihre Sachen waren zerknittert und normal legte sie ihr Bett immer fein säuberlich zusammen. Verwundert warf ich einen Blick auf die Uhr. Kurz vor acht. Doch das ergab einfach keinen Sinn. Egal, wie herum ich es drehte, ich kam nicht auf des Rätsels Lösung. Sie hätte mich doch geweckt, oder zumindest jemand von denen, die hier sonst arbeiteten. Es sei denn, Viviana hatte es so eilig gehabt, dass sie das entweder vergessen hatte, oder mich weiter schlafen lassen wollte. Dann hatte sie vermutlich gedacht, sie wäre nur kurz weg, oder, dachte ich, ich würde schon noch zur rechten Zeit geweckt werden. In Windeseile schlüpfte ich aus meinem Schlafanzug und hinein in meine am Vortag bereits gerichteten Sachen. Was ist hier bloß los? Hier stimmt doch was gewaltig nicht. Ich konnte nicht anders, ich musste denken, dass ihnen allen etwas schlimmes zugestoßen war. Für einen Moment erstarrte ich. Die Erkenntnis, dass ich wieder allein gelassen worden sein könnte, traf mich wie ein Schlag in die Magengrube und mir lief ein eiskalter Schauder den Rücken hinunter. Was, wenn Simon oder Viviana etwas zugestoßen ist? Meine Hände begannen auf die Sekunde des Feststellens unkontrolliert zu zittern. Ich würde es vermutlich nicht ertragen, innerhalb von nur etwas mehr als einem Jahr von allen, die ich kannte im Stich gelassen zu werden. Obwohl mir klar war, dass meine Mutter nichts dafür konnte, dass sie starb, hängte ich ihr instinktiv die Schuld dafür an. Wofür ich dann wiederum Schuldgefühle bekam, da sie alles dafür getan hatte, um mir klar zu machen, wie sehr sie mich liebte und ich war ihr unendlich dankbar gewesen, für die Zeit, die sie mir gab.
Meine Gedanken hingen für einen Bruchteil der Sekunde an dem Brief, den sie mir nur wenige Momente vor ihrem Tod überreicht hatte. Der Brief lag noch immer unberührt auf meinem Nachttisch, der neben meinem Bett platziert war. Immer griffbereit, immer in meiner Nähe. So, wie ich es wollte. Immerhin war es das einzige, was mir meine Mutter hinterlassen hatte. Ich klammerte mich an ihn, wie an einen Rettungsring und lies ihn nicht mehr los. Mir wollten schon die Tränen in die Augen treten, da fasste ich mich wieder und trat auf alles vorbereitet auf die Zimmertür zu und öffnete sie.
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Tjaaa, was denkt ihr ist wohl passiert?
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