BONUS: Hogarth
Soundtrack: Hans Zimmer - Dead Men Tell No Tales aus dem PotC: Dead Men Tell No Tales OST
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Zischend duckte Rotchcaft sich unter der Faust des Orks weg und schlitzte ihm im Vorbeihuschen die Kniesehne durch. Heulend ging er zu Boden und ertrank in dem Gewirr aus sich windenden, um sich schlagenden Leibern, zwischen splitterndem Glas und fliegenden Fäusten. Hastig schlängelte sie sich an den stampfenden Beinen vorbei, kletterte auf einen Tisch und ließ den Blick über das Chaos schweifen.
Die Taverne strotzte vor sich prügelnden Piraten, dazwischen kratzende, beißende, um sich schlagende Huren, und die wenigen Diebe, die es wagten, ihrem Handwerk in der Schlägerei nachzugehen. Hinter der Theke stand der Wirt und schoss jedem, der es wagte, näher an ihn heranzukommen, eine Kugel ins Fleisch. Seine Schankmädchen halfen ihm beim Nachladen.
Rotchcaft nahm die Flasche neben ihr und trank einen Schluck. Die Welt, stinkend nach Bier, Schweiß und Schwarzpulver, verschwamm bereits um sie herum. Hogarth war dem Chaos verfallen, seit Marre von ihrer Jagd nach dem magischen Schwert nicht zurückgekehrt war. Die Captains der Wyrdail kämpften um die Oberhand, und die anderen Banden ließen es sich nicht nehmen, es zumindest zu versuchen, die Gebiete und Crews der Grünsegler zu übernehmen. Vailorne, geschwächt nach seiner Rettung von Caligárs Insel, würde sich nicht lange an der Spitze halten. Viele waren stärker als er. Und sie alle wussten ihren Vorteil zu nutzen.
Rotchcaft genoss das Chaos, eine Zeit, in der jeder einen fähigen Piraten gebrauchen konnte. Selbst einen Goblin. Zufrieden leerte sie die Flasche. Gut im Kehlenschneiden zu sein war seit jeher eine durchaus nützliche Qualität. Es half, zu vergessen.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich jemand an sie heran schlich. Sie wirbelte herum und schleuderte ihm aus der Bewegung heraus die Flasche ins Gesicht. Brüllend zuckte der Mann zurück und stürzte sich mit gezogenem Schwert auf sie.
Sie sprang vom Tisch, krachend landete die Klinge auf dem Holz, ein Schlag, der sie glatt in zwei Stücke gehalten hätte. Schnell riss sie die Pistole aus dem Gürtel und schoss ihm von unten in den Kopf. Blut spritzte ihr entgegen, durchnässte ihre Kleidung und tropfte auf ihren Hut. Der Mann brach zusammen.
Sie sah sich nach dem Gegner um, als ein markerschütternder Schrei durch die Taverne hallte. Die Männer hielten in der Bewegung inne.
Eine Frau stand auf der Türschwelle, mit der bleichen Haut und den blonden Haaren einer Halbfey. Sie zitterte am ganzen Körper. Rotchcaft kannte sie. Sie war die Mistress des Roten Schiffes, des berüchtigten schwimmenden Bordells im Hafen. Mit bebender Hand wies sie nach draußen, dort, wo die Straßen zum Strand führten.
Ein grünes Drachenblut mit den Tätowierungen der Schwarzen Kraken stieß seinen Gegner beiseite und trat auf sie zu. „Was ist dort?", fragte er, sanfter, als Rotchcaft ihm zugetraut hätte, doch mit einer dunklen Drohung in der Stimme.
Die Halbfey starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. „Die Geister", flüsterte sie. „Die Geister des Caligár."
Die Männer wechselten unbehagliche Blicke. Seit das Schwert und Marres Schicksal aller Munde war, schien es jeder zu fürchten. Es hieß, Myazi hätte es noch immer, und Rotchcaft hatte nie versucht, die Gerüchte eines besseren zu belehren. Sollte der verfluchte Karr doch sein Ende mit diesem Schwert finden. Niemals würde sie wieder in die Nähe der Klinge gehen.
Das Drachenblut blickte die Straße hinab. Dann winkte er eine Gruppe Tätowierter zu sich und verließ die Taverne. Einige schlossen sich an.
Kurz sah Rotchcaft ihnen nach. Die Halbfey war bekannt dafür, dass sie es mit Opium und anderen Drogen übertrieb, und dass sie oft Dinge sah, die nicht waren. Andere behaupteten, es sei Hellseherei. Vor wenigen Wochen hätte niemand ihr Beachtung geschenkt, doch das Geflüster von dem Schwert und die Idee eines Wanderpredigers, die Geister könnten sich aus ihrem Gefängnis befreien, hatten wohl einiges in den Köpfen geändert. Rotchcaft sah sich um, dann folgte sie den Piraten.
Während des Wegs zum Hafen hinab fragte sie sich, wie die Geister sich wohl befreit haben könnten. Ob der Karr es überlebt hätte. Ob Rha'Ytun und die Schwestern erneut die Meere heimsuchten. Und ob das Schwert nun zerstört war.
Der Hafen war voller Leute, die alle auf die Einfahrt der Bucht starrten und hofften, einen Blick zu erhaschen. Rotchcaft stahl einem Captain der Toten Flammen ein Fernglas, erklomm einen Pfosten, an dem eine Fregatte vertäut war, und setzte es ans Auge.
Schwarzer Himmel vermischte sich am Horizont mit schwarzem Meer, Sterne und Gischt waren silberne Sprenkel in der Dunkelheit. Doch etwas war dort. Sie erkannte ein Schiff, rußschwarz, verfallen und bewachsen, die Segel, scheinbar aus Haihaut und Algen, zerrissen, verbrannt und langsam wogend, als wären sie unter Wasser. Tiefe dunkle Kerben verunzierten das verfaulte Deck. Grauen schwappte mit jeder Welle an die Hafenmolen, fraß sich in die Steine und tränkte die Wesen an Land.
Rotchcaft konnte die Männer an Bord nicht erkennen, doch sie wusste, dass die Hälfte von ihnen noxische Uniformen trug. Dass die anderen mit den grünen Schärpen der Wyrdail Haibisse an den Armen hatten. Dass die Anführerin der Grünsegler einem einem toten Captain in einem Mantel der imperialen Marine diente.
Es war ein Schiff, von dem sie gehofft hatten, dass sie es nie wieder sehen würde. „Raguza."
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Abspannmusik: Pat Razket - Pirate's Lullaby
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