4 - Wikinger in Not
Diesmal sind die Götter auf ihrer Seite.
Mehrere Tage konnten schon ins Land gehen, ohne das die Dorfbewohner dieser Insel das seltsame Duo entdeckt haben. Etwas, worüber Amelie nicht wirklich traurig ist. Denn auf der anderen Seite bedeutet das für sie Ruhe und etwas Frieden. Mal nicht darüber nachdenken zu müssen, ob der Wikinger nun Freund oder Feind ist, ob Skayla dadurch in Gefahr gerät oder Schlimmeres.
Und tatsächlich ist die unberührte Natur dieser Insel unglaublich reich an den verschiedensten Pflanzen und Früchten. Zusammen mit dem Fluss ist für Nahrung somit ausreichend gesorgt. Definitiv ein Geschenk der Götter, da ist Amelie sich sicher.
Ausgelassen wie schon lange nicht mehr durchquert das Duo wieder einmal den Wald und die angrenzenden Gebiete. Mit der Zeit konnte Amelie die Gegend immer besser kennenlernen und verinnerlichen, was ihnen gerade bei unliebsamen Fast-Begegnungen immer wieder zugutekam.
Auch ein schöner Nebeneffekt, das muss sie sich nach den Tagen eingestehen. Denn wann hatten sie das letzte Mal die Zeit, geschweige denn die Ruhe und Kraft dazu eine Insel so gut kennenlernen zu können, ohne dass es wieder Probleme gibt?
So denkt man gerne, wenn das Schicksal es einem vorgaukeln will.
Glücklich gurrend stupst Skayla ihre Reiterin an. Die Klingenpeitschlingdame freut sich, wenn ihre Reiterin das gemeinsame Versteck verlässt. Noch mehr freut sie sich auch, wenn ihre Reiterin sie nicht bittet, im Versteck auf sie zu warten.
Zugleich aber behält Skayla ihre Wachsamkeit bei. Auch wenn es am Anfang jeder Runde „nur" der Wald ist. Das haben die vergangenen Jahre die beiden gründlich gelernt: Egal wie sehr du meinst einen Ort oder eine Gegend zu kennen, alles kann sich innerhalb kürzester Zeit ändern. Schlussendlich hat nichts einen wirklichen festen Bestand.
Während Amelie weiter nach wertvollen Kräutern und verschiedenen Pflanzen Ausschau hält – gerade als Heilerin kann man ja nie zu wenig haben – behält Skayla die Umgebung im Blick. Schnuppernd, witternd, um möglichen wilden Tieren und Drachen, insbesondere aber anderen Menschen ausweichen zu können. So ist jedenfalls der Plan, wäre da nicht diese eine Fährte, welche die Klingenpeitschlingdame skeptisch werden lässt. Diese Fährte, die irgendwie da zu sein scheint und doch viel zu schwach, als das davon eine Gefahr ausgehen könnte.
Die Muskeln mehr angespannt und den Blick geschärft beginnt Skayla langsamer durch die Büsche und Pflanzen zu schleichen. Auf der Suche nach dem Etwas, von welchem diese Fährte zu kommen scheint. Und das ärgert die Drachendame am meisten daran. Sie kann nicht eindeutig sagen, von was diese Fährte zu kommen scheint. Ob sie jetzt ein Tier, einen Drachen oder einen Menschen sucht. Denn irgendwie ... sind in dieser Fährte zu viele verschiedene Gerüche von allen dreien gemischt. Und zugleich verwirrt sie das auch.
Aus dem Augenwinkel beobachtet Amelie, wie die Körperhaltung ihres Drachen sich verändert. Irgendetwas scheint Skayla zu beschäftigen, da ist sie sich sicher. Nur was?
Behutsam nähert sie sich ihrem Seelendrachen, darauf achtend der Klingenpeitschlingdame keinen unnötigen Schrecken einzujagen. Sanft streicht sie ihr über die silbernen Schuppen am Hals entlang, eine leise Melodie summend. Was auch immer du suchst, wir suchen es gemeinsam. Was auch immer kommt, wir sind bereit.
Weiter nach der Fährte suchend verengt Skayla ihre Augen zu Schlitzen. Sie hat die endgültige Fährte aufgenommen. Und weiß nun endlich in welche Richtung diese weitergeht. Die Muskeln noch immer angespannt verfolgt Skayla dicht mit der Schnauze über dem Boden die Fährte. Um Bäume herum, durch Gebüsche und kleinere Sträucher.
Die Nervosität nicht ganz unterdrücken können folgt Amelie ihr so schnell und so lautlos, wie es ihr nur möglich ist. Während die eine Hand an ihrem Gürtel ist, so versucht sie, mit der anderen im Weg hängende Zweige oder Gestrüpp von sich fernzuhalten. Nichts gegen kleinere Kratzer, aber sie hätte nichts dagegen, wenn ihr grünes Kleid noch etwas länger überleben würde.
Plötzlich hält Skayla zwischen zwei Büschen abrupt inne und legt unmerklich den Kopf schief. Selbst von dieser Reaktion überrascht, man bedenke die Vorigen, wird auch Amelie langsamer und nähert sich der Drachendame von der Seite aus.
Dort angekommen hat auch sie nun einen guten Blick auf den Fund von der Klingenpeitschlingdame. Vor ihnen liegt ein Mensch. Besser gesagt, ein Wikinger, der seinem Aussehen nach aus dem Dorf kommen muss, welches sich mit auf dieser Insel befindet. Das hatte ihnen noch gefehlt. Definitiv.
Aber da ist noch mehr. Besagter Wikinger sieht definitiv nicht so aus, als würde er hier ein Mittagsschläfchen halten wollen. Vielmehr, als wenn er hier im Wald etwas gesucht hatte und dabei böse überrascht wurde. Und das ist definitiv nicht gut. Gar nicht gut.
Skayla ein kleines Zeichen gebend, schauen beide sich kurzerhand in der näheren Umgebung um, ob da weitere Wikinger unterwegs sind, geschweige denn Hilfe auf dem Weg zum Verletzten.
Nicht mehr länger zögern wollend kniet Amelie sich neben den Verletzten und tastet ihn grob nach oberflächlichen Verletzungen ab. Das Erste, was ihr direkt auffiel: Er trägt keine Waffe bei sich. Kein Bogen, kein Schwert, keine Axt. Natürlich könnte diese auch in einem der umliegenden Gebüsche verschwunden sein oder wer, vielleicht auch was, auch immer hat das mitgenommen. Und doch will sie an das Gute in den Wikingern glauben. So sagt es ihr Kodex. Selbst wenn dieser Mann etwas Schreckliches tat, so ist sie dazu verpflichtet, ihm nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen.
So überprüft sie auch, ob er noch atmet und sein Herz noch schlägt. Den Göttern sei Dank hat er keine Verletzungen, die sich äußerlich feststellen lassen. Eine Tatsache, die sowohl gut als auch schlecht sein kann. Und auch sein Herz scheint noch immer regelmäßig zu schlagen. Eine weitere gute Sache für den unbekannten Wikinger.
Bleibt nur noch die Frage, was sie als Nächstes machen sollen. Einerseits könnten die beiden ihn hier liegen lassen. In der stillen Hoffnung, dass man ihn schon bald im Dorf vermissen und nach ihm suchen würde. Andererseits ist noch immer unklar wer oder was es geschafft hat ihn bewusstlos zu kriegen. Und in diesem Zustand wäre er sowohl für die wilden Tiere als auch für andere Drachen je nachdem leichte Beute. Vor allem aber weiß sie nicht, ob sein Zustand auch in den nächsten Stunden so stabil bleiben würde oder ob dieser sich noch verschlechtert. Und gerade dann wäre es mehr als schrecklich, wenn er noch immer unentdeckt hier liegen würde.
„Skayla ... ich glaube, wir müssen ihn zurück in sein Dorf bringen. Wenn wir ihn hier zurücklassen, wird er entweder von den Tieren angegriffen oder... stirbt im schlimmsten Fall noch!"
Ein leises Gurren entfährt Skaylas Kehle, als diese ihre Reiterin behutsam an der Schulter anstupst. Dankbar sieht die junge Drachenreiterin auf und streicht ihrem Drachen behutsam über die Schnauze. Es sind gerade diese Momente, die die beiden immer wieder vor Herausforderungen stellt, in denen sie die Verbindung zu Skayla umso mehr schätzt. Egal welche Hürde, welche Herausforderung, welches Schicksal sie erwartet – sie weiß, sie werden es gemeinsam durchstehen.
Rätselnd stehen die beiden nun vor dem Mann, überlegend, wie sie ihn am besten zum Dorf transportieren könnten. Auf Skaylas Rücken, da sind sie sich sicher. Nur wie?
So versucht sie, ihn unter den Armen zu greifen und Richtung Skayla zu zerren. Und tatsächlich beschreibt Zerren es sehr gut, denn der Wikinger bewegt sich kein Stück. Das könnte einerseits daran liegen, dass der Wikinger nicht gerade schmächtig ist. Und zugleich weiß Amelie, dass sie allgemein nicht viel Kraft für so was hat. Nicht gerade verwunderlich, wenn man bedenkt, wie schwer es ist in der Natur ausreichend zu Essen zu finden. Oder wie selten sie eine richtige Mahlzeit hat.
Amüsiert darüber kann Skayla sich ein Grinsen nur schwer verkneifen. Gurrend entfährt ihr ein leises Lachen, bevor sie mit ihrem Schwanz behutsam den Wikinger am Bauch packt und auf ihren Rücken hebt. „Jaja, ich hab's schon verstanden, Skayla! Für dich ist es kein so großes Problem", grinsend hat sie die Arme vor ihrer Brust verschränkt. In solchen Fällen fragt Amelie sich manchmal, wie es wohl ist ein Drache zu sein.
Mit einem letzten kontrollierenden Blick geht sie noch einmal sicher, dass der Mann in einer halbwegs guten Position auf Skaylas Rücken liegt und den Transport bis zum Dorf hoffentlich gut übersteht. „Ich glaube, wir sind bereit loszugehen."
Sich beiden damit Mut zusprechen wollend nickt sie Skayla noch einmal zu.
Schweigend bahnen sich die beiden mit dem verletzten Passagier einen Weg durch den weiteren Wald. Dabei hat Amelie nur im Groben eine Ahnung, wo genau das Dorf liegen könnte.
Auch eine Sache, worum sie die Drachen sehr beneidet. Mit ihrer Fähigkeit, die verschiedensten Fährten wittern zu können und gerade dadurch auch deren Orientierungssinn.
Immer wieder schaut sie kontrollierend nach dem Wikinger, während sie sich zugleich dem Dorf nähern. Und das mit steigender Nervosität, gerade wenn sie an die letzten Begegnungen zurückdenkt. Zwitschernde Vögel und auch der ein oder andere neugierige Schreckliche Schrecken begleiten dabei ihren Weg.
Im Dorf selbst herrscht ein reges Treiben. Kinder spielen auf den Straßen, in der Schmiede wird gearbeitet und andere wiederum kümmern sich um die Felder und Tiere. Lachend unterhalten sich ein paar weitere Wikinger über ihre letzten Erfolge bei einem der letzten Drachenangriffe.
Ein lauter Aufschrei lässt die Dorfbewohner automatisch innehalten.
Panisch schieben Mütter ihre Kinder in die Richtung der Häuser, während einige Männer wiederum sich bereit machen nach ihren Waffen zu greifen. Aufruhr mischt sich unter die Menschen und unterbricht die eben noch dagewesene Idylle. Schnell sammeln sich am Rand des Dorfes mehrere Wikinger, deutlich angespannt.
„Was hast du hier mit diesem Drachen zu suchen?!" – „Was machst du da mit unserem Dorfbewohner?" – „Lasst uns in Frieden und gib uns unseren Freund zurück!"
Angespannt und skeptisch mustert die Gruppe die fremden Neuankömmlinge, welche aus Amelie und Skayla sowie dem verwundeten Dorfbewohner bestehen. „Wir wollen euch nichts tun! Wir haben diesen Wikinger verletzt im Wald gefunden und wollten ihn nur zurück ins Dorf bringen...", dabei wird Amelies anfangs noch feste Stimme zum Ende hin immer unsicherer.
„Ach ja? Und wir sollen dir glauben? Woher sollten wir nicht wissen, ob du ihn mit deinem Drachenvieh absichtlich gefangen genommen hast?", gereizt umschließt der Mann den Griff seines Schwertes noch mehr.
„Aber aber ...", besänftigend ergreift ein anderer Mann das Wort und hebt die Hände, „warum sollte ein junges Mädchen so etwas vorhaben? Sollten wir nicht vielmehr erleichtert sein, dass sie unseren verletzten Freund auffand und ihn zu uns zurückbrachte? Wer weiß, wann wir ihn gefunden hätten. Vielleicht wäre das dann schon längst zu spät gewesen!"
Gemurmel macht sich unter den versammelten Wikingern breit.
Und wo eben noch Skepsis und Abneigung herrschte, mischt sich nun auch Verwunderung und Offenheit dazu. Denn der Mann, der eben sprach, wird nicht umsonst sehr geachtet im Dorf.
Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅
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