Kapitel Acht
»Wie geht es dir, Süße?«, fragte Mom. Ihr stand die Anspannung noch immer ins Gesicht geschrieben. Ich lächelte schroff und sie drückte meine linke Hand. Dad hatte ihr die Hände auf die Schultern gelegt, als wolle er sich festhalten. Caleb saß auf der anderen Seite des Bettes.
»Ganz gut, schätze ich«, sagte ich. Mom lächelte kurz und blickte hinter zu Dad, der nervös vom einen auf den anderen Fuß tanzte.
»Es tut mir so leid, ich... Ich muss los.« Er gab mir einen leichten Kuss auf die Stirn und ging.
»Mom?« Verwundert richteten wir den Blick auf Caleb. »Kann ich...« Sie tauschten einander Blicke, schienen, sich zu unterhalten. Doch irgendwie hatte er es geschafft, Mom dazu zu bringen, zu gehen.
Sobald die Tür geschlossen wurde, fing Caleb an zu reden: »Du warst ziemlich lange weg.« Ich nickte. Caleb warf immerwieder verstohlene Blicke Richtung Tür, als hätte er Angst, Mom würde davor stehen und lauschen. (Was ihr auch zuzutrauen wäre)
»Wenn Kai nicht gewesen wäre, dann« - er schluckte - »dann hättest du wahrscheinlich nicht überlebt.« Jetzt war es mein Bruder, der anfing zu weinen. Seine Hände klammerten sich an meine. »Das hätte ich mir nie verzeihen können!«
Er machte sich für mich verantwortlich. Er musste mich beschützen. Er war mein großer Bruder. Ich sah ihn an und lächelte. Immer wenn ich meinen Bruder ansah, ist es, als würde ich in meine eigenen giftgrünen Augen schauen. Dann richtete ich meinen Blick starr nach vorne.
»Als ich vier war, hast du das Monster unter meinem Bett verjagt.« Caleb schnaufte. »Mit Sechs hast du mich von der Straße gezerrt, damit ich nicht überfahren wurde. Mit Neun mich vom Baum geholt, als ich allein nicht mehr runterkam. Du hast mich immer vor allen beschützt und mich gerettet, wenn ich in Schwierigkeiten gesteckt habe«, sagte ich. Jetzt drehte ich meinen Kopf zur Seite, hielt einen Moment inne.
»Doch du kannst mich nicht vor mir beschützen. Phanaleonixeom ist ein Teil von mir geworden. Und das kannst du nicht ändern. Es tut mir leid.« Den letzten Satz flüsterte ich nur noch. Ich spürte eine Träne meine Wange hinunter rollen, bis sie auf den Sauerstoffschlauch traf. Caleb nahm seine Hände von mir und ich merkte, dass er wütend wurde. Er sprang auf und lief im Krankenzimmer umher.
»Soll ich jetzt einfach nichts tun und dabei zuschauen, wie meine Schwester nach und nach stirbt? Das kann ich nicht! Ich kann das nicht!«, schrie Caleb mit zitternder Stimme.
Mom riss die Tür auf, sah, wie Caleb energisch auf und ab rannte. Er musste sich stark beherrschen, um nicht einfach jemanden eine zu knallen. Denn im Gegensatz zu mir stirbt er nicht. Mom versuchte, seine Schulter festzuhalten, doch er schlug ihre Hand weg. »Ich geh zu Nathan. Länger halte ich es hier nicht aus!«, sagte er und ging.
Mom setzte sich wieder an den selben Platz, unterdrückte ihre Tränen. Ich wusste, dass Caleb heute nicht mehr nach Hause kam. Musste er auch nicht. Er war erwachsen und konnte sein eigenes Leben leben.
»Er kommt nicht damit klar.« Ich nickte.
»Kann ich verstehen«, sagte ich.
»Er muss dabei zuschauen, wie du dich von Schmerzen gequält verkrampfst.« In diesem Moment fiel er mir wieder ein. »Mom?«, fragte ich. »Wie geht es Kai?«
Mom grinste. »Er ist draußen. Schon sein gestern. Wenn du willst, kann ich ihn...«
»Ja, bitte«, unterbrach ich sie. Mom nickte und ging. Kurze Zeit später kam Kai.
»Wo ist Mum?«, fragte ich.
»Die ist mal ins Café vom Krankenhaus. Wie geht es dir?« Er setzte sich auf den Platz von Caleb, nahm aber meine Hand nicht. Er trug ein weißes Shirt von der Band The Other. An seinen Armen sah man lauter Kratzer. »War ich das?«, fragte ich und zeigte auf seinen Arm. Er nickte. »Tut mir leid.«
Er lächelte nur. »Keine Sorge. Ich habs ja drauf angelegt.«
»Du hast mir quasi das Leben gerettet.«, sagte ich.
»Das höre ich oft. Ist eine meiner leichtesten Übungen.«
Er lächelte und unweigerlich schoben sich meine Mundwinkel auch nach oben.
Doch so schnell es auch kam, genauso schnell war es auch schonwieder weg.
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