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Kapitel 4 - In der Symphonie




Zu meinem achtzehnten Geburtstag hatten mir meine Mutter und mein Stiefvater einen Schlüssel geschenkt: Einen eigenen Schlüssel für die Zweizimmerwohnung, die sich unterm Dach unseres Hauses befand. Früher einmal hatten die Eltern meines Stiefvaters die Wohnung vermietet, nach ihrem Tod waren die damaligen Vermieter ausgezogen und mein Stiefvater hatte das ganze Haus renoviert. Jahre lang hatte sie leer gestanden und ein paar Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag waren alle Möbel meines Zimmers nach oben gekommen, einschließlich neu gekaufter Möbel für das Wohnzimmer mit der Küchenecke.

Da ich somit immer noch mit meiner Familie unter einem Dach lebte aßen wir stets zusammen zu Abend und jeden Sonntag wurde gemeinsam gefrühstückt. Natürlich schaute ich auch so öfters bei meinen Eltern und Geschwistern vorbei, aber unter der Woche war morgens niemand mehr anzutreffen. Sophie, Arielle und August, meine Halbgeschwister, waren in der Schule und meine Eltern arbeiteten schon in ihrem Café.

Deswegen verließ ich ohne Umwege das Haus und machte mich auf den Weg zur nächsten Straßenbahn-Station. Grisha und Zen folgten an der Leine, obwohl vor allem Zen das Geschirr und die Leine hasste. Zu unserem Glück befand sich die nächste Station keine zehn Minuten von unserem Zuhause entfernt. Ein paar wartende Fußgänger – meiner Ansicht nach zu viele – standen schon unter dem metallenen Unterstand, drei davon quetschten sich auf die ebenfalls metallene Bank. Ich blieb mit meinen Jungs lieber an der Seite stehen und wartete, Grisha und Zen setzten sich abwartend neben mich.

Es dauerte zum Glück nicht lange bis ein sanfter, melodischer Ton durch die Straßen getragen wurde und das Kommen der nächsten Bahn ankündigte. Die Straßenbahn besaß wie alle bekannten Bahnen dieser Art vier Waggons und eine silber-blaue Lackierung, die mit den polierten Schienen unter sich um die Wette glänzte. Anders als die anderen einsteigenden Passagiere, quetschte ich mich nicht in einen der vordersten Waggons, sondern entschied mich gleich für den vierten Waggon, wo es weniger Passagiere gab – bis jetzt. Nah an einer der Türen fand ich einen Platz und obwohl ich mich gerne ans Fenster setzte, blieb ich um Grishas und Zens Willen auf dem äußerem Platz sitzen, während sich meine Freunde im breiten Fußraum hinlegten.

Kaum saß ich, fuhr die Bahn weiter. Ich ließ meinen Blick zuerst auf die Werbeanzeige mir gegenüber gerichtet, verlor aber schnell das Interesse und blickte stattdessen nach draußen auf die Straßen von Madrigal. Die Fenster waren verdunkelt, wodurch sie wie die Gläser einer Sonnenbrille wirkten und man ungehindert nach draußen schauen konnte, egal wie sehr die Sonne sich in den glatten Fenstern von anderen Fahrzeugen, Geschäften oder Häusern spiegelte. Nach fünfen Minuten fahrt wurde es zunehmend stickig im Waggon. Und auch ein wenig zu laut. Es war nicht gerade angenehm allein zu sitzen, während, um einen herum jeder einen Gesprächspartner zu haben schien. Also allein war ich nicht...aber Grisha und Zen waren nicht gerade gesprächig. Sanft bremste die Bahn ab, als die nächste Haltestation auftauchte. Wir befanden uns nah am Zentrum von Madrigal, weshalb viele Passanten ausstiegen. Dafür stiegen fast genauso viele neue Passagiere ein. Mit ihnen wurde ein Duft von Kaffee, schwüler Luft und aufdringlichen Parfüm ins stickige gebracht – kein angenehmer Duft.

Neugierig wanderte mein Blick über die anderen Fahrgäste. Jeder von ihnen schien so in sein Handeln vertieft, als würde man die Welt um einen herum vergessen. Egal ob es eine Zeitung vor der Nase war oder die befreundete Sitznachbarin, mit der man über alles Mögliche quatschen konnte. Kurz verweilte mein Blick auf dem Titelblatt einer Zeitung, die ein älterer Herr auf einem Platz mir schräg gegenüber las.

Explosionen im Herzen von Antares – Taerars Bewohner leben in Angst.

Die nächste Eilmeldung für die neugierige Presse. Die Nachricht über die gestrige Explosion wurde nicht nur übers Radio verbreitet. Neben weiteren Vorfällen wie schwerer Diebstahl oder Sabotage war dies die inzwischen vierte Explosion in der Hauptstadt Taerar. Bisher hatten sich die gefährlichen Explosionen nur auf freiliegenden Geländen oder weit am Stadtrand zugetragen, aber natürlich machte es die Sache nicht besser und die Bewohner von Taerar fühlte sich dadurch nicht sicherer. Während viele das AUGE für die Schuldigen hielten, kursierten neben hartnäckigen und aufdringlichen Pressemeinungen auch neugierige Gerüchte. Manche hatten die Mut zu behaupten, dass diese Explosionen in Wahrheit Zeichen der Äonen waren.

Es waren spannend klingende Behauptungen, doch gingen sie mir auch eindeutig zu weit. Die Äonen sollten für solche lebensbedrohlichen Vorkommnisse verantwortlich sein – wirklich? Ich war zwar nicht besonders religiös doch selbst für mich klang das nach schwerwiegender Ketzerei. Vor mehr als dreihundert Jahren hatten die Äonen die Menschen gerettet und die Überreste einer zerstörten Welt neu erblühen lassen – für die Menschen. Sie hatten sich die Aufgabe als Beschützer zugewiesen und Auserwählten die Magie geschenkt – für die Menschen! Viel zu viel hatten die Äonen getan, damit die kümmerlichen Anfänge einer neuen Ära hatte überleben können und nun sollten sie uns so sehr hassen, dass sie anfingen unsere Städte zu zerstören? Schwer zu glauben und wie gesagt, klang es für mich sehr nach Ketzerei.

Mit einem ungläubigen Schnauben wandte ich mich ab. Die Bahn fuhr immer weiter in die Stadt hinein und somit auch in das Schulviertel. Aus diesem Grund befanden sich im Waggon viele Jugendliche zwischen zwölf und achtzehn Jahren, alle in identischen Schuluniformen. Madrigal galt als eine der drei nahen Partner-Städte von Taerar und genoss dadurch dessen Einfluss in Form von Energie, Technologie, Mineralien und auch politischen Einflüssen – sogar Schulbildung. Deswegen war vor mehr als fünfzehn Jahren eine kleinere Kopie der hohen Stalton Academy hier in Madrigal errichtet worden, die trotzdem die gleichen hohen Ansprüche und Kosten besaß. Viele Eltern aus ärmlichen Verhältnissen kratzten ihre ganzen Ersparnisse zusammen, um wenigstens eins ihrer Kinder auf die Akademie zu schicken und ihm damit einen zukünftigen Aufstieg in die höhere Gesellschaft zu sichern. Das ihr Kind dadurch ständigen Stress und Leistungsdruck aussetzten, war ihnen egal, Hauptsache ihre Familie konnte irgendwann zu den Besten der Besten gehören.

Auch ich hatte die Akademie besucht und auch wenn ich vor einem halben Jahr meinen Abschluss dort geschafft hatte – dessen Vorzüge ich noch nicht genutzt hatte – war es wohl eine der schlimmsten Zeiten meines Lebens gewesen. Hartes Lernen zusammen mit Medikamenten, die die Funktionen meines Gehirns leicht beeinträchtigten, harmonierten nicht so gut miteinander.

Mein Blick blieb auf zwei Mädchen hängen, die sich zusammengequetscht zwischen ihren Taschen auf einen Zweiersitz breit gemacht hatten. Sie tuschelten miteinander und lachten hin und wieder. Das Bild erinnerte mich an meine Schulzeit zurück. Zusammen mit meiner Schwester Sophie hatte ich so ähnlich auf einem Zweiersitz gesessen. Sie war während den anstrengenden Zeiten eine Stütze für mich gewesen, hatte mir geholfen und unterstützt und sich immer zu mir gesetzt, ganz egal ob Freundinnen von ihr in der Nähe waren, lieber hatte sie sich zu mir gesetzt und mit mir geredet.

Ich würde es niemals laut zugeben, aber ich war stets ein wenig eifersüchtig auf Sophie gewesen. Sie besaß solch ein fröhliches, vertrauenswürdige Wesen, dass jeder sie mochte und sie als Freundin haben wollte. Ich dagegen hatte stets an der Seite gestanden und keinen Anschluss finden können, wodurch mir solch ein Luxus wie wahre Freunde stets nie gegönnt worden war. Niemand hatte solch ein kaputtes und merkwürdiges Mädchen in seiner Nähe haben wollen, womit ich nicht nur meine unterschiedliche Augenfarbe und das Flimmern meinte. Ehrlich gesagt...manchmal hatte ich mich darüber gewundert, dass meine Familie niemals an mir und meiner Normalität gezweifelt hatte.

{...}

Grisha, Zen und ich stiegen nah am Zentrum von Madrigal aus. Nicht ganz in der Nähe von meinem Treffpunkt mit Silas, sondern nah am Arbeitsplatz von Mom und meinem Stiefvater. Genauer gesagt, befanden wir uns nördlichen Eingang vom Northbird-Park, dem größten Park von Madrigal. Und in der Mitte des Parks, am Ufer des Northbird-Lakes hatte Mom vor vierzehn Jahren ihren Traum von einem eigenen Café erfüllt. Da sich ihr Café nur ein paar Straßen weiter von der Arena befand, bekam sie vor und nach den Glimmer-Kämpfen viele Besucher ab, was sich als ein positiver Nebeneffekt erwiesen hatte. Vormittags war allerdings wenig los, erst gegen Mittag füllte sich das Café bis zum frühen Abend. Mom und Thom, mein Stiefvater, verdienten mit dem Café zwar nicht das beste Geld, aber es hatte mir und meinen Geschwistern nie an etwas gefehlt.

Zu diesen frühen Morgenstunden befanden sich nur wenige Besucher um Park, was der schönen Atmosphäre eine gewisse Ruhe verlieh. Lange, saftig grüne Wiesen erstreckten sich über eine riesige, freie Fläche zwischen den sonst hohen Gebäudewerken der Stadt. Helle Sandwege führten durch das Gras zu verschiedenen Stationen, die im Park zu nutzen waren: Zwei Spielplätze, eine kleine Bar am östlichen Eingang, ein Kiosk im mittleren Bereich des Parks und sogar eine kleine Minigolf-Anlage. Und genau in der Mitte des Parks erstreckte sich der Northbird-Lake mit seinem dunkelblauen Wasser auf dem Seerosen, Enten, Schwäne und gelegentlich kleine Ruderboote schwammen. Insgesamt besaß Madrigal zwei Parks und der Northbird-Park war von den zwei nicht nur der größte Park, sondern auch eindeutig der schönere.

Kaum dass wir das langweilige Grau der Straße verließen und in die grüne Welt eintraten, zogen Grisha und Zen energisch an ihren Leinen. Sie liebten diesen Park und wussten genau, wohin wir wollten. Ich folgte ihrem Wunsch und machte die Leinen so lang, dass die Rolle aushackte und das Band sich starr ausstreckte. Mit hechelnder Zunge preschte Grisha vor, sprang und tobte über das Gras. Zen folgte ihm bellend, nur um sich nach ein paar Schritten auf den Rücken zu werfen und ausgiebig im Gras zu wälzen. Lächelnd verdrehte ich die Augen und lief still weiter, während meine Kleinen so rumtobten, als wären sie seit Monaten in der Wohnung eingesperrt gewesen.

Durch die Größe des Parks dauerte es einen Moment, doch schon von weitem konnte ich das Café meiner Familie erkennen. Das kleine Haus besaß eine weiß gestrichene, hölzernen Fassade, in derselben Farbe wie der Zaun, der das Gelände umgab. Das Gelände bezog sich aber nicht nur auf die paar Tische und Stühle auf dem Kiesplatz, sondern auch auf die Tische und Stühle auf dem Wasser. Eine gläserne Platte ruhte auf kurzen Pfeilern die ein paar Meter aus dem Wasser ragten und den Gästen so das Gefühl verlieh auf dem Wasser lauf und sitzen zu können. Natürlich war die Platte mit Magie verstärkt worden, sonst wäre die ständige Nutzung kaum möglich. Zwischen den Tischen standen ein paar einzelne Sonnenschirme, passend und kühlend für das sommerliche Wetter. Tatsächlich befanden sich die Schirme aber nur auf dem Glasteil des Cafés, denn die Plätze am Ufer wurden vom Schatten zweier hoher Eichen geschützt.

Noch bevor wir das Café erreichten, bellte Zen laut auf und wedelte aufgeregt mit seinem langen Schweif. Aufmerksam hob ein hochgewachsener Mann mit rötlichem Haar und genauso rotem Bart den Blick. Eben noch hatte er an einem kleinen Blumenstraß hantiert, von denen auf jedem Tisch einer stand: Gelbe und orangefarbenen Blüten in kristallenen Vasen. Kurz bevor ich das Café erreichte, ließ ich die Leinen meiner Lykanen los und die beiden preschten auf Thom zu, um ihn mit lautem Gebell zu begrüßen.

,,Dir ist bewusst, dass wir noch nicht geöffnet haben, oder?", fragte Thom schmunzelnd, während er nacheinander die aufgeregten Lykanen streichelte.

Ich lächelte zurück. Thom war zwar in erster Linie nur mein Stiefvater, aber niemals hatte es uns daran gehindert eine richtige Vater-Tochter-Beziehung aufzubauen. Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich sechs Jahre alt war, ein halbes Jahr später waren dann Mom und Thom zusammengekommen, der als einer der ersten Kellner in ihrem Café gearbeitet hatte. Auch wenn von Anfang an ihrer Beziehung die Liebe zwischen den beiden deutlich gewesen war, hatten sie erst drei Jahre später geheiratet, nachdem Sophie geboren worden war. Thom hatte mich stets wie sein eigenes Fleisch und Blut behandelt und mich niemals nur als Stieftochter oder Tochter seiner Frau bezeichnet.

,,Könntet ihr für ungefähr zwei Stunden auf sie aufpassen?", fragte ich und lief in Richtung Tür. ,,Sie haben schon was gegessen."

Thom nickte. ,,Natürlich. Falls du Evelyn suchst, sie ist in der Küche."

Dankend schenkte ich Thom noch mal ein Lächeln, dann betrat ich das Innere des Cafés. Moms Café trug den Namen Die Symphonie. Damit war aber nicht die Vermischung von verschiedenen Musiktönen gemeint, sondern ein Orchester aus Farben und Harmonie. Die Wände waren in einem sanften Gelb gestrichen mit blattgoldenen Verzierungen von Bäumen und herunterfallenden Blättern. Die Tische und Stühle waren aus schiefergrauem, geschwungenem Metall und die Tischplatten aus dickem Glas, in dem sich das hereinscheinende Sonnenlicht reflektierte und regenbogenfarbene Flecken auf den Boden warfen. Weit aus beeindruckender war allerdings die Decke, denn diese bestand über und über aus Buntglas. Orange, Gelb, Gold, Blau, Grün und Weiße Glasflecken waren zu einem riesigen Kunstwerk gefasst worden. Allein die Decke hatte ein Vermögen gekostet und wären schon damals meine Eltern getrennt gewesen, müsste Mom die Decke bis heute noch abbezahlen.

Mein Blick glitt zum eindrucksvollen Tresen, der dieselbe Farbe besaß wie die Tische und Stühle. Ein vorderer Teil des langgestreckten Tresens wurde von einer Glasvitrine eingenommen, in dem Kuchen, Muffins und anderes Gebäck zum Verzehr vorgestellt wurden. Zusätzlich befanden sich dort zwei Kaffeemaschinen und ein kleiner Kühlschrank, sowie weitere Schubladen mit den unterschiedlichsten Dingen.

Ich trat durch eine der Türen – eine von zwei Türen, an der ein Nicht Betreten aufgeklebt worden war – und befand mich so in der Küche. Ein paar Sorten vom Gebäck wurde geliefert, aber die Kuchen und Muffins machte Mom stets selbst. So hantierte sie auch jetzt zwischen mehreren Schüsseln mit Teig, während hinter ihr der vorgeheizte Backofen vor sich hin surrte.

Evelyn Caligan-Hanson war trotz ihres Alters von Anfang fünfzig noch immer eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Ihr dunkelblondes Haar, welches mich als Kind immer an Honig erinnert hatte, war als ordentlicher Knoten zusammengebunden, die schmalen, perfekten Hände waren vom Backen mit Teig und Mehl verklebt und bei meinem Näherkommen schauten ihr schmalen, hellbraunen Augen auf. Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln, welches kleine Lachfältchen an ihren Augen offenbarte – passend zu der lebensfrohen Natur meiner Mutter. Dennoch...ich schaute schon seit langem hinter das Lächeln meiner Mutter. Sie war mit ihren fünfzig Jahre noch eine sehr fitte Frau, aber die ersten grauen Strähnen in ihrem Haar offenbarten den Stress, mit dem sie jeden Tag in ihrem eigenen Café zu kämpfen hatte.

,,Guten Morgen, mein Schatz", begrüßte mich meine Mutter und wischte sich ihre befleckten Hände an ihrer Schürze ab. Da die Schürze selbst schon mit mehreren Mehlflecken verziert war, hauchte mir Mom nur einen Kuss auf die Wange.

,,Ich hoffe es stört nicht, dass deine Enkel für zwei Stunden hier sind." Bevor Mom die Schüsseln zur Seite schieben konnte, wischte ich mit einem Finger über einen der Ränder und bekam so ein winziges Stück vom dunkelbraunen Teig ab. ,,Es ist etwas kurzfristig – ich weiß. Aber ich muss mich mit einem Freund treffen." Genussvoll schloss ich die Augen, während ich den dicken Schokoladen-Teig probierte.

,,Freund oder Spinne?", fragte Mom mit gleich finsterer Miene.

Sie beließ es mit diesem Kommentar, behielt aber ihren finsteren Blick, während sie eine Kuchenform mit einem Teig befüllte. Meinen Eltern hatte meine Rolle in Madrigals Glimmer-Kämpfen noch nie gefallen. Sie sorgten sich zu sehr um die möglichen Nebenwirkungen und den schweren Verletzungen, die man sich während eines Kampfes zuziehen konnte. Weder sie noch mein Vater oder Thom waren je bei einem meiner Kämpfe dabei gewesen, nur meine jüngeren Geschwister schauten mir manchmal zu.

,,Belassen wir es bei Geschäftspartner..."

,,Opal, Schatz, du solltest dir wirklich Mal einen richtigen Job suchen", sagte Mom und schob die gefüllte Kuchenform in den Backofen. ,,Du hast vor einem halben Jahr deinen Abschluss gemacht und dir bisher keine Mühe gegeben eine Ausbildung oder Arbeit zu finden. Dabei hast du doch so viele Talente."

Wissend, wozu eine Antwort meinerseits hinführen würde, lehnte ich mich still gegen einen Schrank. In den letzten Wochen hatten wir zu oft über dieses Thema gesprochen. Es war nicht so, dass ich mich vor richtiger Arbeit scheuen würde...aber ich wusste einfach nicht von welchen Talenten Mom stets sprach. Ich wusste, dass Eltern immer der Meinung waren das versteckte Potenzial in ihren Kindern zu sehen, aber müssten Kinder dieses Potenzial nicht irgendwann auch selbst erkennen?

Aber es war bei mir nicht nur dieses unbewusste Potenzial, welches mir Steine in den Weg legte...

,,Und was soll ich deiner Meinung nach bei einem Bewerbungsgespräch sagen, wenn sie mich nach meinem Gesundheitszustand fragen?" Mit dem Zeigefinger tippte ich mir gegen die Schläfe. ,,Was ist wenn ich eines Tages während meiner Arbeit einen Anfall habe und zusammenbreche?"

Seufzend verdrehte Mom die Augen. ,,Schatz, benutze deine Krankheit nicht als Ausrede."

Abwehrend hob ich die Hände. ,,Mach ich doch gar nicht. Ich weiß doch, dass bei dir keine Ausreden nützen."

Mom warf mir noch einen prüfenden Blick zu, bevor sie sich weiter um ihre Kuchenteige kümmerte. Insgesamt arbeitete sie gleichzeitig an vier Kuchenteigen, bis alle in großen Backofen waren und Mom den Timer einstellen konnte. Zu gerne wäre ich noch lang genug geblieben, bis sie die fertigen Kuchen rausholen würde und das Café von den betörenden Düften eingehüllt wurde. Es gab nichts Besseres als der Duft von frisch gebackenem Kuchen, vor allem wenn es sich bei diesen um die besten Kuchen der Welt handelte.

,,Dann verschwinde ich Mal wieder", sagte ich und stieß mich vom Schrank ab. ,,Ich versuche so schnell wie möglich wiederzukommen. Die Jungs haben schon gefrühstückt, ihr müsst ihnen also in der Zeit nichts geben."

Ich hatte fast die Tür erreicht, als sich Mom noch mal an mich wandte und mit folgenden Worten zurückhielt: ,,Hast du eigentlich schon für Freitag gepackt?"

Meine Hand verharrte auf dem Türgriff. Ich sollte ihn einfach runterdrücken und die Küche verlassen...aber ich konnte es nicht. Unschlüssig biss ich mir auf die Lippe. Ich log meine Mutter nicht gerne an, aber sollte ich ihr auf diese Frage wirklich die Wahrheit sagen, die ihr nicht gefallen würde?

Doch ich hatte zu lange gezögert. Ich spürte die kleine, aber überraschend starke Hand auf der Schulter, die mich umdrehte, so dass ich Mom direkt gegenüberstand.

,,Hast du gepackt?", wiederholte Mom ihre Frage.

,,Ja, natürlich." Bitte lüg gut, bitte lüg gut!

Mit hochgezogener Augenbraue, stemmte Mom ihre Hände gegen die Hüfte. ,,Ophelia, wieso hast du noch nicht deine Sachen gepackt? Dein Zug fährt früh am Morgen und es sind nur noch zwei Tage!"

Genervt stieß ich Luft aus. ,,Warum muss ich überhaupt dorthin? Ich habe die letzten Jahre immer mit euch das Lichterfest gefeiert und ich würde es dieses Jahr gerne auch wieder tun. Und ist es für Arielle und August nicht auch schön, wenn die ganze Familie zusammen feiert?"

Ich wusste das mein Argument nichts bringen würde, selbst wenn ich die Zwillinge mit reinzog. Mom würde nicht nachgeben und wenn ich am Freitag nicht freiwillig in den Zug einstieg, würde sie mich sicherlich selbst auf den reservierten Platz setzen.

Das Lichterfest. Ich mochte es, auch wenn ich wie die Mehrheit nicht mehr an die bösen Geister glaubte, die damit vertrieben, wurde. Wären die Zwillinge nicht gewesen, hätte ich dieses Fest schon lange nicht mehr gefeiert. Stets feierten wir es im kleinen Kreis, allein und zusammen als Familie: Arielle und August bastelten Sterne und Monde und machten zusammen mit Thom eigene Kerzen, Mom kochte ein herrliches Festessen, wir spielten bis Mitternacht Karten und Brettspiele und sobald der Mond am höchsten stand und der neue Tag begann, ließen wir Laternen zum Himmel aufsteigen, die Arielle und August in der Schule gebastelt hatten. Es war immer unser gewohntes Ritual gewesen und bis auf die dazu gekommenen Grisha und Zen hatte es nie etwas anderes geben.

Doch nun sollte sich etwas ändern, nämlich dass ich nicht mit meiner Familie feiern würde.

Mein Trick mit der Erwähnung der Zwillinge half nicht. Mom warf mir einen beinah drohenden Blick zu, bevor sie zurück zwischen die Tische ihrer Backstube trat. ,,Ich werde mit dir nicht darüber diskutieren: Du wirst am Freitag nach Taerar fahren – keine Wiederworte. Dein Vater freut sich schon darüber. Ich weiß, dass du keine Lust auf die Feier hast, aber tue deinem Vater den Gefallen und geh mit ihm dort hin."

Nun nutzte Mom selbst einen Trick, um mich zu überzeugen: Dad. Trotz ihrer Scheidung standen meine leiblichen Eltern noch im engen Kontakt, telefonierten regelmäßig und trafen sich mindestens einmal im Monat. Laut eigener Aussage hatten sie sich einvernehmlich und freundschaftlich getrennt, da Dad in seiner beruflichen Karriere einen anderen, härteren Weg einging und Mom mit dem Druck nicht umgehen konnte. Dad war zurück in seine Heimatstadt Taerar gezogen und seitdem besuchte ich ihn einmal im Monat, während wir mehrmals in der Woche telefonierten. Mein nächster Besuch war für Ende des Monats geplant gewesen, aber nun hatte Dad darum gebeten mit mir das Lichterfest zu feiern – das hatte er sonst nie gewollt. Und natürlich hatte Mom für mich zugesagt, weswegen ich praktisch kein Mitspracherecht hatte.

Ich war achtzehn Jahre alt und tat immer noch, was meine Mutter befahl – einfach unglaublich!

Mom bemerkte mein Unbehagen. Sie verstand weshalb ich mich dagegen sträubte mit meinem Dad zu feiern, aus demselben Grund hatte sie ihre Ehe mit ihm aufgegeben. Als Frau oder Tochter eines Mitgliedes vom großen Rat stand man im Mittelpunkt von Antares und keiner von uns beiden war jemals dazu bereit dafür gewesen.

,,Es sind nur drei Tage und eine Feier, Ophelia", versuchte mich Mom zu besänftigen. In einer tröstenden Geste legte sie eine Hand auf meine Schulter. ,,Edward freut sich schon darauf – tue ihm den Gefallen und versuche ein wenig Spaß zu haben."

,,Mom, du weißt, dass er mich praktisch den Wölfen zum Fraß vorwirft. Ich bin keine Hochgeborene!"

Mom nickte zustimmend. ,,Nein, bist du nicht. Du bist meine Tochter, ich würde auch niemals wollen das du eine Hochgeborene wirst. Sieh es doch...als eine Art Kampf. Doch statt Glimmer nutzt du deinen Charme und deine Schönheit als Waffe."

Ich schmunzelte. ,,Charme und Schönheit. Sind das zwei der besonderen Talente, die ich besitze?"

Lachend gab mir Mom einen leichten Klaps auf die Schulter. ,,Musst du nicht langsam los?"

,,Muss ich – da hast du noch mal Glück gehabt. Bis später!"

Bevor ich durch die Tür ging, hob ich die Hand zum Abschied. Ich verabschiedete mich noch schnell von meinen zwei Kleinen und Thom, bevor ich wieder durch den ganzen Parkt zum nördlichen Eingang. Doch dieses Mal ging ich nicht zur Haltestelle, sondern lief die Straße entlang tiefer in die Stadt hinein. Ich warf dabei einen kurzen Blick auf meine Uhr und beschleunigte sofort meine Schritte.

Ich war spät dran und dabei sollte man eine Spinne niemals warten lassen.

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