21| Ein Zeltplatz-Pakt und Eifersuchtsdramen
Nach dem Frühstück wollten wir eigentlich aufbrechen, schließlich wollten wir heute wieder unser Tagesziel erreichen, aber Mikas hielt uns zurück. "Wie wäre es, wenn wir eine Art Pakt schließen?" Wir alle sahen ihn etwas irritiert an, ehe er fortfuhr: "Lasst uns doch einen Tag und einen Treffpunkt ausmachen, an dem wir uns auf einem Campingplatz wieder treffen. Ich wollte zwar erst komplett alleine reisen, aber mit euch macht es doch wesentlich mehr Spaß. Ich bezahle euch auch die Kosten fürs Zelten, ich weiß ja, dass euer Budget nicht unbegrenzt ist." "Wie wäre es, wenn wir uns direkt heute Abend wieder treffen, wir zumindest kommen dann an einem Campingplatz vorbei", nuschelte Philip in sein Handy vertieft. "Zeig mal", meinte Mikas und nahm ihm das Smartphone aus der Hand. "Das sind zwar nur zwanzig Kilometer und die sind mit dem Auto schnell erreicht, aber dann vertreib ich mir die Zeit einfach ein wenig in Eindhoven." "Aber du musst uns den Campingplatz nicht bezahlen, wir würden das wohl auch noch selbst hinbekommen", warf ich ein, aber der junge Mann ließ sich nicht von seiner Idee abbringen. "Nein, nein, schon gut. Ich bezahle euch das gerne. Und ich schätze mal, ihr wollt nicht mit mir fahren, sondern lieber wandern, ich nehme euch aber natürlich gerne mit, wenn ihr wollt." "Ich glaube, wir laufen tatsächlich lieber, aber danke", warf Sara ein und bekam dabei ein leicht rotes Gesicht. Innerlich schüttelte ich den Kopf über die Tatsache, dass sie sich so schnell in jemand wildfremdes verliebt hatte, bis mir wieder einfiel, dass das gleiche zwischen mir und Elian passiert war und verwarf den Gedanken schnell wieder.
Als wir uns fertig geeinigt hatten, standen alle bis auf Mikas und Philip auf. Der Journalist meinte: "Ich wollte noch ein bisschen mit unserem neuen Freund hier quatschen, fangt ruhig schonmal an. Aber lasst meine Sachen ruhig stehen, ich mache das nachher selbst." Der Boxer antwortete: "Ja, ist okay. Aber verquatsch dich nicht, sonst kommen wir heute nirgendwo mehr an." Philip nickte nur und wir gingen zurück zu unserem Stellplatz.
Sara fing sofort an, ihre Sachen zusammenzupacken und Elian kniete auch schon vor seinem Rucksack, um nachzuschauen, was er noch vergessen hatte. Langsam hatten wir uns daran gewöhnt, jeden Tag weiterzuziehen und es machte uns immer weniger aus, jeden Tag aufs Neue alles ein und auszupacken. Ich kniete mich neben den Boxer und flüsterte ihm ins Ohr: "Wolltest du mir nicht noch was zeigen?" Erst wirkte er verwirrt, doch dann schien ihm ein Licht aufzugehen und er zog mich hinter sich ins Zelt. "Du wolltest mir doch noch die Zeichnung zeigen", sagte ich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Er grinst ebenfalls und sagte: "Stimmt du hast recht, ich hätte es fast schon wieder vergessen." Dann kniete er sich hin und zog unter seinem Schlafsack seinen Zeichenblock hervor. Er blätterte ein wenig darin herum und holte schließlich mit einem geheimnisvollen Gesichtsausdruck das große Blatt Papier hervor. Ich war unfassbar gespannt, wie die Zeichnung nun aussehen würde. Noch hielt er sie verdeckt an seiner Brust und ich fragte mich, was ihn davon abhielt, mir das Blatt zu geben. Dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht und er sagte nach einigen Sekunden der Stille: „Ich zeige sie dir unter einer Bedingung." „Als da wäre?", fragte ich leicht verunsichert. Das Grinsen auf seinen Lippen wurde immer breiter und fast konnte ich mir schon denken, was er vorhatte. Er legte die Zeichnung wieder zur Seite und trat einen Schritt näher an mich heran. Seine Hände umschlossen sanft meine Hüften und ich konnte seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüren, während sich unsere Gesichter immer näherkamen. „Als Dank möchte ich einen Kuss von dir", raunte er mit tiefer Stimme. Ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen, denn wie er dort so stand, mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht und mich um einen Kuss bittend, sah einfach zu witzig aus. Er hob kurz seine Augenbraue, denn ihn schien mein leises Kichern etwas verwirrt zu haben. Doch dann kehrte er wieder zu seinem breiten Lächeln zurück und schließlich legte ich meine Hände um seinen Hals, stellte mich ein bisschen auf die Zehenspitzen und vereinte unsere Lippen letztendlich miteinander. Sein Bart kratzte um meine Mundwinkel herum, aber das störte mich recht wenig, Ich genoss eher die starke Anziehung, die zwischen uns lag.
Schon nach kurzer Zeit beendete ich den Kuss wieder, denn ich war einfach zu gespannt, seine Zeichenkünste zu sehen. Elian schien Zeit schinden zu wollen, denn er hob das Blatt extra langsam vom Boden auf und schob es zu mir herüber, wenn auch eher widerwillig. „Wovor hast du Angst?", fragte ich, als er immer noch zu zögern schien. „Ich habe Angst, dass es dir nicht gefällt. Und dass du dann enttäuscht von mir bist. Wahrscheinlich ist meine Reaktion komplett übertrieben, aber ich mache mir einfach viele Gedanken über die Reaktionen anderer. Vor allem, wenn mein Gegenüber mir so wichtig ist wie du. "Ich schüttelte einfach nur den Kopf, denn eine gute Antwort fiel mir nicht ein. Ich nahm ihm das Blatt aus der Hand, drückte schnell einen zärtlichen Kuss auf seine Lippen und beschwichtigte ihn flüsternd: "Die Zeichnung wird wundervoll sein. Du brauchst dir nicht so viele Gedanken zu machen. Und was wäre ich für eine schlechte Freundin, würde ich dich sonst nicht mehr lieben." Dann drehte ich das Blatt um und ich spürte, wie mir das Herz bis zum Hals schlug, so gespannt war ich. Ich blickte einer hübschen jungen Frau ins Gesicht, die mich direkt anstrahlte. Das Bild war perfekt! Anders ließ es sich nicht beschreiben. Elian hatte mit großer Sorgfalt gezeichnet und Schatten, sowie kleine Details eingearbeitet. Mir fehlten die Worte, ich war schlichtweg gerührt. Ich hatte das Gefühl, dass er nicht nur mein Aussehen, sondern auch meinen Charakter in der Zeichnung eingefangen hatte.
Der Boxer schien zu glauben, dass ich das Bild nicht mochte, und er ging an mir vorbei in Richtung Ausgang. Doch ich hielt ihn am Arm zurück, legte die Zeichnung kurz zur Seite, um sie nicht zu verknicken und stellte mich ihm gegenüber. „Willst du mir jetzt noch ins Gesicht sagen, dass du die Zeichnung hässlich findest?", fragte er und die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Hör mir doch erst einmal zu", sagte ich ruhig und sah ihm tief in die Augen. Dann nuschelte ich leise in Richtung seines Ohrs: „Es ist wunderschön. Du musst nicht immer vom schlimmsten ausgehen. Und selbst, wenn das Bild mir nicht gefallen hätte, wäre eins immer noch klar: Ich liebe dich, Elian." ich schaute ihn immer noch an, seine Augen waren in der Zwischenzeit glasig geworden und dann strich er mir völlig unvermittelt über die Wange. Einen kurzen Moment später hörte ich ihn leise schniefend sagen: „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich gerade bin." Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, lauschte seinem Herzklopfen und spürte, wie er leicht seine muskulösen Arme um mich schloss und mich ohne ein weiteres Wort einfach festhielt.
Die Wärme seines Körpers entspannte mich und ich fühlte mich bereit für einen neuen Tag voller Abenteuer. Plötzlich fiel mir wieder ein, dass wir noch einiges zu tun hatten und Sara irgendwann auch misstrauisch werden würde, wenn wir für einen längeren Zeitraum im Zelt verschwinden würden. Schließlich wusste immer noch niemand von unserer Beziehung und wir wollten es so lange wie möglich geheim halten. Ich tippte den Muskelberg an, deutete mit dem Finger in Richtung Ausgang und wir machten uns daran, vor dem Zelt weiter unsere Sachen zusammenzupacken. Sara schien zu unserem Glück nicht bemerkt zu haben, was im Zelt vor sich gegangen war, denn sie war mit dem Packen ihrer eigenen Sachen beschäftigt.
Nachdem unsere Rucksäcke wieder prall gefüllt waren, schaute ich noch einmal kurz zu Sara und stellte fest, dass sie irgendwie bedrückt aussah. Ich ging zu ihr herüber und fragte, ob alles okay war. Sie nickte nur, aber ich merkte, dass das nicht stimmte. Also fragte ich noch einmal: "Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du wirkst nämlich nicht so." Sie schüttelte nur traurig den Kopf und erwiderte: „Ach es ist schon okay. Mach dir mal keine Gedanken." „Doch, ich mache mir Gedanken. Und natürlich musst du mir nicht sagen was los ist, aber ich würde dir gerne helfen." Sie nickte noch einmal und zog mich dann bei der Hand zu sich ins Zelt. Ich schaute noch einmal zu Elian, der erst mit den Schultern zuckte und dann wie zur Bestätigung seinen Daumen nach oben reckte. Ich tat es ihm gleich und zog dann den Reißverschluss des Zeltes zu.
„Was ist denn passiert?", fragte ich. Sie antwortete mit hängenden Mundwinkeln: „Es ist nur..." Dann stockte sie kurz, setzte aber einen Moment später erneut an: „Es ist wegen Mikas. Na ja, er wirkt ja schon ganz nett. Aber ich komme einfach nicht an ihn heran, denn er verbringt viel mehr Zeit mit Philip. Ich bin so neidisch. Ich weiß, dass man das bei Freunden nicht sein sollte, aber ich bin es trotzdem." Eine Weile sagte ich nichts, ich hatte es mir fast schon gedacht. Dass sie Mikas attraktiv fand, war fast schon nicht mehr zu übersehen gewesen. Und dass Philip gerade so viel Zeit mit ihm verbrachte war auch auffällig. Ich fragte mich, ob nicht zwischen ihnen etwas lief, obwohl sie sich erst für eine kurze Zeit kannten und der Journalist so oft betonte, dass er eigentlich auf Sara stand. Schließlich antwortete ich: „Ich kann dich irgendwie verstehen. Mich wundert es auch, dass Philip und Mikas so viel Zeit miteinander verbringen. Aber ich fürchte dir bleibt nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren, doch du musst dich nicht dafür schämen, dass du eifersüchtig bist. Vielleicht kann Elian ja mit Philip von Mann zu Mann reden und dann werden wir ja sehen. Du kannst an der Realität sowieso nichts verändern, deswegen lohnt es sich auch nicht, sich so viele Gedanken zu machen, auch wenn ich weiß, dass das viel leichter gesagt als getan ist." Sie nickte nur, schien aber erfasst zu haben, was ich ihr sagen wollte. Sie nuschelte ein leises "Danke" und ich nahm mir vor mit Elian zu sprechen.
Ich verließ das Zelt wieder und ging geradewegs auf den Boxer zu, der gerade damit beschäftigt war, die Wäsche von den Leinen des Zeltes zu lösen. Ich kam direkt zur Sache: „Ich glaube, du musst mal mit Philip sprechen." „Wie jetzt?", fragte er völlig verwirrt. „Sara findet Mikas toll, der verbringt aber lieber Zeit mit Philip und ich habe langsam das Gefühl, dass die beiden etwas füreinander empfinden, obwohl Philip die ganze Zeit meint, dass er Sara attraktiv findet."
"ZVI. Zu viel Information", murmelte Elian und rollte mit den Augen. „Also nochmal. Wer findet jetzt wen attraktiv und warum?", fragte der Muskelberg, um sich einen Überblick zu verschaffen. „Sara ist sauer auf Philip, weil er viel Zeit mit Mikas verbringt. Allerdings hat sie sich in Mikas verknallt und hat jetzt Angst, dass er schwul ist und eine Beziehung mit Philip hat, zumindest wenn ich das richtig verstanden habe." „Okay, ich glaube jetzt habe ich es verstanden. Ich kann mal mit Philip unter vier Augen reden, auch wenn ich nicht sehr überzeugt davon bin, stille Post zu spielen. Ich fühle mich ja fast wie im Kindergarten, schließlich können die anderen das auch eigentlich unter sich lösen." „Da hast du auch wieder recht. Vielleicht ist es besser, wenn wir abwarten, dass Philip wieder zurückkommt und dann lassen wir Philip und Sara einfach alleine vorgehen und wir gehen alleine hinterher. Dann haben die beiden Ruhe und Raum um sich auszusprechen und wenn sie das nicht von selber hinkriegen, ist das eben ihr Problem und wir haben mit der Sache eigentlich gar nichts zu tun", schlug ich vor. Elian nickte und damit war die Diskussion beendet.
Wir hängten gemeinsam die restliche Wäsche ab, die durch die warme Sommerluft schon getrocknet war und machten uns schließlich daran, unser Zelt abzubauen. Philip war immer noch nicht aufgetaucht. Als auch unser Zelt fertig abgebaut war, fingen wir langsam an, uns ein wenig Gedanken um das Großmaul zu machen. Wir gingen hinüber zu Sara, die gerade auch mit dem Gestänge ihres Zeltes kämpfte und halfen ihr beim Abbauen. „Ich finde, wir sollten unseren Journalisten bald mal zu suchen anfangen, sonst kommen wir ja nie los", warf ich ein und nachdem auch das zweite Zelt sicher verstaut war, machten wir uns auf den Weg zu Mikas Wohnwagen.
Dort angekommen saß niemand mehr draußen unter dem Sonnenschirm, unter dem wir noch eine Weile zuvor gefrühstückt hatten. Also ging ich die kleine Treppe zur Tür hinauf und klopfte. Zuerst öffnete niemand, doch als ich zum zweiten Mal meine Hand erhob, um sie gegen die Tür zu hämmern, ging sie auf und das Gesicht des Blondschopfs lugte hinaus. „Ja, was gibt es?", fragte er und Elian antwortete hinter mir: „Wir wollten so langsam mal los, unsere Sachen sind schon komplett gepackt und wir wollten dich ungern alleine lassen." Der Journalist nickte, antwortete mit einem „Gebt mir fünf Minuten und ich bin da." und schloss kurz darauf die Tür. Wir gingen zurück zum Zeltplatz, doch Sara schien sich immer noch nicht beruhigt zu haben. Vielleicht hatte sie die strubbeligen Haare des Großmauls gesehen, die beim Frühstück noch glatt gekämmt gewesen waren.
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