Wisst ihr etwas?
Ernüchterung!
So sah man es in die Gesichter der argentinischen Soldaten geschrieben.
Immer noch stiegen kleinere, schmale Rauchsäulen am Flugfeld auf, auch wenn die Brände gelöscht waren.
Hatten die Millers in Boca House bleiben wollen, so hatte sie ein Jeep mit zwei Ihnen unbekannten Argentiniern doch abgeholt an diesem 2. Mai 1982 in den Nachmittagsstunden.
Doch nicht die Bekanntgabe der erhofften Zurück- Umquartierung war es, die ihre Anwesenheit erforderte. Leutnant Del Vella Vazalla hatte seine Anweisungen dazu- aus dem Gouverneurs House der Hauptstadt.
„Herr Doktor Miller? Herr Hauptmann Flagrano hat sich angekündigt, will sie sehen und sprechen. Ich habe Order, sie herbei zu schaffen. Bitte, nehmen sie doch dort in dem kleinen Raum gegenüber dem Aufenthaltsraum Platz bis Hauptmann Flagrano hier erscheint. Ja?"
„Herr Kommandant? Ich möchte, dass sie wissen, dass ich der britischen Öffentlichkeit mitteilen werde, wie Herr Flagrano hier agierte. Sie taten gut daran, dies nicht mit zu stützen. Gegen ihre Befehle können sie ja schlecht etwas machen, daher werde ich Flagrano die Schuld zuweisen."
„Danke, Herr Doktor Miller. Doch noch sind die Malvinas argentinisch. Und mit Geschick bleiben die Inseln dies auch."
„Herr Leutnant, die ganze Welt steht gegen Argentinien dieser Tage. Dieses Aufbegehren gestern- dies war doch nur ein erstes Achtungszeichen. Dies können sie doch unmöglich ..."
„Danke, Herr Miller!", unterbrach Leutnant Del Vella Vazalla nun nachdrücklich. „Wenn sie nun bitte dort im Raum warten könnten?"
Samantha Miller zog ihren Vater vorsichtig aus dem Büro des Kommandanten, der zum Fenster ging, um hinaus zu sehen- hinaus auf das Bild des Debakels vom Vortag.
Zwei Transport- Hubschrauber, ein Puma und ein Alouette drehten dort ihren Kreis zum Anflug und suchten einen Platz zum Aufsetzen. Was in Herrn Del Vella Vazalla vorging konnte man nicht erahnen.
George Miller und seine Tochter gingen in den kleinen Raum- ließen jedoch absichtlich die Tür geöffnet. Denn wenn es eine Frage gab, die sich alle Internierten heute stellten, so war es die Frage: Wisst ihr schon etwas?
Großbritannien hatte gestern mit seinem großen Cricket- Schläger hier auch auf Goose Green niedersausen lassen. Und Jederman wollte nun nur eines: Informationen, was dort draußen los ist.
Eine schlanke Gestalt huschte auf dem Flur vorbei- eine ihr bekannte Gestalt mit zwei Wassereimern. Sofort sprang sie auf von dem kleinen Holzhocker.
„Charlotta?"
Die Gestalt hielt inne, kam einige Schritte zurück. Etwas Wasser schwappte aus einem Eimer heraus.
Charlotta Obirham blickte ungläubig die Schulkameradin und Freundin an.
„Samantha?" Sie stellte die Eimer ab, blickte in beide Seiten über den leeren Flur und drückte Samantha Miller kurz. „Oh, großer Gott. Samantha! Habt ihr das gestern gesehen? Wisst ihr was?"
Da war die Frage schon zum ersten Male!
„Ja. Wir haben alles gesehen- das heißt Vater. Ich bin vor Angst fast gestorben."
„Oh Gott. Bei uns war es auch so. Ich habe gerade den Abwasch in der Küche gemacht, als dieses Dröhnen der Jets hier herüber ging. Dann folgten sofort die dumpfen Explosionen. Das hat fast alle an die Fenster geholt. Als ich aus der Küche in den Zwischentrakt kam, da war schon alles vorbei und der Flugplatz rauchte überall. Hab nichts mitbekommen. Mir haben es nur die Leute erzählt. Und? Sind die Briten schon gelandet? Wisst ihr was?"
Samantha schüttelte den Kopf.
„Und sie, Herr Doktor Miller?", fragte Charlotta Obirham neugierig weiter nach.
„Nein. Nichts. Allerdings sind hier alle noch so selbstgefällig, dass ich bezweifeln muss, dass es die britische Invasion schon gibt.", flüsterte George Miller.
„Oh Gott."- mehr bekam Charlotta Obirham nicht heraus. „Habt ihr Hunger? Wir haben noch Eintopf über- den soll es zum Abendessen nochmal geben. Wollt ihr?"
George Miller sprach auch gleich für seine Tochter mit: „Nein. Vielen Dank. Sehr aufmerksam. Aber vielleicht später?"
Charlotta bemerkte einen Soldaten, der zum Zimmer des Kommandanten ging und mit einem Schriftstück wedelte.
„Oh. Bis nachher. Ich muss wieder."
Samantha Miller nickte ihrer Freundin kurz zu, lächelte verstohlen. Treu und brav setzten sich die Millers wieder auf die kleinen Hocker- warteten.
Gegen Fünf Uhr am Nachmittag war dies bereits.
Vielleicht würde es der Kommandant Del Vella Vazalla ja gestatten, dass sie heute einmal hier mit zu Abend essen könnten. Dies wäre wirklich einmal eine willkommene Abwechslung, so dachten sich die beiden nicht nur- nein, sie unterhielten sich flüsternd darüber sogar.
Soll dieser ekelige Mensch, Hauptmann Flagrano, ruhig wider mit seinen Fragen löchern. Sicherlich wird er schnell zurück wollen- spät, wie es schon geworden ist heute. Ihn wird es sicher in ein sauberes und warmes weiches Bett nach Stanley zurückziehen. George Miller indessen erwartete nur ein alter Schlafsack und einige Wolldecken- vielleicht sogar hatte er unerwünschte 'Schlafgäste' in diesem besonderen Bett, dass nicht aus Wolken war. Nach Boca House zog ihn nun wirklich nichts.
Argentinische Boots hasteten über den Flur.
Die Tür des Kommandantenzimmers wurde zugeworfen. Kurz danach wieder aufgerissen und erneut hasteten die Boots über den Flur. Andere Boots kamen hastig angerannt, andere schnellen Schrittes.
„Samantha? Mach doch bitte einmal die Tür ran. Doch lass bitte einen Spalt- so dass man noch hören kann, was da vor sich geht. Nicht, dass der nächste Angriff den Flugplatz treffen wird, weißt du?"
„Ja Vater."
Flink und behände schob Samantha die Tür leise heran und ließ einen schmalen Spalt.
Weitere Boots jagden herbei- alle Schritte schienen sich im Bereitschaftsraum der Soldaten zu treffen.
Auch wenn nun ein langsames Paar Boots auch dorthin ging und der Inhaber eines zweiten Paar Boots auf Spanisch fluchte und ein Dritter im Bereitschaftsraum „Oh mein Gott!" ausrief, so konnte man nur vermuten, dass die argentinischen Soldaten in Aufregung waren. Flache Schuhe näherten sich nun- Schuhe hatte hier nur Leutnant Del Vella Vazalla zur Zeit an. Die Schuhe gingen ebenfalls in den Bereitschaftsraum.
Del Vella Vazalla versuchte dort seine Soldaten zu beruhigen. Er zischte mehrfach in die Unruhe im Raum. Bis einer der Leute auf Spanisch: Achtung! schrie und alle ruhig wurden dort gegenüber im Raum.
Samantha blickte ihren Vater an. George Miller hatte die Augen ein wenig zusammen gekniffen und konzentrierte sich darauf, vielleicht etwas vom Wortlaut der Argentinier zu verstehen. Samantha, die auch spanisch ein wenig verstand, tat es ihrem Vater gleich.
„Gut Männer!", erhob sich die feste Stimme des Kommandanten Del Vella Vazalla. „Dieses neuerliche Fernschreiben bestätigt, was wohl sicherlich schon in der kurzen Zeit die Runde unter Euch gemacht hat. Damit steht es nun wohl trauriger Weise fest! Ich verlese: Das Oberkommando der Argentinischen Marine gibt bekannt, dass der Kreuzer ARA General Belgrano nach zwei Explosionen mittschiffs steuerbordseitig aufgegeben werden muss. Die Mannschaft wurde zum Verlassen des Schiffes aufgefordert! ARA General Belgrano droht zu sinken. Viele Verwundete und Tote- Anzahl noch nicht beziffert. Zerstörer Hipolito Bouchard vermutlich ebenfalls beschädigt- Ausmaß unbekannt. Angriff britischer Unterwassereinheiten wird vermutet- ist wahrscheinlich, jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht bestätigt. Rettungsmaßnahmen laufen- alle möglichen Kräfte in der benannten Lage des Kreuzer ARA General Belgrano werden um Hilfe gebeten- beim Anlaufen der Koordinaten vorsicht- mögliche britische Unterwasserkräfte noch im Nachbereich."
Stille herrschte im Bereitschaftsraum des argentinischen Personals.
Ein Stuhl wurde bewegt. Ein Mann fragte etwas, wie die Millers hören konnten: „Wie viele Besatzungsmitglieder waren auf der Belgrano? Ist das bekannt?"
Leutnant Del Vella Vazalla gab nur leise und kleinlaut eine kurze Antwort: „Zirka 1000 Seeleute. Wenn die Meldungen stimmen."
„Eintausend?", sagten fast zeitgleich mehrere Soldaten entsetzt- fast erschüttert.
„Ja. Eintausend. Vielleicht mehr.", ergänzte der Kommandant.
Leutnant Del Vella Vazalla muss danach die Meldung, also das Fernschreiben wohl seinen Nachgeordneten in die Runde gegeben haben, denn es begann ein längeres Rumoren im Raum gegenüber.
„Diese Schweine!", sagte jemand.
„So etwas Feiges!", gab ein weiterer Soldat hinzu.
Eine weitere Stimme, die sehr nach Antonio Montoya klang, fragte: „Was wird veranlasst, um dieses Unrecht zu vergelten?"
„Keine Ahnung. Kommt, gebt mir das Fernschreiben wieder nach vorn." Del Vella Vazalla war kleinlaut, Traurigkeit war in seiner Stimme.
„Montoya? Noch eine Frage?"
„Herr Leutnant? Ist nicht ihr Bruder auf dem Kreuzer Belgrano?"
„Ja. Möge Gott ihm dort draußen beistehen. Ich habe vor einigen Tagen noch mit ihm sprechen können. Er konnte nicht viel zum Einsatzziel sagen, nur dass sie nach Raketenangriffen die ablaufenden britischen Schiffe beschießen sollen. Er ist dort ja an einer 15,2 Zentimeter- Kanone als Artillerieoffizier tätig. Besser, wir reden über etwas anderes, Männer."
„Oh Gott steh Ihrem Bruder bei. Und den anderen armen Seelen!", sagte jemand.
Ohne es zu merken, ertappte sich George Miller dabei, wie er mit dem Kommandanten und auch den Seeleuten Mitleid empfand. Hatte man wirklich durch Unterwasserkräfte den Kreuzer versenkt? Es ließ ja schon diese Soldaten nicht unberührt- was würde dann erst in Argentinien für ein Aufschrei nach Rache losbrechen.
George Miller stand auf, versuchte keine Geräusche zu machen.
Er schloss die Tür vorsichtig und leise.
Dann blickte er mit hochgezogenen Augenbrauen zu seiner Tochter, die wohl ebenfalls das meiste der spanischen Worte verstanden hatte. Auch Samantha war- wie er selbst-ä wie die Argentinier dort im Raum gegenüber- sehr betroffen.
Anmerkung:
Am 2.Mai 1982 erfüllte sich das Schicksal für 321 Seeleute und 2 Zivilisten an Bord der ARA General Belgrano, einem leichten Kreuzer der argentinischen Marine. 770 Seeleute wurden geredet.
Zwei Torpedos Mark VIII waren zu Treffern gekommen- abgeschossen von HMS Conqueror, einem britischen U- Schiff. Ein dritter Torpedo im Fächerschuss traf den Begleitzerstörer Hipolito Bouchard, der im gleichen Verband lief- ohne zu explodieren.
Auch wenn ARA General Belgrano ein älteres Schiff war, ein schwerer Verlust für Argentinien- auch an Menschenleben.
Hauptmann Flagrano kam diesen Abend nicht mehr nach Goose Green.
Die Millers bekamen Eintopf zum Abendessen. Der Eintopf war warm- auch wenn die argentinischen Köche kühl schienen. Dann gingen die Millers zurück.
Nach Boca House.
Keiner fragte mehr- Was gibt's neues? oder Wisst ihr was?
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