Kapitel 2
«Wir hoffen, du warst noch nie zuvor in unserer Welt. Und wenn ja, wirst du uns nun ganz genau erklären, wie du es geschafft hast, hier einzudringen.»
Verwirrt senke ich den Kopf. Ich weiss nicht, welches Spiel hier gespielt wird und in welcher Situation ich mich hier befinde. Weshalb behaupten diese Entführer, ich sei in eine ... Welt eingedrungen? Wollen sie mich in die Irre führen?
Fürs Erste beschliesse ich, kein Wort an diese Leute zu verschwenden. So lange, bis ich meine eigenen Freiheiten zurückerhalte.
«Und es spielt keine Rolle, wie lange wir hier warten müssen, bis du deinen Mund öffnest.» Ich halte meinen Kopf noch immer gesenkt und weiss nicht, welcher der Drillinge gesprochen hat. Haben sie alle die gleiche Stimme? Wahrscheinlich schon.
Stur blicke ich auf meine Socken, auf die Zehenspitzen. Die Drillinge fragen mich aus, Fragen zu von wo ich komme, ob ich von den Alben käme, wie ich dieses Portal benutzen konnte, was meine Mission sei, an was ich mich erinnern kann ... und je mehr diese merkwürdigen Typen reden, desto verwirrter bin ich. Ich glaube, dass sie vor dem Verhör irgendetwas konsumiert haben.
Irgendwann schalte ich einfach ab und schliesse sogar die Augen. Ich muss herausfinden, was genau passiert ist, wenn mir diese Blondinen schon nicht weiterhelfen werden.
Ich versuche aufzuzählen, was ich weiss. Meinen Namen weiss ich zum Glück noch, ich heisse Aurelia Lynn Clarkson. Den meisten Leuten sage ich einfach, sie sollen mich Relly nennen, eine Mischung aus meinem Vor- und Zweitnamen. Ich bin 20 Jahre alt, lebe noch bei meinem Vater, da er sonst ganz allein wäre, und mache ein Studium im Wirtschaftswesen. Um Geld zu verdienen, jobbe ich in einem Café. Ich bin eine einfache Person. Ich fahre mit dem Zug zur Uni und zur Stadt, in dem der «Kaffeewinkel» ist, und verstricke mich nicht in Dinge. Meine Nase halte ich raus aus den Angelegenheiten, die mich nichts angehen.
Mein Vater. Er muss schon ganz krank sein vor Sorge, obwohl ich kein Gespür dafür habe, wie viel Zeit bereits vergangen ist.
Ein Gedanke kommt mir, der mir Angst einjagt. Dass ich keine Schuhe trage, deutet darauf hin, dass ich zuletzt zu Hause war. Wo sonst sollte ich schuhlos sein?
Und wenn ich also zu Hause war ... haben sie meinen Vater vielleicht auch?
Plötzlich wird mir heiss und kalt gleichzeitig und meine Sorge um meinen Vater wächst. Ich sehe ihn schon vor mir, gefesselt wie ich, in einem Betonklotz, verzweifelt. Und was mache ich hier? Gar nichts!
Schnell hebe ich meinen Kopf und da wird mir erst bewusst, dass die drei Drillinge schon seit einer Weile nichts mehr gesagt haben. Gerade erwische ich sie dabei, wie sie sich Blicke zuwerfen und eher ratlos aussehen.
Diese Spinner.
Ich beginne wieder mit dem Ruckeln und wiege hin und her, was sofort ihre Aufmerksamkeit auf mich lenkt. Energisch ziehe ich an meinen Armen und Beinen. «Ich will jetzt auf der Stelle wissen, wo ich hier bin und was ihr von mir wollt. Und wehe, ihr habt meinem Vater etwas angetan!» Ich kann nicht leugnen, dass ein Zittern in meiner Stimme liegt. Doch gleichzeitig hat es mir ein Mut verliehen, endlich zu sprechen, was mich so brennend interessiert. Abwechselnd blicke die Drillinge störrisch an.
Der Mittlere schnaubt und nähert sich mir geschmeidig wie ein Kater, bis sein Gesicht so nah an meinem ist, dass sich unsere Nasenspitzen beinahe berühren. Ich hebe mein Kinn ein wenig höher und verziehe meinen Mund.
«Du kannst aufhören, die Ahnungslose zu spielen, Mädchen. Du weisst genau, wo du bist.»
«Nein, das weiss ich nicht! Ihr seid Betrüger, Entführer und unnatürliche Wesen.» Ich spucke die Worte fast aus.
«Nichts davon stimmt, und erst recht sind wir keine Entführer. Du bist uns praktisch in die Arme gelaufen. Deine Aktion und die Fähigkeit, hier einzudringen, ist zwar erstaunlich, und wir wissen nicht, wie das geschehen konnte. Aber deine Unvorsichtigkeit danach war ganz allein deine Unfähigkeit.»
Ich lache humorlos auf. «Ihr nennt eine Entführung «in die Arme laufen»? Welche grausamen Wesen ihr doch seid.»
Vermutlich bin ich zu weit gegangen, denn nun packt mich der Dilling am Kragen und hebt mit nur einem Arm mich und den Stuhl hoch. Erschrocken atme ich aus, halte aber seinen wütenden Blick stand. Seine Augen brennen sich in meine. «Wir sind keine Entführer. Ich weiss nicht, was es dir bringt, das zu behaupten!»
Langsam habe ich das Gefühl, dass wir aneinander vorbeireden. Der Drilling scheint ähnliches zu denken, denn er lässt mich runter. Ich sehe ihm an, dass ihm etwas in den Sinn gekommen zu sein scheint. «Was ist, wenn ... wenn sie sich wirklich nicht mehr daran erinnern kann? Vielleicht wurde zu viel von ihren Erinnerungen gelöscht?»
«Ihr habt meine Erinnerungen gelöscht?!», rufe ich entsetzt aus und suche wütend den Blick des Mittleren. «Wie ... wie geht das? Weshalb? Wie wagt ihr es?»
Als Antwort verdreht er nur die Augen und die anderen zwei werfen sich besorgte Blicke zu. Ich verstehe nichts mehr und der mittlere Drilling ruft einen Namen: «Eddie!»
Ich schaue die anderen an und frage mich, ob er mit ihnen redet. Doch im nächsten Augenblick geht erneut die Türe hinter mir auf und nicht nur eine Person, nein, gleich drei Personen kommen in den Raum. Und während sich meine einzige Fluchtmöglichkeit mit einem lauten Knall schliesst, dringt wieder dieser erdige Geruch in meine Nase.
Anzahl Wörter: 863
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