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„Ich werde sehen was sich machen lässt, aber ich lasse mir nichts befehlen. Ich bin niemand der Befehle entgegen nimmt, klar? Es gibt nur eine Situation in der ich so etwas machen würde und dazu brauche ich einen dominanten Part." Ihre Stimme hat nichts mehr spielerisches und er hat das Gefühl dass sich ihre eh schon dunkelbraunen Augen eher einem tiefen Schwarz angeglichen haben. Dennoch weiß er wie sie ungefähr funktioniert und wie sie auf bestimmte Dinge reagiert. Eine Herausforderung wird darin enden dass sie sie annimmt, warum nicht provozieren? „Einen dominanten Part... für welche Tätigkeit, wenn ich die Frage stellen darf?" Ein wenig überrascht dass er nicht einknickt, mustert sie ihn von oben bis unten, ehe ihr linker Mundwinkel hochgeht. „Eine private Tätigkeit, werter Alnasir. In der du nicht teilnehmen wirst." Sie weiß dass er ein bisschen was für sie übrig hat, deswegen funktionierte das von heute Nachmittag so gut. Aber auch wenn von seiner Seite Interesse besteht, von ihrer Seite aus nicht. „Sag mir die Tätigkeit und ich werde mal sehen ob ich darin nicht als Freiwilliger teilnehmen werde." Während er sich noch ein wenig nach vorn beugt, gibt Charly Sitara mit der Hand das Zeichen ruhig zu bleiben. Das leise Knurren ist durch die entstandene Stille deutlichst zu hören. „Ich werde nicht mit dir ins Bett steigen, Alnasir. Willst du die Gründe dafür hö-" Vor lauter Überraschung reißt sie ihre Augen auf und erstarrt, während er die Chance genutzt hat und seine Lippen auf ihre presst. Bis ihr Hirn umschaltet vergeht die ein oder andere Sekunde und erst dann drückt sie ihn von sich weg. „Spinnst du?! Hat dir die Wüstenhitze das Hirn verbrannt?!" Charly springt von ihrem Stuhl auf und wischt sich den Mund ab. Starrt ihn stinksauer und auch irgendwie verwirrt an. Der Pharao richtet sich auf und ist im ersten Moment selbst verwirrt, ehe seine Augen groß werden. „Ich- Es tut mir leid!" Er hat das Geschenk der Götter einfach geküsst. Er hat sie und ihre Privilegien einfach so missachtet. Alnasr ist von sich selbst geschockt, dass er seiner Begierde einfach so nachgegangen ist, obwohl sie klar gemacht hat dass sie nicht dafür offen ist. Überrascht zuckt er auf die Seite als ein Brüllen und eine schnelle Bewegung von links seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sitara hat die Ohren angelegt, das Nackenfell ist gesträubt und die Reißzähne sind gebleckt. Charly weiß gar nicht was sie davon halten soll und ist überfordert. Ihr gesamter Körper und ihr Kopf, beides ist in einem Abwehrmodus und sie hat das Gefühl weg zu müssen. „Sitara! Komm her." Nichts. „SITARA!" Erst auf das hört sie und geht zu Charlette. Sie lässt Alnasr aber nicht aus den Augen und ihr Schweif, der normalerweise herumschlägt wenn sie sauer ist, zeigt aufgrund der Stille an dass sie hochkonzentriert ist. „Charly, es tut mir wirklich leid. Ich-" Ein zweites Mal wird er überrascht als ein Zischeln die Aufmerksamkeit der drei Anwesenden auf sich zieht. Aus einer Ecke schlängelt sich eine fast zweieinhalb Meter lange Schlange hervor, das Nackenschild gespreizt. „Charly! Bleib ruhig! Beweg dich nicht!" Der Pharao weiß dass Schlangen sich bewegende Dinge eher als Bedrohung ansehen als wenn man still bleibt. Er muss es schaffen sie abzulenken! Dann kann er ihr eine auf die Schnauze geben, sie verwirren und sie am Kopf packen bevor sie zubeißt. Aber wie macht er das am besten? Wie- „Charly!" Entsetzt sieht er mit an, wie sie bis auf einen halben Meter vor die Schlange geht und den Kopf schief legt. Die blauhaarige runzelt die Stirn. „Gut, entweder ich bin gleich tot oder so! Aber... ich kann mich dunkel daran erinnern dass- Doch, ich glaube das warst du, nicht wahr?" Wie soll er sie von der Kobra wegziehen?! Wie kommt dieses riesige Tier überhaupt in sein Zimmer! Ist das ein Anschlag gewesen? „Charly, geh weg. Schlangen sind keine guten Zeichen und sie sind schon immer die Anzeichen von bösen Göttern gewesen. Geh nicht zu nah an sie heran sondern komm her!" Sie hingegen starrt die Schlange an und geht in die Hocke. „Hast du eine Ahnung dass ich kurz davor stehe dich zu streicheln? Egal ob giftig oder nicht, aber du bist die von damals, habe ich recht? Du hast mir geholfen." Ihre Mundwinkel gehen hoch als das Nackenschild langsam eingeklappt und kurz gezüngelt wird, ehe sich das Tier in Bewegung setzt. „Charly...? CHARLY!" Alnasr ist vor Angst selbst gelähmt und sieht mit an, wie die Schlange sich zu der blauhaarigen hinbewegt und an ihr hinaufklettert. Charlette sieht amüsiert dabei zu und lacht kurz, als der Kopf der Kobra wieder vor ihrem ist. „Ich bin immer noch der Meinung dass du keine normale Schlange bist." Vorsichtig hebt sie ihre Hand und für einen Moment ist der Nackenschild wieder gespreizt! Doch sinkt erneut in sich zusammen als sie ihre Hand nur langsam bewegt und sie schlussendlich auf dem Kopf der Schlange ruht. „Und? War das jetzt so schlimm?" Lächelnd lässt sie ihre Hand über den Kopf und den Nacken gleiten, ehe sie sie wieder hebt und es immer wieder macht. „Keine normale Schlange verhält sich so. Also wer oder was bist du?" „CHARLY!" Alnasr hat sich aus seiner Schockstarre befreit und läuft auf sie zu. Das wiederum gefällt der Schlange offensichtlich nicht und faucht drohend, was ihm aber egal ist. Er streckt seine Hand nach der Schlange aus, die aber um einiges schneller ist. Sie weicht mit ihrem Kopf aus und beißt zu. Mit zusammengekniffenen Augen wartet der Pharao auf den Schmerz, der aber nicht auftaucht. Vorsichtig öffnet er die Augen wieder, die im nächsten Moment riesengroß werden.
„Charly!" Charlette starrt auf ihre eigene Hand, aus welcher die Kobra gerade die Zähne zieht. Aus Reflex hat sie ihren Arm gehoben und ist damit zwischen die beiden Fronten geraten. „E-Eventuell..." Sie leckt sich nervös über die Lippen und spürt das Brennen. „Eventuell... habe ich ein Problem." Ja, sterben war eine Option! Aber vor ein oder zwei Monaten. Nicht jetzt! Alnasr flucht laut und weiß dass er nichts mehr für sie tun kann. „Es- Es tut mir so leid, Charly. Ich wollte nicht dass- Ich kann das nie wieder gut machen!" Der Biss einer Königskobra ist unheilbar und es bringt nichts ein Körperteil zu entfernen. Was die junge Frau in ihren letzten Minuten tun sollte? Keine Ahnung. „Kannst- Kannst du Marik holen?" Sie will ihn noch ein letztes Mal sehen bevor sie eventuell abtritt. Alnasr nickt sofort und befiehlt seinen Wachen vor der Tür sich sofort auf der Suche nach Marik zu machen, es geht um Leben oder Tod! Dass es nur um den Tod geht, das sagt er lieber nicht. Die Schlange selbst verzieht sich wieder und der Pharao bringt die blauhaarige zum Bett, auf welches sie sich legen soll. Ihr Körper zittert, aber nicht wegen dem direkten Biss, sondern weil sie Angst hat. Was wird passieren? Wird sie große Schmerzen haben? „Ist dir kalt? Hier, nimm die Decke." Er deckt sie zu, setzt sich an die Bettkante und nimmt ihre Hand. „Ich bin da, du bist nicht allein." Mehr als in den letzten Minuten für sie da zu sein kann er einfach nicht tun. Die blauhaarige sieht ihn an, Tränen in ihren Augen. „Ich... Ich will nicht sterben." Sie schluckt und verbietet sich selbst das Weinen. Sie hat Angst, panische Angst! Ihr Anblick tut ihm mehr weh als es der Biss höchstwahrscheinlich je getan hätte. „Es wird alles wieder gut. Du- Du kehrst nur nach Hause zurück, in Ordnung?" Draußen herrscht im nächsten Moment ein großer Trubel und die Tür wird aufgerissen. Marik steht keuchend im Zimmer und sieht zu dem Pharao, dann auf Charly. „Was ist passiert!?" Alnasr sieht kurz auf die Seite und dann wieder zu ihm. „Hier war eine Königskobra. Sie war friedlich bei ihr, aber als ich sie davon befreien wollte, wollte sie mich beißen. Charly hat ihre Hand dazwischen gehalten und-" Schock ist im Gesicht des Wachmanns zu sehen und er steht sofort bei ihr. Er kann die Panik in ihren Augen sehen, die Angst vor dem Ungewissen. „Wie kann man nur so dumm sein...", flüstert er und streicht ihr eine Träne aus dem Gesicht. Er hat sie noch nie Weinen gesehen und das was passieren wird, dafür ist er nicht bereit. „Ich hoffe Anubis wird dir eine dafür verpassen wie dumm du gestorben bist." Charly muss dann doch lächeln und schnieft. „Besser ich als Alnasir." Sitara hat sich zu ihr auf das Bett gelegt, ihr Kopf ruht auf ihrer Brust. „Ich hab euch beide gern, klar? Ihr seid meine Familie gewesen." Marik schnaubt und verdreht die Augen. „Gewesen? Wir SIND deine Familie, Charly!" Man kann hören dass auch er kurz vorm Weinen ist. Deswegen sagt der Pharao schon nichts mehr, denn er würde gleich losheulen. „Wir werden auch immer deine Familie bleiben, okay?" Marik presst danach die Lippen aufeinander und muss sich zusammenreißen. Mit ein wenig Anstrengung schafft Alnasr dann doch etwas zu sagen. „Kann ich- Kann ich dich in meiner Pyramide beerdigen lassen? Dein Körper wird wie der eines Pharaos behandelt werden, ich verspreche es dir! Ich weiß nicht ob du etwas für die andere Seite brauchst, aber ich werde dir alles mitgeben was man eventuell brauchen könnte!" Da sag noch einer dass man sich nicht um sie kümmern würde. „Könnte ich dich davon abhalten?" Er schüttelt den Kopf und sie lächelt ihn an, ehe sie wieder schnieft. „Ich hasse Abschiede, wisst ihr das?" Das können sich beide Männer denken, wollen es aber nicht wahr haben dass das hier ein Abschied für immer ist. Sie ist noch nicht einmal ein halbes Jahr in ihrem Leben und schon würden sie für sie sogar eine Beisetzung planen die eines Pharaonen würdig ist. Sie hat sehr viel geändert und es wird langweilig ohne sie, bedrückend. „Einer von euch passt mir bitte auf Sitara auf, klar?" Sie merkt wie die Müdigkeit langsam aber sicher zuschlägt und sie wird komisch ruhig. Sie kann kaum noch ihre Augen offen halten. Das sind aber keine Symptome eines giftigen Schlangenbisses, oder? „Natürlich! Aber sie wird dich auf jeden Fall vermissen!" Müde lächelt sie und krault die Junglöwin am Kopf, ehe sie die Hand Alnasr's drückt. „Such dir ne Frau, klar?" Der Pharao selbst nickt leicht und gibt einen leichten Druck zurück. Marik streicht ihr wieder über die Haare. Sie wird einfach nicht mehr da sein. Das Gift wirkt überraschend schnell, wobei es auch auf den Körper ankommt. Bei ihr kann man mit einer halben Stunde rechnen. „Baut keinen Mist, okay?" Ihr Blick wird ein wenig verschwommen und trotz ihrer Ruhe spürt sie das Herzrasen. Sitara leckt ihr über die Wange, die raue Zunge tut weh aber es beruhigt sie trotzdem. „Werden wir nicht, versprochen." Das kann sie noch hören, ehe sie die Augen schließt.
Erst dann lassen Marik und auch Alnasr ihre eigenen Gefühle zu und weinen. Stumm, aber sie tun es. Mariks Unterkiefer zittert, während er ihr immer wieder über die blauen Haare streicht. Noch atmet sie, aber sie ist ohnmächtig und das wird der letzte Augenblick gewesen sein in welchem sie mit ihr haben sprechen können. Der Pharao lässt die schlaffe Hand los und legt sich selbst beide Hände auf den Mund. Ihre letzten direkten Erinnerungen mit ihm sind die Augenblicke in welchen er sie geküsst und sie ihn von sich gestoßen hatte. Sie war so sauer! Und dann kam die Schlange und- Das wird er mit sich herumtragen bis er selbst stirbt. Marik sinkt neben dem Bett auf die Knie und schließt die Augen. Er hatte endlich eine Familie und dann nimmt man sie ihm wieder! Er wird nie wieder der gleiche sein. Nicht mit dem was alles passiert ist, was er alles mit ihr durchgemacht hat. Sitara hebt leicht ihren Kopf und leckt ihr immer wieder über das Gesicht, bevor sie ihren Schädel erneut auf ihrer Brust ruhen lässt. Die Minuten vergehen bis sie wieder reden können. „Ich- Ich werde beauftragen lassen sie abzuholen. Sie wird im Bereich der Hohepriester und Seher aufgebahrt." Leicht entsetzt dreht Marik seinen Kopf, im Augenblick ist es ihm egal dass er der Herrscher über das Land ist. „Sie ist noch nicht tot!" Alnasr erwidert seinen Blick, beide Augenpaare sind durch die Tränen und die Trauer gerötet. „Noch nicht, aber sie wird. Ich will dass man sofort mit ihrer Einbalsamierung anfangen kann wenn es soweit ist." „Was ist mit der Totenwache?!" Der Pharao steht auf und sieht auf Charly herunter. Denkt nach. Eine Totenwache ist unüblich und wird hier eigentlich nie durchgeführt. „Einen halben Tag." Denn um den Körper richtig präparieren zu können braucht man eigentlich den frischen Körper direkt nach dem Tod. Ansonsten würden verschiedene Vorgänge im Körper diesen zerstören oder unkenntlich machen und sie braucht ihn im Jenseits. Sollte sie überhaupt in das Jenseits kommen, da ist er sich selbst unsicher. Dennoch wird er dieses Ritual durchführen lassen um ihr die Ehre darzubieten die sie verdient hat und die er ihr zu Lebzeiten nicht geben konnte. Marik neigt seinen Kopf und sieht dann wieder zu der blauhaarigen Frau. Innerlich stellt er sich immer wieder die Frage was passiert wäre wenn er hiergeblieben wäre und sich nicht mit dem Hohepriester darüber unterhalten hätte ob nicht er die Entscheidungen gefällt hätte, denn eine Frau kenne sich ja relativ wenig mit solchen Sachen aus. Was wäre passiert wenn er hier gewesen wäre? Hätte er den Schlangenangriff verhindern können? Aber wo ist das Vieh überhaupt? Er sieht nichts als er sich im Zimmer umsieht und wenn er dem Giftzahnabdruck auf der linken Hand Charly's Glauben schenken darf, dann muss das eine relativ große Kobra gewesen sein. Die zwei Bisslöcher sind überraschend groß und weit auseinander stehend. So ein großes Tier kann nicht so einfach verschwinden, wo ist es hin? Doch selbst Alnasr weiß auf diese Frage keine Antwort, da die Schlange genau so verschwunden ist wie sie auftauchte. Wie aus dem Nichts. Während Marik sich um den Transport kümmert, bleibt Alnasr mit seinen Schuldgefühlen bei Charly zurück und entschuldigt sich immer und immer wieder. So einen letzten Eindruck zu machen, das ist das schlimmste was er machen konnte. Nicht nur für sich, sondern auch für sie. Hoffentlich wird sie ihm im Jenseits vergeben, wenn sie sich wiedersehen. Oder sehen sie sich überhaupt wieder? Aber... was weiß er wirklich von ihr? Er weiß nicht einmal wie alt sie ist! Traurig...
Charlettes Körper wird in einen extra-Raum gebracht, welcher für sie geschmückt wird. Wandbilder zeigen den Weg in das Totenreich und das Totengericht. Anubis führt die Seele in das Totengericht, Maat, Thot, Osiris, Horus und Ammit warten mit 42 Gaugöttern auf die Seele, welches das Totenbuch mitbringt. Sollte sie eines besitzen, das ist nicht immer der Fall. In den sorgfältig eingemeißelten Hieroglyphen steht geschrieben was man machen muss um den Übertritt zu schaffen und ein Leben ohne Sorgen, Ängste und Schmerzen zu führen. An Schlaf ist für Marik nicht zu denken und so führt er allein die Totenwache durch. Er kann und wird sie nicht allein lassen und auch Sitara weicht nicht von der Seite der jungen Frau. Alnasr gibt am nächsten Morgen die Nachricht weiter was passiert sei und dass man sich auf eine Beisetzung vorbereiten solle. Die Stimmung im Palast ist bedrückend und selbst Marik kann sich der negativen Stimmung nicht entziehen. So ist er auch gereizt als zwei Frauen kommen um Charly's Körper zu waschen und er hat Mühe sie nicht anzubrüllen und rauszujagen. Von ein paar Kameraden bekommt er immer wieder Mitleidsbekundungen, die ihm aber überhaupt nichts bringen. Keine dieser Gespräche bringt ihm Charly wieder zurück und nichts und niemand wird es schaffen. Man hat das Zimmer des Pharaos durchsucht, aber nicht einmal ein Anzeichen der Kobra gefunden, als hätte es sie nie gegeben. Die Vorbereitungen aufgrund der bevorstehenden Einbalsamierung laufen auf hochtouren und so wie Marik die Leute hier kennt wird das schnell und effizient ablaufen und nicht ewig lange brauchen. Seufzend geht er in die Hocke und krault Sitara am Kopf, während er den zugedeckten Körper der blauhaarigen Frau ansieht. Wo sich anfangs noch der Brustkorb bewegt hat, kann er nun nichts mehr wahrnehmen. Anfassen wird er sie nicht mehr, das könnte ihre Totenruhe stören und das möchte er nicht. Stattdessen steht er wieder auf und neigt den Kopf. Er hätte da sein müssen. Er hätte auf sein Gefühl hören müssen welches ihm angedeutet hat nicht zu gehen! Was hat er stattdessen gemacht? Er hat sie allein gelassen und somit ihren Tod irgendwie mitzuverantworten. Hätte-Wäre-Wenn, dieses Spiel spielt er die gesamte Zeit durch in der er bei ihr ist und sich schon fast dumm vorkommt mit ihrem Körper zu reden ohne dass sie antworten kann. Warum mussten sie sie gehen lassen? Sie brauchen so etwas wie ein Gegengift, aber das wird eine Ewigkeit dauern, falls man es überhaupt auf die Reihe bekommt so etwas herzustellen. Die Götter werden schon wissen warum sie sie wieder zurückgeholt haben. Er würde gern wissen was der Grund dafür ist, aber er kann nicht alles wissen und vielleicht... vielleicht ist es auch gut so wenn er es nicht weiß. Die Götter hätten ihm sicherlich ein Zeichen geschickt. Und wenn nicht ihm, dann auf jeden Fall dem Pharao, der als Repräsentant der Götter über das Land herrscht. Ihm hätten sie sicherlich Zeichen geschickt oder Visionen, die er vom Seher deuten lassen würde. Da er aber von nichts weiß und ihm auch nichts weitergegeben wurde, ist wohl auch nichts angekommen. Mit einem letzten Blick auf ihren Körper und das reglose Gesicht, geht er wieder nach draußen und schließt die Tür, um die letzten Stunden der Totenwache hinter sich zu bringen.
Die Finger fühlen sich komisch taub an. Die Beine sind schwer. Tief holt Charly Luft und blinzelt langsam. Den Schlaf hat sie echt gebraucht! Sie gähnt und bewegt testweise ihre Finger. Doch bis auf ein leichtes Kribbeln geht es eigentlich. Leise brummend setzt sie sich auf und reibt sich die Augen, ehe sie sich ein wenig streckt. Dann sieht sie sich um und merkt, dass das nicht ihr Zimmer ist. Hä? Was ist gestern bitte passiert und wo ist sie? Im nächsten Moment hat sie aber nur sandfarbenes Fell vor sich, eine raue Zunge leckt ihr über die Nasenspitze und sie bekommt einen Kopfstoß von Sitara ab. Schmerzerfüllt zischt sie auf und krault die Junglöwin am Kopf, die wohl zu ihr hochgesprungen ist als sie merkte dass sie wach wird. „Guten Morgen, Baby.", flüstert sie lächelnd und sieht sich um. Sitara ist da... das erklärt aber immer noch nicht wo sie ist. Auch riecht es komisch, was ihr jetzt erst auffällt. Sie sieht sich erneut um und bemerkt die Feuerschalen und die Kräuter auf einem Tisch. Die Bilder an der Wand zeigen... Hauptsächlich Anubis. Anubis ist für die Unterwelt zuständig. Ist sie tot?! Leicht panisch tatscht sie sich selbst ab, aber sie ist warm, ihr Herz schlägt normal und sie sieht auch nicht wie ein Geist aus. Ein Zischeln ertönt und erschrocken zuckt sie zusammen. Sitara, die sonst auch immer auf Schutz übergeht wenn sie merkt dass Charly Angst hat, bleibt aber ruhig und sieht nur in die Richtung, aus der das Zischeln kommt. Die junge Frau krallt ihre Finger in das Fell der Löwin und starrt dann doch so ein wenig verängstigt auf die Kobra. Und als hätte man urplötzlich Staudämme in ihrem Kopf gelöst, so fällt ihr alles wieder ein was passiert ist. Diese verdammte Schlange hätte sie umbringen können! Immer wieder schüttelt sie den Kopf, bleibt aber bei Sitara sitzen und sieht zu, wie die Schlange immer näher kommt. Im Augenblick sieht sie aber nicht bedrohlich aus, sondern eher friedlich. So lange, bis sie ihren Oberkörper immer weiter aufrichtet. „Oh fuck... Ouh scheiße..." Unsicher sieht sie dem Tier immer weiter zu, bis sich die Gestalt ändert. Die Schlange wird immer breiter, vereinzelt kann Charly so etwas wie menschliche Extremitäten feststellen. Mit großen Augen und runtergeklappten Unterkiefer starrt sie das Wesen an, den Mensch, der sich schlussendlich manifestiert. „Dafuq..." Das ist alles was sie rausbekommt. Vor ihr ist nicht mehr die Schlange, sondern ein etwas zu groß geratener Mensch. Schwarze lange Haare die zu einem lockeren Zopf geflochten sind, vereinzelte Strähnen fallen ihm ins Gesicht. Die Ohren sind leicht angespitzt, die Augen der Kobra hat er behalten. Der Mund ist dünn, aber extrem breit. Ihr erster Gedanke ist Jeff the Killer, nur ist nichts aufgeschlitzt sondern es scheint so zu gehören. Er hat die gleiche Hautfarbe wie sie, also eher blass als ‚normal'. Der schwarze Umhang wird von zwei goldenen Schlangenstatuen auf seinen Schultern gehalten, welche vorn an seiner Brust zu einer Kobra mit gespreiztem Nackenschild und einer roten Kugel im weit aufgerissenen Maul zusammenlaufen. An der Mitte seiner Oberarme schlängeln sich goldene Schlangenarmreife um seine Haut, denn viele Muskeln hat er nicht. Der Lendenschurz wird mit einem Schlangenkopf zusammengehalten, ehe der Stoff mit dem Schlangenhautmuster bis zu seinen Knien geht. Automatisch zieht sie den Kopf ein als er anfängt zu sprechen, in ihrer eigenen Muttersprache. „Schreien bringt nichts, fliehen auch nichts. Du und dein Kätzchen sind die einzigen im Moment die mich hören und sehen können. Und die Tür ist zu." Sie schluckt und sieht dann zu Sitara herunter, ehe sie auf sich selbst sieht. Ihre eigene Kleidung, wenigstens etwas. „O-Okay. Was... Was zur Hölle geht hier ab? Was ist- Also ich war ja- Was zum Fick, alter?" Der Mann legt sich amüsiert lächelnd eine Hand an sein Kinn. Die Fingernägel sehen aus wie Krallen und an seinen Handgelenken sind ebenfalls ein paar Schlangenarmreife zu sehen. „Charlette, habe ich recht?" Jetzt erst merkt sie dass er ihre eigentliche Sprache spricht. „W-Warte... du kannst meine Sprache? Ich bin tot, oder? Fuck." Ein dunkles Lachen ist zu hören, ehe er den Kopf schüttelt. „Nein, du bist nicht tot. Du warst tot, aber das ist etwas für später. Aber es ist unhöflich wenn ich deinen Namen kenne und du meinen nicht. Apophis der Name, Apep ist aber auch vollkommen in Ordnung. Verkörperung von Auflösung, Finsternis und Chaos und zugleich der große Widersacher von Maat, der Tochter des Sonnengottes Ra."
Jetzt dreht sie vollkommen durch, oder? Kurz sieht Charly auf die Seite und dann wieder zu ihm. Ein Gott. Und er ist einfach so aus einer Schlange gekommen, beziehungsweise er IST die Schlange wenn sie den Schmuck so ansieht. „Okay. Okay! Cool! Und... warum bin ich nicht tot? N-Nicht das ich was dagegen hätte! Aber... Gift ist dann doch nicht so einfach zu überstehen." Apophis nickt und verschränkt die Arme. „Eigentlich wärst du tot. Aber dadurch dass bei deinem eigentlichen Übertritt in das Totenreich was schiefgelaufen ist, bist du überhaupt erst hier hergekommen. Dass dich nicht alles umbringen kann... Überraschung." Sollte das versteckte Kamera sein, dann würde sie langsam gern wieder hier raus. „Warte. Warte! Ich bin EIGENTLICH Tod? Ich bin schon einmal verreckt bevor ich hierhergekommen bin? Wie? Wann? Wieso? Was geht hier ab?! Es ist-" Sie stoppt sofort als er eine Hand hebt. „So viele Fragen, so wenig Zeit. Später kann und werde ich es dir erklären, jetzt solltest du die Rolle spielen die dir zugewiesen wurde. Du bist das Geschenk der Götter, verstanden? Ich habe dich immer im Auge und wenn du Hilfe brauchen solltest, dann kannst du auf mich zählen. Du hast genug Chaos veranstaltet, dass du meine Aufmerksamkeit und mein Wohlwollen bekommen hast. Für diese sterblichen bin ich vielleicht nicht der beste Gott, aber ich habe mehr Macht als sie denken und du somit auch. Gift? Kannst du vergessen. Solange ich über dich wache, wirst du an nichts sterben, verstanden?" Charly versteht zwar immer noch nicht so ganz und es ist viel auf einmal, trotzdem schiebt sie Sitara vorsichtig von sich und steht zöerlich auf. Im ersten Moment droht sie umzukippen, da ihr Kreislauf noch ein wenig schwach ist, sie fängt sich selbst aber wieder. Apophis beobachtet aufmerksam wie sie zu ihm geht und vor ihm stehen bleibt. Sie geht ihm vielleicht gerade einmal bis zu seinem unteren Brustkorb und er kann froh sein dass die Decken hier höher sind. „Du bist also ein Gott." Mit leicht zusammengekniffenen Augen sieht sie zu ihm hoch und hebt ihre Hand, ehe sie einen Finger an seinen Bauch legt. Normale Haut, warm. „In der menschlichen Gestalt. Und ich überlege es mir noch über dich zu wachen wenn du nicht deinen Finger wegnimmst. Es wird anders enden als du denkst." Kurz prustet sie und klopft ihm auf den Bauch drauf. „Mein erster Gedanke wäre tot gewesen! Aber wenn es anders endet als ich denke, dann kommt es auf Sex raus. Willst du das wirklich, Apep?" Seine Mundwinkel gehen hoch und er schüttelt leicht den Kopf. Sie unter seine Fittiche zu nehmen war eine der besten Entscheidungen die er seit langem gemacht hat. „Sagen wir es so, das willst DU nicht. Du willst einen dominanten Partner, aber ich wäre zu viel für dich." Lachend tritt sie einen Schritt zurück und streicht sich durch die eigenen Haare. „Sag niemals nie, klar?" Jetzt ist sie komplett entspannt und kurzerhand setzt sie sich wieder auf das Steinding auf dem sie vorher gelegen hat. „Also gut, mich sollte eh nichts mehr wundern. Wie läufts jetzt eigentlich ab? Hast du irgendeinen Plan oder so?" Apophis verschränkt die Arme und zuckt mit den Schultern. „Erst einmal nicht, vielleicht später. Aber ich würde bei einem Ding aufpassen!" Jetzt ist sie neugierig, auf was soll sie aufpassen? „Du kannst sagen dass ich dir in einer Vision erschienen bin und dass ich die Schlange war, ich hab eh schon einen schlechten Ruf. Aber stell dich dann darauf ein dass man dich anders behandelt." Ein Mundwinkel geht hoch und er nickt. „Ich bin nicht der beliebteste bei den Menschen, wenn also rauskommt dass ich über dich wache dann... könnte es zu komischen Situationen kommen. Und nein, du kannst nichts spezielles außer... Leben." Die junge Frau sieht auf ihre Hände und dann zu ihm hoch. „Erstens, Leben ist im Moment gar nicht mal scheiße. Nummer zwei, du kannst mich Charly nennen wenn du willst. Nummer drei. Wie lange wachst du schon direkt über mich?" Der Chaosgott legt kurz den Kopf schief und muss nachdenken. „Seit... du hier angekommen bist, glaube ich. Du hast schon im Totenreich für ein bisschen Chaos gesorgt und sowas verbreitet sich unter den Göttern sehr schnell." Seit- Seit sie hier ist? „Und dann meldest du dich erst nachdem ich dachte dass ich tot bin? Du- Du hättest so viel MIST verhindern können! Ich hätte weniger Angst haben können, ich hätte mich schneller damit abgefunden... ich hätte- Gut, ich hätte mich anfangs trotzdem in den Schlaf geheult. Aber was solls. Und du kannst meine Sprache und ich musste die hier erst mühsam lernen?! Und ich kann die Schrift immer noch nicht! Weißt du wie scheiße das wird zu lernen?!" Apep brummt kurz, geht zu ihr, beugt sich nach vorn und schnippt ihr gegen die Stirn. „Erschrick dich nicht nur weil du es plötzlich kannst, verstanden." Das... gibt es doch nicht. „Ein Schnippen und- und ich kann es?" Ihr linkes Auge zuckt und sie muss daran denken dass all das anstrengende lernen, die vielen Wochen unter Alnasr hätte sie sich sparen können! „Hey, ich mach das nur weil ich hier ein bisschen... mehr Chaos verbreitet habe als ich wollte. Ich habe dich in den Schlaf geschickt damit du erst einmal eine Pause hast und wir in Ruhe reden können. Nimm es nicht als Selbstverständlichkeit hin dass ich dir bei so etwas helfe wenn du es selbst lernen kannst oder solltest." Charly reibt sich die Stirn, während Apep sich wieder aufrichtet. „Aber wir haben schon lange genug miteinander gesprochen. Du hast sicherlich noch andere Dinge die du gleich erledigen willst. Ich sollte gehen." Er dreht sich um, wird aber von ihrer Hand aufgehalten, die sich kaum um sein Handgelenk winden kann. „Apep?" Er bleibt stehen und dreht seinen Kopf. Die blauhaarige grinst breit und nickt ihm zu. „Danke, du bist echt cool." Mit diesen Worten lässt sie ihn los und hebt verabschiedend eine Hand. „Ich freu mich auf das nächste Mal!" Ein wenig perplex steht er da und mustert sie. Er ist es nicht gewohnt dass man sich auf das nächste Mal freut wenn er auftaucht und dass man sich bei ihm bedankt ohne dass ein schlechter Gedanke dahinter steckt ist auch neu. „Bis... zum nächsten Mal." Er nickt ihr ebenfalls zu und verschwindet so, wie er aufgetaucht ist. Er wandelt sich in die Schlange und züngelt von dannen.
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