Ende des Sommers
Und so ging der Sommer zu Ende.
Der Sommer, welchen ich missmutig entgegengeblickt, ihn dann so sehr genossen, den größten Schmerz überhaupt verspürt und schließlich die besten Freunde überhaupt gefunden hatte.
Ich wusste nicht, ob es der schönste oder schrecklichste Sommer meines Lebens war.
Ich wusste einfach nicht, welches Gefühl dem anderen überlegen war.
Ich wusste einfach nicht, ob die Erinnerungen und die Erfahrungen, die ich hier mit Zara, Amy und Dean gemacht hatte, es wert waren, am Ende so zu leiden...
Aber je länger ich nun in meinem nun wieder aufgeräumten Zimmer saß und darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich diesen Sommer um nichts in der Welt wieder hergeben möchte. Ich wollte diese Erinnerungen nicht verlieren, auch wenn es hieß, dass ich von nun an für immer mit diesen Schmerz leben musste.
Aber dieser Sommer hatte aus mir einen anderen Menschen gemacht.
Zara hatte aus mir einen anderen Menschen gemacht.
Und sie war es wert, dass man sie in Erinnerung behielt, denn ich wollte sie nicht so wegsperren, wie sie es mit ihrer Vergangenheit gemacht hatte.
Ich wollte meinen Eltern, von ihr erzählen. Von Zara, dem außergewöhnlichsten und widersprüchlichsten Mädchen überhaupt.
Dem Mädchen mit den roten Locken, den vielen Sommersprossen und den grünen Augen.
Dem Mädchen, mit der ich jeden Tag unterwegs war, die mich zum Lachen und Nachdenken gebracht hatte. Und die mich dazu gebracht hatte, sie zu lieben.
Mit jeder Faser meines Körpers.
Und dem Mädchen, welches mich gleichzeitig mit in die Tiefe gerissen hatte, als sie gefallen war.
Denn diese Erinnerung gehörte mit zu Zara, wie Amy und Dean nun zu mir gehörten. Denn wir waren meine besten Freunde und wir würden es bleiben, das hatten wir uns und Zara versprochen und ich wollte mein Versprechen einhalten. Besonders weil Zaras ihres nicht einhalten konnte...
„Hast du fertig gepackt?"
Amy steckte ihren Kopf in mein Zimmer und lächelte, als sie sah, dass ich gerade erst anfing. Wie selbstverständlich ließ sie sich neben mir auf den Teppich fallen und fing an meine wenigen T-Shirts zu falten.
„Du brauchst mir nicht helfen", meinte ich, lächelte sie dennoch dankbar an.
„Will ich aber, außerdem meint Delores, dass deine Eltern bereits in einer Stunde kommen würden und bis dahin solltest du deinen Koffer fertig gepackt haben."
Sie zuckte ihre Schultern, aber bei dem Gedanken, meine Eltern wieder zu sehen, verzog ich mein Gesicht. Amy bekam es mit und warf mir einen neugierigen Blick zu. Ich wusste, dass sie wissen wollte, was los war, deswegen erzählte ich es ihr: „Ich hatte die letzten zwei Monate kein einziges Wort mit ihnen gewechselt, geschweige denn wirklich mal an sie gedacht. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll, wenn ich sie nun wiedersehe, verstehst du, was ich meine, Amy? Einerseits freue ich mich, aber anderseits weiß ich nicht, was für Probleme sie hatten, weswegen sie mich hier hin geschickt hatten. Vielleicht sind sie nun getrennt oder haben unser Haus verkauft, oder was weiß ich. Ich habe absolut keine Ahnung und da sie sich auch nicht die Mühe gemacht haben, mich zu erreichen, bin ich mir auch nicht so sicher, ob ich es überhaupt mit ihnen aushalten kann..."
Amy sah mich verständnisvoll an und lächelte mir dann aufmunternd zu. „Hey, es wird schon alles gut gehen, Max. Sei einfach du selbst, wie immer. Immerhin sind es deine Eltern, auch wenn sie sich trennen werden, werden sie immer deine Mom und dein Dad bleiben."
Dankbar umarmte ich sie über den Koffer hinweg und flüsterte dann: „Aber eigentlich will ich sie nicht wiedersehen, weil ich dann weiß, dass ich euch verlassen muss. Dabei seid ihr meine besten Freunde."
Amy drückte mich ein bisschen weg, damit sie mir ins Gesicht sehen konnte. Prüfend musterte sie mich und ich konnte nicht anders und fing an zu lachen, als ihr eine braune Haarsträhne genau vor die Augen fiel. Sie strich sie sich hinter ihr Ohr, grinste dann aber auch.
„Max, weißt du was? Wollen wir uns nicht einfach jeden Sommer hier treffen? Ich glaube, Zara hätte es schön gefunden und Dean und ich verbringen hier die nächsten Sommer sowieso. Zudem gibt es ja immer noch technische Mittel, um in Kontakt zu bleiben." Sie grinste mir zu und begeistert nickte ich. „Na dann! Dein Koffer ist jetzt soweit fertig gepackt, ich schaue mal nach Dean, der wird leider auch schon heute Abend abgeholt... Ich bin wohl die einzige, die dann noch eine Nacht hier schlafen muss."
Sie zwinkerte mir zu und verschwand dann. Grinsend blickte ich ihr hinterher und überprüfte dann nochmal, ob ich wirklich alles in meinem Koffer verstaut hatte.
Es war alles an seinem Platz, der Stein der Wünsche lag ganz oben auf meinem rot-grau gestreiften T-Shirt. Komisch, dass es so aussah, als würde er wieder weißer werden...
Eine Stunde später standen wir alle in der Eingangshalle versammelt. Dean, Amy und ich standen dicht beieinander und wussten nicht so Recht, ob wir lachen oder weinen sollten. Schließlich entschieden wir uns fürs lachen, denn der Abschied sollte zumindest nicht mit Tränen enden. Gerade als Dean mir seine Handynummer gab, die ich mir auf einem Zettel kritzelte, meldete sich Delores zu Wort: „Max Schätzchen. Ich glaube, deine Eltern sind gerade gekommen."
Erschrocken blickte ich zu der offenen Haustür und leider behielt sie Recht. Ich sah wie unser Auto in einer Staubwolke die Auffahrt entlang fuhr und schließlich stehen blieb.
„Schätze mal, wir sollten uns jetzt verabschieden", meinte ich traurig und die anderen nickten. Amy fiel mir um meinen Hals und drückte mich einmal an sich.
„Dass du ja nächsten Sommer wiederkommst, okay? Sonst wird der Sommer langweilig."
„Wenn ihr mir versprecht, dass wir dann zu McDonald's fahren."
Lachend kam nun auch Dean zu mir und auch wir umarmten uns kurz. „Klar, so oft du willst, Kumpel. Gute Heimreise und vergiss bloß nicht mich anzuschreiben, ja? Ich werde dich nämlich sonst überall aufspüren können..."
Dean schlug mir nochmal leicht gegen die Schulter, bevor ich mich mit einem traurigen Grinsen an Delores wendete. Sie lächelte mich liebevoll an und schließlich konnte ich nicht anders, als auch sie zu umarmen.
„Danke für alles, Delores", flüsterte ich heiser.
„Nein, Max Schätzchen. Ich danke dir. Du weißt gar nicht, wie Zara gestrahlt hatte, wann immer du in ihrer Nähe warst. Sie war wie eine Sonne und ich danke dir dafür. Passe auf ihre Vergangenheit auf. Es war einer ihrer größten Schätze." Mit jedem Wort klang ihre Stimme brüchiger und auch ich brachte nichts Weiteres außer einem Nicken zustande.
Als ich mich aus ihrer Umarmung löste, griff ich schnell meinen Koffer, winkte meinen zwei besten Freunden nur noch zu und ging dann auf das Auto meiner Eltern zu. Diese standen schon daneben und wanken mir aufgeregt zu. Wenn ich mich noch länger hier aufhielt, dann würde ich wirklich anfangen zu weinen und das wollte ich nicht. Ich hatte erst schon geweint, denn nachdem ich meinen Koffer fertig kontrolliert hatte, war ich noch einmal in Zaras Zimmer gewesen. Ich war bei dem Mädchen aus Glas und habe auf Wiedersehen gesagt. Hatte mich von ihren Zeichnungen, dem Dach, den Farbeimern, dem Katzen-T-Shirt, sowie von der gläsernen Statue verabschiedet.
Und natürlich von Zara.
Aber ich wusste, dass es kein Abschied für immer sein würde.
Ich würde nächstes Jahr wiederkommen und alles noch einmal sehen.
Und auch Zara war nicht weg. Bei ihrer Beerdigung hatte ich mich nicht für immer von ihr verabschiedet, denn auch ich würde irgendwann im Norden meines Lebens stehen und vielleicht würde ich Zara bald wiedersehen.
Wenn sie im Osten ihres neuen Lebens stand.
Entweder in meinem jetzigen Leben oder in einem Leben, welches ich irgendwann leben würde. Wir würden uns wiederfinden und selbst wenn sie später das kleine Mädchen mit den Locken sein würde, welches auf dem Spielplatz herum tobte und über meine Füße stolperte, weil ich auf einer Bank neben dem Spielplatz saß und lernen müsste.
Oder aber wir würden Nachbarskinder sein, die zusammen aufwuchsen und sich in der Nacht heimlich davon stahlen, um mit dem alten Auto von ihrem Vater zum Meer zu fahren, um uns dort zusammen das Meer und die Sterne anzuschauen.
Vielleicht würden wir auch dann über die tieferen Sinne des Lebens philosophieren...
Ich würde sie immer und überall wieder erkennen, so wie ich es in diesem Leben schon getan hatte. Denn uns hatte etwas Magisches verbunden, das uns selbst jetzt noch verband. Und es würde uns auch für immer verbinden, uns durch unsere neuen Leben führen, sowie es uns schon durch unsere alten geführt hatte.
Ich wusste einfach, dass es so war.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro