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Kapitel 30

„Alles klar, Feivel?" Fürsorglich zupfte Kira an seinem hellblauen Kittel herum.

Sein Zittern mühsam verbergend, nickte er. Zusammen mit der Rappstute stand er vor der Tür, die sie von der geheimnisvollen Unterwelt der Winters Academy trennte. Noch immer hatte er kaum eine Ahnung, was ihn gleich erwarten würde. Alles, wovon er wusste, war eine anscheinend eigenes für ihn organisierte Zeremonie, die ihn endgültig in Kiras Team aufnehmen sollte. Ehrlich gesagt wunderte diese Tatsache ihn etwas. Angst und Zweifel begannen langsam aber sicher an seinem Pelz zu nagen. War es tatsächlich seine beste Idee gewesen, sich darauf einzulassen. Was, wenn es nach der Zeremonie wirklich kein Zurück mehr gab.

„Es geht los", flüsterte Kira ihm vertrauensvoll zu, ehe sie ihren kleinen, silbrig glänzenden Schlüssel hervorholte und die Tür vor ihnen aufschloss. Knackend drehte sich der Schlüssel und setzte einen Mechanismus in Gang, der geräuschvoll die Tür entsperrte. Unwillkürlich musste Feivel an das Schlüssel-Schloss-Prinzip der Enzyme denken, das ihm jeder seiner Biolehrer in der Schulzeit bis zum Austreten gepredigt hatte. Was würde er jetzt darum geben, einfach nur als der schüchterne Streber, der er damals war, hinter einer kaugummiverklebten Schulbank zu sitzen und dem Gelaber eines Lehrers zu lauschen. Die Schulzeit war die Hölle gewesen, aber diese erdrückende Ungewissheit, in der er gerade schwebte, war noch ein gutes Stück schlimmer.

Knarzend schwang die Tür auf. Wie üblich brach das gleißende Licht der Neonröhren schmerzhaft auf Feivel ein. Einem Moment lang sah er kaum etwas, doch dann zeichneten sich nach und nach klare Konturen vor dem weißen Hintergrund ab.

Wirres Wiehern erfüllte den sonst so leeren und kahlen Gang. Es wimmelte nur so von mehr oder weniger an den Rändern aufgereihten Pferden, die Kira und Feivel erwartet zu haben schienen. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie viele Mitwisser der Geheimnisse der Winters Academy es doch gab.

Sobald die beiden endgültig in den großzügig ausgeleuchteten Korridor getreten waren, hatte sich eine Art Gasse formiert und zahlreiche Blicke bohrten sich gnadenlos in Feivels Fell. Das Herz pochte wie wild gegen seine Brust, als wolle es hinausbrechen und das Weite suchen. Mühsam musste Feivel gegen das Zucken seiner Beine ankämpfen, die sich instinktiv zur Flucht bereit machen. Eigentlich sollte er gar nicht hier sein. Sich auf Kira einzulassen, was der größte Fehler seines Lebens gewesen. So gut es ging, schüttelte er den Gedanken ab. Er war weder Kiras noch ihrer Ideologie wegen hier. Nein, einzig und allein, um Mallory zu retten und den Grausamkeiten, die an der W.A.S. vor sich gingen, ein Ende zu setzen.

Da verspürte er plötzlich einen freundlichen aber dennoch jähen Stoß in die Seite, der ihn aus den Gedanken riss. Auffordernd sah Kira ihn aus ihren onyxschwarzen Augen an. Unsicher wagte Feivel ein paar Schritte vorwärts. Die um ihn herum anschwellenden Jubelrufe hörte er durch das in seinen Ohren tosende Blut kaum. Kira stieß ihn erneut an und schleuste ihn durch die Gasse, die die Pferdemenge für sie gebildet hatte. Um sich von seiner aufwallenden Furcht abzulenken, ließ der Hengst seinen Blick im Vorbeigehen über die Gesichter gleiten, die ihn allesamt ungeniert musterten. Die Meisten von ihnen hatte Feivel noch nie zuvor gesehen. Zwei Gestalten erkannte er jedoch ganz genau. Rays eiskalt blitzende Augen glitten nahezu angewidert an ihm auf und nieder. Direkt neben ihm stand eine dürre, braune Stute. Dr. Charlson. Mit Unschuldsmiene lugte sie hinüber zu dem Fuchsschecke. Ebenso wie Feivel wusste sie über dessen wahre Abstammung Bescheid. Nun ja ... Alles was Feivel dank ihrem unfreiwilligen Zusammentreffen in Kiras Büro wusste, war, dass Kira und John nicht Rays richtigen Eltern zu sein schienen. Doch das reichte ihm definitiv aus, um Ray mit noch größerer Skepsis zu begegnen als ohnehin üblich.

Unbeirrt leitete Kira Feivel weiter. Schier endlos lang erstreckte sich die Reihe der Pferde, an denen sie vorbei zogen. Je weiter sie kamen, desto stärkere Unruhe stieg in ihm auf. Wo auch immer dies hinführte, der Zeitpunkt der sogenannten Zeremonie rückte unweigerlich näher.

Da entdeckte Feivel auf einmal ein Gesicht in den Reihen, das sein Herz höher schlagen ließ. Fast hätte er ein erleichtertes Wiehern ausgestoßen, doch er schluckte es hinunter. Krampfhaft bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, starrte er den Boden an. Verstohlen wagte er es, zu der Schimmelstute hinüber zu lugen. Er wusste nicht, wie sie es geschafft hatte sich unter Kiras engste Anhänger zu schmuggeln, doch die Hauptsache war, dass er das alles hier nicht alleine durchstehen musste.

Angespannt nickte die Stute ihm zu und er wandte rasch den Blick ab. Tief durchatmend bereitete er sich auf das vor, was ihm bevorstand. Es war noch immer, als wäre er ohne Vorwarnung mit eiskaltem Wasser übergossen worden. Die Ungewissheit, was Kira mit ihm vorhatte, zerfraß ihn förmlich. Ihm blieb nur eines zu hoffen: Dass er überlebte.

Da war Clementine auch schon aus Feivels Blickfeld verschwunden. Hibbelig schlug er mit dem Schweif, um seiner Furcht Luft zu machen. Das Ende der Pferdereihe war bereits erkennbar. Instinktiv wurden seine Schritte zögerlicher und langsamer. Als Kira ihn leise Schnaubend überholte, beschleunigte er wieder, damit er zumindest auf gleicher Höhe mit ihr blieb und sich seine Angst nicht allzu sehr anmerken ließ.

Wie von Zauberhuf tat sich vor ihnen eine Tür auf. Schwerfällig schwang die metallene Pforte beiseite und gab die Sicht auf einen kleinen, hellen Raum frei. Er war vollkommen leer. In den strahlend weißen Fließen, die Boden, Wänden und Decke überzogen, spiegelte sich Feivels verkniffenes Gesicht in verschwommener Form wieder.

Gemeinsam traten die beiden Pferde hinein und verharrten dort. Feivel angespannt wartend; Kira in wissender Ruhe.

Eine Weile lang tat sich gar nichts. Unruhig schnaubend drehten sich Feivels Ohren hin und her. Die Pferdemenge war noch immer vor dem Raum versammelt und alle Blicke auf ihn gerichtet. Teilweise spiegelte sich auch in deren Ausdruck Verwirrung wieder. Nicht jedem war der Ablauf dieser Zeremonie geläufig. Feivel befürchtete schon fast, dass Kira ihn wieder einmal ausgetrickst hatte und ihr Ziel ein ganz anderes war. Den Sinn und Zweck dieser Veranstaltung hatte er jedenfalls noch nicht erfasst.

Mit einem Mal ertönte ein bedrohliches Quietschen. Langsam und schleppend näherte es sich durch den breiten Gang. Voller Angst fuhr Feivel herum. Zuerst konnte er die Quelle des Geräuschs nicht lokalisieren. Hektisch versuchte er, den Kopf gleichzeitig in alle Himmelsrichtungen zu wenden.

Die noch immer völlig ruhig wie ein Fels in der Brandung neben ihm verharrende Kira schien seine Furcht gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen richtete sich ihr massiger Schädel stumm und Aufmerksam nach vorne. Vorsichtig folgte Feivel ihrem Blick. Als er erkannte, woher das Knarzen und Rattern kam, legte sich seine Stirn verwirrt in Falten. Von einem altbekannten Fjordhengst geschoben, näherte sich von dort ein kleines, metallenes Wägelchen. Wie gebannt folgten die Augen aller Anwesenden dem Gefährt, bis es schließlich in dem Raum zum Stehen kam.

Mit zunehmend pochendem Herzen aber auch Verwunderung betrachtete Feivel es. Es handelte sich um eine Art modifizierten Servierwagen, worauf zahlreiche Fläschchen, Gefäße und Pulver in den unterschiedlichsten Formen und Farben aufgereiht waren. Zudem gab es einen Bunsenbrenneranschluss und einige Reagenzgläser sowie metallene Rührstäbchen. Alles in allem erinnerte es Feivel stark an die seltenen Tage im Chemieunterricht, wenn ein Experiment vollführt wurde.

„Sehr gut." Dankend nickte Kira dem Fjord zu und schickte ihn mit einer bestimmten Kopfbewegung wieder nach draußen.

Aus der Ferne nahm Feivel wahr, dass sich die Versammlung vor der Tür langsam wieder auflöste. Zumindest hatte sich die ordentlichen Reihen in tuschelnde Klumpen verwandelt. Stetig suchten seine Pupillen nach dem weißen Fell Clementines, doch sie schien wie von der Menge verschluckt.

Da wandte sich Kira ihm zu. „Feivel Cooper, jetzt beginnt der ernste Teil der Zeremonie." In ihrer Tonlage lag etwas seltsam offizielles und zugleich bedrohliches.

Fragend sah er erst sie an, dann das Tablett mit all den Tiegeln und Instrumenten auf dem Rollwagen. Was wurde hier gespielt?

Hufgetrappel ließ ihn aufschrecken. Mir geblähten Nüstern erkannte er die beiden Pferde, die in den Raum eintraten. Leider war es weder Clementine noch irgendein anderer seiner Verbündeten. Vielmehr konnte er sich kein schlimmeres Publikum vorstellen, als diese beiden. Verlogen grinsten Dr. Charlson und Raymon ihn an. Auch das noch. Rays scharfe Blicke bohrten sich in seinen Pelz und lasteten auf seinen Schultern wie tonnenschwere Backsteine.

Charlson wandte sich an die Pferde, die sich schaulustig vor die Tür drängten, und scheuchte sie mit einem aufgebrachten Zischen weg. Anschließend schenkte sie Feivel ein falsches Lächeln und zog die Tür klackend ins Schloss. Augenblicklich stieg Panik in ihm auf. Die weißen Wände schienen näher und näher zu kommen und drohten auf ihn einzubrechen. Kurz drohten ihm die Sinne zu schwinden. Jetzt gab es kein Entkommen mehr.

Ray und Charlson stellten sich stillschweigend vor der verschlossenen Tür auf, als wollten sie diese schützen. Kritischen Blickes sahen sie zu Feivel hinüber. Unsicher sah er von einem zum anderen. Das gleißende Licht brannte in seinen Augen. Alles was er wollte, war, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Er hatte einen großen Fehler begangen, indem er zustimmte, seine Treue zu Kira vorzutäuschen. Etwas sagte ihm, dass das hier ein mehr als nur böses Ende nehmen würde.

Mit plötzlich unterschwellig hinter ihrem Lächeln hervorblitzender Kälte blickte die Rappstute ihn an. „Jetzt, wo wir unter uns sind, kannst du deinen wissenschaftlichen Fähigkeiten freien Lauf lassen." Sie zwinkerte und deutete vielsagend auf das Tablett mit den Reagenzgläsern.

„Inwiefern?", fragte Feivel vorsichtig. Charlson und Ray ließ er dabei nicht aus den Augen. Ihre Anwesenheit behagte ihm ganz und gar nicht, genau so wenig wie es ihm behagte, hier mit seiner Dozentin und einem Experimentiertisch eingesperrt zu sein. „Was ist der Sinn dieser ... Zeremonie?", brachte er hervor.

„Du bist der erste, dem die Ehre dieser Zeremonie zuteil wird." Geheimnisvoll näherte sie sich ihm. „Du bist etwas ganz Besonderes." Eindringlich sah sie ihn aus ihren tiefen, schwarzen Augen an. Einen Moment lang war Feivel wie gefesselt von ihrer Ausstrahlung. Die Stimme der Stute ging ihm durch Mark und Bein. Ihre Anwesenheit füllte den ganzen Raum aus.

Eilig wandte Feivel den Blick ab. Er würde sich nicht noch einmal von dieser Verrückten um den Huf wickeln lassen. Stattdessen kratzte er jeglichen Krümel seines verbliebenen Mutes zusammen. Mit verbissen zusammengekniffenen Augen starrte er Kira an. „Das beantwortet meine Frage nicht", zischte er. Ehrlich gesagt war er erstaunt davon, wie leicht ihm die Worte über die Lippen glitten.

„Oho, jetzt wird er aufmüpfig", lachte Ray düster aus seiner Ecke. Glücklicherweise machte er keine Anstalten sich zu nähern.

Feivels Zorn gewann langsam aber sicher Überhuf über seine Angst. Kurz funkelte er zu dem Schecken hinüber. Als dieser ihn jedoch standhaft mit seinen eisblauen Augen fixierte, musste er den Blick senken. Für diese Tatsache verfluchte Feivel sich innerlich.

Seine Wut auf Ray unterdrückend, drehte er sich wieder zu Kira um und zog herausfordernd eine Augenbraue hoch.

Belustigt seufzend zog sie den metallisch glänzenden Wagen zu sich heran. „Du sollst das Mittel perfektionieren", sagte sie. Sie klang kalt und ließ keinen Widerspruch zu. „Hier ist der Prototyp." Mit sachlicher Miene deutete sie auf ein violettes Serum, das ordentlich abgepackt und beschriftet in einer verschlossenen Phiole vor sich hin dümpelte. Besorgniserregend Bläschen stiegen daraus auf. Feivel schluckte. Es sah ziemlich ähnlich aus, wie das, das Jackson verabreicht worden war.

Ein scharfer Stich durchschoss das Herz des gepunkteten Hengstes. Ihm entwich ein ersticktes Schnauben. Jackson Malone. Unschuldig gestorben wie viele weitere. Einzig wegen John Winters' düsterem Vermächtnis.

Entschlossen richtete Feivel seinen Blick auf die glitzernden Glasgefäße. Er war hier, um diese Pferde zu retten. Um Mallory zu retten. Plötzlich kam es ihm vor, als hätte er nur diese eine Chance, sie und sich selbst lebend hier rauszubringen. Und das durfte er unter keinen Umständen vermasseln.

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Unruhig auf der Stelle tänzelnd beobachtete Clementine, wie die Tür zugezogen wurde. Dahinter verschwand Feivel - in Gesellschaft seiner größten Feinden. Sorgenvoll weilte der Blick der hellen Stute auf dem eisernen Tor. Undurchdringbar und verschlossen. Was immer dort drinnen vor sich ging, Feivel saß in der Falle. Sorgenvoll huschte Clementines Blick an den Wänden auf und ab. Was sollte sie nur tun? Eigentlich dürfte sie gar nicht hier sein. Sie konnte von Glück reden, dass niemand sie bis jetzt erkannt hatte. Doch eine Rettungsaktion für Feivel war ohne aufzufallen undenkbar.

Klappernd hallten ihre Schritte von den Wänden wieder. Glücklicherweise gingen sie in dem aufgebrachten Gewieher der andern Anwesenden unter. Keiner Kiras Anhänger schien so recht zu wissen, was es überhaupt mit dieser sogenannten Zeremonie auf sich hatte. Umso schlimmer. Scheinbar war sie exklusiv für Feivel ins Leben gerufen worden. Die grässlichsten Szenarien brauten sich in Clementines Kopf zusammen. Aufgewühlt stampfte sie mit dem Huf auf. Sie musste unbedingt etwas Nützlicheres tun als nur hier herumzustehen und zu hoffen, dass niemand sie erwischte.

Langsam und so unauffällig wie möglich, schlenderte sie an der zerstreuten Pferdemenge vorbei. Dank der allgemein herrschenden Aufregung, wurde sie kaum beachtet. Rasch bog sie um eine Ecke. Der ruhige leere Gang, der sich nun vor ihr erstreckte, war wie Balsam für ihre aufgewühlte Seele.

Wie überall hier unten, war der Gang in sterilem Weiß gefliest und ab und an gingen mysteriöse Eisentüren von ihm ab. Allerdings war er wesentlich schmaler als der Hauptgang. Clementine tastete sich lauschend vorwärts. Sie hatte beschlossen, nach Mallory zu suchen. Solange Kira und die anderen mit Feivel in diesem Raum hockten, hatte sie mehr oder weniger freie Bahn. Nachdenklich sah die Stute sich um. Wo konnte Mallory nur sein?

Alles um sie herum sah vollkommen gleich aus. Clementine war sich relativ sicher, noch nie in diesem Teil des unterirdischen Trakts gewesen zu sein. Das Konstrukt war so weitläufig, dass sie in ihren Jahren hier, bei weitem noch nicht jeden Winkel erkundet hatte. Dennoch schritt sie entschlossen vorwärts. Mallory musste hier irgendwo sein, da war sie sich sicher. Und sie musste dringend gefunden werden. Wer wusste schon, was man mit ihr anstellen würde, wenn keine Rettung kam. Den düsteren Gedanken, dass es dafür vielleicht schon zu spät war, verbannte Clementine mit einem verbissenen Schweifpeitschen.

Zunehmend zielloser durchirrte sie die verzweigten Gänge. Rechts, Links, Links, Rechts. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie oft sie bereits abgebogen war. Es kam ihr vor, als dränge sie immer tiefer in das Gewirr der Winters Academy vor. Was war das nur für ein Ort? Wer baute ein solches System. In dem Patientenbereich waren wenigstens die Türen mit Nummern beschriftet, aber hier schien wirklich alles identisch. Überall brannte das übliche, gleißend weiße Licht. Wahrscheinlich wurden die Lampen niemals abgeschaltet, sodass man jegliches Zeitgefühl verlor. Im Schein der Neonröhren führte sich Clementine schutzlos und ausgeliefert. Ständig schnellte ihr Blick hinter sich. Vom Verfolgungswahn getrieben, beschleunigten sich ihre Schritte. Sie fragte sich, wie Kira und ihre engsten Mitarbeiter sich hier unten nur zurechtfinden konnten. Wahrscheinlich trugen sie immer irgendeine Art Navigationssystem mit sich, anders konnte sie sich eine Orientierung in diesem Wirrwarr aus Gängen beim besten Willen nicht vorstellen.

Vor einer der Türen hielt die Stute an, testete vorsichtig, ob sie verschlossen war. Keine Regung zeigte sich. Heftigeres Rütteln. Die Tür rührte sich nicht einen Millimeter. Frustriert stapfte Clementine weiter. Selbst wenn Mallory hinter einer dieser Türen steckte, sie würde gnadenlos an ihr vorbei rennen. Hier war es einfach zu unübersichtlich, zu seelenlos. Kein Mucks drang durch die schalldichten Steinwände.

Leise wiehernd stoppte Clementine ihren wahnhaften Lauf. Es hatte keinen Sinn. Verzweifelt lehnte sie sich an eine der kalten Wände, blickte vorwärts, blickte rückwärts. Nur unendlich weiße Leere, die drohte, sie zu verschlingen. Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wie sie jemals wieder zurückfinden sollte. Leise schluchzend glitt sie an der Wand hinunter, bis sie schließlich tränenüberströmt am Boden kauerte. Wie hatte sie es nur so lange hier aushalten können? Ohne das Wissen über die Wahrheit? Warum war sie noch immer hier? Sie hätte rechtzeitig fliehen können, doch jetzt hockte sie hier, wusste weder ein noch aus. Weiß, überall Weiß. Selbst ihr Fell hob sich kaum von dem eintönigen Untergrund ab. Warum existierte dieser Bereich der unterirdischen Gänge überhaupt? Was verbarg sich hinter all den verschlossenen Türen? Experimente? Geheime Unterlagen? Private Eigentümer von John Winters, von seinem Vater und dessen Vater? Reagenzgläser, in denen Fohlen gezüchtet wurden? Ein Rassenvernichtungslager? Vergasungszellen? Gefängnisse? Saß hinter jeder dieser Türen ein eingesperrtes Pferd, das seit Jahren auf seine Befreiung wartete? Durch jeden Laut von draußen wurden Hoffnungen erweckt, doch jeder ging vorüber, wusste nicht einmal von deren Existenz.

Zitternd vergrub Clementine den Kopf in ihrer langen, dichten Mähne. An so etwas durfte sie jetzt nicht denken. Ihre Mission war es vorerst, Mallory zu retten. Dann konnte sie sich um den Rest kümmern. Alleine konnte sie Kira und ihre finsteren Pläne sowieso nicht aufhalten. Da brauchte es schon etwas mehr, um dieses ausgeklügelte System der Winters-Familie zu vernichten.

Plötzlich schallte ein schriller Signalton durch die kahlen Gänge. Für einen Moment setzte Clementines Herzschlag aus. Wie von der Tarantel gestochen schnellte sie hoch uns sah sich hektisch um. Das Geräusch ebbte ab und kehrte als stummes Summen wieder. Erleichtert atmete sie aus und zog ihr Handy hervor. Das sollte sie dringend auf Vibration umschalten. Nicht, dass sie sich durch diesen grässlich lauten Klingelton noch in Gefahr brachte.

„Ja?", nahm die Stute das Gespräch an.

„Clementine?", kam es prompt zurück.

Sofort normalisierte sich Clementines Herzschlag wieder. Eine Woge der Erleichterung ergriff sie, also sie Skylas Stimme erkannte. Freudig schnaubte sie in den Hörer: „Was gibt's Schatz?" Sie biss sich auf die Lippe. So hatte sie Skyla seit Jahren nicht genannt. Schwer drückte die Erinnerung an die gemeinsame Zeit mit der kleinen Palominostute auf sie nieder. Eine Zeit, die nie mehr wiederkehren würde. Aber daran war jetzt nicht zu denken. Hastig wischte Clementine ihren Schwermut beiseite. Hier ging es um Mallory und Feivel.

„Wo steckst du?", durchbrach Skyla unsicher die kurze Schweigepause.

Suchend blickte Clementine sich um. „Das weiß ich auch nicht so genau ... Irgendwo im geheimen Gewölbe unter der W.A.S. auf der Suche nach Mallory." Erst jetzt wurde ihr der Ernst der Lage wirklich bewusst. Sie hatte sich gewaltig verfranzt.

„Sag bloß, du hast dich verirrt." Clem meinte, eine Spur des Vorwurfs aus Skylas Stimme herauslesen zu können.

„Ja, so ist es." Clementines Angst war zurückgekehrt. „Irgendeine Idee, wie ich hier wieder rauskomme?", fragte sie mit einem etwas zu aufgebrachtem Wiehern.

„Nun ja ..."

Hoffnungsvoll spitzte die Schimmelstute die Ohren.

„Simon kann vielleicht helfen ...", überlegte Skyla nachdenklich.

Ein Teil der Last löste sich von Clementines Schultern. Wieso hatten sie daran nicht früher gedacht? „Kann er nicht Handys orten?", schoss es aufgeregt aus ihr heraus.

„Je nach Entfernung bis auf ein paar Meter genau", antwortete Simon ihr mit fachmännischer Miene und nicht ohne eine Spur des Stolzes. Offenbar hatte er von Skyla das Handy vorgehalten bekommen.

„Dann kommt mich sofort suchen und helft mir, Mallory zu finden!"

Vielleicht gab es doch noch eine Chance. 

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