Chapter 41
Prickelndes Feuer schoss durch meine Adern und brachte mit einem Schwall all die Energie und Kraft wieder, die das Gift mir genommen hatte. Den Holzelefanten immer noch umklammert, sprang ich auf die Beine und wischte den Verbrecher mit einer einfachen Handbewegung zur Seite. Hätte ich jetzt rosa Elefanten gesehen, ich hätte mich nicht gewundert. Aber selbst das kleine Exemplar in meiner Hand blieb grau.
In diesem Moment ging die Türklinke nach unten, jemand rüttelte, aber natürlich war immer noch abgeschlossen.
„Wer zum Teufel will denn jetzt noch rein?“, fluchte Josh, der gerade mit einem besonders wütend dreinschauenden Verbrecher rang.
„Egal! Jedenfalls müssen wir hier schleunigst raus!“, rief Aron, der seinen Gegner ebenfalls nur mühsam auf Abstand halten konnte.
Dann schließe ich wohl mal auf!, dachte ich, immer noch hyperaktiv von dem Stoff, der wohl das Gegenmittel gewesen war. Mit zwei Sätzen war ich zur Tür gehopst und wollte gerade den Schlüssel umdrehen, als der irre Verbrecher, der mich schon ganz am Anfang auf dem Ball heimgesucht hatte, zupackte und mich zurück riss.
„Nicht so eilig, kleines Mädchen.“ Gnadenlos bog er meinen Arm so weit nach hinten, dass ich mich jaulend krümmte. Doch selbst, als ich ächzend auf die Knie fiel, drückte er weiter, bis ich vor Schmerz schrie. Die anderen Verbrecher hielten Marvin und Dennis zurück, die verzweifelt versuchten, zu mir zu gelangen.
„Der Deal gilt immer noch. Gib mir die Holzfigur und wir lassen euch ziehen“, zischte der Mann in mein Ohr. „Gib sie mir nicht, und wir holen sie uns mit Gewalt. Ich kann nicht sagen, dass du wirklich eine Option hast.“
„Doch. Kämpfen“, schlug Sophie vor und stieß den Verbrecher von mir weg. Dann drehte sie den Schlüssel im Schloss und keine Sekunde später flog die Tür auf.
„Was machst du denn hier?“, riefen Sophie und ich im Chor, als wir meine Oma mit hoch erhobenem Stock entdeckten.
„Was macht diese alte Frau hier?“, fauchte der Hutträger-Verbrecher.
„Was wohl? Sie muss uns gehört haben“, entgegnete Dennis schnippisch und sprang vor. Im Handumdrehen hatte er meine Oma gepackt und ihr den Mund zugehalten. „Hofft, dass kein anderer auf diesen Lärm aufmerksam geworden ist.“
„Entsorgt ihr diese Zeugin?“, fragte der Hutträger. Er und auch alle anderen Verbrecher waren noch so überrascht von dem Neuankömmling, dass Josh, Marvin und Aron ohne Probleme zu uns gelangen konnten.
„Diesmal lassen wir euch gehen. Aber sorgt dafür, dass wir keinen von euch alleine in einem dunklen Gang finden“, sagte der Boss. „Und schafft uns diese alte Frau vom Hals.“
„Kein Problem“, nickte Dennis. „Ich habe ein Druckmittel. Glaubt mir, sie wird schweigen wie ein Grab.“
„Das hoffen wir.“
„Lass sie gehen!“, rief Sophie wütend und sprang auf Dennis zu, aber da hatte Josh sie schon gepackt und zurückgezogen.
„Nicht so schnell“, sagte er und hielt die sich sträubende Sophie an einem Arm fest.
„Sophie hat recht! Ihr dürft ihr nichts tun!“, rief ich verzweifelt, jedoch nicht aus Besorgnis um meine Oma, sondern damit die Verbrecher keinen Verdacht schöpften.
„Manchmal sind Gefangene echt anstrengend“, knurrte Aron und schleifte Marvin und mich hinaus. Heimlich erwiderte er das Lächeln, das ich ihm zuwarf.
„Und jetzt schnell in den Ballsaal. Da sind wir erst einmal sicher“, ordnete Dennis an, kaum, dass wir den Raum verlassen hatten, und eilte los.
Die Verbrecher folgten uns nicht. Zwar waren sie inzwischen durch die ganze Verstärkung sogar mehr als wir, aber offensichtlich legten sie es nicht darauf an, jetzt schon den entscheidenden Kampf über die Bühne gehen zu lassen.
Ehrlich gesagt, darauf legten wir auch nicht sonderlich viel Wert. Sie hatten eine Holzfigur, wir hatten eine, und uns blieb nicht mehr viel Zeit. Da war man froh, so viele suchende Leute wie nur möglich zu haben. Später konnten wir uns ja immer noch kloppen und ihnen die Holzfiguren abnehmen.
Zumindest lautete so unser Plan, als wir den Ballsaal erreichten. Dennis hielt meine Oma inzwischen nur noch an einem Arm, dafür beugte er sich gelegentlich vor, als würde er ihr Drohungen ins Ohr raunen. Unbestreitbar hatte meine Oma ein Talent dafür, wie eine harmlose, verängstigte Frau zu wirken, aber wenn man genau hinsah, konnte man ihre Augen blitzen sehen. Sie schien genauso aufgeregt zu sein, wie ich.
Noch drei Tierfiguren. Irgendwo lag der Hausherr bewusstlos herum, die Verbrecher waren alle wieder bei Bewusstsein, was noch problematischer war, als wenn sie noch in Ohnmacht wären. Ganz abgesehen davon hatten wir keine halbe Stunde mehr, wie mir ein Blick auf die große Kuckucksuhr sagte, die die Wand zierte.
„Wen haben wir denn da?“, sagte Aron, und als ich mich umdrehte, sah ich meiner Doppelgängerin direkt in die Augen.
„Habt ihr sie besiegt?“, fragte die wahre Leibwächterin zögerlich, jedoch mit einem unterschwellig zurückweisenden Tonfall. Sofort war mir klar: Sie vertraute uns nicht, hielt jedoch mehr zu uns als zu den anderen Verbrechern. Ihre Augen waren kühl und kalkulierend, und ein Hauch von Enttäuschung schlich über ihr Gesicht, als ich den Kopf schüttelte.
„Achtung“, raunte Aron und versteckte meine Doppelgängerin hinter sich, als die große Flügeltür aufschwang und unsere Feinde hereingeschlendert kamen. Allen voraus ging der Hutträger, der uns nur mit einem höhnischen Blick bedachte, bevor er sich ins Tanzgeschehen mischte.
„Mist. Hat man denn hier niemals seine Ruhe?“, fluchte Dennis und stockte, als er das Mädchen hinter Aron entdeckte.
„Auch zurück?“, fragte Dennis mit einem leichten Lächeln.
„Danke, dass ihr mich entkommen lasst“, sagte meine Doppelgängerin. Leicht verlegen blickte sie zu Dennis auf, der das allerdings nicht zu merken schien.
„Wer sagt, dass wir dich gehen lassen?“, fragte Josh, aber Dennis brachte ihn zum Schweigen.
„Tut mir leid, es so sagen zu müssen, aber du nützt uns mehr, wenn du weit weg bist“, sagte er zur Doppelgängerin, legte ihr eine Hand auf die Schulter und schleuste sie zu einer der großen Türen.
„Den Rest musst du alleine schaffen“, sagte Marvin, der den beiden gefolgt war. Ich hatte es ihm gleichgetan und musterte nun beunruhigt den Gang, der düster und verwinkelt durchs Haus führte.
„Können wir sie nicht noch begleiten?“, fragte ich, worauf Dennis sich beinahe verärgert umdrehte.
„Was machst du denn hier? Wenn wir uns alle hier hinstellen, ist es nur noch eine Frage von Sekunden, bis unsere lieben Nachbarn auch mal vorbeschneien.“
„Mal wieder ein ganz Schlauer, was?“, fragte der Hutträger, der plötzlich hinter mir erschienen war, und schenkte Dennis das gemeinste Lächeln, das ich je gesehen hatte.
In diesem Moment rannte meine Doppelgängerin los und Dennis schlug die Flügeltür zu.
„Das wirst du bereuen“, knurrte der Hutträger und wollte mich gerade packen, als Marvin mich zur Seite riss und schützend festhielt.
„Macht euch vom Acker“, sagte Josh, der nun ebenfalls herübergekommen war. „Alle sehen uns sowieso schon komisch an.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder und wir mischten uns unter die Tanzenden, jedoch immer mit sicherem Abstand zu unseren Feinden.
Beruhigt, diesmal mit Marvin und nicht mit einem Fremden zu tanzen, wirbelte ich durch den Tanzsaal, immer noch so hyperaktiv vom Gegenmittel, dass Marvin mich mehrfach bremsen musste.
„Sieh mal zum Kronleuchter“, sagte ich mit einem leisen, glücklichen Lachen.
„Hä? Wieso?“, fragte Marvin, kam meiner Aufforderung jedoch nach.
„So spiegelt sich das Licht in deinen Augen und sie wirken richtig golden“, sagte ich verträumt.
„Kann es sein, dass das Gegenmittel irgendeine Droge ist?“, fragte Marvin beunruhigt, als ich schon wieder um ihn herumwirbelte.
„Quatsch“, lachte ich ausgelassen. Gerade wollte ich weiterhüpfen, als jemand aus Verstehen auf mein ausladendes Kleid trat und ich mich der Länge nach hinlegte.
„Nichts passiert“, grinste ich, immer noch überglücklich, als Marvin sich besorgt zu mir herabbeugte. Seine Nähe löste ein Kribbeln aus, das zusammen mit den seltsam berauschenden Gefühlen, die mein Gehirn vernebelten, eine teuflische Mischung abgab.
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