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01

Immer wieder und wieder sage ich es mir, murmele ich es vor mich hin, während ich den geschlängelten Pfad zum Strand hinuntertaumele: Er ist da unten. Leibhaftig! Wann, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht heute? Wann, wenn nicht in diesem Leben? Das ist dein Tag! Pack das Glück beim Schopfe!

Ich bleibe stehen. Aus Richtung der Dünen, rechts von mir, dringen Laute an mein Ohr. Ein Kichern und Glucksen. Jemand flüstert: Sei leise! Da ist jemand! Muss keiner mitkriegen, dass wir zwei hier ...

Ich will gar nicht wissen, welche zwei sich da befummeln. Vom Strand weht ein eisiger Wind zu mir herauf, nestelt an meinen hochgesteckten Haaren, droht sie aufzuflechten. Ich ziehe den Schal über den Mund und den Reißverschluss der Jacke bis an den Anschlag. Mir ist immer noch kalt. Wer hatte nur diese wahnwitzige Idee? Eine Jahrgangsfahrt an die Ostsee, im Februar? Carmen, Jule und die anderen Mädels sitzen oben im Bungalow und wärmen sich am Kamin. Nach der siebten Uno-Runde verließ mich die Lust, die Gespräche waren längst bei ihm angekommen. Er und die anderen Jungs, unten am Strand. Wann, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht heute? Nele, trau dich! Geh runter, sag 's ihm! Mehr als eine Abfuhr kannst du nicht, mehr als einen Korb kann er dir nicht, das Schuljahr ist kürzer als wir alle denken, und so weiter, und so fort. Ohne den Rotwein im Blut hätte ich mir nie die Stiefel angezogen, hätte mir nie den Mantel übergestreift, den Schal umgebunden, das warme Haus verlassen, wäre niemals hinunter zum Wasser gegangen.

Es ist dunkel. Zu dunkel für meinen Zustand. Die Orientierung fällt mir schwer. Ich sehe das Meer glitzern, sehe Wellen brechen. Kaum Wolken am Himmel, der Mond beinahe eine volle Scheibe. Ich greife in die Manteltasche, erfühle das kühle Metall der feinen Kette, die Form des zierlichen Schlüssels aus Silber. Die Mädels wissen nichts davon. Ist besser so. Was wird er sagen, wenn ich sie ihm umhänge? Wird er sich freuen? Wird er überrascht sein? Ganz bestimmt! 
Ich bin verrückt, ich ticke nicht richtig. Ich hätte die Weinflasche mitnehmen sollen, um mir noch mehr Mut anzutrinken. Wenn die Sache in die Hose geht, kann ich alles auf meinen Zustand schieben. Tut mir leid, habe mich vertan! Bist der Falsche! Meinte jemand anderen! Sorry!

Kann mir mal jemand das Gehirn abstellen? Hör auf zu zweifeln, Nele! Was war das denn auf Coras Party neulich, wer ist denn den ganzen Abend um dich rumgeschlichen, hat dir Cocktails gebracht, dich mit Leckereien vom Buffet versorgt? Wer hat dir unentwegt schöne Blicke zugeworfen? Er war es, Cedric. Cedric Baumann. Okay, später hat er nur noch mit seinen Kumpels rumgehangen, hat sich volllaufen lassen und dummes Zeug gegrölt, hatte plötzlich kein Auge mehr für dich. Aber vorher, da lief doch was! Da waren doch diese mollig warmen Schwingungen in der rauchgeschwängerten Partyluft! Ich bin doch nicht blöd! Verrückt, okay, aber doch nicht blöd!

Der Mond lukt hinter der Wolke hervor. Es ist jetzt nicht mehr ganz so dunkel. Ich drehe mich um, sehe meinen Schatten auf dem Sandweg. Weiche Ränder, leicht gewellt, verzogen. Ich muss mich konzentrieren. Der Wein wirkt stärker als ich vermutet habe. Ich vertrage nichts. Mir ist schwindelig. Noch vier, fünf Schritte, dann fällt der Weg steil ab. Heute Vormittag haben wir uns hier heruntergekugelt. Kinn auf die Brust, die Beine eng an den Körper gezogen, die Arme drumherum geschlungen. Cora hat vor lauter Lachen vergessen, den Mund zu schließen und hinterher Sand gespuckt. Martin hat Coras Schuh ins Gesicht bekommen und eine rote Schramme unterm Auge davongetragen. Cedric hockte oben auf der Düne und kaute Seegras. Grinsend. Ich könnte schwören, dass er mich beobachtet hat. Interessiert. Neugierig. Nur für ihn habe ich den roten Wollmantel getragen. Ob er es gecheckt hat? Rot. Rot wie die Liebe?

Sie haben ein Lagerfeuer entzündet. Flammen zucken in den klaren Himmel. Funken so flink wie Glühwürmchen tanzen über den Strand. Das Meer rauscht seine Melodie, immer wieder gleich, sich ständig wiederholend, und doch so sanft und wunderschön. Nele, du bist betrunken, und was du hier vorhast, ist der blanke Wahnsinn! Du machst dich zum Gespött des Jahrgangs, ach was, zum Gespött der ganzen Schule! Ich greife mir ins Haar, versuche, meine Frisur wieder in Ordnung zu bringen, während ich vorsichtig, in Minischritten, den Sandhang hinunterstapfe.

Kurz bevor ich unten ankomme, trete ich auf etwas Hartes, mein rechter Fuß knickt um, ich stürze nach vorne und lande mit dem Gesicht im feuchten Sand. Plötzlich wird mir hundeübel. Jetzt nicht noch kotzen, Nele! Nicht noch kotzen! was für eine peinliche Nummer! Ich drehe den Kopf, starre zum Feuer hinüber. Niemand hat mich gesehen, weil niemand mich sehen kann! Was ist hier los? Wollten sie nicht alle hier sein? Martin, Jan, Timo, Sandra, Sam, Cedric, und alle anderen aus Haus Zwei?

Ich rappele mich hoch und klopfe mir den Sand aus den Klamotten. Ich ziehe den linken Stiefel aus. Wie ist die Muschel da reingekommen? Als ich den Stiefel wieder anziehe, fällt mein Blick erneut auf meinen Schatten. Ein Vollmondschatten, doch ist er nicht mehr allein. Ein zweiter Schatten hat sich dazugesellt, etwas heller, mit einem rötlichen Stich. Flirrender, unschärfer, schwer zu fixieren. Ich hebe den Kopf und blicke die Küstenlinie hinunter. Und jetzt sehe ich sie. Mit hochgereckten Smartphones stehen sie da und fotografieren und filmen, was dort über dem Horizont hängt: Ein Ding. Scharf konturiert, symmetrisch. Ausladend wie eine Tsunamiwelle, dunkel , ein Riss im Himmel. Die fiebernde Ausgeburt eines schlechten Gruselstreifens. Millionen Lichtpunkte am Bauch. Grellrotes, ins Orange spielendes Licht, gegen das der Sonnenuntergang von vorhin der reinste Witz war. Die Übelkeit wird unerträglich.

„Hol die anderen, Nele! Das müssen sie sehen! Hol die anderen!"

Es ist Martin. Er gestikuliert so wild mit den Armen, dass ich fürchte, sie könnten ihm vom Rumpf fallen. Hinter mir höre ich Stimmen. Zwanzig, dreißig Leute, die ich nicht kenne, bewaffnet mit Kameras und grell leuchtenden Handys. Sie rennen zum Wasser, dann den Strand hinunter zu den anderen.

„Habt ihr sowas schon mal gesehen? Das gibt 's nicht! Das gibt 's einfach nicht!"

Weiße Lichtschlieren. Blitze. Aufgeregtes Geschnatter. Ungläubige Rufe. Offenstehende Münder. Für einen Moment vergesse ich die Kette mit dem Schlüssel, vergesse ich Cedric, vergesse ich, weshalb ich hier bin, vergesse ich meinen Namen.

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