12. Sturm der Verfluchten
Soundtrack: Hans Zimmer - Barbossa is Hungry aus dem PotC: The Curse of the Black Pearl OST, natürlich, und Hans Zimmer - I Don't Think Now Is the Best Time aus dem PotC: At World's End OST.
Könnt ihr es auch manchmal nicht fassen, wie schnell die Handlung in Büchern so voran geht? Eben noch standen Farraday und Sindrak noch vor einer eingesperrten Erraxa in einem mit Bannen belegten Schiff, und nun versuchen sie ihr bestes, um sie zu töten... Seltsam, wie das Schicksal so spielt.
https://youtu.be/oFVfthu0beE
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Der Regen traf uns wie das Meer selbst, durchnässte uns bis auf die Knochen und schien uns schier häuten zu wollen. Der Sturm ließ die Takelage singen. Es klang nach Rha'Ytuns grimmigem Triumph, seine Macht nicht länger in einem Schwert gefangen.
Farraday steuerte die Dragon's Pride mit eisiger Verachtung durch Wind und Wasser. Er stand neben dem Steuerrad wie festgewachsen, das Schwert des Caligár locker in der Hand. Allein seine Gedanken schienen das Schiff zu lenken. Die Schatten der Crew waren unsichtbar, bis auf die Wirbel, die sich zuweilen im Regen um sie herum bildeten, und das widerliche Gefühl von Dunkelheit, das ich bereits von Erraxa kannte.
Ich stand auf der Reling des Achterdecks, umklammerte die Wanten und blickte mit dem Fernrohr am Auge auf die Raguza hinab. Unter mir waren nichts außer hunderte Meter regengepeitschte Luft und darunter das nasse Grab der Seefahrer. Und doch fühlte ich mich, als könnte ich es allein mit der Göttin aufnehmen. Zugleich tanzten meine Eingeweide wie Segel aus Haihaut und Algen, unten auf den haushohen Wellen.
Die Dragon's Pride lag in der Luft wie die schuppigen Bestien, die ihr ihren Namen gegeben hatten. Ich spürte bei jeden Windstoß die Kraft in ihren Segel. Das Gefühl setzte sich in meinen Körper fort, als fließe Energie durch das Holz in meinen Körper und machte mich unbesiegbar. Das Zischen der heißen Luft im Ballon klang nach dem Fauchen eines Drachen. Es schien, als wäre sie lebendig, ein atmendes, lauerndes Wesen aus Holz und Feuer und Luft, das nur darauf wartete, sein Opfer mit Schießpulver und Eisen zu Splittern zu zerreißen. Ich unterdrückte ein aufgeregtes Zittern.
Der Sieg gegen Erraxa würde unser Leben bedeuten. Unseres, und das jeden Seefahrers, der das Meer bezwingen wollte. Zusammen mit dem Schwert des Caligár in ihren Händen wäre es unmöglich, sie zu besiegen. Wir wären nicht mehr als sinkendes Eisen und Luftblasen in der aufgewühlten See. Noch mehr Seelen, um die Gier der Königin des Hungrigen Meeres zu besänftigen.
Ich sah mich zu meinem Bruder um. Arcaul blickte starr auf die Raguza hinab, seine Krallen klopften unruhig auf die Reling. Doch nicht so, als fürchtete er sich. Eher, als könnte er den Kampf kaum erwarten. Das Wasser hatte seine dünne Mähne gegen sein Gesicht geklebt. Die Narben und Runen auf seinem Körper schienen im plötzlichen Licht der Blitze noch dunkler. Er sah aus wie ein Meeresdämon. Wie etwas, vor dem Erraxa sich fürchten musste.
Rotchcaft saß auf einem Fass neben dem Großmast und schärfte ihr Messer. Seit Farraday zum Kampf gegen Erraxa gerufen hatte, saß sie dort. Mittlerweile musste die Klinge scharf genug sein, um Haare zu spalten. Immer wieder flackerte ihr Blick zu Farraday, dessen weiße Hände sich bleich gegen das dunkle Holz des Steuerrads abhoben. Sicherlich hätte er auch mit dem Schwert steuern können, doch ich glaubte, dass er die Macht des Schiffes spüren wollte, bevor er das Schwert an mich abgab.
Denn das musste er. Gegen mich und Arcaul gemeinsam würde er nicht einmal mit dem Schwert bestehen. Sicher war ich mir nicht, doch ich vertraute in Arcauls Fähigkeiten.
Ein Grollen und Klappern riss mich aus meinen Gedanken. Die Kanonen der Dragon's Pride schoben sich aus den Luken, Wasser und Wind peitschten um sie herum. Ich fragte mich, wie Farraday still bleiben konnte. Ich würde jeden Befehl an die unsichtbare Crew schreien. Wie ich es von Schiffen mit lebendigen Männern kannte.
Durch das Fernrohr sah ich, wie die Raguza ebenfalls ihre Kanonen bereit machte. Ich meinte, Erraxas Blick durch die gläsernen Linsen aufzufangen und schauderte.
Farraday würdigte niemanden eines Blickes. Mit Todesverachtung in den Augen drehte er ab und flog eine enge Kurve. Brüllend fuhr der Wind in die Segel, die Dragon's Pride krängte. Ihre Kanonen wiesen in einem steilen Winkel auf die Raguza.
„Feuer!" Es war der erste laute Befehl, den er gab.
Die Kanonen, geformt wie Drachenmäuler, spien Feuer und Eisen. Das Donnern ließ das Schiff erbeben. Ich umklammerte die Wanten fester und blickte durch das Fernrohr hinab auf die Raguza, sah, wie Splitter aufstoben und sich mit der Gischt vermischten, wie Männer über Brod geschleudert wurden.
Ihre Kanonen waren machtlos gegen uns, erkannte ich. Noxische Schmiedekunst siegte stets gegen längst verrostete Geschütze. Ich lächelte grimmig und lauschte dem Grollen der Kanonen, die wieder an die Luken geschoben wurden.
Wieder lenkte Farraday die Dragon's Pride in das Manöver. Rotchcaft stand missmutig auf ihrem Fass und beobachtete den Kampf, von der Krängung gänzlich unbeeindruckt. Arcaul betrachtete beifällig die sich selbst landenden Kanonen, die Seile, die sich von Geisterhand festzogen, die Segel, die geradezu perfekt im Wind lagen. Beinahe schien er sich wohlzufühlen auf einem Schiff voller körperloser Seelen.
Die Kanonen bellten ein zweites Mal, die Breitseite riss die Segel der Raguza in Fetzen. Ein Mast zerbrach und fiel, das Schiff verlor an Fahrt. Wellen spülten über es hinweg und riss die verfluchten Wyrdail mit sich. Doch Erraxa selbst stand auf dem Achterdeck, als wäre sie dort festgenagelt.
Ich sprang elegant von der Reling, strauchelte, tat, als wäre nichts geschehen, und trat zu Farraday. „Wenn wir noch zwei Breitseiten abfeuern, werden sie sinken, ohne, dass wir einen Kratzer abbekommen haben!", rief ich begeistert.
Farraday warf mir einen mitleidigen Blick zu. Langsam ging die Dragon's Pride in den Sinkflug, immer knapp außerhalb der Reichweite der feindlichen Kanonen.
„Was, bei allen Unheiligen, tust du da?", fauchte ich entsetzt.
„Es ist nicht das Schiff, das wir versenken, sondern Erraxa, die wir besiegen müssen. Sie wird sich von weder von Kanonen noch von einem gesunkenen Schiff töten lassen. Nein, das kann allein Magie." Sein Blick huschte von meinem Hex zu Arcaul. „Wir werden die Raguza entern. Dein Bruder und du werdet Erraxa töten."
„Und was wirst du tun?"
„Die Crew befehligen. Die Geister werden sich mit Erraxas Crew bekämpfen, und selbst für sie wird es kein leichter Kampf." Seine Hand fuhr zu der Stelle, an der Erraxa ihn gebissen hatte.
Beinahe hätte ich vergessen, dass auch er gezeichnet war. Vielleicht sogar ein Teil von Erraxas Crew. „Was vermögen sie?", fragte ich, selbst wenn ich mich vor seiner Antwort fürchtete.
„Sie sind zäher und stärker als normale Wesen. Sie haben geringe magische Kräfte", erklärte er widerstrebend. Er sah mir in die Augen. Für einen Moment schienen sie schwarz wie der Ozean zu werden.
Namenloses Entsetzen packte mich, mein Herz schien in der Tiefsee zu ertrinken. Ich rang um Atem und stolperte rückwärts. Zugleich zog ich meine Waffen. Blitze flackerten um mein Schwert.
Farraday blinzelte, und die Dunkelheit wich. Die Aura der Furcht erlosch. „Das ist es, was sie können. Wie Erraxa, nur schwächer."
Mir wurde entsetzlich unwohl bei dem Gedanken, gegen die Meeresgöttin zu kämpfen. Nicht, dass ich sie nicht fürchtete. Ich wusste mich gegen viele Waffen und Angriffe zur Wehr zu setzen, doch ich war bereits gegen meine eigene Angst kaum gefeit. Ich atmete tief durch und steckte meine Waffen wieder in den Gürtel. Mein Blick flackerte verlegen zu Farraday.
Der ehemalige Captain lächelte schief. „Es ist der einzige Grund, weswegen ich nicht tot bin. Ich bin ein miserabler Fechter. Morrow Saundern ist einer der besten. Seine Angst hat ihn unvorsichtig gemacht, und ich konnte ihn mit den Shinaru zusammen besiegen."
„Wieso wurdest du dann verletzt?"
„Ich lag bereits am Boden, als ich meine Kräfte gefunden habe. Während er gezögert hat, konnte ich aufstehen und wieder kämpfen."
Ich sah von Farraday zu Arcaul. Jeder an Bord hatte Magie in sich, sei es die von Dämonen, Göttern oder eine Art der Hexerei, die von okkulten Steinen stammte und schrecklich zwielichtig war. Einzig Rotchcaft kämpfte mit rein weltlichen Waffen. Mir kam der Gedanke, ihr einer meiner magischen Schwerter zu geben, doch da sie entweder ablehnen oder sie nie wieder zurückgeben würde, ließ ich es.
Tiefer und tiefer sanken wir, immer näher auf die tobende See zu. Ich meinte zu spüren, wie die Wellen am Kiel leckten. Durch das Fernrohr beobachtete ich die Crew, wie sie die Kanonen luden, die Schwerter bereit hielten und das Gefecht ebenso wie wir erwarteten.
Erraxa selbst blickte uns erwartungsvoll entgegen. Sie sprach kein Wort. Ihre Crew wusste, was zu tun war. Ob sie und ihre Piraten derart eingespielt waren, dass es nicht nötig war, oder ob sie ihre Männer steuerte wie das Schwert des Caligár die Geister, wusste ich nicht.
Wieder feuerten die Geschütze des ehemaligen noxischen Schiffes, gesteuert von einem ehemals noxischen Captain. Die Breitseite der Raguza explodierte in Splittern, Gischt und Blut. Ich meinte, das schrille Kreischen der Verfluchten zu hören, ein Geräusch, dass mir mein nasses Fell zu Berge stehen ließ. Kanonen und Männer flogen zugleich, fortgerissen durch die Druckwelle von Pulver und Eisen und Feuer. Eine finstere Aura schlug mir entgegen, ein Hauch, in dem ich Erraxas Zorn riechen konnte.
Ein paar wenige übrige feindliche Kanonen feuerten. Die Reling ein paar Schritte weiter zerbarst donnernd und trieb mir tausende kleine Holzteile ins Fell. Ich hörte, wie ein Geist dicht neben mir fauchte. Plötzlich kam mir der Regen noch kälter vor als zuvor.
Wie ein Hai schob sich die Dragon's Pride näher an die Raguza heran. Kalt und ruhig durchschnitt das noxische Schiff den Sturm, stets über den Wellen, selbst wenn ich meinte, das Wasser gegen die Planken schlagen zu hören, selbst über das Heulen der Böen, den Regen und das Fauchen der Luft im Ballon hinweg. Sie lag elegant im Wind, und ich schauderte sowohl wohlig als auch ängstlich.
Ich hörte Schritte hinter mir. Arcaul war zu mir getreten. „Hast du Angst, Kleiner?"
„Geringfügig", brachte ich durch meine klappernden Zähne hervor.
Arcaul stieß ein amüsiertes Schnauben aus. „Ich bin direkt hinter dir. Diese Wasserschlampe hat keine Chance gegen dein Hex und meinen Dämon. Nicht, wenn wir zusammen arbeiten."
„Zusammen", wiederholte ich schwach. Das letzte Mal, als wir zusammen gearbeitet hatten, waren wir abgestürzt. Ich hatte Arcaul verloren, und ihn nach vielen Monaten der Suche endlich wieder gefunden. Ich wagte es kaum, mir vorzustellen, was ich in diesem Kampf verlieren konnte.
Enterhaken flogen, verhakten sich in der mit Seepocken verkrusteten Reling der Raguza. Die Geister um uns heulten mit dem Wind ihren Zorn heraus. Mit jedem Atemzug rutschte das Totenschiff näher an uns heran, gebeutelt von Wellen und Sturm.
Krachend schlugen die Schiffswände aneinander. Wellen brandeten über uns hinweg, und jede einzelne schien mich in Angst zu tränken. Die Männer der Raguza schrien ihre Blutlust heraus, Entermesser, Äxte und Pistolen in den Händen, die Geister des Caligár antworteten mit einem stummen Schrei, wie eine Windbö, die mich bis in die Knochen zu Zittern brachte. Ich spürte förmlich, wie die Macht von von der See selbst verfluchten Seelen aufeinander schlug. Panik erfasste mich, und einzig Arcauls Hand auf meiner Schulter hielt mich auf den Beinen.
Er zog seine Schwerter, ich tat es ihm nach. Erste Schattenfetzen tanzten um seine massigen Schultern und vermischten sich mit dem Regen. Die Runen begannen zu glühen, das Wasser zischte auf seiner Haut. Furchtlos, mit der Glut seines Dämons in den Augen, blickte er zu Erraxa auf. „Zusammen", bestätigte er, die Stimme dunkel wie die tobende See um uns herum.
Die ersten Wyrdail kletterten an Bord unseres Schiffes. Arcaul brüllte, Funken sprühten von seinen Lippen, und er wischte die Piraten beiläufig zur Seite. Die Symbole auf seiner Haut glühten weiß. Mit einem Sprung war er auf dem verrotteten Schiff, Klingen aus glimmenden Schatten flogen, Männer wurden mit zerschlitzten Körpern zur Seite geworfen, doch erhoben sich von neuem. Dunkles Blut rann ihre Körper hinab und vermischte sich mit der See. Arcaul riss einem die Kehle heraus, dann verschwand er in einer Wolke und stürzte sich den Bruchteil eines Wimpernschlags später mit voller Wucht auf Erraxa.
„Sindrak!", brüllte Farraday hinter mir. „Töte Erraxa!"
Ich wagte mich kaum hinter meiner Reling hervor, doch ich musste. Die Geister griffen an, Rotchcaft, tobend und fauchend, in ihrer Mitte. Pistolenschüsse bohrten sich schmerzhaft in meine Ohren, doch niemand fiel. Die getroffenen Piraten, nun mit bleicher Haut, dem Bauch eines Hais gleich, unbeeindruckt von dem Sturm, der um sie tobte, gingen unbeirrt weiter vorwärts, und trafen auf unsichtbaren Widerstand. Wie die noxischen Soldaten zuvor fielen sie, zerrissen von dämonischen Kräften, wie ausgesaugt von den letzten Resten ihrer Seele, zerfetzt von Klauen aus Wasser und Wind.
Ich setzte elegant über den Wasserstreifen zwischen den beiden Schiffen hinweg, wich einem Verfluchten aus, duckte mich unter weiteren Angriffen weg und versteckte mich hinter dem Steuerrad. Nur wenige Schritte entfernt kämpfte Erraxa gegen Arcaul, ein Säbel gegen die glühenden Katanas. Es schien wie ein ungleicher Kampf, doch sie schwang es mit einer Geschicklichkeit, die Arcauls bloßer Kraft weit überlegen war. Tänzelnd blockte sie seine Angriffe.
Ich aktivierte mein Hex und ließ mich von der puren Magie in meinen Adern leiten. Energie baute sich rasend schnell in dem Stein an meinem Handrücken auf, Blitze zuckten um meine Finger. Der Regen zischte auf dem Metall, der ihn hielt.
Ich sprang vor und packte Erraxas Nacken mit meiner rechten Hand. Blitze schüttelten sie, es stank nach verbranntem Fisch und trocknenden Algen. Sie kreischte auf, ein Geräusch, bei dem ich beinahe wieder losgelassen hätte. Die Aura, die ich von ihrem Gefängnis kannte, war in ihrer Nähe bereits ertränkend gewesen, doch nun schien sie mich mit aller Kraft unter Wasser zu drücken. Ich spürte, wie mein eigener Herzschlag mir die Kehle durchschneiden wollte, doch ich ließ nicht los und drückte sie auf die Planken hinab.
Ihr Entermesser traf mich am Oberschenkel. Ich zuckte, doch das war genug für sie. Heftig wand sie sich aus meinem Griff, Arcauls Schattenklingen schossen aus seinen Händen hervor und hätten statt ihr beinahe mich getroffen. Ich blickte ihn entsetzt an, doch er würdigte mich keines Blickes. Er schüttelte sich das Wasser aus den Haaren, so, wie ich es nach Myazis Zauber in Bikoyo getan hatte, und ich begriff.
Erraxa war die Verführung der See. Sie konnte Angst und Verzweiflung in den Herzen der Seefahrer säen. Ich hatte bereits geahnt, dass sie nicht nur mit weltlichen Waffen kämpfte. Doch es war beachtlich, dass sie ihre Magie auch dann noch nutzen konnte, wenn meine Blitze ihre Zähne klappern ließen.
Ich beschloss, meinem Bruder zu helfen, und mein Schwert schnappte nach ihrem Arm. Sie wich aus, ich schwang es erneut, und die gezackten Klingen rissen den Mantel über ihren Rippen in Fetzen. Ich zog die Waffe zurück, Blut sprühte. Ich hatte nicht nur ihre Kleidung getroffen, erkannte ich mit Genugtuung.
Dieser Moment reichte Arcaul, um wieder die Kontrolle über sich zu erlangen. Feuer leuchtete in seinen Augen auf, flüssige Flammen rannen seine Lefzen herab. Seine Schwerter, brennend in schwarz und rot, schossen wie Streifen aus Höllenglut durch die nasse, kalte Schwärze. Blitze erleuchteten für einen Augenblick lang das Schiff, ließen das Holz glänzen und zeichneten Erraxa als gehörnten Schatten. Der Donner klang wie Arcauls Knurren.
Zusammen griffen wir an, ein Tanz aus grünem und goldenem Licht, aus der peitschenden Dunkelheit, die Ozean und Regen über uns brachten, und der Finsternis, die Erraxa ausstrahlte. Ihr Entermesser war überall dort, wo auch unsere Klingen waren. Immer wieder glaubte ich, sie zu treffen, doch ihre Aura schien meine Schwerter von ihr fort zu lenken. Ob es ein Teil ihrer Macht war, oder ob meine Angst mich zögern ließ, wusste ich nicht. Zu sehr versank ich in dem Rausch von Angst, dem Wirbel der Klingen und der schwebenden, beißenden Schnelligkeit, die das Hex über mich brachte.
Ein Schwanken erfasste meinen Kopf, meine Sicht verschwamm. Ich sah eine Bestie aus Feuer und Dunkelheit, die eine schlanke Frau angriff, die sich kaum gegen die Feuerklingen zu wehren wusste. Nichts war wichtiger, als sie zu retten.
Ich warf mich auf den Dämon, meine Blitze bereit. Ich konnte ihn besiegen und die Frau retten, ich hatte es bereits einmal geschafft. Der grüne Stein glühte heller, und ich packte den Dämon an seinem Arm, zum Schlag gegen die gehörnte Frau erhoben.
Die Blitze ließen ihn brüllen, die Energie schleuderte ihn aus meinem Griff und gegen die Reling des Achterdecks. Er schrie etwas in einer fremden Sprache, etwas, das ich nicht verstehen konnte. Doch es kümmerte mich nicht. Die Schiffe, der Sturm, die Frau, alles verschwamm. Nur er zählte.
Der Dämon verzog die Lippen zu einem bedrohlichen Lächeln. Dunkle Energie sammelte sich um seine Klauen. Ich schrie wütend, ließ meine Schwerter wirbeln und stürzte mich auf ihn.
Seine glühenden Schwerter wischten meine Angriffe beiseite, als wären sie nichts als die Schläge eines aufgebrachten Kindes. Ich duckte mich unter seiner Rückhand weg, doch die zweite erwischte mich an der Schläfe.
Rasender, schwarzer Schmerz bohrte sich in meinen Kopf, als reiße jemand etwas gewaltsam heraus. Schlagartig klärte sich der Nebel. Die Kraft warf mich von ihm fort, gegen das Steuerrad, und ich blieb keuchend liegen.
Regenwasser rann in meine Augen, und ich blinzelte heftig. Arcaul, eine Bestie aus Feuer und Schatten, ließ die brennenden Schwerter wirbeln und stürzte sich auf Erraxa, eine schlanke Gestalt in einem dunklen Mantel. Ich begriff, was sie getan hatte, und mein Zorn wischte den Rest des Nebels fort, zusammen mit meiner Erschöpfung. Wie konnte sie es wagen, mich auf meinen eigenen Bruder zu hetzen. Ich erhob mich schwankend, ließ meine Schwerter wirbeln und warf mich auf die Göttin.
Die Nadel an meiner Anzeige kroch schneller auf den roten Bereich zu, und ich wusste, ich musste diese letzte, kurze Zeit nutzen. Ich verhakte mein Schwert in Erraxas, riss meine Donnerbüchse aus dem Gürtel, drückte sie unter ihr Kinn und drückte ab.
Der Knall ließ mich zurücktaumeln. Blut spritzte mir ins Gesicht. Einem normalen Wesen hätte der Schuss den Kopf in tausend Stücke zerrissen. Erraxa jedoch stolperte nur, das Gesicht zerfetzt von den Schrapnellen.
Arcaul zögerte nicht. Er sprang auf die dunkle Göttin zu, ließ noch in der Luft eines seiner Schwerter fallen und rammte ihr seine Krallen in den Bauch. Dunkler Rauch spielte um sie.
Mit einem Geräusch von reißendem Segeltuch entfesselte er die Klingen. Streifen aus Schatten schossen in alle Richtungen, schnitten sich durch Erraxas Körper und Blut sprühte auf die Planken. Ich hechtete hinter das Steuerrad und deaktivierte das Hex. Erschöpfung flutete durch meinen Körper, schwer fielen die Hände mit meinen Schwertern auf die Planken, und rang zitternd um Atem. Die Aura der Angst flaute für einen Moment ab, und ich hatte das Gefühl, nach langer Zeit unter Wasser endlich auftauchen zu können.
Vorsichtig lugte ich durch die Speichen des Rads. Arcaul stand schwer atmend vor Erraxa, die Hand noch immer wie zum Angriff von sich gestreckt. Doch Erraxa blieb nicht auf den Planken liegen. Keuchend stemmte sie sich hoch, nur um von Arcauls brennenden Klingen an das Holz genagelt zu werden.
Sie schrie auf, doch bewegte sich noch immer. „Feuer", zischte sie rau, eine Stimme wie ein rostiger Anker, und doch voller Verachtung. „Feuer kann die See nicht besiegen."
Arcaul trat ihr mit voller Wucht in die Rippen, ohne den Griff um seine Schwerter zu lockern. „Es gibt nur eine Waffe, die dich besiegen kann, nicht wahr?"
Erraxa antwortete nicht.
Doch Arcaul war es Antwort genug. „Farraday!", brüllte er, seine Stimme donnerte über die Schiffe, übertönte den Sturm, die See, den Kampf der Verfluchten gegen die Gebannten. „Das Schwert!"
Farraday wirbelte herum, scheinbar regungslos neben dem Steuerrad, doch jeder Verfluchte, der sich in seine Nähe wagte, starb mehrere Schritte vor ihm. Das Schwert des Caligár glänzte im Schein der Blitze. Ohne zu zögern schritt er auf uns zu. Verfluchte verstellten ihm den Weg, doch sie alle fielen unter den unsichtbaren Bestien, die ihn umgaben.
Arcaul winkte mich zu sich. „Hilf mir."
„Wobei?"
„Sie am Boden zu halten."
Ich verstand. Summend sammelte ich Energie um den grünen Stein an meinem Handrücken. Blitze knisterten um meine metallenen Finger. Mein Fell kribbelte unter dem ledernen Handschuh, und ich hielt meine Hand dicht über Erraxas Nacken. Die Göttin zischte heiser. Arcaul lehnte sich fester an seine Schwerter, und Erraxa keuchte voller Schmerz.
Farraday pflügte durch die Verfluchten, als wären sie nicht dort. Seine Geister, die Crew des Caligár, schnitten eine Schneise in die bleichen Piraten. Näher und näher kam er uns.
Er war nur wenige Schritte von uns entfernt, als Erraxa blitzschnell eine Hand ausstreckte und Arcaul von den Füßen riss. Er brüllte zugleich überrascht und hasserfüllt, verlor das Gleichgewicht und stürzte, seine glühenden Metallkrallen zischten auf den nassen Planken. Sie zog einen Dolch und rammte ihn in seine Schulter, bis zum Heft. Arcaul schrie, ein verwundeter Dämon voller Zorn.
Ich streckte meine Hand aus, doch sie war mit einem Sprung auf den Beinen, kaum beeindruckt von den brennenden Klingen in ihrem Rücken. Mit dem Entermesser traf sie mein Handgelenk, und trotz des dicken Leders, das es umschloss, wurde meine Hand schlaff und nutzlos. Mein Schwert in der anderen zuckte vor, doch ihr Blick traf mich wie eine Wand aus Grauen, und ich stolperte rückwärts, fiel über meine eigenen Füße und landete hart auf den Planken. Krachend kam mein Kopf auf dem Boden auf, ich keuchte, eine Welle spülte über mich hinweg und ließ mich spuckend und um Atem ringend auf dem Holz zurück. Schwärze drückte mich in mein Gehirn und presste mich zu Boden.
Doch nun hatte Farraday sie erreicht. Das Schwert des Caligár schien in seiner Hand zu singen. Sie parierte den ersten Schlag, und ich erkannte, dass Farraday recht gehabt hatte. Er war in der Tat ein miserabler Fechter. Die Spitzen der Katanas, die noch immer aus Erraxas Brust ragten, ließen ihn nicht nahe genug an sie heran kommen, und gegen ihre kunstvollen Angriffe hatte er trotz der magischen Klinge keine Chance. Ich wusste es.
Ihr Säbel fuhr vor. Farradays Hand wurde schlaff, nur noch gehalten von Sehnen und Hautfetzen. Blut pulsierte mit jedem Herzschlag aus dem Stumpf. Geschickt fing Erraxa das fallende Schwert des Caligár auf und rammte es in Farradays Bauch.
Die Geister schienen innezuhalten, ein Gefühl der Ruhe um uns herum. Beide Schiffe, die See, der Sturm, verfiel in eigenartige Stille, als bildete sich eine Blase um uns. Erraxa trat triumphierend zurück und setzte zum Sprechen an.
Arcaul ließ sie nicht ausreden. Heulend befreite er den Dolch aus seiner Schulter und stürzte sich auf Erraxa. Ihre Finger lösten sich um den Griff des Schwerts und sie fiel mit meinem Bruder zu Boden, mit ihm verkeilt zu einem Knäuel aus Krallen und Klingen. Die Geräusche drehten mir schier den Magen um. Ich wagte es kaum, zu ihnen zu sehen.
Farraday war auf die Knie gefallen. Keuchend zog er da Schwert aus seiner Magengrube, Stück für Stück. Blut sprudelte hervor, und er presste die Überreste seines Mantels darauf. Dunkles Flüssigkeit rann über seine Lippen. Beinahe wäre er zusammengebrochen, doch ich war mit einem Sprung bei ihm und hielt ihn fest.
„Farraday, ich...", begann ich, doch verstummte wieder. Ich wusste nicht, was zu sagen war.
Sein Blick traf meinen, und meine Innereien schienen im Ozean zu ertrinken. Seine Augen waren schwarz. Nur Erraxas Fluch sorgte dafür, dass er nicht auf der Stelle starb. „Hilf... mir", keuchte er.
„Du..."
„Ich muss... zu ihr."
Ich schob meine Schulter unter seinen Arm und zerrte ihn auf die Füße. Blut durchnässte meinen Arm, doch das Schwert des Caligár war fest in seiner Hand. Blut und Wasser rannen von der Klinge.
Arcaul packte Erraxa mit Zähnen und Klauen zugleich, riss ihr die Kehle heraus und schleuderte sie gegen die Reling. Sie prallte davon ab, schwarzer Schleim durchnässte ihre Kleidung, kaum zu unterscheiden von ihrer Haut, und vermischte sich mit goldener Farbe und dunkler See. Sie fauchte tief. Mit herausgerissener Kehle klang sie noch schlimmer als mit Siarthys' Anker im Hals.
Farraday entriss sich meinem Griff, bevor ich etwas dagegen tun konnte. Er strauchelte, fiel erneut auf die Knie, und rammte mit dem Schwung seines Falls das Schwert des Caligár in Erraxas Herz.
Erraxa kreischte wütend, wand sich unter der Klinge. Mit einem Sprung war Arcaul bei ihr und presste sie gegen die Planken, die Hitze, die er ausstrahlte, versengte mir das Fell. Ich packte ihren Hals und drückte sie ebenfalls zu Boden. Ihr gurgelndes Schreien wurde lauter, schrecklicher, Flüche und Verwünschungen in einer fremden Sprache.
Doch Farradays Stimme war lauter als der Sturm. Mit letzter Kraft schrie er die Worte in den Wind. „Erraxa. Königin des Hungrigen Meeres, Herrin der Finstersten Tiefen, die Verführung der See. Höre meine Worte und sei gebunden an das Schwert des Caligár. Deine Macht sei gebunden, mein Wille ist dein Befehl. Ich binde dich mit Worten. Ich binde dich mit meiner Seele. Ich binde dich mit Blut."
Ein Zittern schüttelte Erraxas Körper. Sie bäumte sich auf, drückte den Rücken durch und schrie. Es klang zugleich ekstatisch und wie unter grausamer Folter. Ich wollte die Hände auf die Ohren pressen, doch ich hielt sie fest, spürte ihre Kraft, doch das Schwert des Caligár schien all ihre Macht aus ihr zu saugen. Goldene Streifen flackerten über ihre Haut, jeder Muskelstrang zeichnete sich deutlich unter ihr ab. Ihre Krallen kratzen über die Planken, über Arcauls Haut, doch er schien es kaum zu bemerken. Wütend fauchte er ihr ins Gesicht, Funken stoben in mein Fell.
Dann war es vorbei. Jegliche Spannung wich aus ihrem Körper. Schwarzer Nebel stieg von ihrem Körper auf und wurde vom Wind in das Schwert des Caligár getrieben, das ihn gierig absorbierte.
Vor mir lag ein Tiefling mit einer Haut aus Anthrazit, die goldenen Ornamente verwischt von der stürmischen See, der Körper zerrissen und zerstört von Schwertern und Klauen. Die Schwärze wich aus ihren Augen. Bernstein blickte stumpf in den tobenden Himmel. Marre.
Farraday stieß zitternd den Atem aus. Aus dem Augenwinkel fing ich seinen Blick auf. „Es ist dein", flüsterte er heiser. Dann sackte er über Marres Leiche zusammen.
Meine Finger umschlossen das Heft des Schwerts. Mit einem Ruck zog ich es aus der Leiche, spürte das raue Wispern von Rha'Ytun, den tödlichen Gesang von Siarthys, das Fauchen Erraxas. Es klang, als wäre ich in einem tiefen, tosenden Meer voller Stimmen, die Gezeiten streiften mein Fell wie krallenbewehrte Finger. Es war ein Gefühl von Macht und Tod, von der Verheißung von Gefahr und verlorenem Gold. Mein Fell sträubte sich, und ich schauderte. Ob vor Angst oder vor Genuss, konnte ich nicht sagen.
Die Klinge pulsierte vor Macht, und ich reckte sie in den tosenden Himmel. Blitze schnitten den glühenden Arcaul als Schatten neben das Steuerrad. Ich meinte, alle Geister und Verfluchten sahen mich an, warteten auf etwas.
Ich erlöste sie. Ich zog die Klinge durch eine meiner Wunden, und das Blut vermischte sich mit Erraxas und Farradays. Die Waffe pulsierte in meiner Hand. „Geister des Caligár!", schrie ich.
Etwas in den Dämonen schien zu erbeben, ein stummes Heulen voller Zorn. Sie zögerten in ihrem Tun, doch auch die Verfluchten hielten inne.
„Hört mich und seid gebunden an meine Befehle."
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