Teil 1 - Szene 4
James saß in seinem Arbeitszimmer hinter seinem Schreibtisch. Er hatte sich in den großen Ledersessel hineingeflegelt, die Beine auf seinem Schreibtisch und steckte sich gerade eine Pfeife an. Der Stoff war berauschend.
James genoss den Geschmack und ließ seine Gedanken schweifen. Er hatte ein markantes Gesicht, es wirkte jugendlich, aber trotzdem streng und kernig. Er hatte stechende, blaue Augen, die den Ausdruck vermittelten, dass ihm alles gelingen würde.
Vor ein paar Jahren hatte James Millionen von seinem Alten geerbt. Dieser hatte den Löffel sehr zeitig abgegeben und hinterließ seinem Waisenjungen ein Vermögen. James war gerade erwachsen gewesen und seine noch junge Seele wurde von dem vielen Geld beeinflusst. Die Verwandtschaft bekam nichts. Der alte Winter war geschieden und seine ganze Liebe galt seinem Junior.
Zu seinem Bedauern war es aber gerade das viele Geld gewesen, welches James negativ veränderte. Die Leute begannen bald darauf zu reden, dass James sozusagen ,,ausgetickt" war. Zuerst schaffte er sich dieses Anwesen an, und dann noch der Job als Manager im Immobiliengeschäft. Als Nächstes tauchten daraufhin Gerüchte auf, James finanziere illegale Projekte in der Genforschung. All dieses Gerede führte dazu, dass James immer gefühlskalter wurde. Schließlich erwachte er eines Morgens als das Ekel, dass er nun war: ein reiner Kapitalist, egoistisch und zu keinerlei Vertrauen bereit.
Allerdings sah James selbst sein Leben als schön und gut an. Er hatte eine große Residenz, viel Geld, war erfolgreich im Beruf. Ab und zu trieb er es mit irgendwelchen reichen und verwöhnten Schlampen. ,Mehr bedarf es nicht!', dachte er gerade und schaute von seinem Platz aus durch das Fenster auf seiner rechten Seite. Sein Arbeitszimmer befand sich im zweiten Stock, zur hinteren Seite des Hauses hin. Von hier aus konnte man den großen Garten sehen, der von der Straße aus nicht zu sehen war.
Direkt vorne unter dem Fenster sah man noch ein Stück der großen Terrasse, die an das große Wohnzimmer direkt unter ihm angrenzte. Von der Terrasse aus führte ein Sandweg einmal um den großen Garten herum. Der Verlauf des Weges war dabei wie ein großes Oval angeordnet. Vom Fenster aus war dies noch besser erkennbar. An den Rändern des Weges standen einige kleinere Bäume Spalier. An vier Stellen wurde diese kleine Baumallee aber unterbrochen, um Platz für kunstvolle Statuen zu machen. Der ovale Sandweg diente zugleich als Umrandung der Gartenbeete. In deren Mitte war ein herrliches Blumenbeet zu einer Art Muster angelegt.
James bemerkte gerade, dass alle vier Statuen durch das Beben umgestürzt waren. Dadurch hatten auch einige Bäume, die in der Nähe der Statuen standen, Schäden abbekommen. Von seinem Platz aus erblickte James William, der gerade dabei war, die Statuen mit einer Hebevorrichtung aufzurichten.
Es war wirklich erstaunlich! Selbst direkt vor der Haustür konnte man das Wüten des Erdbebens erkennen, während im Haus sich noch nicht mal der Staub bewegt hatte.
,Wenn ich davon Jeff erzähle, wird er Bauklötzer staunen!', dachte James, ,der gute Dr. Kane! - das Mittel funktioniert tatsächlich! - Bald können wir damit jedes Grundstück in Barrington aufbessern!' fuhr er in Gedanken fort.
Als ihm jener Dr. Kane letztes Jahr von seiner Entdeckung erzählt hatte, erinnerte sich James noch ganz genau daran, wie ungläubig er darauf reagiert und wie er ihn ausgelacht hatte. ,,Aber ich bitte Sie Dr. Kane! - Das glauben Sie doch selber nicht!", hatte er damals in dem Forschungslabor zu ihm gesagt. ,,Ein Präparat, durch das ein Haus komplett vor Erdbeben geschützt ist?" James hatte damals mit dem Finger an die Stirn getippt und laut aufgelacht.
Aber Dr. Kane meinte es ernst: ,,Wenn ich es Ihnen doch sage, Mr. Winter! - Ich habe schon alles genauestens kalkuliert! - Reden Sie doch bitte mit meinen Kollegen, wenn Sie mir nicht glauben!"
Das hatte James dann auch getan. Er bezahlte hochrangige Wissenschaftler, die sich Kane's Vorhaben ansahen. Zweifel hatten sie nicht, es blieb aber abzuwarten, wie ein Test ausfallen würde, so ihre Meinung.
Im letzten Monat war es dann endlich soweit. Kane hatte mit James' Geld eine erste Mischung dieses Präparates herstellen können. Er hatte ein Modellhaus in seinem Labor mit dieser Mischung verkleidet und auch dabei alles in ungefähren Maßstäben eingehalten.
Das Haus stand auf einem speziellen Tisch, den Kane in mehreren, verschiedenen Stufen vibrieren lassen konnte. James, Kane und dessen Handlanger standen wie gebannt um den Tisch herum, als Kane auf Stufe 1 schaltete . Der Tisch vibrierte angenehm und ruhig, aber auf das Modellhaus wirkte das viel stärker. James' Mund stand offen, als er hinterher feststellte, dass das Haus keinerlei Kratzer hatte.
,,Das entsprach einem leichten Erdbeben.", sagte Kane, ,,diesen Teil des Tests hat das Versuchsobjekt bestanden. Ich schalte jetzt auf Stufe 2, was einem mittleren Erdbeben entspricht, welches in dieser Gegend am häufigsten auftritt." Der Tisch wackelte eindeutig stärker, man konnte das Haus nur noch in Umrissen erkennen, weil es stark verschwommen wackelte.
,,Auch die zweite Testphase hat das Versuchsobjekt bestanden!", sagte Kane hinterher zufrieden, als wiederum keine Veränderung am Modellhaus feststellbar war. Jetzt lag in seiner Stimme mehr Freude und Eifer, als er dann sagte: ,,Meine Herren, lassen Sie uns sehen, ob das Modell auch bei Stufe 3 standhält und damit einem Erdbeben schwersten Ausmaßes!"
Was sich daraufhin mit dem Tisch abspielte, hatte nichts mehr mit Vibrieren zu tun. Die einzelnen Zahnräder der Versuchsanlage stoben tausende Funken aus. Die Metallplatte des Tisches wurde dermaßen stark hin und her gerissen, dass man nicht mehr erkennen konnte, wo das Ende der Platte gerade war. Das Ganze wurde von einem ohrenbetäubenden hohen Surren des Metalls grauenvoll untermalt.
Das war aber nicht das Schlimmste.
Das absolut Unheimliche war der Anblick des Modellhauses. Jegliche Konturen waren ineinander verschmolzen, es war unmöglich, die geometrische Figur eines Hauses auszumachen. Es sah aus wie ein Knäuel aus verschiedenen Farben, welches ständig seine Form änderte. Nachdem sich Kane von diesem seltsamen Anblick losgerissen hatte, schaltete er den Tisch ab.
Langsam näherten sich die erstaunten Beobachter der ruhenden Metallplatte. Das Modellhaus war absolut unversehrt geblieben und stand in seiner alten, gewohnten Form vor ihnen. Es schien sie stumm zu fragen, warum sie es denn so erstaunt ansahen. James bekam nur ein Wort aus sich heraus: ,,Sensationell!" Er formulierte es langsam flüsternd, ohne dabei die Augen vom Haus abzuwenden.
,Jetzt will ich doch mal sehen, ob auch...", bemerkte Kane eifrig, und hob das Modellhaus hoch. Den Anderen stockte daraufhin der Atem. Kane hatte nämlich auch die Platte unterhalb des Hauses mit dem Präparat ausgekleidet und einige Spielzeugmöbel daraufgestellt. Diese standen genauso gleich dort, wie vorher.
,,Sehen Sie!", hatte Kane darauf zu James gesagt, ,,ich habe doch gleich gesagt, dass es geht! - Es fängt den Schall komplett ab - so sehr, dass noch nicht mal im Haus irgendeine Verwüstung stattfindet!"
James blickte ehrfürchtig in Kanes Gesicht, der ihn triumphierend ansah. Es war natürlich klar, dass er dieses Präparat, welches Kane passend Antiquake taufte, so schnell wie möglich in Massen produzieren wollte, um den Wert seiner Immobilien zu steigern.
Seltsamerweise wurde Kane hierauf angesprochen ziemlich zurückhaltend. Er laberte dummes Zeug, von wegen, das Mittel erst mal auf Mensch und Umwelt testen zu wollen und so weiter. James' Ansicht nach war das reine Zeitverschwendung, denn was sollte es da wohl schon Schlimmes zu entdecken geben!
Außerdem musste er Antiquake unbedingt haben. Wie würden doch seine Nachbarn dumm aus der Wäsche glotzen, wenn eines Tages ihre Häuser nach und nach einstürzten, während seine Villa standhaft stehenblieb? Was würden die Leute sich darüber wohl die Mäuler zerreißen? Sie würden denken, dass er mit dem Leibhaftigen einen Bund geschlossen hätte! Er musste unbedingt solch eine Hausverkleidung haben! Daher bot er Kane an, sich persönlich als Testperson zu erweisen, und gab ihm dafür das nötige Geld. Letztes Wochenende war es gerade mal gewesen, als sie das Haus mit Antiquake neu einkleideten.
Und jetzt das! Ein Beben und genauso wie bei dem Modellhaus gab es auch hier - sowohl außen, wie innen - keinerlei Veränderungen.
James ging es daher blendend wie nie. Er hatte den Nachbarn ordentlich eins ausgewischt und was für ein Vermögen konnte er erst machen, wenn er sämtliche Grundstücke in und um Barrington derartig neu verkleiden würde. Ganz zu schweigen, dass er als Unterstützer dieses Forschungsprojektes neben Dr. Kane den Ruhm der Wissenschaft einheimsen würde. Sein Einfluss würde sich sprunghaft verdoppeln!
James saß in seinem Sessel mit zusammengekniffenen Augen und fing an zu lachen. Erst leise, in einem Lächeln, dann immer weiter steigernd, bis ein grauenhaftes Echo durch das gesamte Anwesen dröhnte.
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