Kate's Geburtstag
Es war ein sehr heißer Julitag – genauer der 29. Juli – und ihr tropfte der Schweiß von der Stirn. Müde wischte sie sich die Tropfen von der Stirn, aber das war ein aussichtloser Kampf gegen die Hitze, denn kaum waren die Tropfen abgewischt, tauchten die nächsten Schweißperlen auf der Stirn auf. Der Bus, in dem sie schon seit zwei Stunden saß, hielt in der kleinen schottischen Ortschaft namens Inverbervie. An der Haltestelle vor einer kleinen Kirche stand Kate mit ihren langen blonden Haaren und starrte fasziniert den Bus an. Als sie Lily entdeckte, winkte sie wie verrückt, sodass Lily herzhaft lachen musste und zurückwinkte. Kaum war sie aus dem Bus ausgestiegen, riss ihr Kate den Koffer aus der Hand und zog Lily mit sich durch den Ort bis ganz ans Ende, wo kaum noch Häuser und mehr Wald und Felder zu sehen waren.
Kate war eine von Lilys besten Freundinnen und teilte sich mit ihr und vier weiteren Mädchen den Schlafsaal in ihrer Schule. Fast schon zu munter für das heiße Wetter hüpfte Kate vor Lily her, den Koffer rechts neben sich her schaukelnd. Sie war zu aufgeregt wegen des heutigen Abends, dass es Lily beinahe mitriss. Beinahe. Wäre nicht diese quälende Hitze gewesen.
„Hier hinten ist es schon“, sagte Kate und bog um die Ecke. Es war ein Weg entlang einer hohen Hecke, über deren Rand man nichts erahnen konnte. Die Hecke war schon lange nicht mehr gepflegt worden, die Zweige ragten wild heraus. Allein wäre sie niemals auf die Idee gekommen, hier entlang zu laufen. Der Wald, der sich links neben dem Weg erstreckte, wirkte düster und sie hatte das Gefühl, dass sie hier hätte sterben können, wenn sie alleine wäre, und niemand hätte es je mitbekommen.
Entgegen Kates Aussage war kein Ende zu sehen. Lily hatte allmählich das Gefühl, dass sie mehr im Kreis liefen und irgendwann sicherlich wieder an der Hauptstraße ankommen müssten. Die Hitze drückte ihr noch immer ins rote Gesicht und Lily schnaufte, als Kate endlich rief: „Wir sind da!“ Sie deutete auf ein besonders verwüstetes Stück Hecke. Es war sehr zugewuchert und der Boden war so voller Unkraut, dass man gar nicht mehr erkennen konnte, was mehr Hecke, Boden oder Kraut darstellen sollte – aber ein Eingang war eindeutig nicht zu erkennen.
Kate schritt auf die Hecke zu. Stirnrunzelnd beobachtete Lily, wie Kate mit der Zunge zwischen den Lippen kurz in der Hecke wühlte und an etwas zog, das aussah wie ein knorriger Ast.
Plötzlich raschelte es und aus der Hecke ragte ein grünes Gesicht mit weiblichen Zügen hervor. „Kate-Schatz, bist du das?“ Die Stimme klang weiblicher als Lily von einer Hecke erwartet hätte. Soweit man sich natürlich Gedanken darüber machte, wie eine Hecke wohl klingen würde. Die Zweige bogen sich in der Mitte auseinander, sodass ein kleiner Durchgang entstand, und Kate war schon fast durch als sie sich umdrehte und lachte. „Hey, steh nicht so rum! Ich entführ' dich schon nicht!“
Das Haus war etwas größer als das von Lilys Eltern – und stand ein wenig schräg. Einige der grünen Fensterläden könnten mal wieder frisch lackiert werden und eines davon hing sogar nur noch an einer Scharniere. An einer Seite des Gartens waren wohl Gemüsebeete und Kräuter angelegt. Einige Hühner pickten munter auf dem Boden nach Würmern und ein paar Schweine ragten weiter hinter neugierig ihre Köpfe über den Zaun. Auf der anderen Seite war viel Wiese mit vereinzelten Obstbäumen. Die Wiese schien unendlich weit zu gehen und am Ende konnte man ein paar Bäume entdecken, die eng aneinander gereiht standen.
Vor der Haustür des Hauses lagen mehrere Sachen verstreut herum – eine kleine Metallschaufel, ein Eimer, ein brauner Ball, der seine besten Zeiten wohl schon hinter sich hatte, ein kleiner Besen und drei paar unterschiedlich große Gummistiefel. An der Hauswand entlang ranken sich Blumen aller Art und gaben dem Haus etwas Verwunschenes.
An der Haustür erschien eine zierliche Frau mit zerzausten, blassblonden Haaren. Lily erkannte das Gesicht von der Hecke wieder und ihr erschloss sich mit einem Mal, wieso die Hecke so weiblich klang. Hastig klopfte die Frau sich ihre bemehlten Hände an ihrer ohnehin schon schmutzigen Schürze ab.
Strahlend und mit offenen Armen lief sie den beiden Mädchen entgegen.
„Du musst wohl Lily sein!“, sagte sie lachend und packte Lilys Gesicht. Diese nickte nur, schmunzelnd über diese freudige Begrüßung. „Ich bin Sarena, Kates Mutter.“
„Eff freut mich ffehr, Ffie kennenzulernen“, antwortete Lily zwischen Serenas Händen. Es war dieselbe offenherzliche Freundlichkeit, die Lily von ihrer Freundin Kate nur zu gut kannte. „Komm ruhig herein!“ Kates Mutter nahm den Koffer und wies ihr mit der anderen Hand Richtung Tür.
Im Haus war alles voller Wärme eingerichtet – und neben den vielen Pflanzen im Haus entdeckte Lily bunte Webteppiche, Windspiele und sogar eine verstaubte Wand voller Bücher – die, wie Lily grinsend bemerkte, von Kate sicherlich nicht oft genutzt würde.
„Mein Zimmer ist oben“, meinte Kate und deutete Lily die schmale Holztreppe hinauf.
„Lasst den Koffer grad' hier stehen, ich schicke ihn euch nachher hoch.“, rief Serena aus der Küche. „Um Himmels Willen, es ist ja schon sechs Uhr und ich hab‘ den ersten Kuchen noch nicht mal fertig!“ Und während Kate Lily die Treppen förmlich nach oben schob, hörte man ein lautes Klappern und Knallen.
Kates Zimmer war kaum möbliert. Gegenüber der Tür stand einem Bett, am Fenster war ein Schreibtisch mit einem Stuhl und neben der Tür stand ein kleiner Schrank. Die Gitarre im Eck wirkte fast verloren, so wenig Leben steckte in diesem Zimmer. Einzig der Holzboden war vor lauter Matratzen kaum zu erkennen. „Willkommen in meinem Reich.“ Schwungvoll ließ sich Kate auf ihr Bett fallen. „Hier werden wir heute Abend schlafen. Wir haben ein Matratzenlager eingerichtet – ich hoffe es ist in Ordnung für dich.“ Doch Lily konnte nichts dazu antworten, denn im nächsten Moment fing der Schrank bedrohlich an zu wackeln. „Verflixt“, fluchte Kate, sprang hastig auf und während sie die Schranktür vorsichtig öffnete, presste sie ihre Hand rein, als würde sie etwas davor abhalten wollen, dass es sich rausdrückt und runterfällt. „Verrate es nicht meiner Mutter, sonst bin ich den ganzen restlichen Tag mit sortieren beschäftigt!“ Lily grinste. „Das Geheimnis ist bei mir sicher."
Zu Kates Glück blieb der Schrank den restlichen Abend zu und drohte nicht erneut aufzuplatzen. Beide hatten unten zwischen einigen Bäumen bunte Grilanden aufgehängt und neben einigen Getränken und Snacks auf einem Tisch hatten sie ein kleines Radio aufgestellt, aus dem etwas Musik einer magischen Rockband dudelte. Überall schwebten kleine bunte Kugeln, die etwas Licht und Stimmung in die Dämmerung brachten.
Es kamen viele aus ihrem Jahrgang. Lily erkannte ein paar Mädchen und Jungs aus Hufflepuff und zwei Ravenclaws, mit denen die Mädchen ab und zu zusammensaßen. Auch aus ihrem Haus traf Lily neben ihren Freundinnen Liz und Laura auch Mary, Alice, Frank und Remus. Zu ihrem Erstaunen stand auch Peter inmitten der Tanzfläche und versuchte sich mit zwei kichernden Hufflepuffs an einem Tanz, den die Mädchen ihm versuchten zu zeigen. Offensichtlich hatten die Mädchen ihren Spaß dabei, wie er ständig aus dem Takt geriet und fast über seine eigenen Füße stolperte.
Es war ein sehr entspannter Abend – bis zu diesem einen Moment.
Lily und Kate standen gerade am Tisch und während Kate fröhlich erzählte, wie sie von Remus über die Tanzfläche geschwungen wurde, schenkte sich Lily lachend etwas von dem Punsch aus der großen Schüssel in ein Glas ein.
„Kate, mein Liebes!“, ertönte eine Stimme aus dem Getümmel hinter den beiden und als sie sich umdrehten, stand eine etwas ältere Frau mit grau-schwarzen, kurzen Locken vor ihnen und drückte Kate ganz fest an sich. „Ich konnte es mir nicht nehmen, den 17. Geburtstag meines Patenkindes mitzufeiern!“ Die Frau richtete sich auf und schien erst jetzt Lily zu bemerken.
„Oh hallo, wie heißt du Hübsche denn?“, fragte sie und musterte Lily neugierig. Das Gesicht der Dame kam ihr so bekannt vor…
Sie streckte ihre Hand aus. „Lily Evans. Ich bin mit Kate zusammen...“ - „... bei Gryffindor! Jetzt weiß ich! Die begabte Muggelstämmige! Jaahh... Die roten Haare.. Hätte ich auch selbst darauf kommen können! Es freut mich sehr, Bekanntschaft mit dir zu machen!“ Die Frau ergriff sichtlich erfreut über die Bekanntschaft ihre Hand und schüttelte sie ausgiebig. „Euphemia. Mein Mann lässt sich leider entschuldigen – er hat heute einen wichtigen Termin in Amerika. Aber meine Jungs kennst du sicherlich…“ Und da wusste Lily, woher ihr das Gesicht bekannt vorkam.
Hinter der Frau erschienen zwei schwarzhaarige Jungs, einer verstrubbelter als der andere. Die Gesichtszüge von James Potter ähnelten seiner Mutter bis aufs Auge – und Sirius Black grinste dreckig, als er merkte, wie Lily beide mit offenem Mund anstarrte.
Empört riss sie Kate zur Seite. „Dein Ernst?“, zischte sie. Sicher, Kate und Potter kannten sich schon gefühlt seit sie ihre ersten Wörter brabbelten. Aber Kate wusste auch, dass er und Lily nicht gerade die besten Freunde waren. „Komm schon, du kennst ihn gar nicht so gut. Er ist wirklich sehr nett!“ Lily verdrehte die Augen. „Ich kenne ihn gut genug, dass ich jeden Kontakt zu ihm vermeide! Warum ist ausgerechnet er hier?“
In diesem Moment sah Lily mitten in sein Gesicht, das er lachend zu ihnen hinstreckte. „Tanzen?“, fragte er grinsend und zerrte sie und Kate am Arm zur Tanzfläche. Genervt riss sich Lily von ihm los, doch Kate zuckte kurz die Schultern und stolperte lachend mit Potter davon.
Zu Lilys Erleichterung blieb Potter möglichst von ihr fern. Sie spürte zwar gelegentlich seine Blicke, aber sie ließ sich nicht beirren und hielt sich an ihre Freundinnen und Remus.
Nach einigen Gläsern Punsch war Lily deutlich entspannter. Sie unterhielt sich angeregt mit Remus und ließ sich irgendwann von ihm auf die Tanzfläche führen. Es war eine ausgelassene Stimmung. Lily vergaß sogar Potters Anwesenheit und ließ sich wie die anderen Mädchen lachend über die Wiese schwingen. Gelegentlich wehte eine kühle Brise über ihre schwitzende Haut. Irgendwann zwang Kate Lily ein paar Muggellieder aus dem Radio laufen zu lassen und diese staunte nicht schlecht, dass alle die Musik tatsächlich mochten.
Um Mitternacht hatten die Eltern von Kate eine kleine Überraschung vorbereitet. Pünktlich und als alle von zehn herunterzählten, erschien über ihnen ein kleines Feuerwerk, bunt und fröhlich. „Endlich volljährig!“ Kate strahlte und nahm einen Gratulanten nach den anderen fest in die Arme.
Nach dem Feuerwerk war von den Erwachsenen nichts mehr zu sehen. Prompt wurde im Punsch etwas Schnaps geschüttet und die Stimmung wurde lauter, wilder, lustiger.
Kichernd und etwas erschöpft lehnte sich Lily an einen Baum. So frei hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Doch dies nahm ein jähes Ende, als sich plötzlich etwas über sie lehnte. Große, starke Hände ergriffen ihre Arme und pressten sie an den Baum.
Sie erschrak und riss die Augen auf. „Potter, was zum –“ „Warum?“, fragte er und starrte sie mit glänzenden Augen an. Sein Kopf wackelte leicht vor und zurück. Lily versuchte sich herauszuwinden, doch entweder hatte sie der Alkohol im Punsch leicht geschwächt oder Potter war noch stark genug, sie zu halten. Lily roch den Alkohol in seinem Atem und seine verklärten Augen sahen verletzlich aus. So hatte sie ihn noch nie erlebt – und sie hatte ihn schon oft bei Partys im Gryffindorturm beobachtet.
„Du bist betrunken“, stellte sie fest. Dass auch sie einen leichten Schwindel spürte, versuchte sie zu überspielen und hoffte, dass er es ihr nicht ansehen oder anhören konnte. Potter jedenfalls schien sich sichtlich zu bemühen, nicht zu lallen. Ihre Aussage ignorierend lehnte er sich noch weiter vor, dass sein heißer, nach Alkohol riechender Atem ihr Gesicht beschlug. „Warum… kannsu nich‘ einfach ma‘ nachgeben?“ Er atmete tief ein.
„Dasselbe könnte ich dich auch fragen!“, spuckte sie zurück. Genervt zerrte sie an den Armen. Merlin, hatte er eine Kraft!
„Warum willsu nich‘ … einmaal … mimir ausgehen?“
Zack – und da war sie wieder. Die Frage, die Potter ihr mindestens alle zwei Tage an den Kopf warf. Es war fast schon ein Spiel zwischen den beiden geworden: Potter fragte, sie verneinte. Nur mochte Lily solche Spiele nicht – erst recht mochte sie nicht für Potter irgend so ein Spielchen sein. Sie hatte schon alles probiert. Ihn ignoriert, angezickt, angebrüllt, angefaucht und ihm sogar versucht, es freundlich zu erklären – zumindest so freundlich wie es ihr ihm gegenüber gelang. Er ließ nie nach und brachte Lily damit zur Weißglut. Sie wusste, dass er sich mit Black immer einen großen Spaß daraus machte. Aber sie selbst fand es nicht witzig, sondern eher erbärmlich und kindisch.
„Lass – mich – los!“, zischte sie erneut, doch Potter lockerte den Griff nicht einmal ansatzweise. Wie kann man in solch einem Zustand noch immer genug Kraft haben?, fragte sie sich.
„Sag mir nur warum!“ Schmerzverzerrt verzog Potter das Gesicht.
„Du hattest zu viel vom Punsch!“ Und ich auch, dachte sie, doch sie straffte ihre Schultern und versuchte, sich zusammenreißen. Er zuckte jedoch leicht mit den Schultern und starrte sie weiterhin aufdringlich an. Zumindest versuchte er, dabei ernst auszusehen, aber sein Blick schwankte leicht und er wirkte, als würde der Kopf immer schwerer werden.
„Hör mal, Potter…“ „Nenn mich nich‘ immer Potter“, unterbrach er sie. „Sag James. Bitte. Ich willes einmaal aus deinem ssüüßen Mund hör’n!“ Lily verdrehte die Augen. „Du bist so widerwertig. Hast du dir eigentlich mal überlegt, dass nicht jede Frau Interesse an einem arroganten Kerl wie dich hat?“
„Ich versuch mich doch schon ssu ändern! Wassoll ich denn noch machen?? Ich würd‘ … mir sogar 'nnen Knallrüümffigen Köter …. Kröter auf die Brust tätowieren, wenn du das wills… Ich würde AALLES für dich tun!“ Die letzten Worte schrie er fast und Lily traf es tief im Knochenmark.
„Du hast zu viel getrunken, du weißt gar nicht was du sagst.“ „Ich weiß ssehr wohl, was ich sage!“, brüllte er und fügte etwas leiser hinzu: „und ich weiß was ich will." „Lass mich los, du tust mir weh!“ Ihre Worte waren mehr ein jämmerliches Krächzen. Gegen seine Kraft war sie machtlos und das brachte sie innerlich durcheinander. Sie ahnte was jetzt kommen würde und doch zuckte sie bei seinen Worten zusammen. „Ich will dich“, raunte er. „Ich will…. Aalsoo….“ Plötzlich änderte sich sein Blick zu dem eines Hundewelpen. Innerlich fing es in Lily an zu brodeln. Wenn er glaubte, dass dies bei ihre wirkte, hatte er sich geschnitten. Dieser Anblick bewirkte in ihr eher einen Brechreiz und sie spürte schon, wie es ihr langsam hochstieg.
„alsooo… ich liieebe dich, Lily…“
Nun schwankte auch sie und sie spürte, wie der Schwindel immer mehr in ihren Kopf stieg, sie fast vereinnahmte. Sie merkte noch leicht verschwommen, wie Potter von ihr weggezogen wurde, wie er sich sträubte und sie anstarrte, wie die Übelkeit immer größer wurde, sie sich umdrehte und plötzlich gar nichts mehr wusste. War es der Alkohol? Der Hundeblick? Das Geständnis, das er ihr nach Alkohol riechend ins Gesicht lallte?
Sie wusste nur noch, dass sie sich ruckartig umdrehte und dass jemand ihre Haare zurückhielt, während die Person ruhig auf sie einredete.
„Alles wird gut, lass alles raus…“
.......
„Life in the fast lane” – The Eagles
Das Lied hat mich zu dem Kapitel inspiriert. Meine Playlist ist voll mit Liedern, die Lily damals wohl gehört haben könnte.. Also falls ich mal sowas hinzufüge - bitte nicht wundern ;)
xxx
Eure Kate :)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro