Prolog - Part 1/2
Zwei Länder. Zwei Länder von über sechzig.
7053 Soldaten. 7053 von mehr als vier Milliarden Menschen.
3403 Soldaten und 3650 Soldaten.
Da kommt man sich doch irgendwie unbedeutend vor...
„NIEMAND ist unbedeutend! JEDER von euch zählt, wenn wir den FEIND besiegen wollen!"
Da hilft auch das Geschrei des Ministers nicht. Es ist im Grunde noch unbedeutender, weil er hier im sicheren Schloss bleibt.
„JEDER von euch kann uns zum SIEG führen! KÄMPFT für euer LAND!"
Die Gesichter der anderen Soldaten sind alle nach vorne gerichtet. Begeistert von der Rede.
„Lasst die TODE nicht UMSONST gewesen sein! VERSPRECHT - SCHWÖRT! -, dass ihr für sie WEITERKÄMPFEN werdet! Dass ihr SIEGEN werdet! Für eure KAMERADEN!"
Es wäre vermutlich eine ziemlich gute Rede, wenn ich eine andere Einstellung hätte. Die Neuen sind begeistert. Sie strotzen vor Motivation und Kampfeswille. Sie sind bereit, ihr Leben für den König – für ihr Land – zu geben.
„Und vergesst nicht, dass WIR im RECHT sind! WER hat zuerst angegriffen?"
„DIE!", hallt es im Chor. Die Rufe der Neuen sind begeisterter, als die der Anderen.
„WER wird VERNICHTET werden?"
„DIE!"
„WER wird diesen Kampf GEWINNEN und ÜBERLEBEN?"
„WIR!"
Es klingt wie einstudiert. Nur die Neuen glauben an das, was sie sagen. Der Rest von uns hat das schon zu oft gehört. Es ist doch immer wieder dasselbe.
Eigentlich gibt es doch nur eine Sache, für die es sich zu kämpfen lohnt...
„Ziemlich träge hier, nicht wahr?", flüstert mir der Hauptmann von hinten ins Ohr.
„Nicht anders als sonst", murmele ich, ohne die Lippen zu bewegen.
„Hoffentlich ist das Abendessen warm", fährt er gelangweilt fort.
„Das wäre ziemlich überraschend", sage ich desinteressiert.
„Die Küche ist eben auch nicht mehr das, was sie einmal war", seufzt der Hauptmann.
„Die vielen Ansprachen über die 'Ach so tapferen Soldaten' müssen auf Dauer wohl auch langweilig werden", erwidere ich, den Blick unentwegt auf den Minister gerichtet.
Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge. Schnell verstumme ich und richte auch meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.
Mit entschlossenen Schritten betritt der König das Podest. Für alle gut zu sehen läuft er zum Minister. Der rote Mantel um die Schultern gelegt, das feine Seidenhemd unverkennbar die Arbeit der besten Schneider im Schloss. Die braunen Stiefel sind so sauber, als wären sie brandneu. Aber das stimmt nicht. Er verlässt das Schloss nur nie.
„Meine tapferen Soldaten", seine Stimme hallt über den ganzen Platz, lässt jedes noch so leise Gespräche verstummen. „Ihr kämpft schon so lange. Meine Gedanken sind mit euch, während ihr eure Leben riskiert, auch wenn ich es leider nicht sein kann."
Interessiert horche ich auf. Alles ist besser, als die langweilige Einöde, der wir uns tagtäglich stellen. Sogar der Kampf auf Leben und Tod wird mit der Zeit eintönig.
„Doch ich versichere euch, dass euer Leiden bald ein Ende hat!"
Begeistertes Gemurmel geht durch die Reihen, verstummt aber bald wieder.
„Wir werden diesen Krieg beenden! Und wir werden siegen!"
Überrascht runzele ich die Stirn. Wie will er das anstellen?
„Wir kämpfen hier für eine gerechte Sache. Wir kämpfen um unser Leben. Um das Leben aller Menschen in diesem Land. Wir kämpfen, um ihr Leben besser zu machen!"
Die Gesichter der neuen Soldaten fangen an zu strahlen. Das ist alles, was sie sich je erträumt haben.
„Und deshalb werden wir das Schwert der Gerechtigkeit Illmande aus unseren Schatzkammern holen. Derjenige, der es ziehen kann, wird uns in die alles entscheidende Schlacht gegen das Nachbarland führen, aus der wir siegreich hervorgehen werden!"
Erstauntes Gemurmel macht sich breit. Das Schwert Illmande ist legendär. Es heißt: „Nur wer für eine gerechte Sache kämpft und ein Herz rein von Hass besitzt, kann es ziehen."
„Ich habe gehört, man kann damit sogar die Erde kontrollieren", flüstert jemand schräg rechts.
„Also hatte es die ganze Zeit der König?", höre ich jemand anderen sagen.
„Damit werden wir sicher gewinnen!"
„Was hältst du davon?", fragt mich der Hauptmann leise. Ich kann seinen warmen Atem in meinem Nacken spüren.
„Ich weiß nicht. Er spricht die ganze Zeit von 'wir'. Aber er macht gar nichts. Er wälzt einfach nur die Verantwortung der letzten Schlacht auf einen einfachen Soldaten ab", sage ich mit gesenkter Stimme, sorgfältig die Soldaten in meiner Umgebung beobachtend. Was ich hier sage, könnte mich ins Gefängnis bringen.
„Vielleicht kann es auch niemand ziehen", erwidert er Hauptmann. Er ist meine freie, gefährliche Meinung gewohnt. Und er teilt sie. Zumindest die meiste Zeit.
„Oder es ist nur ein gewöhnliches Schwert", gebe ich zu bedenken.
„Oder das."
Die Schlange ist voll von aufgeregten, begeisterten und hoffenden neuen Soldaten. Einige davon sind älter als ich, doch haben keinerlei Erfahrung auf dem Schlachtfeld. Die neue Besatzung ist erst heute von der Ausbildung zu uns gestoßen.
Man kann bereits an den Gesichtern erkennen, wer neu ist und wer nicht. Die Erfahrenen sehen beinahe müde aus, im Angesicht der Enthüllung des Schwertes. Nur langsam rückt die Schlange vorwärts.
3650 Soldaten. Und wenn man im hinteren Viertel steht, dann kann man sich genauso gut gleich auf dem Hof verteilen und die Stunden für etwas anderes nutzen.
Ich habe Illmande erst einmal gesehen. Es ist ein Schwert für Zweihänder. Die Hülle ist abgenutzt, doch der Griff funkelt, als sei es wirklich so magisch, wie die Legende behauptet. Niemand hat je seine Klinge gesehen. Zumindest niemand, der heute noch am Leben ist.
Der König steht neben dem Minister und beobachtet, wie die Soldaten vergeblich versuchen, das Schwert aus der Scheide zu ziehen. Unter ihren prüfenden Blicken trete ich vor und nehme das Schwert entgegen.
Es ist schwer, aber dieses Gewicht bin ich gewohnt. An meinem Gürtel hängt ein Einhänder von demselben Gewicht. Der Griff ist rau und liegt gut in der Hand. Von Nahem sieht die Hülle noch abgenutzter aus. Risse und Kratzer zieren das dunkle Leder, das trotz allem nichts von seiner mysteriösen Aura verloren hat.
Resigniert ergreife ich mit einer Hand die Scheide und mit der anderen den Griff und ziehe ...
Aber nichts passiert. Das Schwert steckt fest in der Hülle. Ohne einen weiteren Versuch gebe ich es an den Schatzmeister zurück, verneige mich vor dem König und verlasse den Hof.
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