Albtraum
Es dauerte eine Weile, bis mein Kopf verarbeitet hatte, dass ich tatsächlich bei ihm meine Nacht verbringen würde. Doch dann stand ich sofort auf, holte noch mein Nachgewand und zog mich um. Mein Blick fiel auf den Spiegel im Badezimmer und sofort fühlte ich mich wieder unwohl. Ich mochte es nicht sonderlich, mich selber anzusehen, aber ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich es dennoch tat. Ich legte eine Hand an meinen Unterarm und betrachtete die Gestalt im Spiegel, die mich mit einem viel lebendigeren Blick ansah als an anderen Tagen. Ja, an diesem Tag war viel Gutes passiert und ich konnte zugeben, dass ich endlich meine Freude wieder gefunden hatte. Und nun hatte ich auch erfahren, dass ich bald womöglich nicht mehr so herumlaufen würde.
"Bist du fertig?", fragte mich Legolas, der nach einem Klopfen das Zimmer betreten hatte. Ich drehte mich zu ihm um und irgendetwas ließ ihn zurück schrecken. Zumindest hatte er kurz einen Schritt nach hinten gemacht, bevor er auf mich zuging.
"Tut mir leid, dass ich gerade so reagiert habe."
"Ich bin es gewohnt"
Er sah mich schief an, sein Gesichtsausdruck strahlte Mitleid und ein schlechtes Gewissen aus. Ich lächelte ihn leicht an und legte vorsichtig meine Arme um ihn. Ich wusste, dass er merken würde, wie unwohl ich mich eigentlich fühlte, jemandem so nahe zu sein, doch schloss er mich einfach in die Umarmung. Und aus irgendeinem Grund gefiel es mir sogar, einfach nur so herum zu stehen und jemanden in meiner Nähe zu wissen. Er würde wohl bei allem eine Ausnahme bilden.
Wir standen eine Weile so da, bis er die Anmerkung machte, wir sollten uns vielleicht dann doch schlafen legen. Ich murrte leise in sein Oberteil hinein und vergrub mein Gesicht bei ihm um ihm zu zeigen, dass ich mich nicht von der Stelle bewegen wurde. Ich spürte, wie seine Hand sich auf meinen Kopf legte und langsam hinunter durch mein Haar strich. Ein Lächeln bildete sich in meinem Gesicht. Lange hatte ich mich nicht mehr so glücklich gefühlt. Letztendlich spürte ich, wie er mich hochhob und fand mich schon kurz darauf auch in seinen Armen wieder, die Füße in der Luft. Erschrocken starrte ich ihn an und er grinste nur zurück.
"Wenn du nicht laufen magst, dann trag ich dich eben zu Bett. Das ist kein Problem für mich.", meinte er und trug mich zum Bett, worauf er mich nieder ließ. "Wenn du mich entschuldigen würdest, ich zieh mich auch noch schnell um."
"Okay", murrte ich ins Kissen hinein, woraufhin er zu lachen schien. Schnell vergrub ich mein Gesicht, drehte mich dann aber dennoch auf den Rücken, als ich keine Luft mehr bekam. Sich selber zu ersticken war ein Ding der Unmöglichkeit, das hatte ich schon erfahren dürfen. Nachdenklich schaute ich an die Decke und reflektierte, was alles an dem Tag geschehen war. Und erneut zauberte es ein Lächeln auf meine Lippen, ich konnte meine Freude einfach nicht verbergen. Leise quietschend drückte ich das Kissen an mich und rollte mich auf die andere Seite des Bettes. Als ich spürte, dass es mich ein Stück nach oben hob, schaute ich zu der Seite, wo ich vorher gelegen war. Legolas hatte sich auf die Matratze gesetzt und beobachtete, wie ich mit dem Kissen herum hantierte.
"Was guckst du denn so!", fuhr ich ihn beschämt an und bewarf ihn mit dem weichen Gegenstand. Er lachte und nahm es, drückte es ein paar Mal zusammen, bevor er es auf mich zurück warf. Ich lachte leise auf und legte das Kissen beiseite. Seit wann dieser Elb so zu Späßen aufgelegt war, war mir vollkommen neu, aber keineswegs eine unangenehme Sache. Er lächelte mich an, ich lächelte zurück. Schon wieder unterhielten wir uns scheinbar ohne Worte. Er legte sich nun endlich hin und hob einen Arm als Einladung, mich an ihn zu kuscheln. Etwas zögernd rutschte ich zu ihm herüber, bettete meinen Kopf auf seinen Arm, während er mich mit dem anderen näher zu sich heran zog.
"Ich werde dich nie wieder gehen lassen, Tarawiel.", flüsterte er mir zu und strich über meinen Rücken. "Nie wieder."
"Ich hatte auch nicht vor, jemals wieder von deiner Seite zu weichen, Legolas. Dafür ist mir dieses Glück viel zu teuer, als dass ich es wegwerfen würde."
Ich schmiegte mich an seine Brust und schloss die Augen und während ich noch etwas die Streicheleinheiten genoss, schlief ich langsam ein.
Am nächsten Tag erhob ich mich schlaftrunken aus dem Bett und bemerkte, dass Legolas schon längst den Raum verlassen hatte. Ich sah mich nach einer Nachricht von ihm um, entdeckte aber keinen einzigen Zettel oder sonstiges, was einen Text beinhalten könnte. Hatte ich etwa nur geträumt? Schnell rieb ich mir die Augen, damit ich eine klarere Sicht bekam. Ich betrachtete das Zimmer gründlichst, alles um mich herum - Meines sah eindeutig anders aus. Also konnte es schlecht ein Traum gewesen sein. Ich nahm mir meine Kleidung und zog mich an, bevor ich meinen Dolch nahm und meine Haare kürzte. Momentan hielt ich sie eher kurz, nicht länger als schulterlang, weil es so einfach für mich angenehmer war. So musste ich nicht immer diese unnatürliche Farbe sehen. Auch wenn ich mich eigentlich schon daran gewöhnt hatte, so schreckte es mich doch immer wieder ab. Meine eigentlich schwarzen Haare in einem vollkommenen Weiß zu sehen .. das war einfach nicht toll.
Schnell wusch ich noch mein Gesicht und betrachtete kurz mein Spiegelbild. Ich sah eindeutig besser aus im Vergleich zu den letzten Tagen. Meine Augenringe gingen zurück und ich bekam sogar etwas Farbe im Gesicht, was mich wirklich freute. Immerhin war ich langsam wieder dazu bereit, anderen entgegen zu treten und mich normal zu verhalten. Was ich nun aber tun sollte, das wusste ich nicht ganz. Ich überlegte, entschied mich letztendlich für einen Spaziergang, bei dem ich auch meine Stute besuchte. Sie wurde gut gepflegt und genährt, das war mir auch wirklich wichtig. Ich strich ihr durch die Mähne.
"Na meine Gute?", redete ich mit ihr. "Bald werden wir nach Lorien gehen. Und dann wirst du dich genauso freuen wie ich mich .. ganz sicher." Ich lachte leise, schrak aber umso mehr auf, als mich jemand an der Schulter berührte.
"Verzeihung.", entschuldigte sich die Person. Ich drehte mich um und erblickte Legolas. "Du wirst nach Lorien gehen?"
Seine Stimmlage verriet, dass er es nicht für gut hieß, dass ich zu Galadriel gehen würde, aber er kannte auch die Beweggründe nicht. Ich lächelte ihn nur leicht an und beantwortete seine Frage.
"Ja, werde ich. Ich muss etwas erledigen."
"Danach kommst du aber in den Düsterwald. Zurück zu mir. Oder?"
Ich kicherte über seine Unsicherheit. Ich wunderte mich zwar, warum er nicht mit kommen wollte, dachte jedoch nicht weiter darüber nach. Ich nahm seine Hände und lächelte ihn an.
"Natürlich werde ich das. Das Glück, das ich nun endlich habe, werde ich nicht wieder wegwerfen. Sobald alles erledigt ist, werde ich zu dir zurückkehren. Aber es ist wirklich wichtig."
Er seufzte und hielt meine Hände eine Weile fest, bevor er mich wieder gehen ließ. Die Sache ließen wir einfach im Raum stehen, ob er es akzeptierte oder nicht wusste ich nicht, aber das sollte mir recht sein. Ich sprach auch aus einem guten Grund nicht über den Grund, nach Lorien zu gehen. Ich wollte ihn überraschen, unbedingt. Legolas lächelte mich noch kurz an, gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand dann so schnell wieder, wie er hier erschienen war. Ich schüttelte grinsend den Kopf und kümmerte mich noch etwas um Mahela, bevor ich nach Randírdair suchte. Immer wieder fasste ich mir an den Kopf, mir wurde auch kurz schwarz vor Augen und ich musste mich setzen. Musste ausgerechnet so etwas passieren? Es war doch gerade alles so perfekt. Und dann musste mir wieder irgendwas einen Strich durch die Rechnung machen. Ohne darauf zu achten ging ich weiter, als ich wieder etwas normal sehen konnte. Doch weit kam ich nicht - Da empfing mich schon die Dunkelheit.
"Du kannst nicht entkommen.", flüsterte mir eine Stimme zu. "Dein Ende wird kommen. Versteck dich, wo du willst. Ich werde dich finden"
Ich hob meinen Kopf und erblickte eine Gestalt, vollkommen in schwarz gekleidet. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht bewegen. Ich spürte Fesseln an meinen Händen und Füßen und mein Körper war schwach. Ich zog leicht an den Fesseln, doch sie bewegten sich keinen Millimeter. Ein schallendes Lachen ertönte, dann veränderte sich alles. Ich fiel nach unten. Gras war unter mir. Ich blickte herunter, entdeckte eine Klinge, die durch meinen Körper zu gehen schien. Unter mir bildete sich eine Lache aus Blut. Ich atmete stockend, sah dann nach oben. Legolas hockte sich zu mir, sagte irgendetwas, was ich nicht verstand. Er schien mir helfen zu wollen. Irgendjemand entfernte die Klinge und ich wurde hingelegt. Die schwarze Gestalt lag neben mir - Sie schien tot zu sein. Innerlich lachte ich, doch das verstummte schnell. Ich spürte, wie alles kalt wurde. Ängstlich redete Legolas auf mich ein, aber ich verstand kein Wort. Nichts drang an mich heran, ich war wie abgeschirmt. Dann kam auf einmal ein weiterer Elb auf uns zu. Ein Kind, wie es schien. Was hatte das Kind hiermit zu tun? Legolas wies dem Kind etwas an, es drehte sich um und hielt die Augen zu, während er versuchte, mich zu verarzten. Ich legte eine Hand an seine Wange, diese sank dann langsam zu Boden, bevor ich meine Augen schloss.
"Tarawiel!", hörte ich Legolas auf einmal rufen. "Bleib bei mir! Du darfst nicht sterben! Ich brauche dich!"
Ich wurde gebraucht .. ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, kurz bevor ich meinen letzten Atemzug tat.
Scharf einatmend wachte ich auf und schnellte nach oben. Ich legte eine Hand auf meinen Brustkorb und spürte meinen Herzschlag, der drastisch erhöht war. Ein Albtraum .. noch dazu ein so realistischer. Ich schüttelte den Kopf und versuchte, jeden Gedanken darüber zu vertreiben. Um mich abzulenken blickte ich etwas umher. Ich war wieder in Legolas' Zimmer, irgendjemand musste mich hergebracht haben. Das Fenster war geöffnet und frische Luft strömte hinein, genau das Richtige für mich gerade. Ich beruhigte mich langsam, erschrak jedoch, als jemand den Raum betrat.
"Tut mir leid, ich dachte, du wärst noch ohnmächtig", sagte Randírdair, der mit einem Tablett in den Händen an mein Bett kam und es auf den Beistelltisch ablegte. Er betrachtete mich eingiebig, legte eine Hand auf meine Stirn, um meine Temperatur zu messen. Danach schüttelte er nur den Kopf.
"Ich konnte deinen Freund nicht finden. Da hab ich mich um dich gekümmert."
"Danke ..", sagte ich leise. Kaum ein Ton wollte mir entweichen und ich zitterte am ganzen Körper. Wie ich Albträume einfach nur hasste. Noch dazu welche, bei denen ich alles spüren konnte. Als würde mich etwas verfolgen. Ein Seufzen entwich mir. Der Elb bei mir reichte mir einen Krug mit Wasser, anscheinend angereichert mit einer Medizin, wie ich am Geruch und später auch am Geschmack feststellte. Ich verzog das Gesicht, es war unerträglich bitter. Wieso auch immer ich so etwas kurz nach meinem Erwachen trinken musste.
"Galadriel hat es angeordnet. Um dich vorzubereiten", beantwortete Randírdair meine unausgesprochene Frage. Ich zuckte leicht zusammen und blickte auf den Krug, den ich kurz darauf hinstellte. Im gleichen Moment betrat eine weitere Person den Raum und stieß erschrocken meinen Namen aus. Ich wusste sofort, ohne ihn anzublicken, dass es Legolas war. Der andere Elb entfernte sich, als sich der Prinz des Düsterwaldes zu mir setzte und nachsah, wie es mir ging.
"Ich hab gehört, Randír hat nach mir gesucht. Verzeihung, ich hatte etwas mit Aragorn zu besprechen .. Wie geht es dir?"
"Mittelmäßig bis ganz und gar schlecht.", antwortete ich und nahm zitternd seine Hand, die er sofort um meine schloss. Wehleidig blickte er mich an. Ich lächelte zurück, in der Hoffnung, seine Laune etwas heben zu können.
"Es geht schon. Mach dir keine zu großen Gedanken .. ich hatte nur einen Albtraum."
"Albträume können auch Visionen sein", meine Randírdair und zerstörte damit die Ruhe, die ich versuchte aufzubauen. Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag wieder und ich wollte mich einfach nur noch verkriechen. Wenn es eine Vision war, dann würde ich irgendwann sterben. Vermutlich. Vielleicht hatte ich auch noch nicht alles erfahren, doch momentan sah es danach aus. Ich versteckte mich bei Legolas, ich wollte meine Schwäche gerade nicht zeigen. Er wies meinen alten Bekannten an, den Raum zu verlassen. Mit einem verächtlichen Schnaufen gehorchte dieser und ließ uns alleine. Ich spürte, wie eine Hand über meinen Rücken strich. Legolas versuchte, mich zu beruhigen, was ihm auch tatsächlich gelang. Ich erlangte die Kontrolle über meine Gefühle wieder zurück und hörte schon bald auch auf zu zittern, vergaß sogar den Traum. Er hatte tatsächlich eine unglaubliche Wirkung auf mich.
"Ist es in Ordnung, wenn ich dich noch einmal alleine lasse?", fragte er mich, nachdem ich mich beruhigt hatte.
"Natürlich .. ich werde sowieso noch mal Randírdair aufsuchen. Ich möchte ihn etwas fragen."
Er nickte mit einem leichten Lächeln auf meine Antwort hin und stand auf. Ich folgte ihm noch nach draußen, wo sich dann unsere Wege voneinander trennten. Ich hatte da so meine Vermutung, wo sich dieser seltsame Elb aufhalten könnte. Er war kein Freund von hellen Orten, das hatte ich mit der Zeit herausgefunden. Ich hatte ja ein wenig mit ihm verbracht und er hielt sich wirklich immer im Schatten. Noch dazu mochte er die Natur und stille Plätze, an denen er seine Ruhe hatte. Und an einem Ort erwischte ich ihn auch, wie er da saß und in die Ferne starrte. Erst wollte ich ihn erschrecken, doch dann setzte ich mich einfach neben ihm hin.
"Wie geht es dir?", fragte er mich.
"Besser", antwortete ich ehrlich. "Hab ich irgendwas im Schlaf gesagt?" Ich hatte schon immer so meine Angst damit, irgendwelche Geheimnisse auszuplaudern. Randír sah mich an, sein Ausdruck sagte mir nichts. Erst als er wieder in die Ferne blickte, begann er zu sprechen.
"Du hast nur nach diesem Elben gerufen. Deswegen habe ich ihn auch gesucht."
"Ich danke dir." Diese Worte schienen ein Lächeln bei ihm hervor zu rufen.
"Du hast dich kein Stück verändert.", meinte er. Wir saßen eine Weile nur so da und schwiegen uns gegenseitig an. Aus irgendeinem Grund kam mir das vertraut vor, woher wusste ich jedoch nicht. Als die Sonne unterging, entschloss ich mich dazu, zum Zimmer zurück zu gehen.
"Was ich noch sagen wollte" Randír stand auf und hielt mich noch etwas auf. Ich blickte verwirrt zu ihm. "Wir brechen morgen auf. Dann hast du das so schnell wie möglich hinter dir."
Ich nickte, wünschte ihm eine gute Nacht und verschwand dann auch schon - einfach zurück ins Zimmer. Legolas war noch nicht da, also hatte ich noch etwas Zeit für mich. Ich zog mich um und wusch mich, bevor ich mich dazu entschied, mich hinzulegen und ein wenig die Decke anzustarren, um nachzudenken. Ich würde endlich von diesem Fluch los kommen .. es gab tatsächlich eine Möglichkeit! Doch inmitten meiner Freude erinnerte ich mich wieder an meinen Albtraum. Randírdair meinte, es könnte eine Vision gewesen sein. Wieder packte mich die Angst. Wenn ich nur wüsste, wie ich ausgesehen hatte .. dann hätte ich vielleicht ausmachen können, ob es eine Vision oder nur ein einfacher Albtraum war. Aber nicht nur die Angst, dass ich irgendwann sterben könnte, plagte mich. Sondern dass es am nächsten Tag passieren könnte.
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