
𝑰.𝑰𝑰𝑰 - 𝑻𝑼̈𝑹 𝑰𝑵𝑺 𝑵𝑰𝑪𝑯𝑻𝑺
Meredith
Alle Blicke flogen sofort zu Lucia. Meredith konnte sehen wie das Mädchen perplex blinzelte und eine Augenbraue hochzog, als würde sie gleich die Arme verschränken und auf der Stelle eine Erklärung fordern. Aber sie wusste genau wie das aussehen musste. Es war Lucia gewesen, die in ihrer Hosentasche den Schlüssel zu der Schublade mit der Klingel gefunden hatte. Durch das Läuten dieser Glocke war jetzt die Rezeptionistin aufgetaucht und sprach nur Lucia an, dass diese bereits erwartet wurde. Erwartet von wem? Erwartet seit wann? Und hatte sie tatsächlich davon gewusst?
»Entschuldigung.« Keiji war der erste, der die unangenehme Stille wieder durchbrach. »Können Sie uns etwas mehr über dieses Hotel erzählen? Wir sind gerade erst angekommen.« Nicht schlecht. Er verriet nichts über ihr Aufwachen an diesem Ort, über ihren Gedächtnisverlust, ließ in seiner Stimme nicht mal ein ganz kleines Bisschen Unsicherheit durchschimmern. Er wollte einfach nur irgendwie die Informationen erhalten.
Aber Nancy Gruber zuckte nicht mal mit der Wimper. Sie sah immer noch Lucia an und machte keinerlei Anstalten die Frage zu beantworten oder sich Keiji auch nur zuzuwenden. Und langsam wirkte ihr Lächeln auf Meredith nicht mehr freundlich, sondern ausgesprochen gruselig.
»Ich habe keine Ahnung was das zu bedeuten hat, ehrlich«, murmelte Lucia ihnen zu, an ihrer Stimme war deutlich zu hören wie verwirrt sie war. Meredith wollte ihr wirklich glauben, doch sie konnte nicht verhindern, dass eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf anfing Zweifel zu säen. Sie kannte all diese Personen erst seit knappen zwei Stunden, hatte einfach angenommen, dass sie tatsächlich das Gleiche durchmachten, aber wusste sie es mit Sicherheit?
»Okay, wir fangen hier jetzt bitte keinen Stress an.« Josh hatte sich schützend neben Lucia gestellt. »Was auch immer hier für krankes Spiel gespielt wird, wir fünf haben alle keine Ahnung davon. Die da ist die Bösewichtin.« Damit nickte er mit dem Kopf in Richtung der großen, blonden Frau hinüber und sah sie der Reihe nach an, als würde er ihnen gerade erzählen, dass eine Verrückte unter ihnen war und sie sich nichts anmerken lassen sollten.
Josh schaffte es wirklich eine Konfrontation zu vermeiden. Meredith wäre auch nicht so blöd gewesen jetzt Lucia persönlich anzugreifen oder ihre Zweifel laut auszusprechen, aber durch seine Worte kam es ihr wirklich seltsam vor, dass Lucia etwas damit zu tun hatte. Es war tatsächlich gerade die Rezeptionistin, die sich seltsam verhielt. Tat sie nur so, als könne Sie sie nicht sehen? War das irgendein Spiel?
Es gab nur einen Weg das herauszufinden. Meredith trat resolut näher an den Empfangstresen heran und griff hinüber nach Nancys Handgelenk. Ihre Finger stießen jedoch nicht wie erwartet auf Widerstand und sie sog erschrocken die Luft ein, als sie einfach durch die Hand hindurch fasste. Sie war es nicht selbst, sondern der Körper der Frau schien einfach nicht real zu sein. Ein Hologramm oder so ähnlich, auch wenn sie dafür viel zu echt aussah. Das erklärte zumindest warum sie sie einfach übersah, denn das war sie gar nicht gewohnt. Meredith zuckte zurück, als die Frau plötzlich wieder zu sprechen begann.
»Lucia, ist alles in Ordnung? Sie sehen etwas blass aus. Sicher war Ihre Reise anstrengend, wollen Sie nicht erstmal auf Ihr Zimmer gehen? Ich habe den Schlüssel bereits für Sie hier.« Mit einem mulmigen Gefühl brachte Meredith wieder etwas Abstand zwischen sich und die Theke. Die anderen hatten ihr zugeschaut und alle schienen gleichermaßen verschreckt wie verwirrt zu sein. Gedächtnisverlust war das eine, aber einfach durch eine Person hindurch fassen? Das konnte eigentlich nicht mehr auf eine normale Weise erklärt werden. Vielleicht träumte sie. Vielleicht war das alles nur ein absolut bescheuerter und durchaus real wirkender Traum. Aber sie wusste bereits, dass das nicht stimmen konnte.
»Versuch' du es mal, Lucia«, spornte Keiji sie plötzlich an. »Und frage sie auch gleich nach dem Hotel, dich kann sie anscheinend schon hören.« Lucia nickte und tat wie geheißen. Sie schien den ersten Schreck überwunden zu haben, als sie ebenfalls auf den Tresen zutrat und hinübergriff.
»Wissen Sie, es war tatsächlich eine anstrengende Reise. Ich bin so überstürzt hierher gekommen, dass ich noch gar nicht alles weiß über diesen wundervollen Ort und...«. Sie zuckte nur leicht zusammen, als sie nicht wie Meredith vor ein paar Sekunden durch den Körper hindurch fasste, sondern tatsächlich Nancys Hand berührte. »... und sie haben wirklich schön manikürte Fingernägel.« Etwas verlegen ließ das Mädchen die Hand der Rezeptionistin wieder los und Meredith musste tatsächlich lächeln. »Gut gerettet«, flüsterte sie Lucia schnell zu. Langsam war sie wirklich davon überzeugt, dass die Blondine nichts dafür konnte für den Part als sichtbare Person auserwählt worden zu sein. Sie würde ihre Zweifel erstmal im Hinterkopf ruhen lassen.
Nancys Lächeln wurde breiter. »Das ist aber lieb, vielen Dank. Und ich kann Ihnen gerne über das Sternenhotel erzählen, wenn Sie wollen. Wir haben schon einen Haufen prominenter Gäste... oh, was ist Ihnen denn zugestoßen? Tut es sehr weh? Brauchen Sie etwas für die Kratzer?« Anscheinend waren ihr auch die blauen Flecken und Schrammen auf Lucias Unterarmen aufgefallen. Meredith hatte sich bereits gefragt was es damit auf sich hatte und ganz unauffällig ihre eigenen Arme nach jeglichen Verletzungen abgesucht. Aber da war nichts. Und auch bei den anderen war ihr nichts aufgefallen. Lucia bildete - mal wieder - die Ausnahme.
»Das geht schon, ich komme klar«, winkte Lucia ab. Die Rezeptionistin zögerte noch kurz, dann zog sie mit einem skeptischen Blick einen Schlüssel aus der Tasche.
»Vielleicht sollten Sie trotzdem zuerst auf Ihr Zimmer gehen und sich etwas ausruhen. Ich kann Ihnen danach gerne noch alles zeigen und erklären.« Meredith spitzte die Ohren. Alles erklären? Das hieß sie konnte auch alles erklären? Sie wurde einfach nicht richtig schlau aus dieser Situation, aber im Moment half es nicht in Panik zu versinken oder sich die ganze Zeit die Frage nach dem warum zu stellen, sie mussten damit arbeiten, was sie hatten. Und das war zum einen diese Frau, mit der im Moment nur Lucia kommunizieren konnte, und zum anderen der Schlüssel und das für Lucia anscheinend vorbereitete Zimmer.
Die Blondine wollte gerade zum Reden ansetzen und sah dabei angriffslustig genug aus, dass Meredith ihr zutraute hier und jetzt Streit mit dieser Frau anzufangen und ihre Chance auf Antworten damit nur geringer zu machen, als sie sie am Arm zurückhielt. »Lass es gut sein, nimm den Schlüssel und wir überlegen uns einen Plan wie wir Antworten kriegen.« Eine Sekunde blieben die haselnussbraunen Augen noch verengt, dann gab sie innerlich wohl doch auf und sah ein, dass es durchaus vernünftiger war jetzt nichts zu überstürzen.
»Okay, dann gehe ich erst auf mein Zimmer, aber versprechen Sie mir, dass sie danach immer noch hier sind und mir eine Führung geben?« Nancy lächelte milde, während sie den großen, bronzefarbenen Schlüssel auf Lucias geöffnete Handfläche legte. »Ich bin immer hier«, sagte sie nur.
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»Ich verstehe das nicht, ehrlich.« Meredith dachte schon leichte Verzweiflung in Lucias Stimme zu hören. Und die Unverständnis konnte sich mittlerweile auf mehrere Dinge beziehen. Zum einen darauf, dass die Rezeptionistin alle bis auf Lucia entweder absichtlich ignoriert oder tatsächlich nicht gesehen hatte. Dann auf den Fakt, dass sie anscheinend erwartet wurde und Nancy Gruber es nicht für nötig erachtet hatte zu erklären von wem. Oder darauf, dass die blonde Frau ein lebensechtes Hologramm sein musste, aber es gleichzeitig nicht sein konnte, weil Lucia sie berühren konnte. Und der vierte Punkt handelte von einer Tür. Nicht Lucias Zimmertür, da waren sie noch nicht angekommen, sondern die Tür zu einem Treppenhaus. Vorhin war sie noch abgeschlossen gewesen und jetzt ließ sich die Klinke mit Leichtigkeit hinunterdrücken. Es war alles wirklich eigenartig und Meredith hätte vielleicht Angst verspürt, wenn ihre Neugier nicht einfach überwiegen würde.
»Sie ist wieder durch diese Tür hinter der Rezeption verschwunden und hat wohl abgeschlossen«, meldete Keiji hinter ihnen, der in dem Moment zu ihnen aufschloss. Sie waren also wieder zu fünft und Meredith blieb resolut stehen.
»Wir müssen kurz rekapitulieren. Lucia, du weißt genauso wenig wie wir, richtig?« Die Blondine nickte heftig. »Gut. Und wir sind uns alle darüber einig, dass es nicht normal ist durch Personen hindurchzufassen und nicht wahrgenommen zu werden?« Diesmal nickte nicht nur Lucia. »Und wenn das hier ein Hotel ist, wo ein Haufen prominenter Gäste waren, wie uns gerade mitgeteilt wurde, warum sind wir dann allein?« Es blieb still. Gespenstisch still, wie um diesen Punkt zu unterstreichen. »Etwas stimmt hier nicht und wir werden herausfinden was eigentlich passiert. Lucia, du bist im Moment unser Schlüssel zu Nancy Gruber und vielleicht auch zu anderen Menschen, wenn wir hier noch welchen begegnen. Wir werden uns Fragen überlegen, die du ihr stellen musst, ohne dabei verdächtig rüberzukommen und wenn sie dir tatsächlich diese Führung gibt, dann folgen wir dir auf Schritt und Tritt. Aber erstmal wäre es schlau dieses Zimmer zu untersuchen. Und am besten probieren wir wieder alle Türen, nur zur Sicherheit.«
Die Stimmung war deutlich angespannter, als sie sich der Treppe zuwandten. Dorothy hatte sowieso noch kein Wort gesagt, Josh riss keine Witze mehr, Keiji murmelte unverständlich vor sich hin, scheinbar tief in Gedanken versunken, und Lucias Lächeln hatte sich in einen grimmig entschlossenen Gesichtsausdruck gewandelt. Ähnlich wie zum Rest des Hotels war auch das Treppenhaus pompös gestaltet. Dunkelroter Stoff zog sich über die Mitte der Treppe, die breit genug war, dass sie alle nebeneinander nach oben laufen konnten. Das Geländer hatte wieder den satten Goldton und fühlte sich kalt und fest unter ihrer Handfläche an. Nichts deutete daraufhin, dass hier schon mal Personen gewesen waren. Der Teppich war wie neu, das Geländer glänzte. Meredith beugte sich darüber und sah nach oben. Es schien endlos weiterzugehen und verschwand in der Dunkelheit. Zum Glück lag Lucias Zimmer direkt im ersten Stock, wie die Rezeptionistin ihnen freundlicherweise mitgeteilt hatte.
Die Treppe endete auf einem Plateau und vor ihnen erhoben sich große Flügeltüren, die Lucia jetzt mühelos öffnete. Hinter ihnen führte eine weitere Treppe nach oben und so ging es im Zickzack in die Unendlichkeit weiter. »Ich schaue nach, ob die Türen weiter oben sich auch öffnen lassen.« Meredith wartete keine Antwort ab und lief schnell die nächste Treppe hinauf. Ebenfalls ein Plateau, ebenfalls Flügeltüren, aber diese waren abgeschlossen. Die nächsten ebenfalls und als sie bei denen danach auch keinen Erfolg hatte, gab sie es auf und drehte wieder um. Irgendwie schienen sich wohl nur die Türen zu öffnen, durch die sie auch hindurch gehen sollten. Ganz so als hätte das Hotel ein Eigenleben entwickelt und steuerte sie in eine bestimmte Richtung. Und es widerstrebte sie dieser Richtung einfach nur blind zu folgen.
Dorothy wartete auf dem Plateau auf sie, ein besorgter Ausdruck in den dunklen Augen. »Du solltest dir das hier anschauen.« Meredith bekam keine Chance zu antworten, weil sie sich bereits abwandte, und das unbehagliche Gefühl wuchs. Zwar sah der Flur hinter den Flügeltüren ganz normal aus, so wie sie einen Flur in einem Hotel erwartete. Links und rechts erstreckte er sich, war aber nicht so lang wie sie angenommen hatte. Insgesamt gab es wohl zwölf Zimmertüren, rechts sechs und links sechs und auf jeder Seite des Ganges dann jeweils drei.
Dorothy hatte sich zu Lucia, Keiji und Josh gesellt und zu einer geöffneten Zimmertür. »Ist das Lucias Zimmer?«, fragte Meredith und das Mädchen nickte nur stumm. Erst jetzt konnte sie auch einen Blick in das Zimmer hinein werfen und sie verstand weswegen die anderen so bedrückt waren. Es gab kein Zimmer, nur tiefschwarze Dunkelheit, genau wie sie hinter den Fenstern zu sehen war.
»Ich setze keinen Schritt da rein«, wandte Lucia sich an sie. »Du kannst gerne versuchen, ob du irgendwo einen Lichtschalter ertasten kannst, Josh konnte es nicht und wenn es so dunkel bleibt bin ich raus.« Sie trat zur Seite und gab Meredith den Raum sich ebenfalls dem schwarzen Loch zu nähern. Es fühlte sich an als käme kühle Luft hinaus, nur ganz leicht, aber vor einer schwarzen Wand zu stehen, durch die das Licht im Flur in keinster Weise schnitt, war auch schon gruselig genug. Langsam streckte sie die Hand aus und es erstaunte sie selbst wie ruhig sie blieb, als diese von der Finsternis verschluckt wurde. Links und rechts des Türrahmens gab es tatsächlich eine Wand, aber keinen Lichtschalter. Vorsichtig setzte sie einen Schritt nach vorne. Auch der Boden ging einfach weiter.
»Die anderen Türen sind alle abgeschlossen, oder?« Lucia nickte, die Arme vor der Brust verschränkt, in einer gleichermaßen trotzigen wie selbstschützenden Haltung. »Dann haben wir wohl kaum eine andere Wahl. Sie wollen, dass wir hier rein gehen. Oder zumindest du, Lucia. Und wir haben die größte Chance, wenn wir das alle zusammen machen und auch zusammen bleiben, egal was passieren wird, wenn wir da drin sind. Vielleicht geht auch einfach nur das Licht an und ist es doch ein Zimmer. Wundern würde es mich jetzt auch nicht mehr.«
»Aber vielleicht passiert auch etwas ganz anderes«, murmelte Lucia. Die anderen sahen ebenso skeptisch drein. »Wir könnten auch die Rezeptionistin wieder auf den Plan rufen und sie irgendwie dazu bringen hier hochzukommen und schauen wie sie reagiert.«
»Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass die so schnell wieder auftaucht«, wandte Josh ein. »Die Frau war echt gruselig, dieses bisschen Dunkelheit geht ja noch klar. Sekunde, halte einfach meine Hand fest und dann spazier' ich da mal rein.« Bevor irgendjemand protestieren konnte, hatte er sich bereits neben Meredith nach vorne gedrängelt, nahm ihre Hand und trat komplett in die Dunkelheit. Es schien als würden alle die Luft anhalten. Bis zum Ellenbogen war ihr Arm bereits mit in das Zimmer gezogen worden und plötzlich zog Josh noch weiter. Sie stolperte fast ebenfalls hinein und versuchte seine Hand fester zu greifen und ihn wieder zurückzuziehen. Was machte er da bloß? »Hey Josh, nicht loslassen, okay?!« Aber es kam keine Antwort. Und zwei Sekunden später entriss er ihr seine Hand. »Josh?! Wenn das ein Witz sein soll, dann lass es sein!« Immer noch nichts. Sie warteten zehn Sekunden, zwanzig, dreißig.
»Es reicht, er denkt doch bestimmt das ist alles nur ein Spaß.« Meredith spürte wie das unbehagliche Gefühl durch etwas anderes ersetzt wurde. Wenn das Hotel wollte, dass sie diesen Weg gingen, schön, dann ging sie eben diesen Weg. Josh war jetzt sowieso schon dadrin. »Ich denke wir haben keine andere Wahl als da ebenfalls reinzugehen.« Ihr Entschluss war schon gefallen, deswegen hörte sie kaum noch Lucias Protest. Als sie über die Schwelle trat verstummten die Geräusche vom Flur sowieso und als sie sich zurückdrehte war da nichts mehr. Meredith drehte sich einmal im Kreis, aber alles war und blieb dunkel. Als wäre sie blind. Und sie hatte jetzt schon jegliche Orientierung verloren. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen...
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Anlässlich meines Geburtstages gibt es hier endlich wieder ein Update, Kapitel drei für euch! Es ist jetzt alles sehr gut geplant für den ersten Teil und es folgen noch zwei Kapitel, bevor wir dann zur nächsten Gruppe springen. Ich möchte auch im kommenden Jahr dieser Geschichte etwas mehr Aufmerksamkeit widmen, aber wie immer kann ich da leider nichts versprechen.
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