Sie oder Du?
In den folgenden Tagen hielten Marc und Sarah Kontakt.
Sie erkundigte sich nach ihm und seiner Mutter.
Sie ersetzte ihn bei seinem Vater.
Auch an dem Wochenende. Sie verschaffte dem Junior so Luft.
Das hatte auch die positive Folge, das Herr Grafschläger ruhiger und ausgeglichener war.
Allerdings war auch eine Folge, das es Tuscheleien gab, warum sie das machte. Der berühmt berüchtigte Flurfunk machte die Runde.
Sowas interessierte Sarah aber nie.
Getratsche war nicht ihrs.
Zehn Tage, nachdem sie ins Krankenhaus gekommen war, wurde Frau Grafschläger entlassen.
Marc hatte bei Sarah um Hilfe gebeten, was die Entlassungspapiere anging.
Als er seinen Vater besucht hatte, hatte er ihr den Arztbrief gegeben, den sie mit ihm durchging. Sie hatten die Köpfe zusammen gesteckt, sassen so im Foyer auf der Couch.
Er hatte von ihr einen konkreten Auftrag bekommen und sie merkte, das er ihr bei ihren Aussagen vertraute.
Und bei noch etwas veränderte er sich. Wenn er mit ihr sprach, rutschte er auch immer mal wieder ins Du, was Sarah aber noch geschickt ignorierte.
Eine knappe Woche verging, als Marc sie auf der Arbeit anrief und fragte, ob sie seinen Vater runter bringen könnte, da er an diesem Tag das erste Mal seine Mutter wieder mitbringen wollte.
Sie tat ihm diesen Gefallen.
Als Marc dann mit seiner Mutter rein kam, am Rollator gehend, weiteten sich die Augen der jungen Frau kurz vor Schock. Marc sah das.
Scheinbar konnte Frau Grafschläger wieder laufen, aber sie sah das beschwerliche. Sie sah die Mimik, die Gestik und konnte so nicht begreifen, das man diagnostiziert hatte, das sie keinen Schlaganfall hatte. Alles sprach dafür.
Die ältere Dame nahm ihre Hand und bedankte sich, für das was sie alles machte. Dabei musste Sarah feststellen, das sie die betagte Dame kaum verstand. Sie schenkte ihr, was den meisten älteren Personen fehlte, eine Umarmung. Marc Grafschläger sah es wohlwollend, insbesondere da seine Mutter das zuließ.
Während diesem Besuch, bemerkte sie auch, wie müde Marc tatsächlich aussah. Er schwieg viel, sah abgekämpft aus.
"Haben Sie Hilfe Zuhause?", erfrug Sarah und er schüttelte den Kopf.
"Ich bin jetzt vielleicht wieder zu direkt, oder anmaßend, aber holen Sie sich Zuhause Hilfe. Wenn Sie nicht Zuhause sind, sind Sie hier. Aber wo bleiben Sie?", wurde sie etwas deutlicher und er sah sie an.
Er nickte. "Ich weiß, das ich Hilfe brauche, aber es fällt mir schwer!", gab er zu.
Sie wusste, das er bei der Post beschäftigt war. Ihr Postbote war sein bester Freund, das hatten sie eher zufällig heraus gefunden.
"Reden Sie mit Michael, er kennt Sie, er ist Ihr Freund!", riet sie ihm.
Wieder nickte er.
Sie war da für ihn, gab Ratschläge, stand ihm immer wieder zur Seite.
Er wusste nicht, wie er das je wieder gut machen sollte.
Die Tage vergingen. Sarah sah, das Marc weiter jeden Tag in die Einrichtung kam.
Einmal war auch Frau Grafschläger dabei.
Genau wie an der Nikolausfeier im Haus.
Während weihnachtliche Lieder gesungen und Plätzchen gegessen wurden, lehnte Sarah mit einem Glühwein in der Hand an einem Pfeiler und beobachtete das Treiben.
Sie spürte, das jemand hinter sie trat und sah auf.
Marc Grafschläger, dessen Eltern auf der Couch sassen, war zu ihr gekommen. Er hielt ihr eine Schachtel Raffaello entgegen. Er hatte mitbekommen, das sie diese mochte, das sie vieles mit Kokos mochte.
Zögerlich nahm sie diese entgegen.
"Wofür ist das denn?", wollte sie wissen.
"Ich wollte mich bei Dir bedanken. Entschuldigung, bei Ihnen!", sagte er, lächelte leicht.
Sie drehte sich zu ihm, stellte ihre Tasse ab.
Jetzt, wo er so direkt vor ihr stand, musste sie zu ihm aufsehen. Er hatte Augen, in denen Frau sich verlieren konnte, war einer ihrer Gedanken, aber sie schüttelte diesen ab.
"Das war nicht nötig, ich mache das gern, aber jetzt klären wir erst einmal was!", sagte sie.
Sein Lächeln verschwand zunächst, so als befürchte er das Schlimmste.
Kurz legte sie den Kopf schief, musterte ihn.
"Ich bin die jüngere von uns beiden und eigentlich macht das die ältere Person!", gab sie an. "Da ich aber auch die weisere von uns beiden bin!", führte sie zwinkernd fort und er lächelte wieder.
"Bleiben wir beim Sie oder wechseln wir zum Du?", wollte sie wissen.
Er blinzelte, überrascht. Sie hatte also doch gemerkt, das er sie immer wieder geduzt hatte.
Seine Antwort kam direkt. "Dann Du!" Er hielt ihr seine Hand hin, welche sie ergriff. Sein Händedruck war kräftig, ohne zu fest zu sein.
"Marc!", sagte er mit fester Stimme. "Sarah!", erwiderte sie.
Sie hielten die Hand des anderen einen Moment zu lang, bevor sie sich lösten.
Sie sahen einander einen Moment zu lange in die Augen, ehe sie den Blick voneinander abwandten.
Beide hatten einen Herzschlag, der einen Moment stolperte, was nicht passte, was nicht hierher gehörte.
Beide versagten sich das, was da kurz aufkochte.
Langsam lichten sich die Nebel, in welche Richtung es gehen wird.
Können Marc und Sarah einen Weg finden?
Kann Marc Zeit für sich finden?
Wie würdet ihr verfahren?
Schreibt es in die Kommentare!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro