10 - Weitreichende Entscheidung
Deal?
Am liebsten hätte Violene einmal höhnisch aufgelacht.
Sich einem komplett Fremden anschließen, den sie bis jetzt nur zweimal getroffen hat, dessen Ziele sie nicht kennt, dessen Männer sie nicht einmal kennt.
Andererseits kennt er ihre Heimat, ihren Stamm und weiß auch von dem zerstörerischen Angriff. Was natürlich nicht heißt, das er es nicht genauso gewesen sein könnte. Die Gefahr lässt sich ja doch nicht von der Hand weisen.
Stumm verharrt sie in ihrer Position, Schocker neben sich sitzend haben, dem Blick ihres Gegenübers standhalten. „Ich wurde schon einmal von einem Wikinger verraten. Weshalb sollte ich dir vertrauen können?"
„Weil ich dir gegenüber mit offenen Karten spiele."
Diese Antwort hat sie nun doch überrascht. Er hätte große Reden schwingen, um eine klare Antwort herumreden, einfach mit irgendetwas antworten können. Aber allein seine Mimik zeigt, das meint er ernst. Er lügt nicht herum, hat keine verstecken Asse in der Hinterhand. Und doch wird sie das ungute Bauchgefühl einfach nicht los.
„Wenn du dem Deal zustimmst, wirst du im gesamten Inselreich unter dem Schutz von mir und meinen Männern stehen. Und nicht nur du, auch dein Drache, natürlich. Ehrenwort."
„Welches Ziel verfolgen du und deine Männer? Was ist eure Arbeit?"
„Wir gaben dem Stamm der Wächter, deinem Heimatstamm, Schutz. Und sind seit längerer Zeit auf der Suche nach einigen Artefakten, die unserem Stamm entwendet wurden. Deine Hilfe würde uns da sehr gelegen kommen."
Sie weiß, das sie ihm noch nicht viele Fragen gestellt hat, aber die wenigen Antworten allein wirken so klar, gut durchdacht und überlegt, als hätte er einfach auf alles eine Antwort. Ohne auch nur einen Muskel zu verziehen oder mal länger nachdenken zu müssen.
Ungewollt lässt sie für einen Moment die körperliche Anspannung fallen und atmet tief durch. Schlussendlich bleiben ihr ja nur 2 Möglichkeiten. Entweder sie verschwindet von dieser Insel und lehnt den Deal ab – mit der Gefahr weitreichender Folgen – oder sie schlägt ein. Nur was würde ihr Trio dazu sagen? Die wichtigste Frage ist wohl doch, ob sie mit ihrer Entscheidung den beiden weiterhin unter die Augen treten könnte. Ob sie den beiden noch ins Gesicht sehen könnte.
So wie er auf sie wirkt, würden Anni und Amelie beide wohl kein gutes Gefühl bei der Sache haben. Aber das hat sie ja auch nicht. Und sehr bestimmt würden auch beide ihr von diesem Deal abraten. Zumal sie ja eigentlich auch gemeinsam als Trio mit auf der Drachenbasis wohnen, mit den Drachenreitern von Berk. Auf der anderen Seite, was heißt gemeinsam?
Im Grunde genommen tun dies nur Anni und Amelie, sie selbst versucht es ja sooft wie möglich zu vermeiden und lieber woanders unterwegs zu sein, zum Leidwesen des Trios. Ja, wenn Violene mal ehrlich mit sich selbst ist, so quält sie schon länger das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören.
Dazu kommen die Dinge, die sie nicht einmal den beiden anvertraute. Geheimnisse, die... sie noch immer mit sich alleine trägt, im Stillen.
Welchen Grund gäbe es also noch nicht zuzustimmen?
„Ich stelle dir diese Frage noch ein letztes Mal. Nimmst du den Deal an?"
Obwohl seine Stimme bei der Frage einen festen Klang beibehält, so merkt sie auch den schärferen Unterton. Nicht unbedingt wütend, aber... mahnend. Einschärfend.
Welche Entscheidung auch immer sie trifft, die weitreichenden Konsequenzen lassen sich einfach nicht abschätzen.
„Ich stimme dem Deal zu."
Worte, von denen sie nie gedacht hätte sie einmal zu sagen.
Ein unmerkliches Lächeln umspielt die Lippen ihres Gegenübers, als er zufrieden ihre Antwort zur Kenntnis nimmt. Nicht schadenfroh, nicht hinterlistig, sondern es ist eine... ehrliche Zufriedenheit.
„Ich freue mich sehr über unsere zukünftige Zusammenarbeit, Violene. Es ist mir, nein, es ist uns eine Ehre, mit dem letzten Erben deines Stammes zusammenarbeiten zu dürfen."
„Dürfte ich nun auch endlich deinen Namen erfahren?"
„Alles zu seiner Zeit. Zuallererst würde ich dich gerne bitten mich erstmals zu unserer Insel zu begleiten. Einfach, damit wir noch ein paar wichtige Eckpunkte und Dinge besprechen können."
Alles zu seiner Zeit also...? Schon im selben Moment aber gehen ihre Gedanken wieder zum Trio. „Ich kann nicht sofort mitkommen. Zuerst muss ich noch woanders hin."
„Verstehe, natürlich. Auch wenn dein Stamm vernichtet wurde, du hast ja noch immer ein paar sogenannte Freunde da draußen, oder?" Ohne ihre Reaktion abzuwarten fährt er noch im selben Atemzug fort. „Natürlich kannst du zuerst zu ihnen. Ich möchte dich auch nicht verpflichten dauerhaft bei uns zu wohnen. Aber die Möglichkeit steht dir jederzeit offen, Violene. Mir ist es nur wichtig, dass der Deal eingehalten wird, verstehst du?"
„Natürlich", unmerklich schmunzelt die Angesprochene, obwohl sich in ihrem Inneren alles zusammenzieht. „Ein Wort ist ein Wort, auch bei mir."
„Dann hoffe ich doch das du es auch verstehst, wenn ich dich bei diesem Deal um höchste Geheimhaltung bitte. Oder?"
Still nickt Violene, das alles noch immer irgendwie nicht wirklich realisieren könnend.
„So wie ich dich aber einschätze sollte auch dies ja kein Problem für dich sein. Nun gut, dann gebe ich dir noch eine Karte mit, wo du uns dann findest. Ich bitte dich in 7 Tagen dort zu sein. Das sollte doch im Bereich des Möglichen für dich liegen."
Wieder legt sich die Stille auf die beiden, während sie sich die letzten Schritte entgegengehen und er ihr eine weitere Pergamentrolle entgegenhält, diesmal aber kleiner als die vorigen. Die Karte, die sie zu ihm führt. Vielleicht sogar die Karte, die sie zu seiner Heimat führen könnte. Aber vor allem anderen die Karte, die ihr die lang ersehnten Antworten geben wird.
„Ich kann es schon kaum erwarten."
Mit diesen Worten verabschiedet sich der Namensunbekannte von ihr und lässt sie losfliegen.
Weg von dieser Insel, weg von diesem Gespräch.
Und wenn sie ehrlich ist: Mehr wünscht sie sich gerade auch nicht. Einfach nur nach „Hause". Auch wenn es das schon länger nicht für sie gibt, so ist es doch diese bekannte Umgebung, die ihr bekannten Menschen, nach denen sie sich doch jetzt einfach nur sehnt.
„(DS) Über diesen Deal, Schocker, zu keinem ein Wort. Zu keinem Drachen und zu keinem Menschen." Ein einziger Satz, ein Befehl, den sie während der gesamten Rückreise zu ihrem treuen Freund sagt. Und damit jegliche weitere Gespräche unterbindet.
Nein, nach Reden ist ihr gerade definitiv nicht der Sinn. Nicht nach heute.
Sie wollten nur einen alltäglichen Besuch bei den Leuchtalgen machen, einen einfachen Routineflug. Stattdessen gewann Schocker einen neuen Erzfeind, der ihm seine Leuchtalgen streitig macht und einen neuen Freund, der ihr Schutz ihm gesamten Inselreich gewähren will.
Der ihr vielleicht endlich all die Antworten geben kann, auf all diese offenen Fragen, die sie schon seit Jahren quälen.
Und doch kann sie noch nicht ahnen, worauf sie sich schlussendlich eingelassen hat.
Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅
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