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6. Ein Pakt der Verdammten

Soundtrack: Hans Zimmer - Mermaids aus dem POTC: On Stranger Tides OST

~

Marre blickte mir entgegen, als ich aus dem Wasser stieg, doch sie schien mich nicht wahrzunehmen. Das Gesicht vor Zorn verzerrt starrte sie der Banshee's Wrath nach. „Dieser elende Myazi. Lässt mich zum Sterben zurück und behauptet, es sei ein Gefallen, den er mir aus Schuld tut! Weil Sinara nicht gewollt hätte, dass ich durch seine Hand sterbe!", fauchte sie, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte aufgebracht am Strand auf und ab. „Und von allen, die das Schwert nutzen wollen, gibst du es ihm!"

Ich duckte mich unter ihrem stechenden Blick weg und schlurfte zu Farraday. Anders als Marre schien er nicht wütend, nur ein wenig demoralisiert. So wie wir alle. Seine Manteltasche war ausgebeult und beinahe schwarz verfärbt.

Mein Blick fiel auf den Blutfleck, verschmiert von den Gezeiten, darum verstreut lagen der Bogen, bläulich schimmernde Schuppen und rußgeschwärzte Teile einer Rüstung aus Krebsschalen. Ein Helm aus dem gleichen Material lag zertreten daneben, der Kamm aus roten Korallen zersplittert im Sand. Ich schluckte nervös. „Was ist mit Siarthys geschehen?"

Farraday sah ebenfalls hinaus aufs Meer. Das Schiff der Knochensammler nahm an Fahrt auf. „Sie hat mehrmals die Wellen auf uns geschickt, bis Myazi sie mit Magie festgehalten hat." Er seufzte. „Er ist stärker, als ich annahm. Er hat sie in Schach gehalten, seine Männer haben sie mit Kugeln durchsiebt. Sie haben sie kaum verletzt. Ich weiß nicht, wie viele sie mit ihren Pfeilen und den Wellen getötet hat, doch mir konnten die Wellen nichts anhaben. Erraxa hat mich geschützt. Während die anderen sie abgelenkt haben, habe ich Siarthys die Kehle durchgeschnitten." Er öffnete seine Manteltasche, und ich blickte hinein. Ein Herz lag darin, dunkelrot, leicht bläulich schimmernd, abstoßend und doch faszinierend. „Und habe das an mich genommen. Für Erraxa."

Ich verzog das Gesicht. Plötzlich war ich noch glücklicher als zuvor, dass ich in den Wald gerannt war. Doch das Wissen, dass Arcaul ohne mich davon segelte, kratzte in meinem Kopf. Müde blickte ich zum Horizont.

„Hast du das Schwert beim Wrack gefunden?", fragte Farraday.

„Aye."

Er nickte. „Wir waren auch dort. Sobald wir Siarthys besiegt hatten, haben wir uns auf der Suche nach der Höhle gemacht. Myazi war ungeduldiger als wir alle. Schlimmer noch als Marre." Er warf einen Blick zu der Anführerin der Wyrdail, die sich fluchend mit Vailorne unterhielt. Der Elf schwieg, scheinbar unbeteiligt. „Und er hätte beinahe den Berg eingerissen, als er sah, dass das Schwert fort war."

„Ich brauchte es. Arcaul ist auf Myazis Schiff", sagte ich leise.

„Was?"

„Mein Bruder. Er ist auf Myazis Schiff. Ich dachte, er ist in Noxus, aber er ist bei Myazi. Einer der Knochensammler hat gesagt, er sei ein Geschenk für die Kaiserin von Jade", erklärte ich. Ich musste jemanden einweihen, und Farraday würde mir am ehesten helfen.

Der Noxer schwieg kurz. „Wie kann dein Bruder ein Geschenk für die Kaiserin sein?", fragte er schließlich.

„Ich weiß es nicht. Sie haben ihn verändert, er hat glühende Runen auf dem Körper und ist muskulöser, als ein Karr es sein sollte." Ich sah ihn ein wenig unbehaglich an. „Weißt du, woher so etwas kommen könnte?"

„Weißt du, was ein Arkaner ist? Man kann Dämonen nicht nur in Waffen bannen. Mit Lebewesen ist es ebenso möglich. Man ritzt ihnen Runen in die Haut und bannt einen Geist in seinen Körper. Wenn es einem gelingt, den Dämon unter seine Kontrolle zu bringen, wird man zu einem Arkanen."

Ich schauderte bei der Vorstellung, was meinem Bruder angetan worden war. „Solche Dinge tut Nox?"

„Aye. Nur das Imperium hat diese Art Magie. Die alten Völker von Kasien haben das nötige Wissen, und Nox bezahlt sie mehr als fürstlich für ihre Dienste." Er zuckte mit den Schultern. „Das ist es zumindest, was man auf den Soireen des Adels munkelt."

„Arcaul... er schien, als wäre er nicht er selbst."

„Gewalttätig? Unkontrolliert?"

„Aye."

„Er muss die Energien des Dämons erst bändigen. Normalerweise wartet man, bis diese Phase ausgeklungen ist, bis ein Arkaner eingesetzt wird. Manchmal jedoch bannt man bewusst mächtige Dämonen an schwache Geister. Sie können die Energien nicht kontrollieren und bleiben mordsüchtige Bestien. Das hat mir zumindest eine der Beschwörer erzählt. Eine ekelhafte Frau." Er verzog das Gesicht. „Dein Bruder soll ein Geschenk an die Kaiserin sein, sagtest du. Nun, es wird sicher kein Glück bringen."

„Kann es nicht sein, dass die Kaiserin Arcaul für ihre Zwecke nutzen will?"

„Die meisten Kitsune hassen und fürchten die Dämonen, sie sind die Diener der Banshee, der Gegenspielerin ihres Gottes. Niemals würden sie sie in Körper bannen, und die Kaiserin würde es nicht gutheißen. Nein, ich bin mir sicher, dass Arcaul der Kaiserin schaden soll. Nun stellt sich nur die Frage, von wem das Geschenk stammt. Und wenn es Nox ist, was wahrscheinlich ist, warum Nox der Kaiserin an den Kragen will."

„Zuerst", seufzte ich, „müssen wir es nach Bikoyo schaffen." Die Banshee's Wrath war nur noch ein schwarzer Fleck vor dem Horizont.

Farraday nickte. „Dafür brauchen wir ein Schiff."

„Wir könnten ein Signal errichten und auf Rettung hoffen."

„Niemand, der nicht bei Trost ist, segelt in diese Gewässer."

„Und du hast nicht zufällig ein Schiff in deiner Tasche?"

„Kein Schiff." Seine Hand fuhr in seinen Mantel. „Aber etwas anderes."

Mein Blick senkte sich auf den blutigen Stoff. „Was hast du vor?"

„Wir bitten Erraxa um Hilfe."

Ich holte Luft für einen Einwand, doch überlegte es mir anders. Wir mussten nach Bikoyo. Ich musste nach Bikoyo. Alles, was wir brauchten und wollten, war dort. Jade war weit von der Insel des Caligár entfernt, und wir mussten bald dort sein. Noch wusste ich, was mit Arcaul geschehen sollte. Noch lebte er. Dennoch schien mir Erraxa kaum als vertrauenswürdige Verbündete.

Farraday wartete meine Antwort nicht ab. „Wir müssen sie rufen." Mit wehendem Mantel wandte er sich um.

Marre beobachtete ihn, wie er zum Wasser trat und das Herz aus seiner Tasche holte. „Was hat er vor?", rief sie.

„Er will Erraxa rufen", antwortete ich ein wenig nervös.

„Haben wir nicht gänzlich andere Probleme? Sollten wir nicht nach einem Weg suchen, diese elende Insel lebendig zu verlassen?"

„Er will Erraxa bitten, ihm zu helfen."

Marre ließ von Vailorne ab und schritt auf mich zu. „Ein weiterer Pakt mit Erraxa? Farraday, bist du wahnsinnig?"

„Ihr wollt dem Schwert nachjagen, nicht wahr? Myazi zugrunde richten? Dann müssen wir es tun. Es gibt kaum einen anderen Weg. Niemand wird uns hier finden. Wir alle werden sterben. Wir haben Siarthys' Herz und somit eine Verbindung zu Erraxa, warum sollten wir sie nicht nutzen?" Farraday sah Marre eindringlich an. „Wir müssen es tun."

Marre erwiderte seinen Blick, dann wandte sie sich fauchend ab. „Tu, was du kannst."

Farraday lächelte flüchtig. „Sindrak, gib mir ein Schwert."

Ich reichte ihm ein armlanges Entermesser, eines der Schwerter, die ich an meinem Rücken trug. Farraday nahm es in Empfang und trat hinab an die Wasserlinie, bis das Meer seine Stiefel umspülte. Sanft legte er das Herz in den Sand. Dann hob er das Messer und rammte es in das Herz. Ich zuckte zusammen. Vailorne schnaubte amüsiert. Die Wellen leckten über das Herz hinweg, bläuliches Blut rann ins Meer und wurde mit der Strömung gerissen.

„Erraxa", sagte Farraday, ehrfürchtig und doch beinahe berechnend. „Höre mich."

Schwarze, dreieckige Rückenflossen durchschnitten das Wasser, nur wenige Augenblicke, nachdem er den Namen der Göttin gesagt hatte. Die Haie kamen, und die Königin des Hungrigen Meeres mit ihnen.

Sie war ein dunkler Schatten unter der Wasseroberfläche, ihre Schultern und Haiflossen ragten aus dem Meer wie die scharfkantigen Felsen der Insel. Näher und näher schob sie sich an die Küste heran, dorthin, wo Siarthys' Blut ins Meer floss. Langsam hob sie den Kopf zur Hälfte aus dem Wasser, das Segeltuch über ihrem Gesicht, ihre finstere Aura schwappte mit den Wellen an den Strand.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie einige Männer zurückwichen, ich verbarg mich hinter Vailorne. Der Elf trat einen Schritt zur Seite, ich folgte ihm. Er murmelte etwas von feigen Schatzjägern. Ich hielt es nicht nötig, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

Farraday trat vor, riss das Schwert aus dem Boden und nahm das Herz. Langsam watete er in die Wellen, bis er bis zur Brust im Wasser stand. „Erraxa, du hast uns den Weg durch Siarthys' Gewässer gewiesen. Nun sollst du bekommen, was du verlangtest", sprach er und hielt der Göttin das Herz hin. Ich konnte kaum verstehen, wie er es sich traute, so nahe an Erraxa heranzutreten.

Eine langfingrige, mit dünnen Krallen bewehrte Hand griff nach dem Herz. Kurz betrachtete Erraxa es, ein breites, triumphierendes Lächeln entblößte dreieckige Haizähne. Dann warf sie es beinahe nachlässig zu den Haien.

Das Wasser begann zu brodeln. Die Haie schienen übereinander zu springen, nur um einen Bissen des göttlichen Fleisches zu erhaschen. Ich wollte nicht wissen, wie es dem restlichen Körper von Siarthys ergangen war.

Erraxas Haut unter der Wasseroberfläche schien zu flackern, sie krümmte sich, Krämpfe liefen durch ihren Körper. Selbst über dem Wasser hörte ich ihre Schreie, rau und verzerrt durch den Haken, der noch immer in ihrem Hals steckte. Ich schauderte, duckte mich tiefer hinter Vailorne, und fragte mich, wie Farraday ruhig stehen bleiben konnte. Der Noxer bewegte sich kaum.

Mit einem letzten heiseren Seufzen wich die Spannung aus Erraxa. Die Haie zerstreuten sich, doch strichen um die Göttin herum wie hungrige Katzen.

„Erraxa. Wir brachten Euch das Herz der Siarthys. Wir kommen zu Euch als Eure Diener, demütig und verzweifelt." Farraday bedeutete uns, niederzuknien.

Die Wyrdail kamen seiner Bitte zögerlich nach. Einzig Vailorne und Marre blieben auf den Beinen. Einige Männer sahen den Elfen und den Tiefling fragend an und machten Anstalten, sich wieder zu erheben, doch Marre schickte sie mit einem strengen Blick zurück. Ich tat, als wäre ich unsichtbar. Eines Tages, schwor ich mir, würde ich einen Umhang der Unsichtbarkeit stehlen und mich nie wieder darunter hervorwagen.

„Wir bitten um Eure Gnade, Erraxa, oh Königin des Hungrigen Meeres, Herrscherin der See, nun befreit von Euren Fesseln."

„Ihr habt meinen Schutz erhalten, um Siarthys zu bezwingen. Und es reicht euch nicht." Erraxa klang nicht verärgert. Eher beinahe neugierig. Ihre Stimme war ebenso rau wie zuvor in ihrem Gefängnis, doch sie war kräftiger. Machtvoller. Sie klang nach Wellen gegen Felsen, nach brechenden Masten und über die See rollendem Donner.

„Wir wurden betrogen. Wir wurden auf dieser Insel zum Sterben zurückgelassen, und nun erbitten wir Eure Hilfe, um von hier zu fliehen. Wir wollen jene verfolgen und zur Strecke bringen, die uns Unrecht antaten." Farraday erwiderte Erraxas leeren Blick, die verdeckten Augen knapp über die Wasserlinie gehoben. Ich konnte von weitem die Mundwinkel erkennen, dicht unterhalb ihrer Ohren. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie Farraday mit einem einzigen Bissen töten können.

Doch sie tat es nicht. Mit einem Flossenschlag trieb sie sich näher an Farraday heran, umkreiste ihn, schien ihn umschlingen zu wollen. Er sah sich nicht nach ihr um. „Ihr wollt noch immer das Schwert, nicht wahr? Es verließ diese Insel. Sein Träger weiß es zu nutzen. Ich konnte es ihm nicht nehmen." Sie zischte leise. „Nicht ohne die Macht meiner Schwester." Ihre Finger strichen über Farradays Rücken.

„Werdet Ihr uns helfen?", fragte Farraday beinahe flehend.

„Warum sollte ich es tun? Ich kann mir nehmen, was ich will. Der Kitsune wird Widerstand leisten, er wird mich verletzen, so wie er es mit Siarthys getan hat. Er ist stark." Ihre Stimme flackerte, als spürte sie Siarthys' Schmerz. „Doch ich werde siegen."

Farraday wandte sich zu ihr. „Aber es gibt etwas, was Ihr wollt, was Euch weder Siarthys noch Rha'Ytun geben können, nicht wahr? Etwas, das Euch veranlasst, noch immer hier zu sein. Warum Ihr nicht längst verschwunden seid. Der Grund, warum Ihr Euch unsere Bitte anhört, in der Hoffnung, etwas dafür zu erhalten."

Erraxa kicherte und sank unter die Oberfläche, ihre Tentakelhaare flossen mit der Strömung. Dicht vor ihm tauchte sie wieder auf, die Tentakel liebkosten sein Kinn. „Ich bin nicht vollends frei." Weitere Fangarme strichen über den Haken in ihrer Kehle, tasteten über die Schnüre, die noch immer in ihre Haut schnitten. Ketten klirrten, als sie die Hand hob. Eiserne Schellen umschlossen ihr Handgelenk. „Siarthys war mächtig. Sie bannte mich mit Zaubern und Flüchen und roher Gewalt. Auch ihr Tod konnte nicht all meine Fesseln lösen." Gier schimmerte unter ihrer scheinbaren Verwundbarkeit. „Die Wellen und die Stürme gehorchen mir nicht. Ich bin verletzlich, wie meine Schwester. Die Macht eines Gottes könnte mich töten, so wie ihr es mit Siarthys tatet. Der Kitsune trägt eine solche Macht mit sich, und er weiß sie zu nutzen."

„Wie können wir Euch helfen?", fragte Farraday.

„Gebt mir einen Körper", hauchte sie rau. „Einer von Euch muss sich mir hingeben. Er wird meine Macht haben, die Macht, Stürme und Wellen zu erheben und wieder versiegen lassen. Sein Anblick wird Angst und Schrecken verbreiten. Meinen Zorn. Und er wird meinen Schmerz teilen, einen Schmerz, zu groß für einen Sterblichen. Er wird dem Wahnsinn verfallen, verdammt dazu, bis in alle Ewigkeit die Meere zu besegeln. Nie wieder darf er einen Schritt an Land setzen, er und seine verfluchte Crew. Wir werden eins sein, eine Göttin und ein Sterblicher."

Bis ihre Macht den Geist des Unglücklichen zu Staub zermalmte und eine Göttin hinterließ, berauscht von Macht und Freiheit. Nervös spielte ich mit den Schläuchen an meinem Handschuh. Ich hatte genug Vorstellungskraft, um mir denken zu können, wie Erraxa, vereint mit der Macht Siarthys' und dem Schwert des Caligár, die See terrorisierte. Die Schiffe sinken ließ und sich an den Schreien der Ertrinkenden ergötzte. Wir würden einen Fluch des Meeres erschaffen, eine Göttin, dessen Namen nur geflüstert würde, in der Angst, sie zu rufen.

Doch sie war der einzige Weg, wie wir von der Insel fliehen konnten. Wie ich Arcaul retten konnte. Innerlich verfluchte ich die Tatsache, dass ich mich nicht doch an Bord der Banshee's Wrath geschmuggelt hatte. So wäre ich nicht auf Gedeih und Verderb dieser Göttin ausgeliefert, dafür jedoch Myazi, und zumindest wollte die Göttin meinen Tod nicht.

Die Männer der Wyrdail blickten auf den Sand zu ihren Füßen. Niemand wagte es, sich zu rühren.

Selbst Farraday schien der Vorstellung, eine Meeresgöttin in seinen Körper zu lassen, nicht zugetan. „Freiwillige vor. Wenn niemand bereit ist..."

„Ich werde es tun." Marre trat vor.

„Nein!", fuhr Vailorne dazwischen. „Captain, das könnt ihr nicht tun."

„Ich kann und ich werde. Und das Schwert des Caligár wird mein sein, zusammen mit der Macht von Erraxa." Ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten. „Ich werde die mächtigste Piratin der Welt sein, und nicht einmal die Noxer werden mich in ihre verfluchten Grenzen weisen können."

„Ihr werdet dem Wahnsinn anheim fallen, bis Ihr nicht einmal mehr wisst, was Nox ist!", hielt Vailorne dagegen.

„Dann sei es so, Vailorne." Sie zischte seinen Namen, als wäre er eine Beleidigung. Ruhig legte sie ihren Mantel und die Stiefel ab und trat ins seichte Wasser. „Erraxa, ich nehme Euch auf. Ihr sollt willkommen sein."

Mir dämmerte plötzlich, dass ich wahrscheinlich derjenige war, bei dem das Schwert am sichersten war. Myazi, Marre, Erraxa, sie alle wollten es für ihre Macht nutzen. Sie wollten herrschen, eine Regentschaft aus Ozean und Blut, und ich wollte nur meinen Bruder retten, das größte Luftschiff des noxischen Imperiums stehlen und nach verlorenen Schätzen suchen. Was Farraday vorhatte, wusste ich nicht, doch so, wie er danach suchte, musste es einen Grund haben, der sicherlich finsterer war als meine wahrhaftig bescheidene Zukunft. Ich fragte mich, ob dieses Argument Gewicht hatte, sollten wir uns jemals um das Schwert streiten.

Offen gestanden kümmerte es mich kaum, dass jemand wie Myazi das Schwert hatte, wenn er mir helfen würde, meinen Bruder zu retten und ihn nicht für zwielichtige Pläne mit der Kaiserin von Jade missbrauchte. Eher fürchtete ich, was Marre und Erraxa vereint tun würden, beide mit unzähmbarer Gier auf das Schwert des Caligár.

„Ich weiß nicht, ob ich gutheißen kann, was Marre und Erraxa dort planen", wisperte ich Farraday zu, der aus dem Wasser zu mir getreten war.

Er wischte sich das Kinn ab, als wollte er Erraxa von seiner Haut reiben. „Ich auch nicht", murmelte er.

Vailorne wohl ebenfalls nicht. „Captain. Wir alle werden verflucht sein, wenn Ihr Euch ihr hingebt. Jeder von uns wird vergessen, wer er ist."

„Nur jene, die mir die Treue schwören", raunte Erraxa. Erwartungsvoll, beinahe gierig schlich sie um Marre herum.

Marre lächelte dunkel. „Jene, die es nicht tun werden, bleiben zurück."

Zorn flackerte auf Vailornes Gesicht auf, magische Energie zuckte um seine Finger, doch er schwieg und trat zurück zu den anderen Wyrdail. Scheinbar unbeteiligt beobachtete er, wie Marre tiefer ins Wasser trat.

„Ich bin bereit", sagte die Piratenfürstin.

„Komm zu mir", flüsterte Erraxa und ließ sich ins tiefere Wasser treiben. Haie schmiegten sich an sie wie zutrauliche Katzen.

Marre zögerte für einen winzigen Moment, doch sie folgte der Göttin, bis sie bis zur Taille im Wasser stand. Erraxa verharrte, streckte eine Hand nach der Tieflingsfrau aus und umschloss mit ihren langen Fingern den Kragen ihres Hemdes. Langsam zog sie sie zu sich herab, näher und näher auf ihr Gesicht zu, dicht über der Wasseroberfläche. Kurz flackerte ein Schatten des breiten, mit Haizähnen bewehrten Grinsens über ihre Züge, dann presste sie ihre Lippen auf die Marres.

Ich wollte den Blick abwenden. Gelingen tat es mir nicht. Wie gebannt starrte ich auf die Göttin und die Piratin. Marre riss die Augen auf, doch nach einem Augenblick gab sie nach und erwiderte den Kuss, so leidenschaftlich, dass ich dennoch peinlich berührt zur Seite sah und die beiden nur aus dem Augenwinkel beobachtete.

Erraxa schlang einen Arm um Marre und zog sie näher zu sich heran, die Kapitänin tat es ihr gleich. Die krallenbewehrten Finger der Göttin fuhren unter das nasse, durchsichtige Hemd, und Marre schauderte. Ob vor Lust oder Gier oder Angst konnte ich nicht sagen. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie sich ein Kuss der Göttin wohl anfühlen würde, oder ihre Berührung, doch herausfinden wollte ich es nicht. Mein Fell sträubte sich allein bei dem Gedanken.

Mit der freien Hand griff Erraxa nach Marres, verschränkte die Finger in ihren, ohne ihre Lippen voneinander zu lösen. Ihre Finger zuckten, Wassertropfen fielen glänzend herab. Marre schien in ihrem Griff zu zittern. Blut rann von ihrem Mund.

Flink drehte Erraxa ihrer beider Hände um und zerbarst mit dem Meeresrauschen zu feiner Gischt und schwarzem Nebel. Der Wind frischte auf, trieb die dunklen Tröpfchen zu Marre, die sie zu absorbieren schien. Die Kapitänin stolperte rückwärts, einzig das Meer um sie herum schien sie auf den Beinen zu halten. Schwer atmend, mit geballten Fäusten, hielt sie inne, eine dunkle Flüssigkeit tropfte von ihren Lippen. Angespannt und zugleich kraftlos stand sie in den sanften Wellen. Haiflossen durchkreuzten die Wellen. Sie öffnete die Hand und krümmte die Finger, als vermisse sie die Hand der Göttin darin, und eine dreieckige Flosse streifte sie. Zögernd zog sie den Arm zurück.

„Raguza!", rief Farraday in die rauschende Stille hinein.

Ruckartig hob Marre den Kopf, als habe sie der Ruf aufgeschreckt. Beinahe wäre ich vor ihrem Blick zurückgeschreckt. Das Bernsteinfarbene in ihren Augen war verschwunden. Stattdessen waren sie nun schwarz, ohne jede Farbe, wie bei einem Hai. Das Wasser, das ihre Finger herab rann, verdichtete sich zu Erraxas Klauen. Narben verunzierten ihr Gesicht und zeichneten sich unter ihrem Hemd ab. Ihre Lippen waren blutig und zerbissen, und als sie die Mundwinkel hob, wurde ihr Lächeln beinahe so grausig wie das der Meeresgöttin.

Langsam trat sie ins flachere Wasser. Die goldenen Ornamente auf ihrer Haut vermischten sich mit dem Meer und formten die flackernden Streifen, wie ich sie auf den Ozeanschwestern gesehen hatte.

Knietief im Meer blieb sie stehen. „Mein Name", verkündete sie, „ist Erraxa." Ihre Stimme war rau und metallisch, als stecke noch immer ein eiserner Haken in ihrem Hals.

Ohne ein weiteres Wort blickte sie sich zu einem der gesunkenen Schiffe vor der Küste um. Ihre Hand ballte sich zur Faust. Das Meer wellte sich, brodelte und schäumte. Der aus dem Wasser ragende Mast zitterte. Starke Kräfte schienen das Wrack zerreißen zu wollen, doch schließlich gaben Meer und Sand nach.

Mit dem Krachen von Holz schoss das Schiff an die Oberfläche, Planken und Splitter fielen zurück ins Meer. Korallen und Anemonen überwucherten das Deck, der Rumpf war verkrustet mit Seepocken und Muscheln. Es schien, als wäre das Schiff direkt aus dem Riff, das es verschlungen hatte, gerissen worden. Der Bug war gesplittert wie bei Caligárs Schiff in der Höhle, tiefe Löcher in den Seiten entblößten das Innere. Verrostete, grünlich angelaufene Kanonen ragten durch Luken hinaus, Wasserfälle strömten aus den Öffnungen nach draußen.

Majestätisch und makaber lag das Schiff in den Wellen. Der Wind kräuselte das Meer, dunkle Wolken ballten sich unnatürlich schnell am Horizont zusammen. Die Segel, anscheinend aus dunkelgrünen Algen und Haihaut bestehend, zuckten in der Brise.

„Dieses Schiff", rief Erraxa, „trägt den Namen Raguza. In dem Gedanken an die Frau, die ich bin, die ihren Körper gab, damit sie und ich vereint unseren Feinden entgegen treten können, ohne Angst vor dem, was Myazi uns entgegensetzen wird. Wer sich mir anschließt, wird nie wieder Land unter seinen Füßen spüren können. Nie wieder wird er sich den einfachen Freuden des Lebens hingeben können. Doch all dies verblasst unter dem, was der Ozean für uns bereit hält. Ein jeder wird Macht haben. Die Macht, Angst und Verzweiflung in Herzen zu säen, sich das Meer und alle, die es zu beherrschen glauben, zu unseren Untertanen zu machen. Wir werden von Hunger getrieben sein, einem Hunger nach Grauen, und wir werden es ernten, in dem Moment, in dem unsere Flaggen am Horizont zu sehen sein werden."

Ich verbiss mir ein leises Applaudieren. Doch nur aus Angst, bemerkt zu werden. Vorsichtig sah ich mich zu den anderen um. Einige von Marres Crew schienen durchaus angetan, andere waren unschlüssig. Manche blickten nervös zum Wald, vermutlich in der Hoffnung, dort verschwinden zu können, bevor Erraxa sie für ihr Ungehorsam tötete.

Vailorne dagegen schien unbeeindruckt. „Was passiert mit denen, die sich Euch nicht anschließen?"

„Wer mir nicht die Treue schwört, wird zurückgelassen. Es ist ein Akt der Gnade." Erraxa lächelte ein wenig breiter, und ich schauderte. Plötzlich schien Zurückgelassen werden besser, als mit dieser Kreatur auf ein magisches Schiffswrack zu steigen. „Für Eure treuen Dienste unter den Wyrdail."

„Gnade", echote Vailorne verächtlich.

„Ich kann euch ebenso töten", sagte Erraxa gleichgültig. Das Meer zog sich zurück, bedrohlich stahlgrau unter dem sich verfinsternden Himmel.

„Ich nehme Eure Gnade an", knurrte Vailorne und wandte sich zu der Crew um. „Ihr könnt mit ihr gehen, einer Göttin, die unserem Captain den Verstand nehmen wird und euch ebenfalls, oder ihr bleibt hier, und wartet auf eine Rettung, die nicht verbunden ist mit einem Fluch."

„Eine vergebliche Hoffnung, fürchte ich", entgegnete Erraxa heiser.

Die Männer der Wyrdail warfen sich unwohle Blicke zu, doch die ersten traten vor und schworen Erraxa ihre Treue. Die Bisse, mit denen sie sie an sich band, öffneten rote Wunden in ihren Armen, Blut tropfte ins Meer. Haie ringelten sich um die Füße der Göttin. Andere gesellten sich zu Vailorne. Ich war beinahe traurig, dass er zurück blieb. Er war eine recht formidable Deckung gewesen, und hinter Farraday, der hoffentlich an meiner Seite bleiben würde, konnte ich mich nicht verstecken.

Ich sah zu Farraday und trat vor, doch er hielt mich zurück. „Warte. Wenn du ihr die Treue schwörst, wirst du nie wieder einen Schritt an Land setzen können. Dann kannst du deinen Bruder niemals retten."

„Was sollen wir stattdessen tun?", fragte ich.

„Wir schließen einen Handel ab."

Erneut war ich in der Gewalt von Farraday und seinen undurchschaubaren Plänen, doch ich fügte mich und sah schicksalsergeben zu, wie ein Mann nach dem anderen an Bord der Raguza trat. „Warum verschwindet sie nicht einfach ohne uns? Warum braucht sie noch ein Schiff? Sie ist nun Erraxa. Sie könnte einfach abtauchen und nach Jade schwimmen, oder?"

Farraday schüttelte den Kopf. „Ich denke, dass sie noch nicht all ihre Macht hat. Noch ist sie ein Mischwesen, eine Arkane. Vielleicht ein wenig anders." Er verzog das Gesicht. „Statt den Körper zu kontrollieren, muss sie langsam ihre Kräfte sammeln und sich von ihm befreien. Sie wird sich immer mehr in Erraxa verwandeln, bis von Marre nichts mehr übrig ist."

Ich stellte mir vor, wie Erraxa sich aus dem Tieflingskörper schälte, und biss angewidert die Zähne zusammen.

Der letzte Mann derer, die sich Erraxa anschlossen, kletterte an Bord der Raguza. Dunkle Adern breiteten sich unter seiner Haut aus, ausgehend von dem Haibiss an seinem Arm. Ich warf einen scheelen Seitenblick zu Farraday. Bei ihm war es nicht anders. Ich fragte mich plötzlich, ob auch er mit Erraxa verbunden war.

Die Göttin im Körper des Tieflings wandte sich mir und Farraday zu. „Was ist mit dir, Marius Farraday? Schwörst du mir deine Treue und deinen Gehorsam?", schnarrte sie. Sie schien eine Ablehnung zu erwarten. Schadenfreude spielte in ihrem scharfen Lächeln, als lachte sie darüber, dass Farradays Idee uns nun zum Verhängnis wurde.

„Nein", erwiderte Farraday. „Ich erbitte nur um eine Passage nach Bikoyo, für mich und Sindrak Herrera. Ebenso für Vailorne und den Rest der Crew."

„Für jene, die mich in Stich lassen, so kurz vor dem Sieg? Oh nein."

„Gebt auf, Farraday. Ich werde nicht an Bord dieses Schiffes gehen", warf Vailorne ein.

„Herrera und ich waren es, die es dir ermöglicht haben, dich aus deinem Gefängnis zu befreien. Wir waren es, die Siarthys für dich bezwungen haben. Die dir, Raguza Marre, halfen, die Spur des Schwerts wieder aufzunehmen", sagte Farraday. „Ich will nicht behaupten, dass Ihr uns etwas schuldet, mitnichten, doch wenn Ihr in Eurer Gnade bereit seid, uns nach Bikoyo zu bringen, dort, wo auch Myazi ist, dann tut es. Bitte."

Erraxa legte den Kopf schief, schien zu überlegen. „Einverstanden", knurrte sie. „Kommt an Bord."

Farraday winkte mich zu sich und trat voran ins Wasser, auf die aufragende Bordwand der Raguza zu. Die Planken waren glatt und schleimig unter meinen Fingern, beinahe wäre ich abgerutscht und ins Wasser zurückgefallen, doch ich krallte mich fest und zog mich an Bord. Ich warf einen letzten Blick zu Vailorne und den Zurückgelassenen, doch niemand von ihnen machte Anstalten, uns zu folgen.

Erraxa trat aus dem Schiffsbauch hervor, herrschaftlich und stolz, als beträte sie das Flaggschiff von Nox und nicht ein aus den Tiefen hervorgeholtes Wrack, das nach Salz und feuchten Algen roch. Ich fragte mich kurz, woher sie kam, doch dann rief ich mir ins Gedächtnis, wer sie war und wo wir waren. Es war ihr Schiff, das Schiff einer Göttin über Meer und Stürme. Sie konnte wohl jederzeit dort sein, wo sie wollte. Einer ihrer Männer legte ihr Marres Mantel über die Schultern. Mit langen Schritten schritt sie aufs Achterdeck hinauf und begann, ihre Befehle zu rufen.

Ich hielt mich bei Farraday und beobachtete, wie die Crew ihre Posten bemannte. Es gab nicht viel zu tun. Das Schiff schien sich von allein zu bewegen, angetrieben von dem Sturm, der aus eisengrauen Wolken auf uns hinab peitschte, uns mit Gischt besprühte und die Takelage singen ließ. Ich schauderte unbehaglich. Normalerweise liebte ich das Geräusch, doch nun, inmitten der zersplitterten Reling, die kaum einen Schutz vor dem dahinter klaffenden Meer bot, den fauligen Planken und den sich wie lebendige Wesen windenden Segeln, klang es nach einem Chor der Verdammten. Die Lieder, die die Crew anstimmte, handelnd von Lachen im Angesicht es sicheren Todes, von Gold und Morden und Frauen, mit ihren Haibissen auf den Armen und der Todesverachtung in den Augen, jagten mir nur noch mehr Angst ein. Ich war auf einem Schiff der Wahnsinnigen, gesteuert von der See selbst, von einer Frau, die zwei Göttinnen in sich trug und noch mehr wollte. Immer mehr bereute ich es, mich nicht an Bord der Banshee's Wrath geschmuggelt zu haben.

„Farraday", raunte ich, „was tun wir, wenn wir in Bikoyo sind? Erraxa wird uns Myazi kaum überlassen."

„Nein. Sie und diese Unglücklichen", der Noxer wies auf die Wyrdail, „können die Insel Jade nicht betreten. Sie werden warten, bis er wieder in See sticht und ihn dort besiegen. Wir werden in Bikoyo von Bord gehen und ihn an Land überwältigen."

„Denkst du denn, dass Erraxa sich so leicht täuschen lässt?", flüsterte ich beinahe unhörbar. „Du bist mit ihr verbunden." Vorsichtig wies ich auf den Ärmel seines Mantels, der den Biss der Göttin verbarg.

Farraday nickte gefasst. „Ich bin verflucht. Eines Tages wird mich dieser Fluch einholen. Wie alle hier." Er sah zu den Männern, denen das Blut den Arm herablief und sich mit der Gischt vermischte. „Ich werde wahrscheinlich den Verstand verlieren und mich der See hingeben. Mich der Crew der Ewigen anschließen."

Mein Fell sträubte sich. „Kannst du gegen sie arbeiten, wenn du..."

„Ich werde es früh genug erfahren."

„Und dann?"

„Werden wir sehen, was geschieht. Vermutlich werden wir uns ein Luftschiff suchen und fliehen."

„Nicht, bevor ich nicht Arcaul befreit habe", wandte ich ein.

„Selbstverständlich nicht." Er klang beinahe aufrichtig. „Wir werden Hilfe brauchen, wenn wir in Bikoyo sind. Allein werden wir es kaum schaffen, an Myazi heranzukommen. Und an deinen Bruder noch weniger."

„Was schlägst du vor?"

Farraday blickte nach Osten, dort, wo hinter aufgetürmten Wolken und Wellenbergen Jade liegen musste. „Ich werde Rotchcaft um Hilfe bitten."

~ ~ ~

So großartig dieses Kapitel ist, es geht alles ein wenig zu einfach. Dass Erraxa sie wieder an Bord lässt... Grrrr. Aber nun. Dieses Werk ist von vorn bis hinten ein wenig zu durchdacht, weil ich meine coolen Ideen trotz Plotholes nicht verwerfen wollte.

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