Verwirrungen im Krankenbett
Als Lily aufwachte, war alles hell.
Vor ihr erschien eine weiße Gestalt, die sich über sie beugte und liebevoll an ihre Stirn langte.
„Sie wacht auf", hörte sie eine weibliche Stimme.
„Ist das der Himmel?", fragte Lily die Gestalt vorsichtig mit kratziger Stimme. Sie hatte sich den Himmel immer wie ein Wolkenmeer vorgestellt, auf das man hinaufstieg und von einem Engel in Empfang genommen wurde. Zwar dachte sie, dass sie dabei nicht liegen würde, aber wenn es auch so ginge, war es ihr recht. Denn die Beine fühlten sich so schwer an, dass sie glaubte, nicht aufstehen zu können.
Die weiße Gestalt schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück. Dabei blitzte etwas Licht hervor, welches die Gestalt zuvor verdeckt hatte. War das das heilige Licht, das so blendete? Das, von dem ihre Großmutter immer erzählte, wenn sie ihre christlichen Geschichten immer auspackte?
Die Gestalt lachte hell. „Nein, Dummchen. Das hier ist der Krankenflügel. Und jetzt machen Sie bitte den Mund auf, dass ich Ihnen etwas Renovarus-Trank geben kann."
Hastig öffnete sie den Mund. So wie die weiße Gestalt sprach, gab es keine Widerrede. Sie spürte, wie ihr ein Löffel in den Mund gerammt wurde, und schmeckte bald darauf etwas so Bitteres, dass sie schlagartig die Augen aufriss und gegen einen Würgreiz ankämpfen musste.
„Na! Drin behalten, meine Liebe", erwiderte die Gestalt. „Auch wenn es widerlich schmeckt. Da müssen Sie leider durch."
Vor ihr hörte sie Menschen flüstern. Sie redeten über sie. Doch die paar Fetzen, die sie aufschnappte, klangen so verwirrend, dass sie die Stirn runzelte. „...konnte das passieren?" - „...nicht erklären.." - „...armes Mädchen..." - „...war er bei ihr?" - „...auf dem Weg zur Genesung..." - „...Lebensgefahr..."
Sie spürte, wie ihre Augenlider schwerer wurden. Die verschwommenen, hellen Bilder vor ihr waren nur noch durch einen schmalen Schlitz zu sehen, bis die Augen sich allmählich ganz schlossen.
„Lily-Schatz, was machst du denn hier?", fragte eine ihr zu bekannte Stimme.
„Mutter...?" Sie hätte am liebsten nach ihr gerufen, doch aus ihrem schwachen Körper kam nur ein Gemurmel zustande.
„Liebling, werd wieder gesund! Bitte, du bist noch zu jung, um bei uns zu sein!"
„Vater?"
Sie versuchte, die Augen auf zu reißen, um ihre Eltern zu sehen. Mit aller Kraft gelang es ihr, sie zu öffnen.
Sie musste wohl im Krankenflügel liegen, denn ihr Bett war aus weiß lackiertem Metall und um ihr herum waren Vorhänge zugezogen. Vor ihrem Bett standen ihre Eltern Arm in Arm und sahen auf sie herab.
„Wir lieben dich, mein Schatz. Vergiss das nicht", sagte ihre Mutter und lächelte sie sanft an.
„Ich liebe euch auch", antwortete sie.
Sie wollte sie einsaugen, alles von ihnen festhalten und sie am liebsten nie wieder gehen lassen. Als die Müdigkeit ihre Glieder schwerer machte, versuchte sie dagegen anzukämpfen. Sie konnte ihre Eltern nicht gehen lassen. Wenn sie einschlief, waren sie fort. Dann hätte Lily sie zum zweiten Mal verloren und das konnte sie nicht zulassen.
So sehr sie auch schrie, hatte sie das Gefühl, dass die Müdigkeit sie mit aller Kraft tiefer in die Matratze zog, bis sie das Gefühl hatte zu ersticken.
Dann - wie aus dem Nichts - tauchte ein rotes, schlitzförmiges Augenpaar direkt über ihr Gesicht auf. Er war wieder da.
Sie sah sein hässliches Grinsen und wie seine spitzen Zähne hervor blitzen, über die er sich genüsslich mit seiner Schlangenzunge darüber leckte.
Wie hatte er sie gefunden?
Vergeblich versuchte sie zu schreien, doch es kamen nur erstickte Laute von ihrer Kehle.
Plötzlich wurde es hell. Neben ihr wurde ein Licht angemacht und sie sah, wie ihr eine Frau in weißer Krankenhauskleidung einen nassen Lappen auf die Stirn legte. Wozu? Warum tat sie das? Doch sie konnte die Frau nicht fragen, denn ihre Augenlider wurden wieder schwer.
„Lily... Lily!"
Irgendjemand redete auf sie ein und rüttelte sie sanft. Widerwillig öffnete sie ihre Augen. Sie erschrak, als sie direkt über ihrem Gesicht ein Augenpaar auf sie herab starren sah, doch dann entspannte sie sich, als sie die braunen und aufgeregten Augen erkannte. „Laura?", fragte Lily verwundert und versuchte sich aufzusetzen. Der kleine Störenfried strahlte kurz, als Lily ihren Namen nannte, doch dem Grinsen wich schnell ein panischer Blick, der in Richtung Tür huschte.
„Hör zu Lily, ich kann nicht lange", flüsterte Laura und strich sich ihre schwarzen Haare hinter ihr Ohr. „Eigentlich darf ich gar nicht hier sein. Poppy hat jede Art von Besuch untersagt. Sirius lenkt sie gerade ab, deshalb muss ich mich kurzfassen." Ihr Kopf schnellte kurz aufgeregt in Richtung Tür, dann fuhr sie fort: „James meinte, es wurde kurzzeitig so nebelig, dass man gar nichts mehr erkennen konnte. Als er dich schreien hörte, ist er sofort losgerannt. Aber er sagte auch, dass ihr kurz zuvor von ein paar Slytherins überfallen wurdet?"
In Lilys Kopf ratterte es. Ja, da war etwas... Verschwommen erinnerte sie sich an drei Personen, die ihr näher kamen. Nachdenklich nickte sie.
„Okay", erwiderte Laura und runzelte die Stirn. „James hat gelauscht, als die Lehrkräfte vor deinem Bett standen. Dumbledore glaubt wohl einen Zusammenhang zu sehen zwischen dem, was dir passiert ist und dem Verschwinden der anderen Schüler."
Unruhig rutschte Lily in ihrem Bett hin und her. „Du meinst... Er hatte es auf mich abgesehen...?", fragte sie und riss ihre Augen panisch auf.
„Wir wissen es nicht. Entweder war das nur Zufall oder er hatte es geplant."
Aus dem Zimmer der Krankenschwester klang ein leises Poltern und Lily und Laura starrten gebannt zur Tür. Man hörte Madame Pomfrey fluchen. „Mr. Black, ich kann mir absolut nicht erklären, warum Sie glauben, krank zu sein! Sie machen einen kerngesunden Eindruck!"
Schnell drehte sich Laura zurück zu ihrer Freundin und lehnte sich etwas vor. „Kannst du dich an irgendetwas erinnern?", fragte sie leise. „Hat er dir was gesagt? Hast du ihn schon mal gesehen?"
„Ich...", begann Lily und schüttelte den Kopf, doch das Poltern wurde lauter und man hörte, wie Black die Krankenschwester anflehte.
„Bitte, Madame Pomfrey! Können Sie nicht wenigstens nachfühlen?"
„Mr. Black! Da ist nichts!"
„Aber mein Herz..."
„Scheren Sie sich raus hier! Sie stören die Nachtruhe für die Patienten!"
Die Tür zum Schwesternzimmer öffnete sich und Laura zuckte zusammen. Doch dann hörte sie Blacks erneutes Flehen und die Tür schloss sich wieder. Die zwei Mädchen atmeten erleichtert aus.
„Da ist noch etwas, Lily", flüsterte Laura und versuchte ihren Blick von der Tür loszureißen. Dann atmete sie kurz durch und sah ihre Freundin mit flehenden Augen an. „Bitte verzeih mir... Ich war so eine schlechte Freundin..."
„Laura, wirklich. Ich glaube, wir waren beide schlechte Freundinnen", unterbrach Lily sie.
„Jaah", erwiderte Laura. „Du hast mich schon ziemlich verbal angegriffen..." Als Lily den Mund öffnete, um etwas zu entgegnen, sprach Laura hastig weiter. „Ich habe nicht nur dich in Verlegenheit gebracht, sondern auch andere Freunde ignoriert, deren Gefühle ich damit unwissentlich verletzt habe. Ich weiß, dass James dich doch mag und vielleicht nichts von deinen Dates wissen möchte", fügte sie hinzu, nachdem sie Lilys verwirrten Gesichtsausdruck sah.
„Aber", begann Lily, doch Laura schmiss sich auf ihre Freundin. „Es tut mir so leid, Lily! Ich hatte so Angst um dich! Wir sollten zu solchen Zeiten nicht wegen ein paar Kleinigkeiten streiten!" Unbeholfen hob Lily ihre Hand und streichelte ihrer Freundin sanft über die schwarze Mähne.
„Du hast so recht", flüsterte sie. „mir tut es auch leid." Sie atmete den vertrauten Geruch ihrer Freundin ein. In diesem Moment merkte sie, wie sehr sie ihre Freundin vermisst hatte..
„Hören Sie auf, meine Zeit zu verschwenden, Mr. Black!", fluchte Madame Pomfrey und mit einem Mal riss die Tür erneut auf. Laura sprang hektisch auf. Sie warf einen silbrigen Umhang um sich und ihr halber Körper verschwand im Nichts, sodass nur noch ihr Kopf herausschaute.
„Der Umhang", flüsterte Lily erstaunt. Er kam ihr so bekannt vor. „James", antwortete Laura und nickte zum Bett neben Lily, bevor sie sie mit ihrer schwebenden Hand hastig eine Träne von den Augen wischte, welche sich wohl zuvor in Lilys Arm gebildet hatte. „Werd' schnell wieder gesund!", raunte Laura dann und verschwand in dem Umhang.
An der Tür erschien ein gespielt bedröppelter Sirius Black, welcher von einer genervten Madame Pomfrey aus dem Zimmer geworfen wurde. „Und lass dich hier nie wieder wegen so einer Lappalie blicken! Liebeskummer! Also wirklich..."
Als sie die Tür zuknallte, drehte sich Black in Richtung Lily und verbeugte sich theatralisch. Sie glaubte, ein verschmitztes Zwinkern von ihm zu erkennen, bevor er schließlich durch die große Tür aus den Krankenflügel verschwand.
Auch wenn es Sirius Black war - ein Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen.
Erschöpft ließ sie sich zurück in ihr Kissen fallen und versuchte, nicht an diese roten, schlitzförmogen Augen zu denken, die sie neuerdings verfolgten.
Plötzlich schrie jemand und Lily schlug erschrocken ihre Augen wieder auf.
Wer war das?
Sie spürte, dass ihr ganzer Leib zitterte, doch sie wusste nicht warum. Alles im sie herum fühlte sich nass an.
Plötzlich hörte sie etwas knarzen und dumpfe Geräusche näher kommen, als würden nackte Füße auf kaltem Steinboden tappen. Ängstlich schaute sie zu der Seite, von der sie die Geräusche wahrnahm. Sie sah, wie sich neben ihr etwas bewegte. Panisch schnellte ihr Blick zum Nachttisch, ob ihr Zauberstab dort lag, doch er war nicht da. Wie gefesselt lag sie im Bett, handlungsunfähig, gelähmt. Mit pochendem Herzen sah sie ihrem Ende entgegen und aus ihrem Mund kam ein leise wimmerndes „Nein". Er war wieder da...
„Schhh..", hörte sie plötzlich unweit von ihrem Bett. „Ich bin's nur."
Kurz darauf huschte jemand in einem gestreiften Pyjama zu ihrem Bett.
Nein. Der Vampir trug einen schwarzen Umhang, also war es wohl jemand anderes. Nach einem kurzen, prüfenden Blick zur Tür drehte sich die Person um und Lily atmete erleichtert aus. „James", flüsterte sie.
Dieser setzte sich an den Rand ihres Bettes, sodass die Matratze unter seinem Gewicht nachgab. „Alles in Ordnung?", fragte er mit einem besorgtem Blick und sie nickte leicht. „Du hast geschrien", flüsterte er. Verwirrt sah sie ihn an. „Ich war das?"
Er ging nicht weiter auf ihre Frage ein, sondern griff zum Nachttisch. Dort entnahm er einen Lappen, den er über einer Schüssel auswrang. Sanft tupfte er damit über ihr Gesicht und während er sich darauf konzentrierte, das kühlende Nass auf ihrer Stirn zu verteilen, beobachtete sie jeden seiner Züge.
Ihr Blick wanderte von seinen braunen Augen über die Nase bis hin zum Mund. Doch dort verharrte ihr Blick nicht lange, denn an seinem Hals konnte sie mehrere verarbeitetete Schnittwunden erkennen. Erschrocken starrte sie dort hin. „Was ist dir denn passiert?", fragte sie. James drückte den Lappen sanft gegen ihre Stirn und lächelte gequält. „Nichts Wildes", flüsterte er. Dann legte er den Lappen zurück in die Schüssel und drückte ihre Hand. „Schlaf gut, Lily. Morgen ist ein neuer Tag", flüsterte er aufmunternd, bevor er aufstand.
Sie wollte nicht, dass er ging, wollte nicht allein sein. Seine Nähe fühlte sich so warm und geborgen an. Sobald sie allein war, kamen bestimmt wieder die Bilder in ihr hoch.
Flehend hielt sie seine Hand fest, dass er in seiner Bewegung innehielt und sie verwundert anblinzelte.
„Bitte bleib", hörte sie sich sagen. „Geh nicht weg, James."
Er lächelte erneut, und dieses Mal glaubte sie ein leichtes Strahlen in seinen Augen zu erkennen. Langsam, und ohne ihre Hand loszulassen, setzte er sich neben sie und schaute sie an. „Mach die Augen zu. Ich bin da", flüsterte er.
„Erzähl mir etwas", forderte sie ihn auf.
"Hmm...", überlegte er. "Kennst du die Geschichte vom Brunnen des wahren Glücks?"
Lily schüttelte erschöpft lächelnd den Kopf, weshalb er flüsternd zu erzählen begann.
Doch was dies für eine Geschichte war, erfuhr Lily nicht mehr, denn kaum hatte James begonnen zu erzählen, schlossen sich ihre Augen wie von selbst und statt der roten Schlitzaugen hatte sie nur noch warme, braune Augen vor sich.
*****
Hallo Freunde :)
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Wenn ja, freue ich mich auf eure Reviews, während ich mich dann mal weiter an das nächste Kapitel setze :D
Ich wünsche euch einen wundervollen Start in die neue Woche <3
xxx
Kate
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