Flavia-Malae
Alea breitete die Muscheln auf dem Tisch aus. Es waren viele, mindestens zehn Stück, die in allen Farben leuchteten. Sammy nahm eine orangefarbene, platte Muschel in die Hand. "Und wie soll man da jetzt lesen?" wollte er wissen.
Lennox, der eine Flasche Leitungswasser geholt hatte, gab etwas in die Muschel und öffnete sie dabei. Alea beugte sich vor. "Gibt es in der Meerwelt Fussel? Wissenschaftliche Theorien und Vermutungen." las sie überrascht auf Hajara vor. Lennox übersetzte es für Sammy, der den Mund aufriss. "Die Meermenschen haben über Fussel geschrieben!" jubelte er.
"Nscho garuu sa hunati!" sprach Alea und Sammy starrte gebannt auf die Muschel. Dann begann er zu lesen. "Fussel, Flusen, Möppchen und weitere ähnliche Dinge sind zu einem wichtigem Glied der Gemeinschaft geworden. Sie-"
"Lies bitte leise, Draco." unterbrach Lennox ihn grinsend und nahm sich eine pastellblaue Muschel. Seit er ein vollständiger Hajaro war, muste Alea ihm nicht mehr vorlesen, aber er setzte sich trotzdem neben sie. "Kampftechniken der Darkoner" las er. "Interessant!"
Ben beäugte die Muscheln und wählte dann eine sandfarbene. Als er sah, dass Alea den Satz sprechen wollte, winkte er ab. "Ich versuche es erstmal ohne." Alea nickte zustimmend. So konnte Ben sein Hajara nutzen und verbessern!
"Wie gehen wir...unserem...Müllproblem im Meer um?" las er stockend vor und guckte ungläubig. "In den Muscheln steht ja genau das, was einen am meisten interessiert!"
Das wollte Alea prüfen. Sie hob ihre Hand über die Muscheln, verharrte einen Moment und nahm sich dann eine blass-orangefarbene, kleine Muschel. "Der Stamm der Flavia-Malae" las sie erstaunt. "Den Stamm kenn ich gar nicht!" Sie begann zu lesen.
Der Stamm der Flavia-Malae ist einer der ältesten Stämme überhaupt. Angehörige dieses Stammes hatten die Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle anderer zu erkennen, ähnlich wie die Wanderer, aber ohne Wasser dafür nutzen zu müssen. Sie konnten in den Augen anderer lesen wie in einer Buchmuschel....
Sie erfuhr, dass Angehörige dieses Meermenschenstammes an ihren sehr hellen, blonden Haaren und ihren blauen Augen erkennbar waren.
Ihre Augen waren weder blassblau wie die der Kendarer noch azurblau wie die der Oblivionen. Eher wirkten sie dunkel, wie der Himmel, nachdem die Sonne unterging und die Nacht hereinbricht...
Spannend wurde es, als der Autor von dem Untergang des Stammes berichtete.
Die Macht der Flavia-Malae war sehr groß und die Angehörigen des Stammes verfielen ihr vollkommen. Ihre Herzen wurden dunkel, ihre Seele tückisch. Sie nutzten ihre Gabe schamlos aus. Einer der Stammesangehörigen versuchte, an das große Wissen der Finde-Finjas zu gelangen. Es gelang ihm nicht, aber seitdem antworten die Magischen nicht mehr auf Fragen, um ihren Wissenschatz zu schützen. Es kam zu einem Krieg zwischen den anderen Stämmen und den Flavia-Malae. Die Flavia-Malae wurden geschlagen. In den folgenden Jahren gab es immer weniger Kinder unter ihnen, bis sie schließlich ausstarben.
Alea strich sich unbewusst über den Arm, an dem sich eine Gänsehaut gebildet hatte.
Die Aufgaben der Flavia-Malae übernahmen die Seh-Saffiere und die Wanderer und wenige Jahrzehnte später waren sie vollständig aus der Meerwelt ausradiert.
Damit endete das Buch. Alea klappte die Muschel zu und legte sie auf den Tisch. Lennox, der seine Buchmuschel bereits fertig gelesen hatte, sah sie von der Seite an. "Alles okay?"
"Lies mal." Alea schob ihm die Muschel hin und nahm sich selbst eine weiße., deren Titel lautete: "Die Legende des Leierkastens" In der Buchmuschel ging es um Prinz Cassaras' Leierkasten. Alea erfuhr, dass er schon sehr alt war und früher bei den Nixen eine wichtige Rolle spielte, aber in Vergessenheit geriet, bis Cassaras ihn mit fortnahm.
Alea nahm sich vor, dem Nixenprinz das Buch zu zeigen, wenn er wieder einmal auf der Crucis war. Sie sah zu Ben hinüber. "Brauchst du Hilfe?" Als Ben nickte, sagte sie den Spruch auf:"Nscho garuu sa hunati!" Ben nickte ihr dankbar zu und las weiter. Auch Sammy war noch ganz vertieft in seine Muschel.
Lennox legte die Buchmuschel zurück auf den Tisch. "Schon unheimlich, was mit den Stämmen passiert... Wie bei Sentross und den Havanias!" Dann nahm er sich eine weitere Muschel. Auch Alea las noch einige Buchmuscheln, in denen es meist um kurze Geschichten um Meerkinder ging, die außergewöhnliches erlebten.
Als Tess schließlich die Treppe hinunter kam, war es schon Mittag. "Wir sind fast am Hafen." informierte sie Ben, der seine Muschel zurücklegte und an Deck ging, um die Crucis zu steuern.
Alea, Sammy, Ben, Siska und Tess setzten auf der Hercules über, während Lennox auf der Crucis blieb. „Ravenna ist eine ziemlich schöne Stadt." meinte Siska. „Oui" musste auch Tess zugeben. „So ruhig!"
Sie betraten einen Supermarkt. „Schau mal!" rief Sammy und zog Alea zu einem der Regale. „Servietten mit Robben drauf!" rief er begeistert „Nur fünfzig Cent und unverpackt! Ben, darf ich die haben?" „Aber Sammy, die haben doch keinen Nutzen!" wehrte Ben ab. Alea sah sich um. Da sah sie eine schlichte, blaue Blechdose. Sie hatte eine Idee. „Ben, mit den Servietten und dem Leim da könnte Sammy aus der Blechdose eine Keksdose für Fussel machen!" Das hatte sie selbst mit Marianne schon ein paarmal gemacht. „Kekse für Fussel?" fragte Ben. „Ja, mit Fisch!" rief Sammy. „Na gut." gab Ben nach. „Juhu! rief Sammy übermütig. „Aus dieser Dose wird eine Best-Robben-Fussel-Keksdose!" „Wenn du meinst..." sagte Tess wenig überzeugt.
Nachdem sie den Rest zusammenhatten und alles bezahlt war, gingen sie wieder auf das Schiff zurück. Dort räumten Tess und Siska die Einkäufe ein, Ben ging ans Steuer und Sammy verschwand mit seiner Dose, den Servietten, dem Leim und Fussel in der Jungenkajüte.
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