Protego
„Guten Morgen die Damen und Herren.“
Neugierig starrten die Schüler zu dem jungen Mann, der gerade die Tür schwungvoll öffnete. „Mein Name ist Professor Delvaux. Wir werden dieses Jahr das Vergnügen zusammen haben, Sie auf Ihre UTZ-Prüfungen vorzubereiten.“ Hinter ihm knallte die Tür zu. „Ich möchte natürlich sicher gehen, dass Sie alle bestmöglich in dem Unterricht mitgenommen werden. Falls Ihnen also etwas unklar ist, dann hauen Sie immerzu raus damit!“
Lily musterte ihn fasziniert. Mit den dunkelbraunen Locken, die an der Stirn herunter hingen, den Kotletten, die bis zu seinen Ohrläppchen lang waren, und der Entschlossenheit, die seine grauen Augen ausstrahlten, sah er erstaunlich gut aus. Sein weißes Hemd hatte er bis zum Hals hochgeknöpft und unter seinem grünen Frack trug er eine beige Hose, deren Hosenbeine unter seinen Knien in seine braunen Lederstiefeln verschwanden. Seine markanten Züge und die kleine Narbe auf seiner rechten Wange gaben ihm etwas verwegenes, kämpferisches und Lily ertappte sich dabei, wie sie sich vorstellte, von ihm aus einem Feuer oder einem Kampf gerettet zu werden. Die schmachtenden Blicke der anderen Mädchen verrieten Lily, dass sie nicht die einzige war, die gerade solche Gedanken zu hegen schien.
„Schutzzauber!“
Gebannt starrten alle zum neuen Professor, der nun vorne am Pult ankam und sich mit seinen Armen darauf abstützte. „Dem Thema werden wir uns in den nächsten Stunden widmen und uns dabei kennenlernen.“ Er sah alle eindringlich an.
„Aber Sir“, kam es von der hinteren Tischreihe. „Ja, Mr. …?“ „Potter, Sir“, ergänzte Potter und Lily verdrehte die Augen. Natürlich Potter. Konnte er nicht einmal zuhören, ohne den Unterricht zu stören?
„Bitte Mr. Potter, was geht Ihnen durch den Kopf?“ Nur schwer konnten die Schüler den Blick vom Professor lösen. „Wir hatten schon ein paar Mal das Thema. Sich zu schützen ist ja schön und gut, aber was hilft mir das zur Verteidigung?“ Potter machte eine kurze Pause, doch der Professor starrte ihn ruhig und unentwegt an und Lily glaubte, neben dem Interesse auch ganz kurz ein klein wenig Belustigung in seinen Augen blitzen zu sehen. „Wenn dort draußen ein Krieg ansteht und immer mehr Menschen grundlos ermordet werden, möchte ich mich wehren und andere verteidigen können!“
Unruhig rutschte Lily hin und her. Auch wenn ihr Potters Zwischenrufe durch den Strich gingen, musste sie ihm recht geben. Wenn es hart auf hart käme, möchte sie kämpfen und sich nicht einfach nur zurück ziehen.
„Ah Mr. Potter, Sie fühlen mir auf den Zahn!“ Er wischte sich mit seiner rechten Hand eine Locke aus der Stirn und grinste. Ein leichtes Seufzen der weiblichen Schülerschaft war zu hören, doch er ignorierte es und schaute weiterhin zu Potter.
„Sie können gerne kämpfen, sich verteidigen und andere Menschen so vor Angriffen retten, aber wenn Sie das ohne Schutzzauber versuchen, kämpfen Sie vergebens. Wer nicht geschützt ist, kann nicht in den Kampf ohne verletzt und geschwächt zu werden. Und glauben Sie mir, geschwächt zu kämpfen ist so kräftezerrend, dass Sie irgendwann aufgeben und um den Tod betteln werden. Niemand, der ganz bei Verstand ist, kämpft ohne Schutz. Oder haben Sie schon mal einen Ritter ohne Schild gesehen?“ Potter schluckte und schüttelte den Kopf.
„Da haben wirs!“ Freudig klatschte er in die Hände und schaute in die Runde. Gibt es sonst noch Einwände?“ Das Schweigen der Klasse sprach Bände. „Sehr gut. Dann fangen wir mal an!
Junge Dame“, sprach er plötzlich in einem sanften Ton und Lily erschrak heftig als sie sein Gesicht ganz nahe an ihrem sah. „Sagen Sie, wie heißen Sie?“
„Liens“, stotterte sie leise. Sie fühlte, wie sich ihre Wangen röteten. Belustigt sah er sie an. „Wie bitte?“
Sie holte tief Luft und straffte ihre Schultern. So nervös kann man doch nicht wegen einem Lehrer werden! „Lily Evans, Sir.“
„Sehr schön, sehr schön. Miss Evans, kommen Sie doch bitte einmal vor.“ Einladend schwang er seinen den Arm zur Seite, dass sie zögernd aufstand und nach vorne ging, dicht gefolgt vom Professor.
„Keine Angst, Sie können mir vertrauen“, sagte er als sie stehen blieb und sich mit dem Profil zur Klasse drehte. Er stellte sich ihr ein paar Meter weiter gegenüber und hob seinen Zauberstab auf sie. Gespannt, was nun passierte, beobachtete sie genau seine Bewegungen. „Seien Sie auf alles gefasst, was Ihnen in die Quere kommt!“
Er hob seinen Arm und er starrte sie an, doch seine Lippen blieben geschlossen. Einzig an seinem Blick erkannte Lily, dass er gerade nicht aus war, ihr einen Blumenstrauß zu zaubern. Sie sah in seinen Augen etwas Gefährliches flackern. Für einen Moment stellte sie sich vor, es wäre einer von den Gefolgsleuten von du-weißt-schon-wem und nicht Professor Delvaux, der ihr gegenüber stand. Als sein Blick sich verdunkelte, war ihr Körper ganz auf Angriff eingestellt. Ohne zu zögern zückte sie ihren Zauberstab und sie ihn entschlossen zu einem Protego schwang, ehe er innerlich seinen Fluch überhaupt hatte aussprechen können.
Graue, finstere Augen trafen grüne, entschlossene. Und für eine Sekunde glaubte Lily sogar ein kleines Zucken in seinen Augen zu sehen, aber es war so schnell, dass sie sich fragte, ob sie sich vielleicht auch einfach nur täuschte. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie dachte, er würde weiß was für ein Fluch auf sie hetzen – und hier ging es schließlich auch um Schutzzauber, oder nicht? Zitternd machte sie sich darauf gefasst, von ihm angeschrien oder zurechtgewiesen zu werden. Doch im nächsten Moment erhob er sich und steckte seinen Zauberstab in seinen Frack.
Über seine Lippen huschte ein Lächeln. Anerkennend klatschte er in die Hände und wandte sich kurz der Klasse zu, um sie zum Beifall zu animieren. Jetzt erst merkte Lily, wie still es im Klassenraum geworden ist und wie angespannt alle auf sie starrten. Allmählich schienen ihre Mitschüler aus ihrer Starre zu kommen und ließen sich von Professor Delvaux anstecken.
Hitze kroch in ihr hoch und verlegen starrte sie auf ihre Füße.
„Miss Evans, Miss Evans“, sprach er. „Ihren Namen merk’ ich mir!“
„Aber, das war doch nur…“, stotterte sie verwirrt. „… ein einfacher Protego? Neeein! Was Sie vollbracht haben, ist deutlich höheres Niveau!“ Erstaunt schaute sie hoch. Höheres Niveau? Aber es war doch Wissen aus der 5. Klasse, oder? „Einen einfachen Protego bekommt jeder hin. Aber Sie hätten gerade die halbe Schule abwehren können – und das ohne den Zauber auszusprechen!“ Unangenehm berührt fuhr sie mit ihren Fingern über ihren Zauberstab, in der Hoffnung, dass niemand ihr Zittern sehen konnte. Das war eindeutig zu viel Aufmerksamkeit für sie. Zu ihrem Glück erkannte er schnell die Situation und forderte die Schüler auf, sich jeweils einen Partner zu suchen. „Stellt euch auf und übt den Protego! Ich will ihn tief aus eurer Überzeugung sehen! Und ja, für heute dürft ihr ihn nochmal aussprechen – ich will sehen, was ihr alle drauf habt!“
Als der Unterricht vorbei war, packte Lily erschöpft ihre Tasche und sammelte sich draußen mit ihren Freundinnen, um gemeinsam zum Gemeinschaftsraum zu gehen. Bei der Partnerwahl waren alle Pärchen sehr schnell gebildet. Lily beobachtete, wie ihre Freundinnen davon schwirrten und die Partnerwahl allmählich schwieriger wurde. Lediglich Peter Pettigrew war am Ende noch übrig. Sie hatte ihm seine Erleichterung angesehen, als sie ihn aufmunternd anlächelte. Und obwohl er es am Ende der Stunde mit ihrer Hilfe wunderbar schaffte, einen Protego sogar ohne auszusprechen auszuüben, hatte es sehr an ihren Kräften gezerrt, ihn am Ball zu halten.
Beim Abendessen war Professor Delvaux Gesprächsthema Nummer eins. Die Mädchen schwärmten von seinem Aussehen, seinen Bewegungen, seiner Stimme – und die Jungs prahlten wie Gorillas von ihren Schutzzaubern. Doch während Black selbstüberzeugt von seinem unausgesprochenen Protego prahlte, beobachtete Lily argwöhnisch, wie Potter und Remus die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Doch aufgrund der Lautstärke von Black und den anderen, konnte sie leider nichts verstehen. Und kaum hatte Potter ihren Blick bemerkt, räusperte er sich und lehnte sich zurück. Er nahm einen Schluck Kürbissaft ohne den Blick von Lily abzuwenden. Sie hielt den Blick stand, misstrauisch, was er wieder ausheckte oder was ihm gerade durch den Kopf schwirrte. Als Potter merkte, dass sie die Augen nicht von seinen abwendete, zuckte sein linker Mundwinkel nach oben. Schnell wandte Lily den Blick ab und starrte auf ihren Teller.
Er soll sich darauf bloß nichts einbilden, dachte sie wütend. Ihm verfallen viele Mädchen. Aber sicher nicht Lily Evans. Niemals!
Er bildete sich natürlich etwas darauf ein.
Im Astronomie-Unterricht hatte sie das Glück – oder von ihrer Seite aus zu sagen das Pech -, mit Potter zusammen zu arbeiten. Sie hatten die Aufgabe, anhand der Leuchtkraft der Sterne das morgige Wetter herauszulesen. Um möglichst schnell voran zu kommen und entsprechend möglichst wenig Zeit mit Potter zu verbringen, starrte sie konzentriert in ihr Teleskop und diktierte die Sterne mit ihren Gebilden und Leuchtintensitäten. Potter hingegen lehnte lässig einen Arm über seine Lehne und schrieb fleißig. „Du hättest mich mit deinen Blicken ausziehen können, Evans!“, meinte er irgendwann grinsend. Lily schluckte schwer und merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht kroch, versuchte aber so gelassen wie möglich zu klingen. „Als ob ich Interesse hätte, dich auszuziehen, Potter! Castor, Dichte 60%“, fügte sie hinzu und schraubte an ihrem Teleskop, um etwas weiter nach rechts schauen zu können. „Na, du konntest den Blick jedenfalls von mir nicht abwenden“
Lily schwieg dazu und widmete sich eher den Sternen. „Zaubak, Dichte 35%.“
„Von Delvaux konntest du auch nicht mehr wegschauen“, feixte er. "Er scheint es dir ja richtig angetan zu haben." Genervt verdrehte sie die Augen. „Sirius, Dichte 95%.“ Dann drehte sie sich um und schaute Potter an. „Worauf willst du hinaus?“ „Er gefällt dir!“, stellte Potter fest und grinste besserwisserisch, doch seine Augen sahen sie eindringlich an. „Natürlich nicht! Er ist ein Lehrer!“ Entrüstet riss sie sich die Notizen aus Potters Hand. „Aber wenn er es nicht wäre, würde er dir gefallen. Gib‘s doch zu!“, feixte er weiter und Lily schnaubte. „Und wenn! Immerhin bildet er sich nichts auf sein Aussehen ein!“ Sie überflog die Notizen, die Potter die Stunde über gemacht hat. „Morgen solltest du dich vielleicht mehr drinnen aufhalten. Nicht dass der Regen zu viel deiner Arroganz wegwischt. Das könnte dich sonst noch deinem unattraktiven Charme zerstören.“ Hastig kritzelte sie die Ergebnisse auf das Blatt Pergament und ging vor zu Professor Denebola, um den Bogen abzugeben. Als sie zurückkam, fügte sie noch hinzu: „Und keine Sorge Potter, du bist immer noch der unattraktivste Mann überhaupt, Professor Delvaux wird dir hierzu gar nichts streitig machen!“ Mit diesen Worten packte sie ihre Tasche und verschwand schwungvoll aus dem Klassenraum.
Eingebildeter Troll, dachte sie dabei, während sie sich zügig Richtung Schlafsaal bewegte.
Am liebsten hätte sie ihm vor allen eine gepfeffert, doch sie hatte sich geschworen, sich dieses Jahr zusammen zu reißen. Sie wollte sich dieses Jahr nicht mehr so schnell reizen lassen von den beiden. Zum einen, weil sie ihr letztes Jahr auf Hogwarts etwas mehr genießen wollte (und das würden Potter und Black ihr sicherlich nicht kaputt machen können) und zum anderen, weil sie als Schulsprecherin eine gewisse Vorbildfunktion hatte - und Lily konnte sich bei bestem Willen nicht vorstellen, dass jemand, der schnell aus der Haut fuhr und Mitschüler verprügelte, ein gutes Vorbild darstellte.
Vielleicht, dachte sie und lächelte bei ihrem schwachen Versuch sich selbst zu trösten, vielleicht kann ich ihm ja doch noch etwas Vernunft beibringen, damit es gar nicht so weit kommen kann, dass ihr die Haut ausfährt.
......
Ja, Lily, vielleicht. Aber vielleicht wirst auch du dich noch ändern.... ;)
Danke Stella_Granger für dein Feedback per pn :)
>>> Leute, falls jemand von euch reingeschnuppert und zufällig sogar bis zu diesem Kapitel gelesen hat (ich hoffe natürlich, weil die Geschichte euch gefällt und nicht einfach nur, weil ihr ein wenig gelangweilt herunter gescrollt habt, in der Hoffnung, dass das Kapitel bald rum ist) und ihr das zufällig gerade lest, dann schaut doch mal bei der lieben Stella rein und lasst ihr ein paar Reviews da. :)
Sie ist wie ich ganz neu hier - und wir erkunden gerade sehr neugierig die Wattpad-Welt ;)
Natürlich freu ich mich auch über Reviews - und falls ihr mir noch coole FFs empfehlen könnt: immer her damit - ich verschlinge gerne neue Stories :P
xxx
Eure Kate
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