4- Bekanntschaft mit der Zweitbesetzung
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„Sind Sie eigentlich immer hier, wenn ich aufwache?"
Ich fand, die Frage war durchaus berechtigt, nachdem schon wieder dieselbe grauhaarige Kammerzofe durch mein Zimmer wuselte. Ich gewöhnte mich bereits an ihre Anwesenheit, etwas, das ich vermeiden sollte. Jemand schoss auf den König und ermordete seine Familie? Wäre ich bis jetzt nicht motiviert gewesen von hier abzuhauen- jetzt war ich es.
„Es ist mir eine Ehre nach Eurem Wohlbefinden zu sehen", erwiderte sie mit dem freundlichsten Lächeln, das ich in den letzten Monaten gesehen hatte. Die Falten rund um ihre Augen verrieten, dass sie dies öfter einsetzte. Vielleicht pflegte sie auch öfter bewusstlose ehemalige Königinnen?
Die Erinnerungen tropften teilweise zurück in meinen Verstand.
„Haben sie den Attentäter gefangen?"
Ein nüchternes Kopfschütteln antwortete mir.
„Sie haben nur Euch gefunden, Ma'am."
Unwillkürlich tastete ich nach meinem Kopf, fand jedoch keinen Verband. Dafür aber eine empfindliche Beule. Großartig. Während sie die Türen zum Balkon öffnete, kletterte ich aus dem Bett. Die Sonne hatte sich bereits dem Horizont genähert und die Schatten wurden länger. Was so viel bedeutete wie: Mensch und Tier traute sich endlich aus dem Schutz ihrer Bauten hinaus und die beängstigende Mittagsruhe wurde von neuem Leben abgelöst.
Während mir die Kammerzofe die Haare entknotete und kämmte, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Ein beinahe unmögliches Unterfangen, über die pochenden Kopfschmerzen hinweg, die jetzt von innerhalb und außerhalb meiner Schädelwand kamen. Caridad war tot. Und irgendjemand schoss auf Constantin. Wohin war ich zurückgekehrt? Resigniert wandte ich mich anderen Dingen zu.
„Ich hoffe, Sie verzeihen mir, ich habe nicht nach Ihrem Namen gefragt."
Die ältere Dame zögerte für einen Herzschlag, ehe sie mit der Bürste erneut über eine Strähne fuhr.
„Meinen Na-... Cladina, Ma'am."
Ich rollte ihren Namen über die Zunge, um ihn mir einzuprägen, bis mir einfiel, dass ich von hier verschwinden wollte und sie bald sowieso nicht mehr sehen würde. Waldhütten hatten wenig Nutzen für Kammerzofen.
„Nennen Sie mich Dinah. Meine Herkunft-..."
„Ist ohne Bedeutung, wenn De einen anderen Pfad für Euch gefunden hat, Eure Majestät", unterbrach mich die Frau mit milder Strenge und fixierte mich im Spiegel, „Glaubt nicht, dass ich nicht von Euch gehört hätte. Ich habe vielleicht noch nicht hier gearbeitet, als Ihr gekrönt wurdet, aber die Geschichten um Eure Persönlichkeit sind sehr... farbenfroh."
Ich nahm das lieber mal als Kompliment. Auch wenn mir auf Anhieb mehrere Geschichten einfielen, die mir die Röte in die Wangen trieben. Doch meine Antwort wurde mir durch eine Melodie erspart, die von draußen herein geschwebte. Ein Chor aus mehreren, mehr oder minder synchronen Stimmen, untermalt von Klatschen und Zurufen.
Neugierig stand ich vom Schminktisch auf und trat näher an den Balkon.
Es war ein... ein Freudenlied? Ich verstand nicht jedes Wort, glaubte jedoch, einzelne Zeilen eines Psalms zu erkennen.
Mit zusammengeschobenen Brauen drehte ich mich zu Cladina um.
„Die Leute danken für Eure Rückkehr", erwiderte sie mit ernster Miene. Vielleicht hatte sie meine Bitte um den Vornamen verärgert oder beleidigt. Es war schwer, zu sagen.
Meine Wangen gingen in Flammen auf.
„Warum?" Unsicher trat ich auf den Balkon hinaus, um besser zu hören. Leider machte es die Mauer um den Palast unmöglich die Sänger zu sehen.
Mein Herz brach ein kleines Bisschen. Ich hatte diesen Ort vermisst. Erinnerungen hefteten an jeder Oberfläche wie glitzernde Pollen im Sommer. Meine Kindheit und Jugend, drängten sich mit bittersüßen Bilder von Caridad in meine Gedanken. Zu meiner Hütte zurückkehren würde schwieriger werden, als davor.
„Der König..." Cladina nestelte an ihrem Rocksaum, den Blick fest auf ihre Füße gerichtet. Sie war mir nicht nach draußen gefolgt.
Ihr Zögern legte Steine in meinen Magen und vertrieb das geisterhafte Lächeln, das von alleine zu mit gekommen war. Hier ging doch mehr vor, als das mörderische Chaos, in das ich aufgewacht war.
„Was habe ich außer Caridads Tod noch verpasst?"
Sie wich meinem Blick aus.
„Es ist nicht an mir Kritik zu üben."
Pah. Ich wischte die Bemerkung aus der Luft.
„Sie können in meiner Anwesenheit frei sprechen. Ich bitte sogar darum, auch wenn Sie an jeden Satz ein Ma'am hängen."
Sie gab mir einen dieser Nicht-so-frech-junge-Dame-Blicke, die jede ergraute Frau perfektioniert haben musste, wollte sie tatsächlich als alt gelten. Irgendwo musste es dafür eine Schule geben, oder so.
„Es war nicht leicht ohne Ihren ... Einfluss auf den König", brachte sie schließlich heraus, doch ihr Ausdruck blieb gequält.
Constantin. Meine Mundwinkel fielen hinunter. Ich konnte mir nur zu gut ausmalen, wie er durch den Palast gewütet hatte. Für einen Mann, dem man die Diplomatie eines ganzen Zirkels anvertraute, fehlte es ihm nicht nur an dieser Fertigkeit, sondern darüber hinaus an Feingefühl, Geduld oder Verständnis. Dinge, die oft nur in seinen Dickschädel gingen, wenn man noch lauter brüllte als er. Oder ihm eine Klinge an die Kehle hielt.
„Ich werde mit ihm reden", erklärte ich deutlich selbstsicherer, als ich mich fühlte und hätte mich im nächsten Moment am liebsten selbst geohrfeigt.
Ich würde mit ihm reden? Blödsinn! Ich sollte von hier verschwinden so schnell ich konnte.
„Oh, sie haben ihn auf sein Zimmer gebracht, um seine Wunde zu verarzten. Niemand darf zu ihm, außer seiner direkten Familie. Die Königin hat es verordnet."
Ich drehte mich so ruckartig zu ihr um, dass die ältere Frau einen Schritt zurücktat, um keine Kopfnuss zu bekommen. Wie bitte?
„Und hier dachte ich, ich wäre die Königin."
Eine viertel Stunde und zwei Kleidungsschichten später stapfte ich durch die Gänge des Palasts.
Cladina hatte das Mieder derartig strammgezogen, dass ich den Verdacht hegte, sie befürchte, ich würde es direkt vor der Tür wieder verlieren.
Verließ man den Westflügel, der für Gäste und Diplomaten hohen Ranges vorgesehen waren, füllten sich die Flure und Musizierzimmer mit einer bunten Mischung an Höflingen, deren Reaktionen auf mein Erscheinen unterschiedlicher nicht hätte ausfallen können. Ich verzeichnete bis jetzt zwei Anfälle von Ohnmacht, drei Damen, die sofort wütend den Raum verließen, Linus Pinhad, der mir begeistert die Hand geschüttelt hatte und hin und wieder sogar eine angedeutete Verbeugung.
Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass ich zurückgekehrt war. Meine Zeit lief ab.
Vor dem Schlafzimmer des Königs empfing mich eine Traube aus unterschiedlichen Menschen, die alle auf etwas zu warten schienen. Zwei von ihnen erkannte ich als Männer aus dem Senatorenstab des Königs. Sie deuteten eine kleine Verbeugung an, ehe sie ihr geflüstertes Gespräch fortsetzten.
Ich kam ohnehin nicht wirklich zu ihnen durch, dank den Tüllwolken von vier Damen, deren Kleider den gesamten Flur ausfüllten und denen es unmöglich war näher beieinander zu stehen. Sie waren jünger als ich, aber mit derartig gelangweilten Gesichtern, dass ich selbst ein Gähnen unterdrücken musste.
Mit Ellenbogen und halb-genuschelten Entschuldigungen kämpfte ich mich zum Eingang der königlichen Gemächer durch und wurde prompt von der einzigen anwesenden Wache gestoppt.
„Sie müssen draußen warten, Eure Majestät. Die Königin und ihre Familie sind gerade beim König und wünschen keine Störung."
Ich unterzog den Kerl einer hastigen Musterung. War er derselbe Bursche von der Brücke?
Nein. Er war deutlich größer und breitschultriger. Seine Rüstung passte nicht so richtig. Sein Helm verdeckte wie bei allen anderen Soldaten auch einen Großteil seines Gesichts, aber der freie Mund betrog ein schlecht unterdrücktes Grinsen. Das Lachen blieb selbst durch seine raue Stimme hörbar. Und er roch nach Alkohol.
Ich verlagerte mein Gewicht zurück auf die Fersen.
„Deswegen bin ich hier. Ich brenne förmlich darauf, die Bekanntschaft der Königin zu machen."
Seine Mundwinkel hoben sich noch weiter. Er wusste, wer ich war und er wusste, wer dort drinnen saß. Und mit dem Vergnügen, mit dem er zur Seite trat, hatte er auch eine gewisse Vorstellung, wie das Treffen verlaufen würde. An seiner Seite glomm der silbrige Schein eines Flachmanns auf, am Gürtel der Uniform befestigt und freigelegt von dem roten Mantel.
Ich versuchte, ihn zu ignorieren, und öffnete die Tür. Betrunkene Soldaten. Großartig.
Die Räumlichkeiten des Königs hatten kaum mehr etwas gemein mit den Zimmern, aus denen ich vor knapp einem Jahr geflohen war. Der Steinboden des Eingangsbereiches war derselbe. Aber statt den Sofas und den hellen Vorhängen vor der Glaswand, stand ein schwerer Kartentisch in der Raummitte und Kerzen waren die einzigen Lichtspender. Obwohl sie gefährlich nahe den violetten Samtvorhängen standen.
Meine Schritte hallten durch den sonst dekorationslosen Raum und kündigten mich für die anderen an. Das Bett des Königs stand rechts um die Ecke, auf einer niedrigen Bühne. Daneben hatten zwei Damen ihre Stühle gezogen, obwohl Constantin auf der anderen Seite stand und sich mit dem gesunden Arm ein Getränk einschenkte.
Die Ältere von beiden Damen sprang empört auf.
„Wie können Sie es wagen hier einfach einzudringen!"
Verdutzt blieb ich stehen. Es war nicht die fingerdicke Schicht an Schminke, die ihre Haut weiß wie eine Leinwand zeichnete oder das seidenzarte Kleid, das kaum ihre rundliche Gestalt verhüllte. Es war nicht die leicht verrutschte Perücke aus schwarzem Pferdehaar oder die erschreckende Anzahl an Ringen.
Ich kannte diese Frau.
„Lady Vanna. Es freut mich Sie wiederzusehen." Ich trat näher, bis ich den hochprozentigen Geruch aus Constantins Flasche wahrnahm. Waren wir neuerdings alle Alkoholiker?
„Verzeiht mein Eindringen. Es ist nur meine verfluchte Neugierde... Die Wache vor der Tür hat behauptet, die Königin wäre hier drinnen und ich weiß nicht wo im Moment meine Krone ist aber-..." Ich zuckte vielsagend mit den Achseln.
Mit einem leisen Stöhnen drehte Constantin mir den Rücken zu und machte sein Glas noch ein Stückchen voller.
Die Röte Lady Vannas Gesichts schimmerte selbst durch die dicke Schicht Puder hindurch und verschluckte den Übergang zu ihrem Lippenstift.
„Sie sind doch wahnsinnig. Wache!"
Ihr schriller Ruf ließ die junge Frau in ihrem Rücken ängstlich zusammenzucken. Sie hatte eine Hand ausgestreckt und versuchte, Constantin mit ihren Feingliedrigen Fingern zu erreichen, auch wenn der sie gar nicht bemerkte. Taktloser Idiot.
„Kommen Sie ja nicht näher an meine Tochter heran", kommentierte die Alte meine nächste Bewegung und stellte sich mir todesmutig in den Weg. Sie hatte etwas von den Wachhunden, die Caridad ausgebildet hatte. Sie sahen auf den ersten Blick vielleicht harmlos aus, doch spätestens, wenn man ihnen zu nahe kam, erkannte man den eigenen Fehler. Nur dass ich sie natürlich trotzdem hatte streicheln müssen.
Ich hob die Augenbrauen. Das war ihre Tochter? Obwohl eine gewissen Ähnlichkeit bestand in Haarfarbe oder Komplexion, erreichte das junge Mädchen in ihrem Rücken jegliche Schönheit von Natur aus. Der feine Schnitt ihres Kleides hob ihr zerbrechliches Äußeres hervor und ihre schwarzen Haare glänzten in einer aufwendigen Hochsteckfigur. Keine Frage, sie war einer Königin würdig. Und ich wäre sicherlich neidisch gewesen. Meine Finger hatten derart dicke Gelenke, dass kein einziger Ring passte und hier saß vor mir ein Mädchen, mit schmalem Hals und absolut tadellosen Fingern. Ein Mädchen, das zwischen ihrer Mutter und dem König von Clevem ohne Zuwendung verwelkte. Noch dimmten die Anzeichen ihre leuchtende Schönheit nicht, doch ihr verschüchtertes Lächeln in meine Richtung bettelte darum, gemocht zu werden. Ihre ängstlichen Zuckungen ließen mich allerdings noch viel Schlimmeres vermuten.
Mein Blick traf auf Constantin und die Worte meiner Kammerzofe kehrten zu mir zurück. Sie hatten mich ebenfalls für tot gehalten. Mein Unmut wuchs. Vielleicht hätte ich ab und zu einen Brief schreiben sollen?
„Du hast wieder geheiratet."
Er schaute unbewegt zurück. Kein schlechtes Gewissen, keine Ausreden. Nichts.
„Hier, um deine Glückwünsche zu überbringen?"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich wollte wütender sein, aber das Mädchen lenkte mich ab. Sah niemand von ihnen, wie ungesund dünn sie war? Wie schmächtig? Sie war beinahe durchscheinend. Ich wollte sie ansprechen, doch ein Seitenblick zu ihrer Mutter warnte mich vor. Ich konnte die Konsequenzen für sie nicht abschätzen. Und deshalb antwortete ich verspätet meinen anscheinend nur noch ehemaligen Ehemann.
„Die Sorge um dich hat mich fast umgebracht. Soll ich später noch einmal nach dir sehen?"
Vor mir schnappte die Mutter der frisch gebackenen Königin hörbar nach Luft. Sei es wegen meinem Tonfall oder der offensichtlichen Lüge, ihre roten Flecken wurden nur noch intensiver.
„Sie werden den Mann meiner Tochter nicht belästigen!" Kleine Speicheltropfen sprühten in alle Richtungen. Ihre Tochter sank weiter in sich zusammen.
Ich wischte mir ein paar von der Wange, doch meine Ruhe war mehr äußerlich.
„Interessanterweise habe ich keinerlei Scheidungspapiere unterschrieben, was mir das Recht gibt, meinen Mann mit meiner Anwesenheit zu belästigen wann und wie oft ich will."
„Ex-Mann", korrigierte Constantin aus dem Hintergrund und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Gas, „Dein tragischer Tod hat die Ära unserer Heirat beendet. Zwing mich nicht dazu, die Wirklichkeit der Prosa anzupassen."
Und eine Morddrohung, noch bevor wir einen ganzen Tag zusammen verbracht hatten. Es war, als wäre ich nie fort gewesen. Hitze kroch in meine Wangen und ich knirschte mit den Zähnen. Gleich würde ich wie Lady Vanna aussehen.
„Waren das auch deine letzten Worte an Caridad?"
Geräuschvoll stellte er das Glas auf dem Schrank ab und drehte sich zu mir um. Ärger verengten seine Augen, bis ich die Farben darin nicht mehr erkannte.
„Du bist allein aus dem Grund hier, weil ich wissen will, was Caridad zugestoßen ist."
Seine Frau wurde bei seiner energischen Wortwahl noch ein wenig blasser und sie gab ihre Versuche auf, ihn zu berühren. Sie tat mir, trotz der Umstände, ein winziges Bisschen leid.
„Warum hast du bisher noch keine Verhaftungen gemacht?", fragte ich ihn. Er war nicht der Typ, der lange fackelte.
„Du warst nicht so leicht zu finden."
„Du glaubst, dass ich ihn ermordet habe?" Allein die Vorstellung traf mich wie ein Messer in den Rücken.
Er zögerte. Das Gesicht eine steinerne Maske. Für mehrere Herzschläge starrten wir einander an, im Versuch eine Reaktion heraus zu kitzeln. Constantin drehte sich zuerst weg.
Als hätte er plötzlich Besseres zu tun, griff er von seinem Schreibtisch einen Stapel an Briefen und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Ein stummes Kommando, dass wir alle entlassen waren. Nur für mich sprach er es noch deutlicher aus. Vielleicht weil er wusste, dass ich es sonst ignoriert hätte.
„Wenn du hier raus gehst, schick mir den Soldaten rein, der dich durchgelassen hat."
Es war definitiv schon eine Weile her, dass ich einfach entlassen wurde. Mit einem schmallippigen Lächeln machte ich auf dem Absatz kehrt und öffnete die Tür so ruckartig, dass der versammelte Hofstaat auf dem Flur zusammenzuckte. Die hatte ich vergessen. Oder verdrängt. Lediglich die Wache drehte fragend den Helm in meine Richtung.
Ich beschloss, ihn zu retten.
„Du willst vielleicht lieber mit mir mitkommen", ließ ich ihn wissen und marschierte los.
Constantin hatte allen Ernstes angedeutet, dass ich Schuld an Caridads Tod hatte! Wie konnte er nur?
Das bekannte Knirschen der Rüstung verriet mir, dass der Mann mir tatsächlich folgte. Allerdings nicht ohne Rückfragen.
„Warum?"
„Ich bewahre dich vor einer Nahtoderfahrung. Der König wollte tatsächlich nicht gestört werden. Auch nicht von mir."
Er wurde schneller, bis er neben mir herlief. Intelligenter Mann.
„Habt Ihr denn schon eine Idee, wer vielleicht auf den König geschossen hat?"
Ich schnaubte.
„Nein. Aber falls es nochmal jemand versuchen sollte, war das höchstwahrscheinlich ich."
Es entlockte ihm ein tiefes Glucksen, das vermutlich von dem Wissen stammte, wie sehr der König einen auf die Palme treiben konnte.
„Ich versuchte, mir das zu merken. Sonst noch jemand, der auf deiner Abschuss-Liste steht?"
Ich bemerkte seinen Wechsel zur informalen Ansprache, ließ es jedoch unkommentiert, weil das vertraute Gefühl meine Schultern entspannte. Ich brauchte jemand in diesem Palast auf meiner Seite. Und deshalb antwortete ich auch ehrlich.
„Noch nicht. Aber ich habe mich bereits gefragt, wer mich unbedingt wieder hier haben wollte, wenn im Palast die Jagd-Saison eröffnet wird."
Wir machten einen Umweg, um mir das Musikzimmer und die Blicke der anderen zu ersparen, und traten hinaus auf einen offenen Gang, dessen Fenster scheibenlos gelassen worden waren. Er führte direkt über den Jasmin-Garten hinweg und der süßliche Duft ließ mich tief Luftholen. Bald würde es Winter werden. Meine liebste Jahreszeit.
„Fühlt Ihr euch bedroht?" Er hatte seinen Patzer bemerkt und gab sich nun große Mühe mir formvollendet die Türen zu öffnen.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, aber ich mache mir Sorgen."
Eine Handvoll Bediensteter in ihren grauen Uniformen huschte eilig aus dem kleinen Empfangszimmer, das wir als nächstes betraten und gaben dem Soldaten einen Moment zu überlegen.
„Sie ist eigentlich nett. Sehr jung und unsicher, aber ich erinnerte mich, dass Ihr in euren ersten Monaten auch nicht anders wart."
Ich warf ihm einen überraschten Blick zu.
„Wir kennen uns?"
Soldaten waren schwierig. Man sah von ihnen nie mehr als die untere Hälfte ihres Gesichts. Aber ich war mir sicher, dass ich so eine raue Stimme wiedererkannt hätte. Von mir aus hätte er gut und gerne auch Geschichtenerzähler werden können.
Er verzog den Mund zu einem ansteckenden Lächeln.
„Nicht offiziell vorgestellt. Aber ich habe Euch öfter im Palast gesehen... und natürlich die Geschichten gehört, die sich die Bediensteten über Euch erzählen."
Ich stöhnte innerlich auf. Wie hieß es noch so schön? Runter ging immer? Konnte ich ihn fragen, was für Geschichten das waren? Oder wollte ich das lieber nicht wissen?
„Wenigstens hat Constantin nach meiner Abreise nicht jeden vergrault, den ich kenne."
Das Lächeln fiel sofort wieder in sich zusammen und machte einem düsteren Ausdruck Platz.
„Er hat sich definitiv Mühe gegeben. Ich hatte lediglich nicht die Mittel für einen Flug auf eine andere Insel."
Wow. Constantin musste sich wirklich Mühe gegeben haben.
Ich dachte über seine Worte nach.
„Ist denn... ist denn jemand an den Hof zurückgekehrt?"
Doch zu meiner Überraschung verstand er sofort, worauf ich hinauswollte. Er kratzte sich am Nacken.
„Dara Sarei ist weiterhin von dem Palastgelände verbannt, wenn es das ist, was Euch Sorgen macht."
Erleichtert entließ ich die Luft aus meinem Körper. Gut. Das war gut.
Der Soldat legte den Kopf schief, wurde jedoch von einem anderen vorbeimarschierenden Soldaten mit einem langen Blick daran erinnert, dass er mir eigentlich still folgen sollte.
Ah ja. Die Hausregeln.
Er ignorierte sie ebenfalls.
„Gibt es einen Grund für diesen erleichterten Ausdruck? Hat der Mann etwas verbrochen?"
Mit einem tiefen Atemzug versuchte ich, die Kontrolle über meine Emotionen zurückzuerlangen. Dara Sarei. Eine Mischung aus Erinnerungen und Gefühlen drängte darum, meine Aufmerksamkeit aus diesem Raum zu locken, doch ich hielt mich fest. Anstatt mich zu erinnern, fixierte ich einen verzierten Fensterbogen, dessen eingearbeitete, mehrköpfige Wesen mich alle wartend anstarrten.
„Dara Sarei ist der Grund, weshalb ich überhaupt erst eine Krone getragen habe."
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"Dum.Dum.Duuuum."- Dinah.
Ich hoffe ihr hattet ein schönes Halloween! Wer von euch war unterwegs? :D
UUUUnd dieses Kapitel ist doppelt so lang wie das davor.
Ich befürchte, das werde ich in diesem Buch nicht in den Griff bekommen.
Hmpf.
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