6.14. Ein magischer Vorteil
Später an dem gleichen Tag stapfte Marcus Celerior ungeduldig durch den großen Schankraum des Gasthauses von Gesken. Die Wirtin Marie beobachtete den energischen Harmonier mit unsicheren Blicken vom Tresen aus, während sie saubere Gläser einräumte. Der höhere Soldat wartete anscheinend auf die Rückkehr seiner Untergebenen.
Marie war sich etwas unsicher darüber, ob der Harmonier nicht doch mit irgendetwas ruhig zu stellen war. Schließlich ging sie ruhigen Schrittes auf den Mann zu und fragte möglichst freundlich: „Braucht Ihr noch irgendetwas, Herr Harmonier?"
Halb durch die plötzliche Anrede erschrocken, stoppte der Securio abrupt sein Umherwandern und sah die Wirtin nur verständnislos an. Von all dem, was die Drelder in der Niedersprache redeten, verstand er so gut wie nichts. Daher schaute er Marie nur verständnislos an und schüttelte mehrfach den Kopf.
Die Wirtin ließ aber nicht locker. Sie musterte ihn, wie ein Eichhörnchen, dass sich von weitem einen Fuchs anschaute. „Vielleicht was zum Trinken?", fragte sie nach und tat dabei mit der geschlossenen Faust so, als hebe sie sich einen Bierkrug zum Mund.
Marcus Celerior verstand allmählich, schüttelte aber erneut sein Haupt. „Nixi...", gab er dann mit seinem Halbwissen von sich. Marie zog verwundert die Stirn kraus. Nixi?! Sollte wohl sowas wie ‚nichts' heißen, vermutete sie. Sie hielt den Kopf zur Seite, machte ein „Hhm" und wandte sich wieder zum Tresen um. Im Weggehen flüsterte sie zu sich selbst: „Wer nicht will, der hat schon..."
Der Securio hatte keinen Gedanken für die einfache Leiterin dieser Herberge. ‚Wann kommen diese Burschen denn endlich zurück!', dachte er unentwegt. Plötzlich hörte er Stimmen, die vom Flur kamen. Marcus Celerior hielt inne und starrte gebannt zur Tür. Kurz darauf wurde diese geöffnet und da waren sie endlich! Serpentius, Gaurion, Fermus und all die anderen.
Sogleich war er von den Söldnern umringt. „Und?!", fragte er ungeduldig nach.
Gaurion schüttelte den Kopf. „Keine Spur von Goelius oder seine Begleiterin", brummte er.
Der Securio schaute ihn stirnrunzelnd an. „Vielleicht haben sie sich aber auch irgendwo versteckt", argwöhnte er.
Daraufhin schüttelte Serpentius entschieden seinen Kopf und ergriff das Wort: „Unwahrscheinlich. Eine so auffallende Frau wie diese Edura wäre bestimmt bemerkt worden. Es halten sich so viele auf dem Dorfweg hier auf – da hätte einer was gesehen und das auch nicht für sich behalten."
Der Securio senkte seinen Blick und schien nachzudenken. „Hhm", brummte er, wandte sich um und ging ein paar Schritte durch den Raum. „Dann sind sie also doch zur Hütte im Wald gegangen", murmelte er nachdenklich, seinen Rücken den Söldnern zugewandt. Dabei fing sein Blick die Wirtin Marie ein, die ihn und seine Männer mit einem großen Fragezeichen anschaute. Dass er und die Seinen sich in der gehobenen Sprache Harmonisch unterhielten, überforderte natürlich eine einfache Drelderin wie diese Herbergsmutter.
Celerior drehte sich um. Ein Grinsen und ein entschlossener Blick hatten sich in sein Gesicht gestohlen. „Dann sollten wir dieser Hütte gleich morgen früh einen Besuch abstatten."
Seine Soldaten nickten verständig.
„Außerdem...", fügte der Securio hinzu, „werden wir uns einen kleinen Vorteil verschaffen – was diese Edura angeht." Als seine Männer ihn fragend ansahen, ergänzte er: „Ich rede von magischen Steinen. Hier gibt es doch ein Harmonizil. Der Priester des Dorfes hat sicher noch einige Steine in seinem refugium, die er uns gewiss überlassen wird." Marcus Celerior dachte dabei an das besondere Schreiben, das ihn als Beauftragten der Oberpriesterschaft auswies.
Die Söldner nickten und grinsten nun auch erkennend. Mit eigenen Zaubersteinen auf ihrer Seite würde die Edura bei einem Überfall auf die Hütte keine so große Gefahr mehr darstellen.
Doch Serpentius fiel etwas Entscheidendes ein. „Moment – der Schlüssel! Der Schlüssel für diesen Raum hat doch nur der Priester", gab er zu Bedenken. Und der befand sich zur Zeit ja gerade in Golddorf, bei der Feier des annimedies.
Celerior musterte ihn mit Adleraugen, wirkte aber nur einen kurzen Moment verunsichert. „Der Medicus hat einen Ersatzschlüssel", entschärfte er Serpentius' Einwand. „So ist es für jeden Ort festgeschrieben und so wird es auch hier sein."
Serpentius nickte verständig.
Der Securio grinste. „Da du es selbst angesprochen hast, wirst es auch du sein, der gleich morgen beim ersten Tageslicht zum Medicus gehen und ihm unser Anliegen erläutern wird."
Jetzt grinsten auch die anderen Soldaten etwas schadenfroh. „Aber erstmal frag diese Wirtin, ob sie auch Wein in ihrem Hause führt. Ich denke, jetzt kann ich endlich einen guten Abendtrunk gebrauchen."
Darauf lachten die Soldaten auf. Serpentius aber rollte mit den Augen und schlenderte langsam zur Wirtin. ‚Und dafür hat mein Onkel mir nun Dreldenisch beigebracht...', dachte er missmutig.
Marcus Celerior setzte sich derweil mit den Anderen an einen Tisch. Als Serpentius mit den Getränken ankam, klopfte er allen leicht auf die Schulter und meinte: „Morgen, Männer, ist es soweit! Morgen schnappen wir uns den Verräter Goelius."
Ein gefährlicher Eifer glitzerte in seinen Augen.
E n d e von K a p i t e l 6
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