Kapitel 5
Mit konzentriert zusammengekniffenen Augen blickte Lisi durch ihr Mikroskop. Vorsichtig drehte sie das kleine Rädchen, um die Haarfasern scharf zu stellen. Zunehmend wurde das Bild klarer, doch noch war die Vergrößerung zu gering, um etwas genaueres erkennen zu können. Die Haflingerstute wechselte das Objektiv. Sogleich waren die einzelnen Fasern und Zellen der Haarprobe deutlich zu erkennen.
„Oh nein", murmelte sie unheilschwanger. Dieses Fell war definitiv nicht aus Plastik. Es war echt. Das Museum hatte tatsächlich echte Pferde ausgestellt, ihnen ihre Würde geraubt.
Mit zitternden Hufen speicherte Lisi das Bild ab, nahm das Präparat wieder vom Objektträger hinunter und tütete es Ordnungsgemäß ein. Auf diese Weise konnte sie der Polizei huffeste Beweise liefern. Das wertvolle Päckchen landete auf einem ihrer hölzernen Wohnzimmerregale. Zwischen den alten Kinokarten, Schulheften und einem roten Buntstift, der ebenfalls auf der hellen Holzplatte lag, sah es verschwindend klein aus. Jeder, der hier vorbei kam, hätte diesem winzigen Fund keine große Bedeutung zugesprochen. Doch Lisi wusste es besser. Was sie hier vor sich hatte, war der Beweis für einen wirklich schrecklichen Verrat an der ganzen Pferdheit.
Ohne zu Zögern schnappte sie sich ihr uraltes Tastenhandy und wählte Rays Nummer. Ungeduldig darauf wartend, dass ihr Kollege abnahm, lief sie in ihrer Wohnung auf und ab.
„Hallo?", brummte es fragend aus der Leitung heraus. Der Fuchsschecke klang, als würde er gerade etwas essen. Und das um diese Zeit.
„Hey, Ray, ich bin's, Lisi", begrüßte die Stute ihn rasch.
„Was ist denn passiert?" Er hatte wohl an ihrer hektischen Tonlage erkannt, wie aufgewühlt sie war.
Tief sog sie die Luft ein. „Das Museum hat ein düsteres Geheimnis...", hauchte sie fast schon andächtig.
„Ach ja?" Sie hörte, wie Ray sich nachdenklich am Kopf kratzte.
„Die Pferde dort... Es sind echte." Es fiel ihr ungemein schwer, die Wahrheit auszusprechen. Ihr kam es einfach so unendlich grausam vor, einstig lebendige Wesen auf solch eine entwürdigende Weise auszustellen.
„Was?" Auch Ray schien geschockt. Seine sonst eher rauchige Stimme, war ungewöhnlich hoch geworden. „Wie hast du das herausgefunden?"
Ewas kleinlaut sah Lisi auf ihr blaues Mikroskop. „Ich habe eine Fellprobe gestohlen..."
„Du hast was? Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein", entrüstete der Schecke sich leicht belustigt. Doch dann wurde er wieder ernst. „Das muss gemeldet werden. Es verstößt ganz klar gegen die Grundrechte eines jeden Pferdes."
„Ja, dieser Museumsdirektor muss zur Strecke gebracht werden!" Bekräftigend stampfte die Haflingerstute mit einem Huf auf dem Boden auf.
„Dann lass uns keine Zeit verlieren. Wer weiß, was er sonst noch so plant!"
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