Notwendige Ignoranz
Regina stand alleine im Wohnzimmer. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an vor Angst. Was tat Henry? Was verheimlichte er ihr?
Sie wusste noch genau, wie am heutige Tage alles abgelaufen war, nachdem sie sich einer für sie unendlich großen Problematik hatte stellen müssen. Sie hatte ihren Sohn einige Momente angestarrt. Sie hatte sich seine Frage durch den Kopf gehen lassen. Würde sie sich für Emma ändern? Konnte sie das? Wollte sie das?
Er hatte geduldig auf ihre Antwort gewartet.
Sie hatte den Mund geöffnet, um ihm zu sagen, dass das nicht nötig war. Schließlich wollten sie ja gar nicht lange bleiben. Oder? Sie hatte innegehalten. Henry wirkte nicht abgeneigt, Emma in ihr Leben zu lassen... Ihr war ein leises Seufzen entkommen. „Schatz", hatte sie zögerlich begonnen. „Dass ich Emma mag, weißt du-"
Henry war ihr empört ins Wort gefallen. „Du liebst sie doch!"
In ihr war Ärger aufgeflammt. Sie mochte es gar nicht, wenn ihr gesagt wurde, was sie fühlen sollte. „Ich mag sie sehr, ja!", stimmte sie ihm bemüht ruhig zu. „Aber bei Liebe sind wir beim besten Willen noch nicht angekommen! Dazu kenne ich sie nicht lange genug!" Jedenfalls sagte sie sich das immer wieder. Sie hatte so viele Enttäuschungen in ihrem Leben durchstehen müssen. Das hieß, auch wenn sie Emma romantische Gefühle entgegenbrachte, war sie mehr als zögerlich, diese Frau auch auf emotionaler Ebene nahe heranzulassen.
„Aber ihr verbringt doch so viel Zeit miteinander!" Henry hatte flehend geklungen. Was erwartete er von ihr? Wollte er eine intakte Familie? Natürlich wollte er das, aber sie hätte nicht erwartet, dass er sich so verhalten würde.
„Das hat dich alles nichts anzugehen!", hatte sie ihn angefahren. Ihr scharfer Ton tat ihr sofort leid, aber sie erhielt ihr Pokerface aufrecht. Sie musste Henry in seine Grenzen weisen.
Er hatte wie ein kleines Kind aufgestampft. Sie hatte gehofft, sie hätte ihm das abgewöhnt, aber dem war offensichtlich nicht so. „Doch, hat es, Mom!", hatte er zurückgeschnauzt. „Jede deiner Entscheidungen betrifft auch mein Leben, warum siehst du das nicht?"
Das hatte Regina verletzt. Sie hatte insbesondere im letzten halben Jahr unglaublich viele falsche Entscheidungen getroffen. Und jede hatte das Leben ihres Sohnes zum Schlechteren verändert. Sie hasste sich dafür, aber sie konnte es nicht ändern. Und sich selbst genauso wenig. Sie konnte nicht aus ihrer Haut. Und genau deshalb hatte sie ihm auch an den Kopf geworfen, dass sie sich für nichts und niemanden ändern würde. Henry war wortlos aus dem Wohnzimmer gestürmt.
Ein paar Stunden hatte sie bloß dort gesessen und hatte über diese Auseinandersetzung nachgedacht. Sie hatte verzweifelt versucht, das schlechte Gewissen zu unterdrücken, das sich in ihr breitgemacht hatte. Ihre Gedanken waren mit schwindelerregender Geschwindigkeit durch ihren Kopf gerast. Wollte sie dieses Leben? Nein. Warum also konnte sie es nicht einfach loslassen? Ihr war bewusst, dass es nicht so simpel war, aber das konnte es sein. Zumindest ein Teil davon. Dann bliebe noch die Sache, dass sie Emma nicht die Wahrheit darüber sagen konnte, wer sie war. Das würde alles zwischen ihnen zunichte machen. Und selbst wenn sie es verstehen würde, wollte sie Emma wirklich in ihre Schwierigkeiten hereinziehen? Sie wären auf der Flucht. Nicht nur sie und Henry, sondern auch noch die Frau, die in ihr wieder das Gute weckte.
Regina hatte sich Wein eingegossen und hatte versucht, sich die Zeit bis zum Abend zu vertreiben, an dem Emma kommen und sie auf andere Gedanken bringen würde.
Und dann hatte sie Henrys Stimme gehört. Er hatte irgendwen angeschrien. Mit wem hatte er gesprochen? Hoffentlich doch nicht Cora? Aber nein, er war zweifellos in seinem Zimmer gewesen. Sie hatte ein paar Worte verstanden: „... nötig... eh eine Lüge... unfair! ... keine Chance! ... herkommen!"
Das war war der Moment, in dem sie mit dem Weinglas in der Hand aufgestanden war. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte ihn nicht fragen, wer herkommen sollte. Zu groß war ihre Angst, er könnte sie hintergangen haben. Sie wollte es nicht wissen. Denn sie füchtete sich vor dem, was sie tun würde, sollte er die Polizei informiert haben.
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