Chapter 9
Kurz darauf hockte ich dann doch gefesselt auf dem Bretterhaufen, der einen Stuhl darstellte, Sophie neben mir.
„Was machen wir denn jetzt?“, wisperte sie, als Josh als Letzter in den Nebenraum verschwunden war.
„Wir müssen hier raus“, war meine nicht sonderlich aufschlussreiche Antwort. Aber was sollte ich schon sagen? Fest stand, dass wir hier drinnen festsaßen, und leider erinnerte ich mich nicht gut genug an die Geschichte, um zu wissen, was ich tun sollte.
Sollte ich mich wild auf dem Stuhl hin und herwerfen? Nein. Das wäre absolut sinnlos.
Sollte ich niedergeschlagen den Kopf hängen lassen oder verzweifelt nach Marvin rufen?
Marvin. Das war auch noch ein Problem. Ich hatte seinen Namen gerufen und damit zu Erkennen gegeben, dass ich ihn kannte. Sein Versuch zu mir zu kommen … Joshs Kommentar, alles deutete auf eine Person in der Geschichte hin, die ich bis eben noch vergessen, die ich nie wirklich beachtet hatte, weil ich Liebesgeschichten schlicht als überflüssig befand.
Während ich gedankenverloren Löcher in die Luft starrte, kam Sophie auf ihrem Stuhl zu mir herübergehoppelt und begann nun, so gut es eben ging, eine meiner Fesseln zu lösen.
„Die Türen sind zu, wir brauchen einen besseren Plan“, seufzte ich, aber sie ließ sich nicht davon abbringen.
„Wir müssen doch nur in die Küche gelangen und ein Messer schnappen“, ermutigte sie mich. „Sieh mal, das erste Seil ist ab.“
„Du gibst nicht auf, das muss man dir lassen“, lächelte ich, als ich meinen Arm aus der Schlinge zog. „Warte, ich helfe dir auch.“
Um in die Küche zu gelangen, müssen wir erst durch den Raum, in dem Dennis, Josh und Aron gerade mit Marvin hocken, dachte ich, schob den Gedanken jedoch erst einmal zur Seite.
Nur das leise Gemurmel der Vier störte die Stille, die über der Fabrik lag. Jedes Wort, das Sophie oder ich sagte, klang in dieser Stille verräterisch. Leise, dafür aber mir einer verbissenen Schnelligkeit, lösten wir deshalb unsere Fesseln und standen schließlich frei.
Marvin musste bei den Gangstern sein, aber darüber machte ich mir nicht wirklich Gedanken, als ich lautlos auf die Tür zupirschte und durch den Spalt lugte. Zu meiner Überraschung sah ich nur Dennis, der lässig an die Wand gelehnt dasaß, und mich unverschämt angrinste. Argh! Er hatte mich gesehen!!! Jetzt hieß es alles oder nichts. Ohne weiter darüber nachzudenken, riss ich die Tür auf und sprintete auf die Küche zu, die am anderen Ende des Raumes lag.
Meine Chancen standen nicht gut, da machte ich mir nichts vor, trotzdem war ich überrascht, Dennis so schnell sprinten zu sehen. In sekundenschnelle schnitt er mir den Weg ab und seine kräftigen Arme packten mich, zwangen mich auf den Boden.
Fluchend knickten meine Beine weg, und meine Schultern wurden auf den Boden genagelt, als ich plötzlich Sophie an mir vorbeisprinten sah. Wie ein kleiner Komet schoss sie auf die Küche zu, riss die Tür gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie dagegen lief, und stolperte in Joshs Arme.
„Lieb von euch, uns besuchen zu kommen“, spottete Aron, der genüsslich lächelnd in der Ecke saß und Marvin daran hinderte, mir zur Hilfe zu kommen. Offensichtlich gefiel meinem besten Freund die Situation nur allzu gut, während ich mir bei Marvin nicht ganz so sicher war, was er von seiner Rolle hielt.
„Wo Dora sowieso da ist“, sagte Dennis nach einem kurzen Moment des Schweigens. „Können wir ja mit ihr über den bevorstehenden Auftrag reden. Bei dessen Durchführung Marvin sie sicher gerne unterstützen würde.“
Mit finsterem Blick und leise knurrend sprang Marvin auf ihn zu, wurde jedoch von Aron zurückgezogen. Ich hingegen lag auf dem Boden, unsicher, was ich tun sollte. Einerseits kam mir eine Lagebesprechung ganz gelegen, andererseits würde sich die Leibwächterin, die ich nun war, sicher nicht darüber freuen.
„Schmiert euch eueren dummen Auftrag sonstwohin!“, fluchte ich deshalb und versuchte, Dennis einen Schlag zu verpassen, der jedoch in einem harmlosen Klaps endete.
„Na, na. Nicht so voreilig“, drohte Dennis, pflückte mich auf die Beine, zog meine Arme überkreuz, und noch bevor ich realisierte, was er da eigentlich mit mir machte, stand ich fest an ihn gedrückt und unfähig einen Finger zu rühren, da.
„Verdammt!“, murmelte ich, aber Dennis überging einfach meinen Kommentar und wandte sich an Josh. „Fessel die Kleine wieder im Vorraum am Stuhl, ja?“
„Geht klar“, antwortete er und bugsierte die sich sträubende Sophie aus dem Zimmer. Das letzte, was ich hörte, war: „Ich bin nicht klein!“, dann fiel die Tür ins Schloss.
„Ich gebe es nur ungern zu, aber wir wissen auch nicht so genau, was wir jetzt machen müssen. Eigentlich hatten wir gehofft, du könntest uns da weiterhelfen“, gestand Dennis, jedoch nicht ohne hinzuzufügen: „Schließlich bist du diejenige, die uns in den Schlammassel gebracht hat.“
„Hey! Wer hat denn gesagt, dass ihr mich kidnappen sollt?!“, beschwerte ich mich entrüstet.
„Aron. Kaum, dass wir ihn aufgegabelt hatten, hat er sofort einen riesigen Aufstand gemacht“, erzählte Marvin, was ihm einen bösen Blick von Aron einbrachte.
„Ich habe jedenfalls nicht gesagt: Zieht los und kidnappt sie am besten mit der Hauptperson!“, schnappte Aron zurück.
„Bleibt ruhig. Kein Grund sich aufzuregen“, meinte Josh, der gelassen zurück ins Zimmer geschlendert kam. Inzwischen hockten wir im Kreis und stritten über sinnloses Zeug, da niemand sich eingestehen wollte, wie schlimm unsere Lage wirklich war.
„Jedenfalls wären Aron und ich niemals auf die Idee gekommen, in eine Geschichte reinzugehen, nur um Schätze zu klauen!“, warf ich ungeachtet Joshs Bemerkung ein.
„Ihr hättet wenigstens das Buch richtig lesen sollen!“, stand Aron mir bei und wir tauschten ermutigende Blicke aus.
„Wir haben das Buch gelesen!“ Fauchte Marvin und fuchtelte mit einem Finger unter meiner Nase herum.
„Ach?“ Finster beugte ich mich vor und sah ihm in die Augen. „Ihr habt doch keine Ahnung, was als Nächstes geschieht!“
„Zufälligerweise haben wir darauf geachtet, was wir nicht tun dürfen! Wir haben nämlich nicht damit gerechnet, reingezogen zu werden!“
„Und ich will ja nicht sagen, wem wir das zu verdanken haben, nicht wahr, Dora?“, warf Josh von hinten ein, aber inzwischen hörten weder Marvin noch ich ihn. Mit tödlichen Blicken funkelten wir uns an, in der Mitte des Besprechungszirkels, alle anderen vollkommen ausgeblendet.
Gerade, als ich überlegte, ob ein bisschen Würgen den Prozess des Niederstarrens beschleunigen würde, öffnete sich die Tür und Sophie stand da.
Mein Gehirn setzte aus, jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann schloss ich die Augen und fiel Marvin um den Hals. Spürte, wie Marvins Arme mich umschlangen und mich an ihn drückten.
Während ich so auf dem Boden hockte, mein Herz von Null auf Hundertachtzig hochfuhr und die ganze Welt plötzlich kopfstand, blieb nur noch ein Gedanke.
Steht irgendwo geschrieben, dass mein Magen so kribbelt, oder warum fühle ich mich, als wären tausend Feuerfalter in meinem Bauch, deren Hitze selbst meine Wangen zum Glühen bringt?
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