Ein Abend voller Geheimnisse
Völlig erschlagen von dem Treffen liefen die zwei Schulsprecher unter dem Tarnumhang zurück zum Honigtopf. Es war mittlerweile etwas frischer geworden und Lily zog an ihren Ärmeln, um ihre Finger warm zu halten, während sie reuevoll an den Umhang dachte, der im Schloss auf ihrem Koffer lag.
Super, dachte sie. Ich bin auch richtig klever. Doch sie ließ sich neben Potter nichts anmerken, der gerade mühelos die Tür zum Honigtopf öffnete und sie mit reinzog.
Als sie beide hinein geschlüpft waren, zog Potter den Umhang ab und schloss die Tür.
Der sonst so fröhlich bunte Laden wirkte in der Dunkelheit und mit dem nur schwachen Licht einer Straßenlaterne beinahe unheimlich, weswegen Lily tief Luft holte und schnurstracks, ohne anzuhalten, Richtung Keller ging.
Unten bei den Steinplatten blieb sie stehen und zögerte. Welche der Platten war das nochmal? Fragend drehte sie sich um und wollte gerade Potter den Vortritt lassen, als sie bemerkte, dass sie allein im Keller war.
„Potter?", flüsterte sie. „Wo bist du?!" Doch keine Antwort kam.
Es war absolut still und lediglich eine kleine Maus auf dem Kellerboden machte sich geräuschvoll bemerkbar.
„Das ist überhaupt nicht witzig, Potter!", fauchte sie.
„James Potter! Wenn du mich mit deinem Umhang ärgern willst, dann Gnade dir..."
Plötzlich riss sie ihre Augen weit auf.
Irgendetwas rumpelte oben im Verkaufsraum.
Ängstlich blickte sie die Treppen hoch, Aber in der seichten Dunkelheit bewegte sich nichts.
„J-.... James?", fragte sie vorsichtig. Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme kaum verbergen.
Wo auch immer er war, es machte sie beinahe wütend, dass er sie hier alleine stehen ließ und ihr weiß-Merlin-was-auch-immer passieren könnte. Beinahe. Denn die Angst übertrumpfte die Wut und zitternd tastete sie mit ihren kalten Fingern nach ihrem Zauberstab.
Ein Poltern kam näher - und noch bevor sie den Zauberstab ziehen konnte, stolperte eine breite, unförmige Gestalt mit zerzausten Haaren die Treppen herunter. Die Gestalt stürmte direkt auf Lily zu, welche panisch einen Hechtsprung zur Seite machte. Doch die Gestalt drückte hastig ein großes, unförmiges Bündel zu Lily, sodass sie reflexartig danach griff, und sprang dann gezielt zu einem der Steine.
Als diese Gestalt - die nun nicht mehr so breit wirkte, da nun Lily alles in ihren Armen hielt - die Falltür öffnete und zu Lily aufblickte, erkannte sie niemand geringeres als den eben gesuchten... „James Potter!", zischte sie überrascht.
„Schnell, wir müssen hier weg!", flüsterte er und sprang in die Dunkelheit. Sekunden später streckte er seine Arme auffordernd hoch und sie drückte ihm das Bündel in die Arme, um selbst hinein zu hüpfen und umständlich die Falltür zu schließen.
„Lauf!", rief Potter und rannte davon.
„Was zum...?", rief sie hinterher, doch sie sah keinen anderen Ausweg, als ihm hinterher zu hechten.
„Was ist da drin?", keuchte sie. „Im Bündel! Was hast du da?!"
„Mein Tarnumhang!", brüllte Potter zurück.
„... Gefüllt mit Lollis und Schokolade!"
„Du hirnverbrannte Idiot!", brüllte Lily. Wütend beschleunigte sie ihr Tempo, um ihn einzuholen, doch er war schneller und rannte lachend davon.
„Na warte", zischte sie und zückte beim rennen ihren Zauberstab. „Carpe Retractum!"
Augenblicklich spürte sie einen Sog, der sie in einer so unerwarteten Geschwindigkeit nach vorne zog, dass sie die Kontrolle verlor und Potter schwungvoll mit zu Boden riss.
Beim Aufprall entwich ihr ein kleines „Iuw!", während Potter nur ein „Umpf!" von sich gab.
Erschrocken sah er zu ihr auf. Dann begann er jedoch, lauthals zu lachen. „Hör mal, du bist aber wild drauf!"
Doch mit einem lauten Patsch! verstummte sein Lachen und wich einem gespielt empörtem Blick.
„Du findest das witzig?!", brüllte Lily. „Wenn die uns beim Stehlen erwischt hätten..." - „... Was dann, Evans?", raunte er unter ihr und seine Augen strahlten sie auffordern an.
Dann, ohne jegliche Vorwarnung packte er sie - und ehe sich Lily versah, lag sie plötzlich unten und Potter kam ihr von oben gefährlich nah.
„Potter", wollte sie ihn ermahnend anzischen, doch es kam nur als schwaches Krächzen heraus. Was war das für ein Spiel? Und warum fühlte es sich so verboten gut an?
So schnell wie er ihr ganz nah war, war er auch schon aufgestanden und klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Ich stehle nicht. Ich bezahle für das, was ich mir hole." Dann streckte er ihr seine Hand entgegen. Dankbar nahm sie diese an und zog sich daran hoch.
„Das heißt, du hast das Geld auf dem Tresen hinterlassen?", fragte sie, während sie sich ebenfalls vom Staub freiklopfte.
„Exakt", antwortete er. Dann grinste er. „Wir wurden nicht erwischt. Ich wollte einfach nur deine Reaktion sehen, als ich panisch loslief! Dein Blick war einfach zu göttlich!"
Empört riss sie die Augen auf. „Du...!", brüllte sie wütend und schlug wild auf ihn ein. „Du bist der unqualifizierteste und idiotischste Schulsprecher, den Dumbledore sich hätte raussuchen können!"
Ihre Fäuste prasselten wie wild auf Potter ein, der sich schützend zur Seite krümmte und versuchte, ernst zu klingen. Doch seine kläglichen „Aua!"-Rufe waren so von Lachen gefüllt, dass Lily irgendwann aufhörte und ihn nur noch fassungslos anstarrte.
Allmählich beruhte er sich wieder und sah sie an. „Komm schon", sagte er. „Eigentlich hat es dir doch auch Spaß gemacht. Und - hey! Ich hab' sogar Minz-Schokobomben mitgebracht!" Begeistert griff er nach dem Tarnumhang, der bei dem Gemängel auf den Boden gelandet war, und wühlte kurz darin, um ihr kurz darauf eine kleine, grün-braune Kugel heraus zu ziehen. Triumphierend hielt er sie ihr entgegen und strahlte sie unschuldig an.
Der Anblick war so absurd, dass Lily nicht anders konnte als plötzlich lauthals los zu lachen.
Verwirrt starrte er sie an. „Stimmt was nicht?", fragte er. Mit dieser Reaktion hatte er wohl nicht gerechnet.
Doch Lily schüttelte den Kopf. „Du bist verrückt", sagte sie und griff nach der Minz-Schokobombe. „Vielen Dank für die gute Beute." Frech grinste sie ihn an, bevor sie sich genüsslich die kleine Kugel in den Mund schob. Augenblick explodierte alles in ihrem Mund und ein erfrischend minziger Geschmack breitete sich darin aus, während die Schokolade auf den Zähnen zerschmolz.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, merkte sie, wie Potter sie grinsend beobachtete. „Was ist?", fragte sie kichernd und leckte sich hastig etwas Schokolade von den Zähnen.
„Nichts", sagte Potter nur.
Fröstelnd zog Lily ihre Ärmel weiter über die Hände und verschränkte ihre Arme ineinander. „Komm, gehen wir weiter", sagte sie. Mit ihrer Schulter stupste sie Potter leicht in die Seite.
„Dir ist kalt", stellte er fest. Und obwohl sie felsenfest verneinte, spürte sie plötzlich, wie ihr plötzlich etwas dunkles über den Kopf gezogen wurde.
„Hey! Was...?", rief sie lachend, doch schon hatte er sie von hinten umarmt und versuchte, ihre Arme in den Pulli zu zwängen. Äußerlich protestierte sie, aber innerlich war sie dankbar für den Pullover, der noch warm von seinem Körper war. „Aber dann frierst doch du", sagte sie, doch Potter zuckte mit den Achseln und grinste sie an. „Besser als dich frieren zu sehen", antwortete er.
Verlegen schaute sie zu Boden.
Dann raffte er sein Umhang-Bündel auf und zog sie mit sich. „Komm. Gehen wir zurück zum Schloss."
Ohne Widerwillen gehorchte sie und folgte ihm durch den restlichen, ewig wirkenden Tunnel.
Als der Anstieg kam, verlor Lily wieder schnell die Puste, doch Potter lief schnurstracks weiter. „Wir sind gleich da!", rief er irgendwann. „Es ist nicht mehr weit!" Keuchend stapfte sie hinter ihm her - sehr bedacht darauf, nicht auszurutschen, damit sie den kompletten Anstieg bloß nicht noch einmal hinter sich bringen musste.
Missmutig lief sie weiter, bis sie plötzlich gegen Potter rempelte und überrascht aufjapste.
„Schhhh...", machte er und deutete ihr, leise zu sein. Gebannt schaute er auf ein seltsam gefaltetes Pergament. Als er merkte, wie Lily versuchte, die Zeichnungen mit den sich bewegenden Punkten zu erkennen, tippte er mit dem Zauberstab darauf und faltete es hastig zusammen.
„Erklär ich dir ein andermal", sagte er beiläufig und lächelte sie dann an.
Fasziniert blickte sie ihn an und verzog ihr Gesicht zu einem verschwörerischen Grinsen. „James Potter, du bist ja voll von mysteriösen Geheimnissen!", stellte sie fest.
„Tja, und du hast nicht mal ansatzweise ein Zehntel all meiner Geheimnisse aufgedeckt", raunte er zurück und Lily erschauderte.
Das Geplänkel mit ihm machte ihr auf eine verbotene Art Spaß - und das, obwohl sie wusste, dass es gefährlich falsch war, sich so auf ihn einzulassen.
Irgendwie gefiel er ihr, auch wenn sie es natürlich niemandem offen sagen würde - erst recht nicht ihm.
Und er roch so gut. Sein Geruch umhüllte sie mit dem Pulli und vernebelte dabei ihre Sinne. Sie saugte tief den Duft des Pullis ein und beobachtete dabei, wie seine Mundwinkel sich leicht nach oben zogen.
Reiß dich zusammen Lily!, ermahnte sie sich innerlich. Er macht das mit jedem Mädchen hier auf der Schule, das ist seine Masche! Ist er... Eine männliche Veela?
„Nein", flüsterte Lily verwirrt und schaute zum noch verwirrteren Potter hoch. „Was ist los?", fragte er.
„Du kriegst mich nicht so einfach", antwortete sie panisch.
Was, wenn er sie dann abservierte und vor allen dann zum Gespött der Schule machte?
Sie spürte wie ihr die Luft zu dick wurde zwischen den beiden hinter dem Wandteppich und ohne Potters verwirrte Fragen zu beachten, schlüpfte sie durch den Wandteppich und stürmte Richtung Schlafsaal.
Tränen rannten ihr über die Wangen, als sie in einem Klassenzimmer mit zitternden Händen die Tür hinter sich schloss. Energisch wischte sie die warmen, nassen Spuren auf ihrem Gesicht weg und versuchte sich zu fassen, indem sie tief durchatmete.
„Lily?", hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich.
Überrascht drehte sie sich um und sah ein ihr nur allzu bekanntes Gesicht vor sich.
„Laura?", flüsterte sie. „Was machst du hier?"
Laura schien ebenfalls sehr überrascht zu sein über das Zusammentreffen, denn sie schaute Lily mit weit geöffneten Augen und hängender Kinnlade an. Und als hinter Laura plötzlich der Kopf eines ihr nur zu bekannten Gryffindors auftauchte, wusste Lily nicht, was tatsächlich verwirrender war:
Eine verheulte Lily in einem ihr zu großen Pullover, auf dem ganz fett Potter stand - oder eine verknutschte Laura mit offener Bluse, hinter der ein zerzauster Steve McFortis mit rot verschmiertem Gesicht stand...
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