Das Hin und Her des Krieges
Der Kommandant, Leutnant Del Valle Vazalla, fühlte sich unwohl in seiner Haut. Es schien ihm, als stehe er auf aussichtslosem Posten und es sei nunmehr eine Frage der Zeit, dass der Krieg Goose Green erreicht.
Vieles war geschehen.
Am 15. Mai 1982 hatte Goose Green Infanterie- Einheiten in der Stärke einer Kompanie auf Befehl des Armeestabs abzugeben. Man hatte diesen Einheiten befohlen, eine Verteidigungsstellung am nördlichen Zugang zum Falkland- Sund nahe Port San Carlos zu errichten. Daher waren diese Einheiten dorthin verlegt worden. Auch zwei leichte Geschütze und mehrere Mörser waren dorthin geschafft worden- auf einen Hügel, der als 'Fanning Head' bekannt war. Auf diesem Hügel sollte ein Beobachtungspunkt errichtet werden, der durch Artillerie- Unterstützung diesen nördlichen Zugang in die Sund- Passage zwischen den beiden großen Falklandinseln kontrollieren konnte.
Leutnant Del Valle Vazalla war jedoch froh, dass die ihm unterstellten Einheiten am Flughafen und der Luftverteidigung keinen Mann für dieses Unterfangen abzustellen hatten. Goose Green mit seinem Flugfeld war für die Inselverteidigung wohl offenbar zu wichtig, insbesondere auch für die Versorgung der Truppen auf der Insel. Und er war froh, dass man den Standort durch weitere 2 Pucara- Flugzeuge und 3 Aermacchi- Kampfmaschinen aufwertete.
Doch es gab Versorgungsprobleme. Überall auf den Inseln, auch hier zunehmend. Sein Schreibtisch war voll von Beschaffungsanträgen- kaum wurden die Anfragen mehr erfüllt seit die Briten die Blockadezone bis vor das Festland erweitert hatten.
Und seit Südgeorgien an die Briten zurück gefallen war machte sich auch unter der Truppe eine gewisse Hilflosigkeit breit. Konnte man hier wirklich etwas gewinnen in diesem Konflikt?
Es klopfte.
"Herein."
Korporal Spunales, Mechaniker auf dem Flugfeld, trat herein.
"Herr Leutnant. Ich melde, dass die Betankungen der Maschinen abgeschlossen sind. Die Mechaniker haben die Beschädigungen an der Pucara 413 ebenfalls behoben."
"Sehr gut. Dies sind gute Nachrichten."
Spunales ließ seinen Blick schweifen im Büro des Leutnants, bis er die kleine Wanduhr sah.
"Herr Leutnant? Da es nun schon 23 Uhr ist- können sich die Männer nun ausruhen oder sollen sie beim Entladen noch mit anpacken?"
Leutnant Del Valle Vazalla sah sich in der Zwickmühle, hierüber zu entscheiden. Seine Männer arbeiteten hart. Aber die Transportmaschine, eine Hercules C 130 H, musste die Nacht nutzen, um von den Briten unbemerkt wieder nach Argentinien zu gelangen. Auch er selbst war erschöpft.
"Sagen sie den Leuten, sie sollen noch mit entladen. Wenn die Hercules bereit ist, so soll sie hier sofort verschwinden. Was hat sie geladen?"
"Die Soldaten sind schon raus. Bleiben nur noch etwas über acht Tonnen an Fracht."
"Das Wetter? Wie sehen die Prognosen aus?"
"Diesig. Man sagt ab dem morgigen 21. Mai eine Regenfront und kühlere Winde voraus. Es wäre schon besser, wenn der Vogel noch zurückfliegt, Herr Leutnant. Wir haben insgesamt nur 6 Maschinen, die Falkland noch anfliegen."
"Dann entladen! Und weg mit dem Vogel! Die Posten sollen sich regenfest machen. Und das Licht aus, wo es nicht benötigt wird."
"Gut. Ich stelle ihre Anordnungen durch. Schlafen sie gut, Herr Leutnant."
"Ja. Sie auch."
Nachdem der Korporal aus dem Raum war, lehnte sich der Leutnant in seinem Stuhl zurück, schloss die Augen. Der Kommandant Del Valle Vazalla gestand sich nun in Gedanken ein, dass dies wieder ein zu langer Tag war. Aber die Pflichten mussten erfüllt werden, zu viel hing von seinen Männern ab. Die Sicherheit der Besatzung der Hercules- Transportmaschine, die eigene Sicherheit, das Leben der Internierten und der Bewohner von Goose Green sowie ungezählter anderer Menschen auf dieser Insel.
Er stand auf und ging in sein kleines Zimmer mit dem Feldbett.
Nur die Jacke wollte er ablegen. Und dann diese Stiefel aus. Es konnte immer etwas sein, auch wenn er selbst keine Bereitschaft hatte. Ein Kommandant wird immer zuerst geweckt, sollte es Probleme geben.
Er legte sich auf sein Feldbett. Gedankenversunken- an seine Frau und sein Kind denkend- schlief er binnen kurzer Zeit fest ein.
Nahes knallen und schießen ließ ihn hochschrecken vom Bett.
Im Raum war immer noch Finsternis, die nur durch den Lichtschimmer- unten an der Tür- die Gegenstände im Raum erahnen ließ.
Schnell setzte er sich auf- schlaftrunken und dennoch wachgeschreckt. Was war hier los? Was hat das zu bedeuten? Nächtlicher Luftangriff?
Vorsichtig zog Valle Vazalla die dicke Gardine ein Stück zur Seite, um hinaus in die Nacht schauen zu können. Normaler abgedunkelter Lichtschein am Flugfeld, mehr war nicht wahrzunehmen.
Da, wieder Knallen- mehrfach hintereinander. Drei Mal kurz, dann ein lauterer Knall.
Eine Explosion etwa?
Er tastete nach den Stiefeln, griff sie und zog sie an- stets den Blick durch den kleinen Sehschlitz an der Gardine.
Da! Zwei Gestalten hasteten durch die Nacht!
Was in Gottes Namen ist hier los?
Stiefel polterten im Flur an seiner Tür vorbei.
Geduckt zupfte der Leutnant die Gardine wieder zu. Dann tastete er sich zu dem Stuhl- auf den Knien vorwärts rutschend. Wenn Geschosse umher flogen, so hatte er zumindest etwas Deckung.
Die Feldjacke zog er so fest herunter, das ein Quietschen von den Stuhlbeinen auf dem Betonboden folgte.
Vorsichtig kroch er zur Tür herüber, griff nach oben, um sie zu öffnen.
Vom Flur kam Helligkeit des matten Nachtlichtes in den Raum. Vorsichtig blickte der Leutnant in den Korridor in beide Richtungen- niemand.
Mit dem zuziehen der Tür kam auch der Wunsch, sich wieder aufzurichten. Ja! Er hatte Angst! Aber seine Soldaten sollten ihn so nicht sehen- aufrecht wollte er sein! Aufrecht und standhaft musste er sich geben! Wieder kleineres Knallen oder schießen- es kam von außerhalb des Gemeindehauses.
Der Kommandant, Leutnant Del Valle Vazalla, warf sich die Uniformjacke über, um auch als Offizier erkannt zu werden.
Hinter sich hörte er Flüstern.
"Heda! Wer ist da? Und was ist das für ein Lärm?"
Ein Soldat des Infanterieregimentes blickte kurz aus einem Raum heraus, um danach wieder in dem Zimmer zu verschwinden- es war die Waffenkammer der Flugplatz- Garnison, die sich am Ende des Flures befand.
"Was treibt ihr da! Los! Raus mit der Sprache! Zeigt Euch! Und gebt mir Antwort!"
Der Soldat blickte erneut in den Flur. Als er den Offizier erkannte im Dämmerlicht, da schien der Soldat dann doch veranlasst- wenn auch leise- zu antworten.
"Herr Leutnant. Wir schauen nur, ob wir etwas wie Signalmunition hier finden. Oder Leuchtpistolen!"
"Wer ist da noch? Und wie kommen sie..."
"Entschuldigung Herr Leutnant. Ich bin noch hier. Spunales, Herr Leutnant!"
"Spunales? Korporal! Was ist da draußen eigentlich los?" "Die Briten, Herr Leutnant, die Briten sind hier! Irgendwo zwischen Darwin und Goose Green müssen sie sein! Wir denken, sie sind irgendwo an der Brücke!"
"Briten? Wie viele?"
"Keine Ahnung. Das versuchen wir ja gerade heraus zu finden. Aber der Zugführer vom Infanterieregiment will nur nachsehen, wenn wir ihm etwas Licht geben! Er sagt, er will seine Leute nicht blind in der Nacht verheizen."
"Landen die Briten etwa hier?"
"Das wissen wir nicht, Herr Leutnant. Könnte sein! Auf jeden Fall tut sich dort etwas. Vielleicht Vorbereitung einer Landung- wir wissen es nicht. Wir wissen auch nicht, wie viele dort sind." Der Infanterist wusste damit wohl auch nicht viel mehr.
"Zwei Leuchtpistolen! Kann ich die Munition auch mitgeben?"
"Aber ja. Los! Beeilt Euch!- Und Spunales?"
"Ja?"
"Kopf unten halten!"
Leutnant Del Valle Vazalla ging in sein Zimmer, der einzige Raum hier, von dem man telefonieren konnte. Was es auch war, was dort draußen vor sich ging- der Armeestab musste davon Kenntnis erhalten!
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