Kapitel 2
Ich sehe, wie der Abgrund immer schneller auf mich zurast. Die Angst, die ich vorher verdrängt habe macht sich in mir breit. Ich werde das nicht überleben!, schreit mein Unterbewusstsein förmlich. Ich werde sterben! Jetzt geht mir alles doch zu schnell. Ich will alles, nur nicht mit zwölf Jahren hier durch den Aufschlag auf dem Boden verenden. Denn meist erst, wenn es zu spät ist, keimt die richtige Todesangst in einem auf, der man nicht entrinnen kann. Wie, wenn es brennt und du weist, dass es keinen Ausweg gibt. Die Entscheidung ist getroffen und nun kann ich keinen Rückzug mehr machen. Wenn nicht alles so schnell gehen würde wie jetzt, hätte ich vermutlich sogar laut aufgeschluchzt. Doch ich kann es nicht. Und zum ersten Mal seit langem schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel hinauf. Und so erinnere mich an meinen guten Freund Simon, wie ich ihn kennenlernte und zum ersten Mal ein Stoßgebet zum Himmel schickte...
„Ach, so schlimm wird es schon nicht werden", hatte meine Nachbarin gesagt, als sie hörte, dass ich ins Waisenhaus müsse. Doch sie sollte sich in manchen Fällen irren. Denn es wurde viel schlimmer. Viel schlimmer, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. In Wahrheit war nicht das Waisenhaus so schlimm, sondern die Leute, die darum herum wohnten.
Das ganze Drama begann nur wenige Tage, nachdem ich gezeigt bekam, welches mein neues Zimmer war. Streng genommen war es nicht nur das meine, sondern auch das meiner neuen Zimmergenossin Viviana. Viviana hatte dunkelbraune Haare, die ihr- für mich klingt das unglaublich- nie irgendwie vom Kopf abstanden oder sich mal nicht durchkämmen ließen. Ihr Haar schien mit ihr im Einklang und verweigerte nie seinen Dienst. Meist trug sie blaue Shirts, die somit die Farbe ihrer Augen widerspiegelten. Sie hatte nunmal schon etwas mehr Übung darin, die passenden Sachen zu finden, aber kein Wunder. Immerhin war sie auch schon ganze zwei Jahre älter als ich und hatte somit mehr Zeit gehabt, um sich diese Fähigkeit anzueignen. mehr Zeit gehabt hatte sie ja auch um sich diese Fähigkeit anzueignen. Immerhin war sie zwei Jahre älter als ich, was nicht gleich hieß, dass wir nicht die gleichen Interessen aufwiesen. Nein, wir verstanden uns um ehrlich zu sein sogar ziemlich gut. Bis- natürlich- auf ein paar Meinungsverschiedenheiten was das Faible Klamotten anging.
Ein paar Tage nach meiner Ankunft liefen meine neue Freundin Viviana und ich im Schein der Nachmittagssonne, einander neckend im üppigen Garten unseres, für mich neuen, Wohnortes herum. Ich war leicht geblendet, doch es hinderte mich nicht daran einen Jungen in ungefähr meinem Alter zu erkennen, der alleine im Schatten einer großen Eiche saß, die sich vor einem Zaun erstreckte, der die Abgrenzung zwischen Waisenhaus und Umwelt kennzeichnen sollte. Seine braunen Haare saßen zerzaust auf seinem Kopf, so, als hätte er sie gerade von vorne bis hinten einmal durchgewuschelt. Eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, doch es störte ihn nicht im geringsten. Es hatte den Anschein, als wäre das ganz normal und sei immer so. Seine Wangenknochen hoben sich sichtbar von seinem Gesicht ab und seine hellbraunen Augen, die die gleiche Farbe wie die meinen aufwiesen, lies er, wohl in Gedanken versonnen, den Blick über die Landschaft schweifen, die er auf Grund seines vorigen Lebens nun „Zuhause" nennen sollte. Er beachtete uns nicht. Wobei, es war schwer zu sagen. Das grelle Licht hinderte mich daran, Einzelheiten zu erkennen. Der Sommer war an seinem Höhepunkt angelangt und mir rannen Schweißtropfen den Nacken hinab. Mein T-Shirt klebte förmlich an mir, doch ich ignorierte es. Wir gingen an dem Jungen vorüber und machten uns gerade wieder auf den Weg nach drinnen in unsere Zimmer, damit wir nicht den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt waren, als ich mich ohne einen bestimmten Grund um meine eigene Achse drehte.
(Ja, daran merkt man halt, dass die Story schon etwas älter ist XD)
Ich hatte es aus Spaß getan, doch später fragte ich mich, was geschehen wäre, wenn ich einfach weiter meines Weges gegangen wäre. Verwundert hielt ich in der Bewegung inne. „Viviana, warte mal..... Du hast ihn doch auch gesehen, oder?" „Was, wen meinst du?", grübelte Viviana. „ Na den .... Jungen. Er ist weg" Viviana stoppte und drehte sich ungläubig um. Wir starrten beide auf die selbe Stelle. Vor wenigen Sekunden war hier noch ein kleiner Junge gesessen. „ Simon saß- auch vor deiner Ankunft- jeden Tag hier. Wir lassen ihn in Ruhe. Er braucht das, weil.... weil.... es ist wie eine Art seiner früheren Erinnerungen, verstehst du?" Ohne eine Antwort abzuwarten sprach sie weiter. „ Er braucht etwas, an das er sich festhalten kann. Und dieser Baum...., er sagt immer, dieser Baum zeige Stärke, weil er schon so alt ist und so viel gesehen hat." Sie schüttelte den Kopf. „Er saß immer hier. Und wie kann er überhaupt so schnell verschwinden? Das passt einfach nicht zu ihm. Da ist doch was faul." Während ich die Informationen versuchte zu verdauen, ging ich auf die Eiche zu und sah mich suchend um. Konnte ihn aber nirgends ausmachen. Mein Blick schweifte über den Zaun. Vielleicht.... Ich bückte mich und suchte nach Anzeichen, dass Simon ein Loch im Zaun fand und somit wohl oder übel dort hindurch geschlüpft war. Ich wollte schon aufgeben und Viviana sagen, dass ich keine Ahnung hatte, wo er sein könnte, als ich im Dickicht zweier Bäume ein Stück Draht hervorlugen sah. Erfreut über meinen Fund stand ich auf und ging frohen Mutes, neue Hoffnung geschöpft, auf das Gebüsch zu. Ich fand es schon immer prickelnd Spuren nach zu gehen und da das offensichtlich eine war, ließ ich mich zu Boden gleiten und fand versteckt tatsächlich das, wonach ich gesucht hatte. Neugierig warf einen Blick durch den schmalen Schlupf im Zaun. Ich würde durch passen, doch bei Viviana war ich mir da nicht so sicher. Nicht, dass sie irgendwie so furchtbar dick gewesen wäre, doch ich hatte eine viel schmalere Statur, weshalb sich das gut anbieten würde. Ich rief sie zu mir und wir entschieden, dass ich zumindest einen Versuch wagen und mich hinter dem Zaun flüchtig umsehen sollte. Ich robbte mich also gekonnt- das Loch hatte die perfekte Größe für eine achtjährige- durch den Spalt und tauchte auf der anderen Seite wieder auf.
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Ähm ja, ich weiß auch nicht, wieso sich Nelli einfach einmal im Kreis drehen musste... Also keine Ahnung, was ich mir dabei mal dachte xD
Aber was denkt ihr, wird sie Simon finden können?
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