Die letzte Vernehmung
Am späten Nachmittag dieses 27. Mai 1982 endete George Millers Hoffnung, Hauptmann Flagrano's Gesicht nicht mehr in diesem Krieg wieder zu sehen.
Zwei schwerbewaffnete Argentinier holten Doktor Miller an der Scheune ab und begleiteten ihn zum Dorfgemeinschaftshaus auf die Anhöhe hinauf.
George Miller war erschrocken, wie viele Soldaten der argentinischen Armee mittlerweile sowohl hier um das Gebäude, die Schule zwischen Darwin und Goose Green, das Flugfeld und an der Verteidigungslinie zu erkennen waren. Waffen, Geländefahrzeuge und einige Lastkraftwagen waren überall im Gelände zu erkennen.
Welches Fahrzeug mit Hauptmann Flagrano angereist war, blieb unschwer zu erkennen. Der grobe Korporal Spiros war daran siegessicher angelehnt und schnipste seinen Zigarettenstummel weg, als George Miller vorgeführt wurde. Auch der unsichere Sergeant Varillo war noch am Fahrzeug und beschäftigte sich von der Beifahrerseite aus, etwas im Fahrzeug zu prüfen. Spiros grinste George Miller wortlos und kalt an.
Man ließ George Miller wieder in dem kleinen Zimmer Platz nehmen. Die Bewaffneten gesellten sich zur Bewachung vor die Tür.
Nach kurzer Zeit kam ein älterer, drahtig wirkender Offizier vor die Tür und starrte ungläubig auf die Gestalt von George Miller.
"Ist dies der Mann, den die Leute aus Puerto Rivero vorgeführt haben wollten?"
"Jawohl Herr Oberst!", riefen beide Soldaten wie aus einem Mund.
"Hmm.", stutzte der Offizier. "Dann sehen sie zu, dass Die sich auch um den Mann kümmern. Wir haben wichtigere Aufgaben zur Zeit."
"Jawohl."
Mit einem Augen- Zusammenkneifen und fixieren des Wissenschaftlers entwich der Oberst Paiggia wieder aus dem Blickfeld, welches die Tür bot. Oberst Paiggia war der neue Truppenkommandeur der die Verteidigung der Landenge und der Gegend um Darwin und Goose Green zu leiten hatte. Wie sein Stellvertreter, Oberstleutnant Pedrozzo, hatte er wohl nun andere Probleme, als sich um einen Doktor und dessen Vernehmer zu bekümmern.
Kurz darauf erschien Hauptmann Flagrano und seine Komparsen im Raum und schlossen hinter sich die Tür.
"Guten Abend Herr Miller. Ich hoffe, sie mussten sich nicht zu lange Gedulden beim Warten. Sie sehen, mir liegt daran, nochmals mit Ihnen zu sprechen."
"Nun, da sie die Unterlagen sicherlich in meinem Hause gefunden haben, verstehe ich nicht, was es noch zu besprechen gibt. Ich kann Ihnen bestenfalls die Unterlagen erklären, wenn Sie dies wünschen. Sie müssten sie mir nur vorlegen und..."
"Bitte, Herr Miller. Lassen sie das!", Hauptmann Flagrano machte eine Handgeste des Wegwischens.
"Was?"
"Über mich zu spotten. Lassen Sie das bitte. Denn sicherlich wissen sowohl sie als auch ich, dass die Unterlagen sich noch in Ihrem Besitz befinden. Sonst wäre diese anstrengende Reise für mich heute nicht notwendig gewesen."
"Dann haben Sie die Unterlagen im Sekretär nicht gefunden?", hakte George Miller spöttelnd nach.
Flagrano seinerseits warf Korporal Spiros einen kurzen Blick zu.
Dann nickte er kurz.
In eben diesem Moment nach dem Zunicken brach die geballte grobe Wucht der rechten Hand des Korporal Spiros auf das Gesicht von George Miller hernieder. Eine brutale- und für George Miller unvermittelte- Gewalt der flachen rechten Hand schlug ihm ins Gesicht. Schnell. Unvermittelt. Ungebremst.
Die Wucht dieser laut schallenden Ohrfeige warf George Miller nicht nur in den Stuhl zurück- dieser Hieb riss den Kopf des Wissenschaftler schroff zur Seite. Fast drohte der Stuhl mitsamt George Miller umgeworfen zu werden.
Neben dem Schreck über diese gewaltige Aktion blieb nur ein stechender Schmerz im Gesicht von George Miller zurück, der sich vom Kinn bis zum linken Ohr hinauf zog. Der ganze Kopf schien zu dröhnen, das Ohr summte nach.
Obwohl George Miller kurz überlegte, wie er mit einem geistreichen Spruch auf diese Ohrfeige antworten konnte, unterließ er es. Die Konversation zwischen Hauptmann Flagrano und dessen Männern würde wohl bei dieser Vernehmung einen anderen Weg nehmen.
"Nun?" Hauptmann Flagrano blickt ernst und entschlossen. "Würden Sie mir bitte die Unterlagen übergeben oder deren Verbleib klarstellen?"
George Miller wischte sich etwas aus dem Gesicht, dass am Mundwinkel zu kleben schien. Es war eine Mixtur aus Spucke und Blut. Er blickte das Abgewischte in seiner Hand kurz an.
Flagrano ging nun seinerseits zu spöttischen Bemerkungen über. "Verzeihen Sie Korporal Spiros Grobheiten. Er ist zuweilen etwas unbeherrscht, wenn er - oder besser ich- eine Antwort erwarten."
Der junge Sergeant Varillo schien sich ein wenig erschrocken und zugleich angewidert noch mehr an die Seitenwand des Raumes zur Tür hin zurück zu ziehen.
George Miller blickte wütend, jedoch beherrscht- zuerst auf Spiros, dann auf dessen 'Herrchen'. "Und wie stellen Sie sich den weiteren Ablauf der Anhörung vor? Soll ich jetzt Kuschen? Wie ihr Haustier hier?"
Flagrano sagte kein Wort. Er nickte nur erneut dem Sergeanten zu, der seinerseits wohl erfreut schien, das Kommando 'Fass' zu bekommen. Erneut schlug Korporal Spiros mit gleicher Brutalität und Härte zu. Dabei konnte George Miller noch ein kleines Grinsen in den Gesichtern des Korporal und des Hauptmanns erkennen, bevor der Kopf durch die Ohrfeige erneut dumpf zur Seite geschleudert wurde.
"Ich bin mir sicher, wir haben uns verstanden, Herr Doktor Miller.", sagte Flagrano. "Und bitte nun eine Antwort. Wo sind die wissenschaftlichen Aufzeichnungen und Analysen zum Erdgasfeld auf dem Falkland- Schelf? Die Unterlagen, nach denen wir bislang so erfolglos suchen mussten."
George Miller wollte es nicht verraten. Doch wie würde es hier dann weitergehen? Es schien absehbar. George Miller blickte den einzigen Menschen in diesem Raum an, den er nicht für ein Schwein hielt- Sergeant Varillo, der noch mehr verunsichert in der Ecke an der Tür stand.
"Die Unterlagen sind in Sicherheit."
"Und wo bitte?", fragte Flagrano mit forderndem Blick.
"Da wo sie jeder sehen kann. Auf dem Plumps-Klo des Flugfeld- Hangars. Ich habe kleine Schnipsel daraus gemacht und dort zum Abwischen hingehängt!" George Miller lachte unter Schmerzen, als er diese Antwort mit krächzender Stimme herausschrie.
Dabei blickte George Miller fest entschlossen in Hauptmann Flagranos Augen. Der nickte nun erneut dem Korporal zu, der erneut zuschlug, dieses mal kurz mit der Außenhand die linke Gesichtshälfte des Wissenschaftlers traf- jedoch weniger wuchtig.
"Bindet ihn!", befahl Hauptmann Flagrano.
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