Das kann ja was werden
Als Alejandros Handy klingelt ahne ich schon wer es ist. Alejandro nickt zustimmend der Person am Telefon zu, obwohl sie ihn nicht sehen kann und steht dann auf, um einen etwas ruhigeren Platz zu finden. >>Bin gleich wieder da.<< Murmelt er im vorbei gehen. Was soll's. Ich ziehe gerade die Jungs im Kartenspielen ab. Jedes mal das gleiche. Sie wissen, dass ich gewinne und versuchen es trotzdem immer wieder. Bis jetzt habe ich schon Hundertzwanzig Euro gewonnen. Ich möchte gerade aufhören, da kommt Alejandro zurück und bleibt vor mir stehen. Da ich sitze fühle ich mich gleich noch kleiner, als ich sowieso schon bin. >>Dein Vater hat angerufen. Du sollst nach Hause kommen.<< Ich sehe auf meine Uhr. Wir sind schon über drei Stunden hier. Es kam mir gar nicht so lange vor. Ich stehe auf und verabschiede mich von allen. >>Wir sehen uns, Jungs.<< Alejandro sagt nicht viel. Er winkt kurz und geht dann schon mal vor. Augenverdrehend folge ich meinem neuem Albtraum. Immerhin habe ich nur noch einen Aufpasser, denke ich mir im Stillen.
Mit dem Motorrad geht es wieder nach Hause. Dieses mal bin ich um einiges ruhiger. Auf der Rückfahrt nehmen wir einen anderen Weg als auf der Hinfahrt. Wir müssen ein kurzes Stück durch das Gebirge fahren. Schon als Kind habe ich es hier geliebt. Mit meinem Großvater bin ich jedes Wochenende hier herauf gefahren. Es war einfach toll. Und der Ausblick erst. Mich wundert, dass Alejandro diesen Weg gewählt hat, stelle jedoch fest, dass wir ziemlich schnell bei mir ankommen. Mein Bodyguard fährt mich bis vor die Haustür, hilft mir beim Absteigen und ist dann schon wieder weg. Was soll's. Hatte sowieso nicht vor, noch mit ihm zu quatschen. Über was hätten wir denn auch reden sollen? Über das Wetter?!
Ich betrete lachend das Haus und stelle fest, dass ich alleine bin. Mein Vater musste sicher noch weg. Irgendwelche Geschäfte, nehme ich an. In der Küche schnappe ich mir ein Brot und nehme mir Wurst aus dem Kühlschrank. Ein mal die Woche kommt eine Haushilfe vorbei. Rosa heißt sie. Mein Vater hasst fremde Leute im Haus, da er Rosa aber schon so lange kennt, darf sie uns helfen. Durch Zufall weiß ich, das sie sogar meine Mutter gekannt hat. Mein Vater redet jedoch nicht viel darüber. Das Thema Mutter ist ein Tabu-Thema. Mit meinem Käsebrot laufe ich hoch in mein Zimmer. Dort lasse ich mich auf mein Bett fallen, streife mir meine Schuhe von den Füßen und lasse es mir schmecken. Mit einem Knopfdruck läuft schließlich auch meine Musikanlage. Wenn morgen irgendwer merkt, dass Alejandro und ich uns kennen, bin ich tot. Bitte, lass ein mal in meinem Leben alles richtig gehen.
Die Nacht war viel zu kurz. Zudem habe ich verschlafen. Ich verschlafe NIE. Mein Vater hatte sich gewundert und ist deshalb nach mir gucken gegangen. Jetzt habe ich noch genau zwanzig Minuten um mich fertig zu machen, meine Schulsachen zusammen zu packen und etwas zu essen. Verdammt. Zudem muss ich gestern Abend beim Essen eingeschlafen sein. Der Rest meines Brotes klebt in meinem Haar und ich trage noch die Kleidung von gestern. Super, jetzt darf ich auch noch in der kurzen Zeit versuchen, meine Haare sauber zu bekommen. Da hilft nur waschen. Während ich ins Bad laufe, befreie ich mich von meiner Kleidung. Am Waschbecken gebe ich mein bestes, meine Haare zu retten. Meine Zähne putze ich im Eiltempo und für Schminke ist weiß Gott keine Zeit mehr. Das Deo sprühe ich mir auf dem Weg zurück in mein Zimmer unter meine Arme. Dort ziehe ich das erst beste, das mir in die Finger kommt, an. Also Jeans und T-Shirt. So wie immer. Immer zwei Stufen auf einmal, laufe ich die Treppe runter und in die Küche. Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf Schule. Und siehe da, Alejandro sitzt dort und trinkt in Ruhe mit meinem Vater einen Kaffee. Beide reden nicht und gucken ziemlich grimmig. Trotzdem weiß ich, dass mein Vater sich wohlfühlt. Alejandros Gesellschaft scheint ihm nichts auszumachen. Der Kerl ist ja schließlich fast so wie mein Vater. >>Hallo.<< Keiner der beiden antwortet mir. Das kann ja was werden. Ich nehme mir einen Joghurt und mache mir einen Kakao. Soll ich mich wirklich neben die beiden Männer setzen? Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, wenn ich nicht im Stehen essen möchte. Ich quetsche mich zwischen die beiden auf den einzigen freien Stuhl an unserer Küchentheke. Rechts Alejandro, links mein Vater. In Ruhe esse ich den Joghurt. Nach einer Weile fühle ich mich beobachtet und sehe auf. >>Was?<< Frage ich genervt. Die beiden sind schweigsamer als ein Stummer. >>Dein T-Shirt ist falsch herum.<< Klärt mich mein Vater auf. Auch das noch. Ich sehe an mir herunter. Papa hat recht. Ich trage noch ein Top unter dem Shirt, also ziehe ich es einfach aus und drehe es herum. Problem gelöst. Ich sehe in zwei überraschte Gesichter. Egal. Nachdem ich fertig mit Frühstücken und die Männer fertig mit Kaffee trinken waren, stand Alejandro auf. Leise folgte ich ihm nach draußen und sah mich seinem Motorrad gegenüber. >>Ich nehme dich jetzt immer mit hin und zurück zur Schule. Das wurde mit deinem Vater so abgesprochen.<< Was? Wie in Trance setzte ich mich hinter Alejandro. Wie wollen wir den bitte in der Schule erklären, dass wir zusammen kommen und gehen. Die denken doch sicher, ich wäre eine von Alejandros Schlampen. Ich war so schockiert, dass ich gar nicht merkte, dass wir da waren. Mir viel erst jetzt auf, dass Alejandro keine Schultasche dabei hatte. Okay, er schrieb ja sowieso nicht mit. Da wir ein paar gemeinsame Kurse hatten, wusste ich auch, dass er trotz dieser Tatsache auf jede Frage eine richtige Antwort hat. Er redet zwar nicht viel, aber was aus seinem schönen Mund heraus kommt, reicht. Ich stehe schon viel zu lange hier mit ihm herum, wie mir jetzt klar wird. Einige Mitschüler sind sogar schon stehen geblieben und tuscheln miteinander. Großartig. Einfach Großartig. Schnell packe ich meine Tasche fester und laufe Richtung Eingang. Auf Gerüchte habe ich überhaupt keine Lust. Ich habe immer versucht unauffällig zu sein. Da eine Rossero nicht unauffällig sein kann, habe ich es schnell aufgegeben und wenigstens versucht, ein gutes Bild von mir zu machen. Die anderen Schüler kennen mich als fleißiges und nettes Mädchen, dass nie etwas Unrechtes tun würde. Wenn die wüssten. Ich versuchte jedenfalls schnell weg zu kommen und mich in das schützende Klassenzimmer zu retten.
Wie immer sitze ich in der letzten Reihe. Alleine. Vielleicht mag man jetzt denken, dass das nicht zusammen passt, aber das Gegenteil ist der Fall. Hier hinten habe ich den perfekten Überblick und die Lehrer werden nur auf mich aufmerksam, wenn ich das wirklich möchte. Außerdem muss ich hier mit niemandem Konversation betreiben, auf die ich ohnehin keine Lust habe. Ich erspare mir also viel Stress und die Lehrer denken ich wäre einfach schüchtern. Sollen sie denken. Ich, total in meinen Gedanken vertieft, bekomme da natürlich nicht mit, wie das Schicksal mir einen Streich spielt. Erst, als es schon zu spät ist. Unsere Lehrerin für Biologie fängt gerade damit an, uns irgendetwas über Genetik zu erklären, da kommt Alejandro Ventura in die Klasse. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass er Bio nicht mit mir hat. Schockiert starre ich ihn an. Seine Lederjacke hält er nun lässig in der Hand. Nur noch ein weißes enges T-Shirt präsentiert seinen muskulösen Oberkörper. Sein Blick ist nicht zu deuten und seine dunklen Augen scheinen etwas zu suchen. >>Ich gehe ab heute in diesen Kurs.<< Ist seine knappe Antwort auf den fragenden Blick der Lehrerin. Dann reicht er ihr noch einen Zettel und kommt zu mir herüber geschlendert. Als wäre es völlig normal, lässt er sich neben mir nieder und achtete nicht länger auf unsere junge Lehrerin, die Alejandro hinterherschmachtet. So wie es fast alle weiblichen Wesen tun. Er sieht aber auch echt gut aus. Dazu kommt das Verbotene, dass er ausstrahlt und das jede Frau weich werden lässt. Alejandro sucht kurz meinen Blick. >>Dein Vater hat heute morgen den Direktor angerufen und ihn gebeten, mich in deine Kurse umzuschreiben. << Ist Alejandros knappe Erklärung auf den Untergang meiner Welt. Ihm scheint es gar nicht aufzufallen, dass er von den Frauen angestarrt wird. Oder es ist ihm egal. Jedenfalls lehnt er sich lässig zurück und sieht nach vorne.
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