Das Drama Queen
Aiden
Der Professor verlässt den Unterrichtsraum und ich verstaue schnell meine zwei Bücher in meinem Rucksack. Endlich kann ich gehen, doch genau wo ich aus der Tür gehen wolltewill, versperrt mir Camilla den Ausweg. Ihre Augen sind rot untergelaufen und sie schluchzt leicht. Völlig überrumpelt frage ich sie: „Was ist los?" Sie kommt mir näher und umarmt mich.
„Ich habe eben einen Anruf erhalten, mein...mein Opa ist gestern verstorben", fängt sie an gegen meine Brust zu weinen. Ich platziere zögernd meine Hände auf ihren Rücken und tröste sie.
„Das tut mir leid", sage ich mitfühlend.
„Ich konnte nicht mal einen Abschied von ihm nehmen." Ihr Opa lag schon seit einem Jahr im Bett und sein Gesundheitlicher Zustand war richtig schlimm. Mit 98 ist er gestorben.
Camilla löst unsere Umarmung und schaut mir ins Gesicht. Ihre ganze Schminke ist verschmiert. „Kannst du mich bitte nachhause fahren?", fragt sie Tränen fliesend.
Ich nicke. „Natürlich!"
Sie wischt mit ihrem Ärmel ihre Tränen weg, hält meine Hand und lässt mich sie nach draußen begleiten. Erst als wir draußen stehen wird mir bewusst, dass ich mich hier mit Aurelia treffen wollte.
„Können wir hier kurz warten? Aurelia muss auch jeden Moment rauskommen", frage ich und blicke nach hinten zur Eingangstür.
„Was? Ich fühle mich gerade so schlecht und du redest von Aurelia? Bitte sie kann doch auch so wie immer alleine nachhause fahren", sagt sie schluchzend.
Beim Parkplatz finde ich mein Auto, wir setzen uns rein und fahren los. Beim vorbei fahren blicke ich ein letztes Mal aus dem Fenster zu dem Gebäude wo Aurelia gerade stehen müsste, doch sie ist noch nicht da. Ich werde schnell Camilla absetzen und wieder zurückfahren. Aurelia wird schon nicht weglaufen.
„Er war so ein guter Mensch, er hat immer breit gelächelt als ich ihm besucht habe. Ich vermisse ihn soo", murmelt Camilla und vergießt jede Sekunde eine Träne. Sie kann ruhig weinen, es ist nicht schlimm zu trauern. „Zu seinem neunundneunzigsten Geburtstag hatte er sich gewünscht, dass ich den ganzen Tag neben seinem Bett verbringe und jetzt...", lallt sie und weint weiter. Ich habe kein Plan was ich bei so eine Situation überhaupt unternehmen sollte oder könnte. Ich bin nicht gut in Menschen trösten. Als wir ankommen halte ich für sie die Autotür offen und helfe ihr auszusteigen. Und schon wieder umschlingt sie ihre Arme und will mich nicht loslassen. „Ich brauche dich Aiden, bitte komm mit mir rein und lass mich nicht alleine!", sagt sie und schaut mich schließlich mit ihren Hundeblick an.
„Was heißt da alleine? Wo sind deine Eltern?", frage ich.
„Die sind bei meiner Oma, glaubst du meine Eltern lassen sie alleine? Und heute war auch die Beerdigung. Ahh ich habe einfach keine Kraft mehr, komm lass uns rein gehen!", murmelt sie traurig und geht vor. Ich schließe die Autotüren und gehe vor. Genau als ich bei den Treppen zum Eingang ankomme bleibe ich stehen. Was soll ich mit Ari tun? Sie wollte sich eigentlich heute mit dem Typ treffen. Verdammt, was wenn sie wirklich mit ihm mitgeht und ihr passiert was...
Camilla ist bereits im Haus und hat für mich die Eingangstür offengelassen. Ich betrete schnell das Haus.
„Camilla?!", rufe ich, bevor sie ins Schlafzimmer verschwindet. Sie dreht sich fragend zu mir um. „Ich bin in einer Stunde zurück. Kannst du bitte so lange warten?", frage ich vorsichtig. Und schon setzt sie ihre wütende Miene auf und kommt auf mich zu.
„Zu Aurelia...du wirklich mich hier wirklich hängen lassen und zu Aurelia gehen? Ist das dein Ernst?", schreit sie.
„Du verstehst das nicht, vielleicht wird sie in Gefahr...", versuche ich zu erklären, aber sie unterbricht mich sofort.
„Nein! Sie kann auch auf sich selber aufpassen. Bist du ihr Babysitter? Ich bin deine feste Freundin und genau bei so einem Zustand solltest du mich nicht alleine lassen. Was wenn ich mir was antun will?", fragt sie überdramatisch.
Ihr Opa war fast hundert Jahre alt, jedem war bewusst, dass er bald sterben wird, was übertreibt sie hier eigentlich? Wieso sollte sie wegen ihrem Opa sich was antun wollen? Ist ihre ganze Familie gestorben, oder was? Ich verstehe das ist schwer für sie, aber ich bitte sie doch nur für eine Stunde Zeit „Wenn du jetzt daraus gehst, dann ist es aus zwischen uns!", droht sie mich damit. Ich spanne meinen Kiefer an. Sie wartet gar nicht, bis ich was dazu sage und geht ins Schlafzimmer. Gedankenverloren hole ich mein Handy raus und rufe Aurelia an, doch da geht der Mailbox ran. Wieso ist ihr Handy wieder mal ausgeschaltet? Obwohl es nichts bringt, rufe ich sie weitere fünfmal an. Wütend verstaue ich mein Handy in meine Hosentasche und gehe zu Camilla ins Schlafzimmer. Sie liegt unter ihre Decke und heult sich aus. Zögernd gehe ich zu ihr und setze mich auf ihrem Bett. Sie zieht die Decke von ihrem Gesicht runter und blickt zu mir. „Kannst du dich zu mir legen und mich umarmen?", fragt sie. Ich rutsche weiter rauf auf ihrem Bett und lehne meinen Kopf nach hinten auf die kühle Wand.
„Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber so sitzen bleiben", sage ich leise.
„Ich weiß für dich ist jemand der trauert einfach eigenartig, aber ich bin froh, dass du dageblieben bist. Auch für dich werde ich bei solchen Situationen da sein", meint sie und versucht ihr Haar zu richten als sie sich hinsetzt und mich genauer betrachtet. Doch meine Gedanken schweifen nur zu Aurelia. Ich hoffe so sehr, dass sie mit dem Typ nicht mitgegangen ist. Ich könnte damit nicht leben, wenn ihr etwas zustößt. Ich schlucke und schließe meine Augen. Was wenn sie aus Wut, weil ich nicht auf sie dort gewartet habe, mit dem Typ mitgeht? Was wenn sie mitgeht, und er vergewaltigt sie? Ich balle meine Hände unbewusst zu Fäusten und spüre in der nächste Sekunde Camillas warme Hand auf meiner Faust.
„Aiden, ist alles in Ordnung?", will sie wissen. Ich entspanne mich ein wenig. Vielleicht übertreibe ich ja auch. Vielleicht mache ich mir unnötige Sorgen.
Ich öffne meine Augen und sage: „Ja!"
Wenn ich wieder Ari erwähne, wird sie sowieso durchdrehen.
Seit über eine Stunde lang erzählt sie mir was ihre Opa früher so gearbeitet hatte und wie großartig er gewesen war. Immer wieder muss ich auf mein Handy schauen und die Uhr zu checken. Neunzehn Uhr. Mittlerweile ist es auch schon dunkel draußen. Während Camilla so dahin redet, versuche ich unauffällig Aurelias Mutter zu erreichen. Erfolglos. Halbe Stunde darauf, schließt Camilla ihre Augen und schläft endlich ein.
Ich steige so leise wie möglich aus dem Bett und gehe mit langsamen Schritten zur Tür, und genau wo ich nach dem Türgriff fasse, wacht sie auf.
„Wohin willst du?", fragt sie verschlafen.
„Ich...ich gehe nur Wasser holen", fällt mir eine Notlüge ein.
„Okay, ich komme mit runter", meint sie. Gott bring mich um. Was kontrolliert sie mich?
„Du musst mich nicht zum Wasser trinken begleiten", lache ich belustigt und gehe aus dem Zimmer.
Keine Sekunde vergeht und sie steht mit verschränktem Arm vor der Brust genau neben mir im Flur. Am Ende des Flurs brennt ein Licht.
„Du willst abhauen, stimmt's?", fragt sie skeptisch
„Ich hatte nicht vor die ganze Nacht da zu bleiben!"
„Du bist nicht mal drei Stunden hier. Früher bist du immer länger geblieben und ausgerechnet heute, wo ich dich brauche, versuchst du so schnell wie möglich zu flüchten."
„Soll ich dich beobachten während du schläfst? Soll ich dir noch Nachtgeschichten erzählen?", frage ich aufgebracht.
Dann wird sie so richtig wütend und schubst mich.
„Was ist los mit dir du Arschloch HAAA?", schreit sie und fängt schon wieder an zu weinen.
„Aurelia hebt ihre Handy nicht ab! Sie wollte sich mit jemanden treffen und dieser Typ ist eine Gefahr für sie!", versuche ich wieder mal zu erklären.
Sie schaut mich mit aufgerissenen Augen an. „Ist mir egal! Es ist mir egal auch wenn diese Kuh stirbt. Ja genau, sie ist die Einzige, die zwischen uns steht. Verstehst du denn nicht, dass sie versucht uns auseinander zu bringen? Bist du wirklich so blöd?", fragt sie. Sie irrt sich...sie irrt sich gewaltig.
Ich gehe die zwei Stufen runter und eile mich wütend zur Ausgangstür. Ich muss mir ihren scheiß nicht anhören.
„Wohin gehst du?", schreit sie noch und kommt mir hinterher. Ich verlasse das Haus und nähere mich zu meinem Auto.
„Ich hoffe auch du stirbst auf dem Weg zu ihr!", höre ich sie, während ich die Autotür öffne und bei Fahrerseite Platz nehme. Was für ein Mundwerk sie hat, ist echt unglaublich. Ja, vielleicht passiert mir was und sie hat ihr lebenslang Schuldgefühle wegen dem, obwohl, sie wäre auch da total unschuldig. Wie sie versucht mich aufzuhalten obwohl ich ihr erklärt habe, dass es ein Notfall ist. Nein so eine wie sie versteht sowas nicht. Sie denkt nur an sich. Zum dritten Mal schon versuche ich das Motor zu starten. Ich lehne mich für einen kurzen Moment zurück und atme durch. Ich muss mich beruhigen. Nachdem ich mich gefasst habe, versuche ich abermals den Motor zu starten. Was soll der scheiß, wieso lässt der sich nicht starten. Wieder wutangebrannt steige ich aus dem Auto und blicke zu Camilla die bei dem Türrahmen steht und mich schadenfroh beobachtet. Ich Knalle die Autotür zu und gehe auf Camilla zu.
„Leih mir dein Auto!", sage ich gewagt.
Ungläubig fängt sie an zu lachen.
„Wieso? Hat deins etwa den Geist aufgegeben? Siehst du das ist ein Zeichen, dass du deine Freundin nicht alleine lassen sollst! Für eine Hure wie Aurelia lohnt es sich nicht zu fahren", murmelt sie kalt. Gott was für ein Hass in mir hochkommt. Wie sehr ich sie in diesem Moment hasse.
„Langsam zeigst du dein wahres Ich. Statt mir zu sagen, ich solle sie retten, wirfst du mir solche dreckigen Worte ins Gesicht. Wie fühlst du dich, wenn du sowas aussprichst? Was Besonderes? Du ekelst mich an, wenn du dich so benimmst", sage ich meine Meinung.
„Ich bin jetzt schuld ja? Du willst mich einfach alleine lassen obwohl ich traurig bin..."
„Ich habe dich nur für eine verdammte Stunde gebeten. Nein, nicht mal eine Stunde hätte das ganze gedauert. Du wärst nicht gestorben, wenn du eine Stunde gewartet hättest, aber was machst du? Du schiebst hier übertrieben Drama. Manchmal denke du spielst mir diese Traurigkeit einfach nur vor. Als deine Tante gestorben ist, hast du nicht mal so übertrieben..." schreie ich und plötzlich spuckt sie mir ins Gesicht.
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