Kapitel 1
Lisi trottete verschlafen neben ihrem Kollegen Ray her. An einem Sonntag wie diesem, war die schlanke Haflingerstute nicht sonderlich zufrieden gewesen, als der Fuchsschecke sie um halb Acht in der Frühe aus dem Haus geklingelt hatte. Als Lehrerin brauchte sie einfach ihr freies Wochenende. Vor allem zum schlafen. Aber Ray, als stellvertretender Schulleiter der Jefferson High, kannte eben keine Gnade. Er hatte sich in den Kopf gesetzt das Museum, in das er mit ihr und seiner Klasse in der kommenden Woche gehen wollte, gründlichst zu inspizieren, ob es auch ja Fohlentauglich war. In solchen Dingen war er ziemlich kleinlich. Zumal er dieses Jahr seine erste Fünfte hatte.
„Schau mal Lisi, da liegt überall Müll auf der Straße herum, obwohl es hier massenhaft Mülleimer gibt!"
Schmunzelnd wandte sich die Stute zu ihm um. In einer Kleinstadt wie Phoenix war das nicht sonderlich verwunderlich. Niemand schien es hier für wichtig zu erachten einen Straßenreinigungsdienst anzuheuern oder gar seinen Müll in die Mülltonne zu werfen und nicht daneben.
„Das darf doch nicht wahr sein!", entrüstete sich Ray, während er eine Bananenschale vom Boden aufhob und angeekelt zur Tonne transportierte. Amüsiert beobachtete Lisi den Hengst.
„Ach sei doch nicht so pingelig! Wir müssen jetzt echt zum Museum."
„Du hast ja recht." Grummelnd lies er eine zerknautschte Coladose fallen, die er im Maul hatte.
‚Wie schnuckelig er doch ist...' Lisi konnte sich diesen Gedanken nicht verkneifen, als sie ihren Kollegen so sah. Der trabte nun mit geschlossenen Augen voraus. Wahrscheinlich um die verschandelte Umgebung nicht länger ertragen zu müssen. Sie verstand ihn zwar, doch manchmal übertrieb er wirklich.
°°°
Wenig später war das Museum auch schon in Sicht. Die beiden Pferde gingen mit klappernden Hufen auf einem asphaltierten Weg, der auf einer Wiese angelegt worden war, auf das kantige Gebäude zu. Sie betraten den offenen Eingangsbereich. Darin war die Kasse und eine Informationstafel über die Ausstellung untergebracht.
„Zwei Erwachsene bitte!", orderte Lisi mit lauter Stimme, um den Rappen, der offenbar gerade Dienst hatte, von seinem Buch zu lösen. Er schaute wiederwillig auf und schob es ein Stück zur Seite, wobei einige Gegenstände des unordentlichen Tischs umfielen.
„Ihnen ist klar, dass wir um diese Urzeit noch geschlossen haben?" Mit genervtem Gesichtsausdruck wies er in Richtung der Infotafel, auf der stand: „Öffnungszeiten: 9:00 bis 19:00"
Lisi stupste Ray neben sich empört an. Da scheuchte er sie schon um halb Acht aus dem Haus und dann hatte das Museum nicht einmal geöffnet. Doch den schien der Hinweis des Mitarbeiters, der sich bereits wieder seinem Buch zugewandt hatte, kalt zu lassen.
„Ja, aber wir sind für diesen frühen Besuch angemeldet", erwiderte der Schecke ungehalten, was die Stute überrascht aufhorchen lies.
Der Lesende drehte sich erneut zu ihnen um und musterte sie irritiert. Doch dann schien ihm wieder etwas einzufallen.
„Sie sind also diese Lehrer, die das Museum prüfen wollen, ob es für den Besuch Ihrer Schüler geeignet ist?"
„Exakt, die sind wir. Also, dürfen wie nun rein oder nicht?", drängelte Lisi, die die „Museumsinspektion" so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, um weiter auf ihrem Sofa zu gammeln.
„Natürlich. Das macht dann... sechsundzwanzig Euro." Der Wärter wollte wohl auch schleunigst weiterlesen.
Rasch zog Lisi das Geld aus ihrer Umhängetasche und schob es über den Tisch, ehe Ray Anstalten machen konnte Gentlestallionmäßig bezahlen zu wollen. Er wollte immer alle Anderen einladen, was diesen nicht immer zu gute kam, da er meistens nur unhufiges Kleingeld mit sich herum schleppte.
Sie stupste ihn ungeduldig in die Seite, ehe beide die Museumshalle betraten. Um diese Zeit war noch niemand hier und so konnten sie alles in Ruhe betrachten. Überall waren Podeste mit Ausstellungsstücken aufgestellt und an den weißen Wänden hingen Leinwände. In der Mitte des Raums befand sich eine riesige Kiste, in der Sand, Sträucher und einige ausgestopfte Tiere zu einer Wüstenlandschaft drapiert worden waren. Lisis Blick fiel auf eines der Tischchen, auf dem einige Waffen lagen. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie sich die quirligen Fünftklässler vorstellte, wie sie begeistert Ritter spielten. Doch Ray schien skeptisch.
„Was, wenn die Fohlen sich damit gegenseitig die Köpfe abhacken? Dann bin ich schuld."
Sie verdrehte die Augen. „Mit deinem Durchsetzungsvermögen wird schon nichts passieren."
„Aber..." Plötzlich hielt er inne. „Glaubst du, die sind echt?" Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Vitrinen, in denen etwa drei ausgestopfte Ponys standen.
Die Stute schluckte. Allein die Vorstellung, dass diese Wesen einmal quicklebendig über Wiesen galoppiert waren, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.
„Hoffentlich nicht..."
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