Gestalt des Fluches
Mordor. Meine Beine trugen mich durch die gesamte Gegend. Ich betrachtete die Umgebung genau und suchte einen anderen Weg hinaus als durch Minas Morgul oder das Schwarze Tor. Zumindest dachte ich es so. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, wohin ich gebracht wurde. Mein Körper fühlte sich schwer an, anscheinend trug ich eine Rüstung. Dazu einen Umhang, der mich bedeckte und die Kapuze, die ins Gesicht gezogen war. So eine Kleidung war eigentlich viel zu unbeweglich, doch hier war es anscheinend von Nöten, so etwas zu tragen. Immer wieder köpfte ich einen Ork, der meinte, mich beleidigen zu müssen. Oder immerhin hatte ich das Gefühl, dass er mich beleidigt hatte. So ganz sicher war ich mir da nicht.
Der Boden unter meinen Füßen gab langsam nach und ich rutschte einen Hang hinunter. Unten standen Caragor, die mich gierig anblickten, als ich aber mein Schwert zog, schraken sie zurück.
Ich will sie nicht töten!
Mein Körper gehorchte meinem Befehl nicht und machte kurzen Prozess mit den Wesen der Schatten. Blut befleckte meine Klinge, die ich schnell wieder zurück steckte und meinen Weg zu Fuß weiter fortsetzte. Wie grausam mich dieser Fluch machte. Ich kämpfte unentwegt weiter um die Kontrolle über meinen Körper, gegen die Dominanz des Fluches kam ich aber nicht an. Irgendwann gab ich mich geschlagen, beobachtete einfach nur noch die Geschehnisse.
Ich kam an einen Berg an und erklomm die steilen Hänge, um hinüber zu kommen. Der Stein bröckelte unter meinen Händen, doch mit den spitzen eisernen Handschuhen schaffte ich es, mich in etwas weichere Stellen einzuhaken und festzukrallen. Somit war es mir fast unmöglich, trotz des Gewichtes meiner Rüstung, in die Tiefe zu fallen. Mein Körper war stärker als vorher und trug mich weiter, als ich es je sonst geschafft hätte. Und bald war ich auch schon am höchsten Punkt angelangt und überblickte die Ebenen. Ein wunderschöner Anblick eines neuen Morgens, der Nebel zierte die weite Fläche und umrahmte das Gebirge in der Ferne. Ich hatte keine Zeit, mich umzusehen, denn mir wurde bereits befohlen, weiter zu gehen. Halbwegs elegant, wenn auch eher praktisch bedacht, rutschte ich den Hang hinunter, fing mich manchmal an gewissen Stellen auf, bis ich am Boden angelangt war. Das Gras wurde unter meinen Schuhen zerdrückt und beugte sich meinem Schritt. Kurz fiel der Blick nach unten und ich sah, dass es nicht nur zerdrückt wurde - Es wurde schwarz und starb ab. Hatte ich so viel negative Energie in mir? Strahlte ich das alles auch noch aus?
Die Kapuze wurde weiter ins Gesicht gezogen, sodass nicht nur meine Sicht, sondern auch der Blick auf mich versperrt wurde. Ich sah den Weg nicht mehr. Verdammt. Ich machte mir tausende Gedanken darum, was geschehen sollte, wenn ich den anderen begegnete. Andere Gedanken drehten sich um den Grund, warum ich erwählt wurde. Ich hatte nur Talion geschützt, was hatte der Schwarzen Hand daran so missfallen? Oder lag es etwa ... an meinem Vater. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihm dienen sollte, weil ich das Können meines Vaters geerbt haben könnte, war um einiges realistischer als alles andere. Er war für Sauron ein wichtiger Mann. Und vermutlich dachte er, ich könnte ihm durch meine Kenntnisse zu noch mehr Macht verhelfen. Wenn er nur wüsste, wie falsch er da lag ...
Unentwegt setzte ich meinen Weg fort, wohin war mir nicht klar. Ich nahm das Rauschen eines Flusses wahr und überlegte, welcher es sein könnte. Ein leises Zischen entwich meinem Mund, anscheinend mochte da jemand das Wasser nicht, musste aber dennoch herüber, um das Ziel zu erreichen. Wäre es mein Gegner gewesen, der mir gegenüberstünde, hätte ich gelacht, doch blieb mir das nun untersagt, da ich keine Stimme mehr hatte. Ich war eigentlich nichts mehr, lediglich mein Bewusstsein konnte noch irgendwie agieren in Form von Wahrnehmung, aber ohne Kontrolle. Dem Fluch machtlos erlegen. Das Wasser wurde überquert und zurück gelassen, kein Tropfen Trunk mitgenommen. Es wurde nicht benötigt.
Der Kopf wurde gehoben. Nun sah ich eine Festung in der Ferne und wusste, dass es Minas Tirith war. Der Fluss war also Anduin, so vermutete ich. Weit entfernt lag die Stadt nicht mehr .. doch etwas war seltsam. Unheil breitete sich über die Ebene aus und je näher ich kam, desto stärker wurde es. Doch noch war die Reise nicht zu ende, das Ziel nicht erreicht. Es dauerte noch einen weiteren Tag. Diese Nacht wurde eine Rast eingelegt, anscheinend kannte mein Körper doch noch eine Grenze. Auch innerlich schlief ich, konnte mich nicht gegen den Druck wehren, der auf mich ausgeübt wurde. Immerhin träumte ich. Es war jedoch alles andere als beruhigend.
Eine Frau mit langem weißen Haar und rot-orange glühenden Augen stand mir gegenüber. Ihre Haut war fast so weiß wie Schnee, es zeigte sich nur wenig Farbe. Ihr Gesicht war bleich und das Grinsen unheimlich. Vollkommen abgemagert und schmal, doch die Bewegungen elegant und gefährlich. Sie redete - ich erkannte die Schwarze Sprache heraus. Es war unheimlich, diese zu hören, die Sprache des Fluches, der auf mir lag. Langsam kam sie auf mich zu und hob ihre knöchrige Hand. Diese streckte sie zu mir aus, lachte glockenhell und schlug mich.
"Du wirst nicht gegen mich ankommen, Elbenweib!", schrie sie mich an und schlug mich zu Boden. Ich spürte den Schmerz deutlich, viel zu deutlich, als dass es ein Traum sein könnte. Verängstigt blickte ich zu der mageren Gestalt hinauf.
"Schau mich genau an. DAS ist deine Zukunft!" Sie ging einige Schritte zurück und deutete auf sich selber. Das konnte nicht sein. Ich würde niemals so enden! Die Eleganz einer Elbin war vollkommen verblasst, die Knochen standen sichtbar heraus und ihr Gewicht schien so gering zu sein, dass man sie für tot erklären könnte. Die Farbe glich der eines Geistes und das Lächeln der Fratze eines widerlichen Ungetüms. Sie setzte sich vor mich und nahm das Schwert, das sie bei sich trug. Konzentriert ging ihr Blick über die Klinge und musterte die scharfe Schneide, die mühelos in ihren Finger schnitt. Etwas Blut quoll aus der kleinen Wunde und tropfte auf den schwarzen Boden. Dann ging ihr Blick zu mir, sie richtete die Klinge auf mich.
"Schlaf ruhig. Schlaf, für immer. Und überlass Körper und Geist mir. Es wird dir gut gehen in seiner Obhut", flüsterte sie mir zu und ich wich zurück.
"Außerdem denkst du doch nicht wirklich, dass dieser Elb noch irgendwas für dich übrig hat, oder?" Ihr Ton wurde abfällig und gehässig, das eklige Grinsen entging mir auch nicht. Ich wollte widersprechen, doch meine Stimme versagte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stand auf, rannte dann so schnell wie meine Beine mich in dieser Finsternis tragen konnten. Doch ich entkam ihr nicht, sie schien sich nicht weg zu bewegen. Nein .. sie rannte mir hinterher.
"Merkst du es denn nicht?", fragte sie mich mit einem Lachen. "Dreh dich um und betrachte dein Spiegelbild, Tarawiel!"
Es war früh am Morgen, mein Bewusstsein wurde in die Realität zurückgeholt, doch der Traum wurde nicht vergessen. Diese Gestalt sagte zu mir, sie sei mein Spiegelbild. Meine eigene Abbildung hatte versucht, mir zu schaden, weh zu tun. War .. alles andere als ich. Ich musste zugeben, dass dies alles auch irgendwie der Wahrheit entstand. Meine Taten, meine Gangart, die Art zu kämpfen und zu sprechen - Ich hatte es bereits einmal gehört - waren nicht die meinen. Oder zumindest ähnelten sie meinen überhaupt nicht.
Minas Tirith kam immer näher und je kürzer die Entfernung wurde, desto mehr Gefahr lag in der Luft. Nach einem mehrstündigen Fußmarsch nahm ich mein Schwert und hörte bereits die Auseinandersetzung auf einem Schlachtfeld, Mensch gegen Ork. Nicht nur Orks waren beteiligt, die Gegnerzahl überwog und ward gestaltet aus verschiedenen Leuten, Rhûn, Khand und Hadarim, so wie ich mitbekommen hatte.
Kaum hatte ich das Schlachtfeld erreicht, stürzte ich mich sofort in den Kampf. Mehrere Männer erlagen meiner Klinge, sie schnitt sich durch ihre Knochen, als wären diese Butter. Innerlich war ich einfach nur angewidert, mich gegen meine eigentlichen Verbündeten zu stellen, doch ich konnte nichts tun. Ich erlegte einen Menschen, der dabei war, den Hexenkönig anzugreifen. Dieser hätte sich zwar selber retten können, aber ich erledigte einfach an seiner Stelle das kleine Ziel. Immer mehr Gegner durchbohrte ich mit der Schneide, trennte Kopf und Gliedmaßen ab und benetzte meine Kleidung mit deren Blut. Kurz ohne Aufgabe strich meine Zunge über die Klinge und ich schmeckte das Blut meiner Gegner. Durch den Fluch lag nun ein hämisches Grinsen auf meinem Gesicht, innerlich kam mir einfach nur ein Würgreiz. Der nächste Angriff ging gegen einen seltsam dünnen Soldaten, doch bevor ich diesen ausfuhren konnte, traf mich ein Pfeil in die linke Schulter. Ich schrie auf, die Wunde war also auch so noch meine Schwachstelle und Entzündet. Knurrend riss ich den Pfeil heraus und wandte mich zu meinem Angreifer hin, ohne diesen wirklich zu erkennen. Ich hörte das Spannen der Sehne, ging schnell auf meinen Gegner zu und hinderte ihn daran, auf mich zu schießen, indem ich ihn dazu brachte, seine Klinge zu ziehen. Wir lieferten uns einen Kampf, der über das Schlachtfeld ging. Griff der eine an, parierte der andere. Immer wieder erklang der Ton zweier Schwerter, die aufeinander trafen. Es jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Irgendwie vermochte er es, die Kapuze vom Rest meines Umhanges abzutrennen und meine Sicht auf ihn und seine Sicht auf mich freizugeben. Knurrend schlug ich ihm den Kopf ab, er war für einen kurzen Moment vom Anblick so geschockt, dass es ein leichtes war, ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Armer Kerl .. er war ein so guter Krieger. Doch damit konnte ich mich nicht so lang befassen. Es galt weiterhin, Gegner zu töten. Gelegentlich sah ich Strähnen von meinem Haar, sie schienen, wie von der Gestalt in meinem Traum, weiß zu sein. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht wirklich so scheußlich aufsah.
Von hinten nahm ich Gebrüll wahr, irgendetwas schien mehrere der Soldaten zu erlegen. Und tatsächlich: Eine Welle aus grün leuchtenden Gestalten jagte durch die Menge hindurch und nur wenige blieben verschont, kaum einer überlebte. Auch ich wurde getroffen, lag letztendlich am Boden und konnte mich nicht bewegen. Meine Lunge füllte sich mit Blut, diese Armee, die letztendlich noch aufgetaucht war, hatte eine starke Macht mich sich gebracht. Es schien mein Ende zu sein, doch der Fluch ließ nicht zu, dass ich bereits starb. Zitternd richtete sich mein Körper auf, schwach vom verlorenen Kampf. Für mich verloren. Einige der Truppen kämpften noch. Erneut traf mich ein Pfeil, diesmal im Bein, und sollte mich daran hindern, mich von der Stelle zu bewegen. Mit einem Schrei zog ich diesen mitsamt Spitze heraus und sah zu demjenigen, der mich abgeschossen hatte. Während meine Miene unverändert blieb, weiteten sich die Augen des Schützen.
"Tarawiel ..?!", entsetzt stieß er meinen Namen aus und senkte seine Waffe. Legolas. Nein. Renn! Diese Gestalt vor ihm würde nicht davor zurück schrecken, ihn zu töten. Und langsam richtete sie sich auf. Was mich aber wunderte, war der Grund, warum er mich erkannte. Vielleicht hatte ich noch etwas an mir, dass mir in meiner vergangenen Gestalt ähnelte. Knurrend stand ich da, mit dem Gewicht mehr auf ein Bein verlagert und das Schwert fest in beiden Händen. Ich setzte zum Angriff an, wurde zum Glück abgeblockt.
"Wieso tust du das?!", fragte er mich.
Ich will das nicht.
"Ich diene Sauron und niemand anderem. Verschlossen sind meine Gefühle, die Gesten der Freundschaft gehören nun der Vergangenheit an. Merke dir die Gestalt deines Feindes, das nächste Mal zögere ich nicht, dir den Kopf abzuschlagen. Doch nun ist es für diesen Körper zu gefährlich, sich weiter hier aufzuhalten." Eine krächzende Stimme sprach mit dunkler Stimme. Ich konnte vom Angriff ablassen und floh vom Schlachtfeld, um mich zu kurieren. Alles übernahm erneut die Kontrolle, die inneren Verletzungen wurden wieder geflickt. Es war schmerzhaft und unerträglich, als würde man mich innerlich nähen, ohne eine Betäubung anzusetzen. Die Heilkräfte als Elbin kamen nicht an diese heran, doch war es umso unangenehmer, dies hier zu durchleben. Ich hoffte nur, dass Legolas oder einer der anderen nicht zögern würde, mein Leben zu beenden. Es wäre das Beste für jeden. Das Beste für mich. Und es wäre die Erlösung, die ich mir herbei sehne. Von diesem Fluch. Von dieser Welt. Von meinem verdammten Leben, das mich die ganze Zeit durch Splitter laufen ließ.
Mehrere Stunden blieb ich sitzen, atmete schwer ein und aus. Es stach in der Lunge, doch es wurde verhindert, dass ich sterbe. Genau das, was ich eigentlich wollte. Meine letzte Hoffnung bestand darin, dass ich ihnen noch einmal begegne und dass sie mein Schicksal besiegeln würden. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt ..
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