Unschuldig
Ich schlucke und beiße mir fest auf die Zunge, damit ich von meinem Gedanken sie zu küssen, wegkomme. Zögernd halte ich wieder die fast zwanzig Zentimeter Abstand zwischen uns, würde sich noch mein Herz beruhigen...
anschließend verlässt der Rektor endlich sein Büro. Aurelia öffnet schnell die Schranktüren und springt als allererst raus. Ohne zurückzuschauen, eilt sie sich auch schon aus dem Raum. Eigentlich durfte sie nicht so schnell raus, weil der Rektor ja noch Zeit braucht aus dem Sichtfeld zu verschwinden. Mit der Angst, dass sie im Korridor erwischt wird, folge ich ihr und zum Glück ist der Rektor nicht mehr zu sehen. Ich habe keine Ahnung, wieso sie so schnell geht ohne ein Wort. Ist sie sauer? Hat ihr meine Nähe nicht gefallen? Oder hat es ihr gestört, dass ich Abstand halten will?
„Aurelia?!", rufe ich ihr hinterher als wir die Gebäude durch die hintere Tür verlassen und in Richtung Parkplatz marschieren. Außer Atem bleibt sie stehen.
„Du hast es nicht geschafft, oder? Du hast Olivers Adresse nicht gefunden, stimmt's?", fragt sie ernst. Ah, darum geht es also, sie hat sich wegen dem Sorgen gemacht?
„Doch, ich habe die Adresse", bestätige ich und öffne die Autotür.
„Sehr schön", lächelt sie und setzt sich zur Beifahrerseite. „Können wir jetzt zu der Adresse fahren und wir stellen ihn zur Rede? Dann könnte wir die anderen zwei Aufgaben, die wir noch erledigen müssen, allein Oliver übriglassen. Er hat es schließlich verdient", meint sie und ich merke, wie sie jegliche Augenkontakt mit mir ausweicht und überall hinschaut außer mir in die Augen. Woran das liegt? Versucht sie vor Nervosität ihre Pläne aufzuzählen oder irre ich mich?
„Okay", stimme ich zu und wir fahren los. Während der Fahrt blickt sie nachdenklich nur aus dem Fenster und redet kaum. Danach schaltet sie die Musik ein und bei jeder Minute dreht sie es lauter auf. Keine Ahnung was in ihr vorgeht, oder was mit mir passiert.
Letztendlich kommen wir nach über halber Stunde an und klopfen an der Tür, des kleinen grauen Hauses.
„Auf einmal werden wir da rein gezerrt und ermordet", spricht Ari schmunzelnd ihre Gedanken aus. Gerade wo ich auch meinen Witz reisen will, wird die stark quetschende Tür aufgerissen.
„Ja?", fragt eine ältere Frau und schaut uns fragend an.
„Ähm Guten Abend, wir...", versucht Aurelia zu sagen, bis ich eingreife.
„Könnten wir bitte Oliver Carter sprechen? Ist er da?"
„Wer sind Sie?", will sie wissen.
„Er geht mit uns an dieselbe Uni. Wir hätten ein paar Fragen, wenn es keine Umstände macht", erkläre ich freundlich.
„Ja, er freut sich immer, wenn jemand ihn zu ihm Besuch kommt. Tretet ein", öffnet sie weit die Tür und macht uns Platz.
„Ich habe Angst!", flüstert Ari dicht an meinem Ohr. Ich muss innerlich schmunzeln.
Wir treten zögernd ein und folgen die ältere Dame bis zu Olivers Zimmer.
„Er ist hier drinnen. Geht ruhig rein, ich hole für euch Tee", meint sie freundlich und verschwindet in die Küche.
„Dir wird nichts passieren, solange ich da bin", versuche ich Aris Angst zu nehmen.
„Ja, wie man sieht, amüsierst du dich, dass ich fast vor Angst zittere", meint sie und öffnet, ohne zu klopfen die Tür.
Und da ist der so genannter Oliver den wir suchen. Er sitzt auf seinem Bett und ist wohl beschäftigt ein Buch zu lesen. Mit großen Augen blickt er zu uns rauf. Er sieht kein bisschen gefährlich aus. Er trägt Brillen und sieht schmal und klein aus.
„Wer seid ihr?", fragt er schockiert.
„Keine Angst, wir sind hier, weil du ein gigantisches Graffito bei dem hinteren Gebäude des Unis gesprayt hast und als wäre das nicht genug, hast du auch die Unterschrift von diesem Mädchen gesprayt", erkläre ich und zeige mit dem Finger auf Aurelia. „Jetzt möchten wir wissen, WIESO? Nachdem du Mist gebaut hast, hast du dich also einfach krankgeschrieben, damit Ja keiner draufkommt, dass du das warst", rede ich weiter und nähere mich bedrohlich zu ihm.
„Aiden?!", warnt mich schon Ari.
Es herrscht Stille. Oliver atmet durch und seine Hände fangen an zu zittern.
„Es...es tut mir leid. Es sollte nur ein Spaß werden, ich wusste nicht, dass es wegen dem Ärger geben wird und...", weiter kommt er nicht, weil er ganz blass im Gesicht wird. Ich habe plötzlich das gefühlt, dass er nicht der Schuldige ist. Es wurde ihm sicher angehängt. Ich denke an dem Knopf, nähere mich schnell zu seinem Kleiderschrank und fange an seine einzelnen Hemden durchzuprüfen. Ich schiebe Bügel für Bügel auf die Seite und schaue mir genauer die Knöpfe an. Nein nichts.
Er ist ganz bestimmt unschuldig. Seine viel zu perfekt geordnete Hosen bringe ich auch durcheinander, weil ich auf die Schnelle die Knöpfe vergleiche.
„Was machst du da? Hör auf damit?", höre ich Aurelia laut sagen. Ich drehe mich wieder zu ihnen um. Oliver sitzt da fassungslos mit offenem Mund. Nein, so einer wie er würde, sich nie im Leben trauen, illegal Graffiti zu sprayen.
„So er hat sich entschuldigt, wir können also gehen, oder?", frage ich Ari. Verwirrt zieht sie ihre Augenbrauen zusammen.
„Ich komme nächste Woche wieder zum Unterricht und werde auch meine gerechte Strafe tragen. Bitte tut mir nichts, ich hatte das ganze wirklich nicht vor. Wenn ihr wollt, kann ich auch Geld geben und...", redet er und muss erneut durchatmen. Ich denke er ist nicht ganz gesund.
„Gute Besserung!", ist das letzte was ich sage, ehe ich Aurelia beim Armgelenk fasse und mit ihr durch den Flur gehe. Ich halte abrupt stehen und scheue in das bereits offene Schlafzimmer rein.
„Siehst du, dort ist ein Rollstuhl", zeige ich Ari hin und ich denke, auch sie versteht das Ganze.
Als wir endlich aus dem Haus schaffen, setzen wir uns ins Auto.
„Er liegt in seinem Bett, weil er gehbehindert ist? Ich mein...", äußert sie und speilt verzweifelt mit ihren Fingern.
„Cedric hat dich angelogen! Er hat dir den falschen Namen gegeben. Er hat Oliver zum Opfer gemacht, ihn alles angehängt", beende ich auf meine Weise ihren Satz.
„Aiden, Cedric hat mir nicht gesagt, dass Oliver es zu 100% getan haben könnte."
„Wieso hat sich Oliver freiwillig zu schuldig erklärt?", frage ich Stirn runzeln.
„Oder wir haben nicht richtig gesehen. Vielleicht gehört der Rollstuhl nicht Oliver. Offensichtlich hat er noch Geschwister." Unglaublich wie sie versucht Cedric in den Schutz zu nehmen.
Genervt wende ich mich von ihr ab und blicke aus dem Fenster. „Und der Knopf, den du gefunden hast, hat wahrscheinlich jemand anderes verloren", meint sie sich sicher.
Ich schaue Aurelia wieder an und auch sie richtet ihren Blick auf mich.
„Keine Ahnung was dieser Typ mit dir angestellt hat, aber du willst ihn auf keinen Fall als Lügner verurteilen. Was gefällt dir mehr an ihm, die Geschenke, die er dir macht oder sein Aussehen, oder ist das doch sein Charakter?", zische ich fragend.
Sie setzt ihre wütende Miene auf und würgt mir keines Blicks mehr. „Mason war schlimmer, wieso hast du dich nicht über ihn so aufgeregt? Keine Ahnung was du da versuchst, aber ich kann für mich entscheiden, wen ich da mögen will oder nicht."
„Wie du meinst...", lalle ich und fahre los.
„Ich möchte nicht, dass wir wegen solchen Sachen streiten, verstehst du? Wir lassen es einfach sein, die anderen zwei Aufgaben vom Herr Rektor werden bestimmt leichter sein. Vielleicht kann ich ihn überreden und wir verschieben die Aufgaben auf nächste Woche. Denn am Samstag steigt bei Kristin Party und da will ich nicht müde aussehen. Du kommst doch, oder? Sie meinte sie hätte dich auch eingeladen."
„Jap. Sag mal, hast du Kristin gesagt sie soll Camilla nicht einladen?", frage ich interessiert.
„Was? Nein! Hat sie sie etwa nicht eingeladen? Vielleicht rede ich mit ihr. Das war sicher ein Missverständnis", meint sie ehrlich. Okay gut zu wissen, dass es nicht Aurelia war.
=====
Aurelia
Immer wieder höre ich meinen Wecker läuten. Angestrengt öffne ich meine Augen und das erste was ich auf meinem Kissen betrachte ist eine kleine Packung wie ein Geschenk verpackt und mit einer süßen rosa Schleife. Meine Augenlider weiten sich und ich setze mich abrupt hin. Ein Geschenk für mich? Erst mal schalte ich schnell meinen Wecker aus und nehme das Geschenk in die Hand. Da steht was klein geschrieben: „Für meine schöne Tochter." Im ganzen Gesicht strahlend öffne ich sie und betrachte das neue Handy. Oh mein Gott...
Ich verlasse eilig meine Zimmer, schlendere die Treppen runter und laufe in die Küche, dort wo meine Mutter frühstückt.
„Du bist einfach die beste, Mama!", sage ich und drücke ihr einen dicken Kuss auf die Wange. „Ich liebe dich soo sehr. Danke, danke, danke!", bedanke ich mich überglücklich.
Sie lächelt. „Aber gerne doch."
Nachdem ich so glücklich erzählt habe, dass ich endlich von mir Selfies machen kann und noch zusätzliche Pläne geschmiedet habe, was mein altes Handy nicht konnte, gehe ich wieder auf mein Zimmer und schalte das Handy ein. Schnell speichere ich Aidens Nummer ein, weil ich es auswendig kann. Nachdem ich mich schnell für die Uni fertig gemacht habe, schicke ich Aiden mit meinem fertigen Look mein erstes Selfie.
Er antwortet mir sofort mit: „Wow, endlich gehörst du zu den modernen."
Schmunzelnd schultere ich meinen Rucksack und mache mich auf dem Weg zur Uni.
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Als ich den Kurs als letzte verlassen wollte, hält mich meine nette Professorin auf mit: „Frau Mitchell, könnte ich Sie kurz sprechen?"
„Klar" nähere ich mich zu den Professorentisch.
„Ich habe gehört, dass du und weitere drei Studenten einige Aufgaben vom Herr Rektor bekommen habt. Ich habe keine Ahnung wie Sie die vorgestrige Prüfung geschafft haben, obwohl Sie lange dableiben mussten, aber ich habe diesmal mit dem Rektor geredet und er lässt die letzte zwei Aufgaben verschieben, bis ihr vier die wichtigsten Prüfungen hinter euch habt", erklärt sie freundlich. Überrascht ziehe ich meine Augenbrauen hoch.
„Wirklich wahr? Das haben Sie für uns getan?", frage ich lächelnd. „Das schätze ich so sehr. Ich danke Ihnen vielmals!", bedanke ich mich.
„Natürlich" nimmt sie meine Danke an und wir verabschieden uns erneut.
Heute ist so ein schöner Tag. Alles läuft prima. Morgen ist Freitag und dann kommt Samstag die Party. Perfekt!
Sofort, nachdem ich aus dem Raum gegangen bin, schreibe ich Aiden an und berichte ihm diese schöne Nachricht. Gerade wo ich rauf blicke, entdecke ich Kristin im Flur und gehe auf sie zu.
„Hey Kristin, wie geht's?", frage ich, während sie auf ihrem Handy irgendwelche Nachrichten beantwortet.
„Hey!", richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf mich und verstaut schnell ihr Handy in die Tasche.
„Ich habe gehört, du hast Camilla nicht zu deiner Party eingeladen. War das mit Absicht oder wolltest du sie nicht einladen?", komme ich gleich zum Punkt.
„Oh...was das angeht. Ich...ich mag sie nicht und möchte sie nicht einladen!", antwortet sie direkt. Ich weiß das da mehr dahinter steckt, denn Kristin ist nicht so eine die nur wegen einer kleinen Sache jemanden abstoßt. Also muss Camilla ihr richtig schlimmes angetan haben. Ich gehe da nicht weiter ein, weil es mich nicht interessiert. Camilla hätte für mich nicht mal das getan was ich für sie gerade tue.
„Ich verstehe. Ist wohl eure Sache", zucke ich mit der Schulter.
„Aber dafür kannst du ja diese komische Elisa einladen, sie scheint nett zu sein", sagt sie dafür und wendet sich mit einem winken von mir ab. „Ich muss noch was schnell erledigen, sorry", ruft sie noch, damit ihr Abgang nicht so oberflächlich wirkt. Okay.
Demnach wird uns angekündigt, dass heute Mathe ausfällt, weil der Professor krank ist, deswegen nutze ich diese eine Freistunde und gehe in die Bibliothek, damit ich für die Test den wir in der letzten Stunde haben werden, vorbereiten kann. Bei der ganz hinteren Reihe und setze mich zwischen den Regalen mit meinem Buch hin. Hier ist es ruhiger als in der Mensa. Ich schlage das Buch auf und fange an zu lesen und mich zu konzentrieren. Jedoch wird diese angenehme stille unterbrochen, weil ein paar Mädels kichernd das Bibliothek betreten. Ich kann sie zwar nicht sehen, aber von Stimmen zu urteilen sind das Camilla und ihre Freundinnen. Ich versuche mich wegen ihnen nicht ablenken zu lassen. Nach ein paar Minuten haben sie anscheinend alle schon Platz genommen und lästern über irgendwas.
Dann höre ich Camillas Stimme. „Mädels, ich habe mir überlegt, ob ich Aiden zur Rede stellen soll. Diese seine beste Freundin Aurelia, sie geht mir sowas von auf die Nerven." Staunend ziehe ich meine Augenbrauen hoch und kann nicht glauben was sie da sagt.
„Wieso?", fragt ihre Freundin.
„Ihr wisst ja, mein Opa ist vor ein paar Tagen gestorben. Da ist Aiden auch zu mir gekommen, um mich zu trösten, doch dann kommt er mit: Oh Aurelia ist in Gefahr, ich muss sie retten gehen, dies das. Dann habe ich mir gedacht, dass diese Schlampe versucht ihn immer zu sich zu locken, wenn er mich besuchen will. In letzter Zeit hat er einfach aufgehört mich zu küssen, als wäre es nicht schlimm genug, dass er mit mir nicht schlafen will. Naja, das ist nicht die Sache. Als er gehen wollte habe ich ihn gesagt, dass wenn er zu ihr fährt, ich ihn verlassen werde und genau das war der Punkt. Er liebt mich so sehr deswegen ist er dageblieben, damit ich ihn nicht verlasse. Später, nachdem er mich beruhigt hatte, habe ich ihn gesagt, dass er von mir aus gehen kann, wenn er sich wegen Aurelia noch immer Sorgen macht. Ich bin einfach viel zu nett mit ihm. Aber das gute war, er sagte, dass ich ihm wichtiger wäre", erzählt sie und ich höre, wie sie etwas Wasser oder sonst welche Flüssigkeit trinkt.
„Erzähl weiter!", fleht ihre Freundin gespannt. Ich hingegen habe mein Buch auf meinem Schoß sinken lassen und langsam bildet sich einen Kloß in meinem Hals.
„Jedenfalls, möchte ich ihn sagen, dass er endlich mit seiner besten Freundin abschließen soll, wenn er mich liebt. Sie ist nämlich der Grund, wieso es mit unserer Beziehung nicht so ganz funktioniert. Ich hasse diese hinterhältige Bitch einfach. Entweder Sie oder Ich. Und da er vorgestern schon bei mir geblieben ist, weil ich ihn bedroht habe, dass ich Schluss mache, wird er ganz sicher wieder mich wählen. Was denkt ihr, Mädels?"
Ich schließe meine Augen und beiße mir auf meine untere Lippe, damit ich nicht weinen muss. Ich kann nicht glauben, was sie gerade alles von sich gibt. Ich kann nicht verstehen, wieso sie behauptet, dass wegen mir ihre Beziehung nicht funktioniert. Was hat das alles mit mir zu tun? Ich bin doch diejenige die Aiden warnt, keine Nummern von anderen Mädchen zu nehmen, nur damit es zwischen den beiden passt. Niemals habe ich mich zwischen ihre Beziehung eingemischt.
„Du hast recht, so einen perfekten heißen Freund wie deiner sollte man festhalten. Also lass dir nichts gefallen und zeig wer du in Wirklichkeit bist. Du bekommst immer alles, also wieso solltest du deinen Freund nicht ganz für dich bekommen?", stimmt die eine Freundin von Camilla auch zu.
Ich blicke zu meinem Buch runter und kann kein einziges Wort richtig lesen, weil mich all die Wörter aus ihren Mündern so verletzen. Wow, und als Nächstes wird bestimmt Aiden zu mir kommen und mit unserer Freundschaft abschließen, genau wie Camilla es will. In dem Moment sehe ich alles verschwommen, dann fällt die erste Träne direkt auf meinem Buch. Verdammt, wieso weinst du Ha? Hör auf zu weinen, Aurelia! Sage ich zu mir selbst in meinem Gedanken. Ich lehne mich nach hinten gegen das Regal und lasse mir tausenden von Gedanken durch den Kopf gehen. Von Lernen ist jetzt wohl keine Rede mehr. Wie soll ich mir das Leben ohne Aiden vorstellen? Es vergeht doch fast keinen einzigen Tag, wo wir uns nicht treffen.
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