Eins
,,Das war eine komplett dumme Idee!", zischte ich wütend in die Dunkelheit hinein und verschränkte zur Untermalung meiner Worte energisch die Arme, auch, weil mir mit meinem Kleid und meiner dünnen Jacke viel zu kalt war.
Das hätte ich lieber nicht tun sollen, denn dadurch wurde die Linse der kleinen Taschenlampe in meiner Hand vollständig verdeckt und der Lichtkegel, der uns wenigstens noch etwas den Weg erhellt hatte, strahlte nur noch in meine Armbeuge.
,,Klappe!", fauchte meine Freundin May zurück und zog mich am Arm mit sich.
Strauchelnd folgte ich ihr und richtete das Licht in meiner Hand auf sie.
Ihr goldenes Haar blitzte auf, May spürte, dass sie angeleuchtet wurde und drehte sich zu mir um.
,,Hör mal", begann sie und blickte lässig direkt in die Strahlen der Stablampe. ,,Wir haben diese Wette verloren und gut ist es. Wir holen ein paar dieser verdammten Weinflaschen und danach düsen wir zurück zur Party und lassen uns als Helden des Tages feiern. Klingt das nach einem Plan?", sie funkelte mich abenteuerlustig an. Ich nickte zögerlich.
Wenn das mal gutgehen würde...
Überschwänglich rief sie: ,,Na also!", und grinste mich an. Ihr fröhlicher Ausruf hallte in der der großen Halle wider und schien wie Wasserdampf in der kühlen Luft hängen zu bleiben.
Erschrocken schwenkte ich mit dem Licht durch die Gegend und raunte:
"May bitte! Das ist nicht witzig, weißt du, wie viel dieser Wein kostet? Wenn wir erwischt werden!" Aufgelöst fuhr ich mir durch meine braune lange Mähne. Meine Begleiterin schnaubte.
,,Ich bitte dich, Kay! Wer soll hier Nachts um halb zwei schon mal so eben vorbeikommen, hm?", erwiderte sie und obwohl ich sie mit ihrem Gesicht von mir weggedreht war, wusste ich, dass sie die Augen verdrehte.
'Na ja, die Polizei?', konnte ich mir gerade noch so verkneifen, da ich keinen Streit anfangen wollte, und bestaunte stattdessen unsere Umgebung. Wir folgten einem Streifen freien befließten Boden, der unter meinen Turnschuhen bei jedem Schritt quietschte. Von diesem Weg aus zweigten etliche Gänge in regelmäßigen Abständen ab. Zu unserer Linken waren mehrere dicke, runde Metallfässer gestapelt und nahmen den vollen Platz bis zur Decke ein. Rechts waren viele silberne Gestelle aufgebaut worden, die offensichtlich dazu dienten, die unendlich vielen Flaschen zu verkorken.
Neugierig und Arm in Arm eingehakt schlichen wir weiter, bis mir ein triumphierendes ,,HA!", entfuhr, was das verrückte Mädchen neben mir zusammen schrecken ließ.
Einige Meter von uns entfernt standen auf einem langen, glänzenden Fließband viele Pappkartons aneinandergereiht. Erleichtert stürzten wir nach vorne und begutachteten ihren Inhalt.
,,Klasse!", strahlte May mich an und ich bildete mir ein, in ihren Augen eine Spur von Dankbarkeit für das schnelle Ende dieser Aktion zu erkennen. ,,Das sind sie, die fertigen Weinflaschen. Sagen wir mal, jeder nimmt einen Kasten davon und dann machen wir uns aus dem Staub."
Ich nickte und atmete tief die klamme Luft ein. Gleich war es geschafft.
Ich ließ die Taschenlampe in meine Hosentasche gleiten. Ächzend hoben wir beide eine Packung vom Band und ich schwankte unter dem Gewicht ein bisschen.
,,Okay, geschafft. Raus hier!", drängte ich.
Zustimmend murmelte sie und wir eilten, so schnell es mit dem Wein ging, durch den Gang.
Ich war noch nie so erleichtert gewesen eine Tür zu entdecken und quietschte erfreut auf, als ich sie als erste erreichte.
Unwissend senkte ich die Klinke und wollte schon hindurch schlüpfen, doch just in diesem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes schrilles Pfeifen, meine Hände schossen reflexartig hoch und drückten sich schützend auf meine Ohrmuschel. Doch das war keine gute Idee gewesen.
Dabei ließ ich nämlich das Paket los und es fiel zu Boden. Ein lautes Krachen verriet das Zerbrechen der Weinflaschen und als ich meine Taschenlampe zückte, glänzte der Boden von der gelbweißlichen Flüssigkeit, die sich zu unseren Füßen ergoss und eine riesige Pfütze um unsere Schuhe herum bildete.
,,Scheiße!", fluchten May und ich gleichzeitig, mein Kopf schoss hoch und panisch suchte ich ihren Blick.
"Was machen wir?", kämpfte meine Stimme gegen den andauernden sirenenartigen Lärm an, der in meinem Ohr zu einem einzigen, nervtötenden Ton verschmolz.
Meine Augen fanden endlich Mays und geistesgegenwertig streckten wir beide gleichzeitig die Hände nach vorne und umklammerten fest den Unterarm des anderen.
,,Das war eindeutig", brüllte May "die falsche Tür, nicht die, durch die wir gekommen sind. Wir müssen schnell weg von hier, los! Die Tür am anderen Ende der Halle ist noch offen."
Ich nickte so stark, dass ich glaubte, mir einen Halswirbel ausgerenkt zu haben, und wir stürzten so schnell es ging los.
Ich war eigentlich ganz gut in Sport, doch in diesem Moment brach ich sicher jeden meiner eigenen Rekorde.
Unsere Schritte donnerten in schnellen Abständen auf den Hallenboden, meine Kehle brannte höllisch, aber ich konnte nur daran denken, so schnell es geht hier raus zu kommen.
In meinem Augenwinkel verschwamm alles zu einem einzigen silbernen Meer. Der Lichtkegel meiner Taschenlampe schwirrte ziellos durch die Gegend, hinter mir hörte ich Mays hastiges Keuchen.
Verdammt, wie weit war es denn noch?
May warf das Paket mit den Weinflaschen achtlos neben sich auf den Untergrund und war jetzt auf einer Höhe mit mir.
Vor uns tauchte wie aus dem nichts ein Regal auf und wir kriegten gerade noch die Kurve, bevor wir in das Gestell reingekracht wären.
Da, ganz plötzlich, erstarb der Ton, der die Gegend erfüllt hatte und wir beide blieben verblüfft stehen. Ein grausames Echo hallte innerhalb meines Ohres nach.
,,Haben... haben wir es geschafft?", japste ich und stützte mich auf die Knie.
May schüttelte langsam den Kopf und hielt sich die Seite. ,,Mir wä-wäre es trotzdem li-lieber wenn wir ab-abhauen."
,,Klar... mir auch.", also setzten wir uns langsam und schwer schnaufend in Bewegung.
Ein Flackern. Dann schmissen sich die länglichen Neonröhren an der Decke an und tauchten alles in ein hässliches weißes Licht.
Ich schrie erschrocken auf. May wirbelte herum.
Und bei dem, was sie sah, entglitten ihr alle Gesichtszüge.
"Lauf", krächzte sie. "Lauf, so schnell du kannst." Ängstlich sah ich sie an, ihr Blick richtete sich auf mich und nahm wütende Züge an. "Ich sagte Lauf!", schrie sie, ihre Stimme überschlug sich und sie hetzte los. Verwirrt starrte ich der schlanken Statur meiner Freundin nach und wollte selber schon schauen, was sie so verängstigt hatte.
Doch in dieser Sekunde ertönten Schritte. Starke, laute, entschlossene Schritte, die sich langsam, aber sicher in unsere Richtung bewegten.
,,Stehen bleiben!", schrie eine dunkle kratzige Männerstimme. Geschockt weiteten sich meine Augen, mein Herzschlag setzte kurz aus und hämmerte dann doppelt so schnell weiter.
Ich wollte weglaufen, das wollte ich wirklich. Oder mich hinter einem der Fässer verstecken. Vielleicht wollte ich mich auch umdrehen und mir meinen Verfolger ansehen.
Aber eines wollte ich ganz sicher nicht. Vor Schock wie gelähmt hier zu stehen und mich nicht bewegen zu können.
Einige Meter von mir entfernt blieb May stehen und drehte sich zu mir um.
Als sie sah, dass ich wie angewurzelt erstarrt war, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf und sie hechtete zurück um mich am Arm mitzuziehen.
,, Kayla!", wimmerte sie. ,, Bitte, bitte komm mit!"
Mein halbes Leben lang hatte mich May nicht mehr Kayla genannt, alle nannten mich nur Kay.
Und vielleicht war es das, was mich wach werden ließ.
Alles, was in mir so verzweifelt nach Wegrennen geschrien hatte, atmete erleichtert auf, als ich ein Bein langsam vom klebrigen, weingetränkten Boden löste und loslief. Ungefähr auf Hälfte der Strecke befanden wir uns jetzt.
"Stehen bleiben, junge Damen!", schrie der Mann und mir wurde übel. Gott, sicher war er von der Polizei.
An den Schritten merkte ich, dass er nicht mehr weit von uns entfernt war.
Mittlerweile hatten wir die ganze Halle durchquert und stürmten so eilig durch die, von uns schon eben entsicherte Tür, dass wir fast vergaßen, sie vorher zu öffnen.
Das Schloss viel hinter uns klackend zu und wurde keinen Bruchteil einer Sekunde später schon wieder aufgeschwungen.
Ich schluckte und biss mir auf die Lippe. Wir befanden uns in einem kleinen grauen Treppenhaus, an dessen Wänden schon der Putz abbröckelte. Die Treppenstufen flogen wir nur so hoch, May jeweils drei Absätze voraus.
Mist, es sah nicht gut aus!
Als wir das Treppenhaus passiert hatten, lag vor uns endlich die stille, ausgestorbene Eingangshalle mit ihren ledernen Couchen und den schweren Samtgardinen, die dazu gedacht war, mögliche Käufer für den Weinhandel zu empfangen.
Wir rannten weiter und versuchten die teuren Möbel so gut es ging zu umrunden, wobei jedoch ein Glastisch zu Bruch ging, ein Sofa mit mehreren Fußabdrücken bedeckt wurde und fünf Sektgläser auf dem Boden zerschellten.
Frustriert stöhnte ich auf, als ich den Ausgang sah. Ernsthaft? Eine Drehtür?
May schaffte es gerade noch, in einen Abschnitt zu huschen, bevor eine Glastür uns trennte.
"Verdammt!", fluchte ich außer Atem und konnte mich gerade noch zwischen zwei erneute Absperrungen retten, bevor der Polizist hinterhersetzte. Nervös drehte ich mich um. Ich konnte die Umrisse seiner breiten Statur erkennen und schluckte, bevor ich mich schnell wieder nach vorne drehte.
Oh Gott, in was war ich hier nur hereingeraten?
Kaum öffneten sich die Türen, sprintete ich auch schon los. Auf der verlassenen Straße war niemand zu sehen, obwohl sie sonst recht belebt war. Gott sei Dank konnte ich hier wenigstens wieder die Hand vor Augen sehen, da ein paar surrende Laternen den Weg erhellten.
Eigentlich war ich schon viel zu erschöpft um noch einen Schritt zu gehen, doch die nackte Panik hatte mich völlig im Griff, also hechtete ich weiter, schneller, als mein Herz in meiner Brust.
Wo sollte ich denn jetzt hin? Lange hielt ich nicht mehr durch.
Da plötzlich streifte eine Hand meinen Arm. Der Polizist hatte mich fast eingeholt uns ich stellte mich darauf ein, dass es vorbei war.
Einen Moment fragte ich mich, warum ich nicht einfach stehen blieb.
Warum ich mich nicht einfach widerstandslos stellte.
Aber dann legte sich der Schalter wieder um und schüttelte den Kopf. Ich musste es hier wegschaffen.
Nur die Frage war, wie?
Ein Hupen und ein Reifenquietschen ließ mich erschrocken zusammenfahren.
,,Rein mit dir!", schrie jemand aus dem inneren des PKWs.
Nichts lieber als das, schoss es mir durch den Kopf und als eine Autotür aufflog, warf ich mich erleichtert in den vollgekrümmelten Ledersitz, schlug die Tür wieder zu und warf einen letzten Blick aus dem verdreckten Autofenster, bevor der Motor startete.
Der Polizist stand hilflos und allein auf der Straße und erst als ich sein völlig verwirrtes und überrumpeltes Gesicht sah, realisierte ich, wie unwirklich diese Aktion gewesen war.
Wer hatte mich gerettet?
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~1. Teil, 1735 Wörter~
A/N:
Das ist mein erster Beitrag zum Writing Cup 2020. DLeffal
Ich bin eigentlich nicht wirklich zufrieden, aber na ja.
Feedback?
Lest euch mal die Storys der anderen Teilnehmer durch, die sind unglaublich!
LG aleaaquarius24
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