Ist alles in Ordnung?
Der Sommer endete warm und für Sarah in ihrem wohlverdienten Urlaub.
Sie war eine Woche auf Teneriffa gewesen, hatte die Seele baumeln lassen.
Sie war schnorcheln gewesen, hatte den Tauchschein aufgefrischt. Sie hatte alte Bekannte getroffen.
In kleinen Weinbars hatte sie ihr spanisch aufgefrischt und Vino getrunken. Bei einem fruchtigen Weißwein oder einem lieblichen Rosé konnte sie stundenlang genießen.
Auf der Vulkaninsel tankte sie auch ihre Reserven auf.
Aber abends den Sonnenuntergang zu beobachten gehörte zu ihren Ritualen. Und sie photofrafierte.
Auch Marc Grafschläger hatte sich zwei Tage freie Zeit gegönnt. Er war an den Titisee im Schwarzwald gefahren, hatte eine Nacht dort verbracht. Er war mit dem Rad gefahren, viel spaziert.
Und er hatte an eine bestimmte, toughe Altenpflegerin gedacht, was er sich aber verbot.
Mehr hatte er sich nicht zugestanden.
Länger hatte er seine Mutter nicht allein lassen wollen, da ihre Gesundheit auch nicht mehr vollständig da war.
Der Herbst kam, wenn auch im Oktober mit sommerlichen Temperaturen. Sarah nutzte die Zeit die sie hatte, um zu Photografieren.
Und sie hatte etwas für sich getan, was sie eher weniger in Betracht gezogen hatte. Sie hatte das Firmen- Fitness Angebot des Trägers der Einrichtung angenommen. Das sich Veränderungen an ihr zeigten, das nahm sie nicht wahr.
Allerdings nahmen andere es wahr.
Es war Mitte November als sie an dem Mittwoch der Woche ein unheimliches Gebrüll hörte. Sie saß am Schreibtisch und hörte den alten Herr Grafschläger schimpfen. Das wunderte sie, denn normal war er nicht so herrisch, auch wenn sein Sohn anderes sagte.
Sie ging die Treppen auf den Wohnbereich, welcher die Geräuschkulisse barg.
Im Tagesraum zeterte Herr Grafschläger lautstark. Er schob Gläser und Geschirr energisch über den Tisch. Zwei Pflegekräfte und die Stationshilfe versuchten ihn zu beruhigen. Allerdings waren sie alle unruhig und wiegelten ihn noch mehr auf.
Sarah ging zu dem älteren Herrn und flüsterte ihm leise ins Ohr. Aufgebracht sah er sie an. "Ich warte, Willi muss kommen!", gab er an.
Lena sah zu ihr. "Seit Sonntag ist sein Sohn nicht hier gewesen. Er wird immer nervöser.", erklärte diese.
Die stellvertretende PDL half dem Bewohner beim Aufstehen und ging mit ihm zu seinem Zimmer. Dort half sie ihm beim Anziehen seiner Jacke. Dann drehte sie mit ihm die kleine Spaziergangs Runde die sonst sein Sohn mit ihm lief. Im Anschluss sass sie mit ihm im Foyer auf dem Sofa, teilte eine Cola mit ihm und gab ihm etwas Routine zurück.
Deutlich ruhiger begleitete sie ihn wieder hoch.
Es war ungewöhnlich das der Sohn nicht kam. Frau Wagner war beunruhigt.
Abends dann sass Sarah auf ihrer Couch. In ihrer Hand hielt sie ihr Smartphone.
Seit dem Sommerfest, besser gesagt seit wenigen Tagen nach diesem, hatte sie die Nummer von Marc Grafschläger. Und jetzt?
Jetzt hatte sie den Chat mit ihm offen.
Dieser war nur belanglos gefüllt. Sie hatte ihm zwei Bilder seines Vaters geschickt, er hatte einige wenige Male Fragen gehabt.
Sie verstanden sich, sie konnten miteinander lachen, aber wenn sie ihm jetzt schrieb, überschritt sie eine Schwelle, die sie sich vorher nicht getraut hatte zu überschreiten.
Noch nie.
Aber sie machte es, denn sie sorgte sich.
>> Hallo Herr Grafschläger, meine Nachricht ist vielleicht etwas anmaßend, aber ich wollte wissen ob alles gut ist? Ich mache mir Sorgen. Sarah Wagner <<
Sie schickte sie ab.
Es dauerte nur wenige Minuten, als sie sah, das eine Antwort geschrieben wurde.
>> Hallo Frau Wagner, ist etwas mit meinem Vater?<<
Sie seufzte.
Das typische Verhalten zeigte sich.
Marc Grafschläger vermutete sofort das schlimmste.
>> Mit ihrem Vater ist alles in Ordnung. Ich mache mir Sorgen um sie. Sie sind seit Sonntag nicht da gewesen!<<
Kurz war sie besorgt. Gab sie nun zu viel Preis?
Nicht das er sich nun beobachtet fühlte.
>> Oh, dass das jemand aufgefallen ist, danke. Nein, es ist nicht anmaßend. Es ist eher schön, das man bemerkt wird.
Und nein, es ist nicht alles in Ordnung!<<
Noch ehe sie nachhaken konnte, kam die nächste Nachricht.
>>Ich musste meine Mutter am Sonntag ins Krankenhaus bringen. Es gab den Verdacht eines Schlaganfalls. Sie kann aktuell kaum laufen!<<
Sarah war schockiert. Das war am Mittag bereits ihr erster Gedanke gewesen, das seiner Mutter was passiert war.
Sie drückte ihr Bedauern aus und, das sie hoffte, das es besser werden würde.
>>Ich habe allerdings so ein schlechtes Gewissen meinem Vater gegenüber, das ich nicht da bin?<<
Sie schrieben an dem Abend noch ein wenig hin und her. Sarah bot ihm an, wenn er Fragen habe, das er diese stellen könne.
Gleichzeitig versuchte sie ihm klar zu machen, das er in dieser Situation gar kein schlechtes Gewissen haben muss.
Und Sarah tat etwas, was sie sonst auch nicht tat.
Sie teilte ihm mit, das sie sich kümmern würde.
Es überraschte ihn nicht, linderte seine Sorgen dort aber nur geringfügig.
Arbeitet jemand von Euch in der Pflege?
Kennt ihr das, dass man Dinge macht, die vielleicht über das "normale" hinaus geht?
Auch wenn es nicht sein soll, ich selber ertappe mich, das ich Unterschiede mache.
Ich bin mehr bei den dementen Bewohner*Innen zu finden, wenn mein Schreibtisch mich lässt. Auch die, die weniger Besuch bekommen liegen in meinem Augenmerk.
Schreibtisch mit gerne in die Kommentare.
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